Autor Thema: [Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation  (Read 88330 times)

flip

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #75 am: 09.05.2023 10:10 »
„Die Übertragung von Tarifergebnissen auf die Besoldung der Beamtinnen und Beamten des Bundes erfolgt beim Bund zeitgleich und systemkonform. Dabei werden prozentuale Steigerungsraten üblicherweise durch den parlamentarischen Gesetzgeber ohne gesonderten Berechnungsschlüssel gleichermaßen auf die Besoldung übertragen.“
Allerdings wird es eine Einschränkung geben: „Bis zum 31.12.2024 werden allerdings prozentuale Erhöhungen der Besoldung noch um 0,2 Prozentpunkte vermindert und die dadurch „freigesetzten“ Mittel der Versorgungsrücklage als Sondervermögen zugeführt. Über alle anderen monetären Bestandteile des Tarifvertrags wird üblicherweise einzelfallbezogen entschieden. Richtschnur ist insoweit eine systemkonforme Übertragung auf die Besoldung, üblicherweise im Rahmen einer Volumenadäquanz zum Tarifergebnis“, so ein BMI-Sprecher.

Da die Bundesinnenministerin allerdings bei der Landtagswahl zum 21. Landtag in Hessen am 8. Oktober 2023 prominent mitmischen möchte, darf erwartet werden, dass sie das Thema zuvor „abgeräumt“ hat.

[Quelle: vbob aktuell]

Bastel

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #76 am: 09.05.2023 10:38 »
Glaubt irgendjemand, dass sie gewinnt??

Lichtstifter

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #77 am: 09.05.2023 10:57 »
Es war einmal ein Bundesbeamter, der wollte amtsangemessen alimentiert werden. Es war ein Kampf, der über Jahre auszutragen war, aber seine Helfer hatten nur Referentenentwürfe, die Platzpatronen gleichkamen. Da war aber noch die Zauberin Nancy, die mit viel Magie zeitnah einen Ausgleich der Missstände hervorbrachte und damit nicht nur den althergebrachten Grundsätzen des Beamtentums, sondern auch der modernen Welt Rechnung trug, dass selbst dem Prof. Dr. Dr. h.c. Battis ehrfürchtig die Ohren schlackerten. Untere Besoldungsgruppen mussten nicht mehr abgeschafft werden, eher konnte man bereits verloren geglaubte wieder zurückholen. Ein A1er befand sind fortan 20% über dem Grundsicherungsnivea(u). Beamte vermehrten sich wie die Karnickel. Die Kinder wuchsen friedfertig und mit viel Wissen für erneuerbare Energieen und zur Bekämpfung des Klimawandels auf. Von einer bevorstehenden Verfassungskrise konnte keine Rede mehr sein.
Dies bescherte ihr viel Ruhm, welcher ihr zur Eroberung Hessens mehr als hilfreich war.
« Last Edit: 09.05.2023 11:12 von Lichtstifter »

Knarfe1000

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #78 am: 09.05.2023 11:28 »
Glaubt irgendjemand, dass sie gewinnt??
Nein, aber das dürfte für die Besoldungsthematik Bund auch keine Rolle spielen. Oder übersehe ich was?

Finanzer

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #79 am: 09.05.2023 13:29 »
Zur Info: Der Sammelthread dient nur zur Darstellung der wichtigsten Informationen rund um das Thema "Amtsangemessene Alimentation". Fragen und Diskussionen sollen und können im dazugehörigen Diskussionsthread "Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)" gestellt werden.
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.0.html

Bitte beachten.

PolareuD

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #80 am: 15.05.2023 10:36 »
Vielen Dank an Swen Tanortsch!

Da die Bestenauslese einerseits an das Qualifikationsniveau gebunden ist und letzteres sich andererseits wiederum im Laufbahnprinzip Bahn bricht, kann es keine Betrachtung ausschließlich anhand bspw. von MINT-Fächer geben. Vielmehr werden die für die verschiedenen Laufbahnen vom Gesetzgeber festgelegten Qualitätsanforderungen betrachtet (unabhängig davon, dass die meisten Gesetzgeber das Laufbahnprinzip in den letzten Jahren nicht unerheblich aufgeweicht haben) und dann die Besoldung der entsprechend Beschäftigten mit Vergleichsgruppen außerhalb des Öffentlichen Diensts verglichen. BVerfGBeliever hat dabei am Bremer Beispiel hinsichtlich der Besoldungsgruppe A 13 einen weiteren Vergleich herangezogen. Ein weiteres typisches Beispiel hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Vorlagebeschluss vom 22.09.2017 - 2 C 4.17 - hinsichtlich eines zunächst nach A 9 und später nach A 10 besoldeten Polizeioberkommissars in Berlin wie folgt begründet (https://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/220917B2C4.17.0.pdf):

Zunächst hat es noch einmal die maßgeblichen Grundlagen betrachtet, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelt hat:

"Damit die Entscheidung für eine Tätigkeit als Beamter auch für überdurch-
schnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv ist, muss sich die Amtsangemessenheit
der Alimentation auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen, die
für vergleichbare und auf der Grundlage entsprechender Ausbildung erbrachte
Tätigkeiten außerhalb des in Rede stehenden öffentlichen Dienstes erzielt wer-
den (BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64
Rn. 124). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu einen Vergleich mit den
durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter
mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung angestellt und auf die Daten
der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamts zurückgegriffen.
In dem die Besoldungsgruppe A 10 in Sachsen betreffenden Verfahren hat es
als Bezugspunkt auf die Verdienste der Gruppe aller Vollzeitbeschäftigten in der
Leistungsgruppe 2 (herausgehobene Fachkräfte) mit Fachhochschulabschluss
abgestellt (BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -
BVerfGE 140, 240 Rn. 137)." (ebd., Rn. 78).

Daraufhin ist es hinsichtlich des Prozentsatzes der Vollzeitbeschäftigten aus der Leistungsgruppe 2 mit Fachhochschulabschluss, die einen geringeren Monatsverdienst hatten als das Grundgehalt für die Besoldungsgruppe A 10 in Berlin zu folgenden Ergebnissen gelangt (Rn. 80):


                  Grundgehalt 1. Stufe    Grundgehalt Endstufe
2006                            4                           33
2010                            3                           25
2014                            2                           19

Dieses Ergebnis hat es wie folgt betrachtet:

"Diese Diskrepanz ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten. Sie liegt sogar über
den bereits vom Bundesverfassungsgericht als 'deutliche Diskrepanz' und ver-
fassungswidrig eingestuften Vergleichszahlen des Bundeslandes Sachsen. Die
Zahlen belegen überdies die Entwicklungstendenz: Im Verlauf der Jahre 2006
bis 2014 hat sich das relative Besoldungsniveau der Beamten in der Endstufe
um 14 Prozentpunkte (weiter) verschlechtert." (Rn. 82)

Im Anschluss hat es hinsichtlich der Besoldungsgruppe A 9 hervorgehoben, dass es für die betreffenden Ämter  angezeigt erscheine, auf das Erfordernis eines Fachhochschulabschlusses zu verzichten und den Vergleich daher
mit allen Vollzeitbeschäftigen der Leistungsgruppe 2 anzustellen. Auch diese Daten könnten den vom Statistischen Bundesamt hierfür im Berufungsverfahren vorgelegten Zahlen entnommen werden. Sie zeigten folgendes Bild hinsichtlich des Prozentsatzes der Vollzeitbeschäftigten aus der Leistungsgruppe 2, die einen geringeren Monatsverdienst hatten als das Grundgehalt in der Besoldungsgruppe A 9 (Rn. 83 f.):

                          Grundgehalt 1. Stufe   Grundgehalt Endstufe
2006                                    5                             27
2010                                    4                             20
2014                                    2                             16

Dieses Ergebnis betrachtete das Bundesverwaltungsgericht wie folgt:

"Auch in diesem Vergleich ergibt sich, dass im Jahr 2006 bereits 95 % der ver-
gleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mehr verdient haben als ein
Berufsanfänger der Besoldungsgruppe A 9; im Jahr 2014 sind es sogar 98 %
und damit fast alle. Gemessen an der Endstufe aus A 9 haben im Jahr 2006
immerhin noch 73 % der vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft
mehr verdient, im Jahr 2014 sind es sogar 84 %." (Rn. 85)

Auf Grundlage der beiden Vergleiche ist es zu folgenden abschließenden Ergebnis gelangt:

"Insgesamt zeigt die Gegenüberstellung daher, dass die Verdienste der Berliner
Beamten gegenüber den vergleichbar Beschäftigten in der Privatwirtschaft
deutlich geringer sind. Dies gilt in besonderer Weise für die Berufsanfänger, die
Aussage gilt aber auch für die Endstufe der jeweiligen Besoldungsgruppe.
Durchgängig zeigt sich eine weitere Verschlechterung mit fortschreitender Zeit.
Relativ hat sich der Vergleich zulasten der Beamtenbesoldung weiter verscho-
ben, bei der Relation zum Grundgehalt der Endstufe sogar um 14 % (A 10)
bzw. 11 % (A 9)." (Rn. 86)

Wenn auch das Berliner Beispiel wegen der eklatanten Unteralimentation eine besondere Schwere aufweist, steht es i.d.R. in den anderen Bundesländern nur bedingt besser. Ein Vergleich der Besoldung und Entlohnung vergleichbarer Leistungsgruppen fällt durchgehend eher nicht zugunsten ersterer aus, um es mal so auszudrücken. Das kann zugleich wenig verwundern, da eben die in allen 17 Rechtskreisen gewährte Nettoalimentation allein deshalb bereits evident unzureichend ist, da sie weiterhin zumindest in den unteren Besoldungsgruppen das Mindestabstandsgebot verletzt. Da diese Verletzung sich wegen des Abstansgebots zwischen den Besoldungsgruppen offensichtlich durchgehend auf alle Besoldungssystematiken erstreckt und diese entsprechend ebenfalls als verletzt bedeutet, darf davon ausgegangen werden, dass sämtliche Besoldungsgruppen in allen Besoldungsordnungen entweder hinsichtlich des absoluten oder zumindest hinsichtlich des relativen Alimentationsschutzes verletzt sind. Die Vergleiche auf der zweiten Prüfungsstufe - wie gerade auch wieder das Berliner Beispiel gezeigt hat - bestätigen so die Ergebnisse der ersten, also die Vermutung einer evidenten Unteralimentation.

Das Bundesverfassungsgericht kann eine Prüfung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung nur auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen vornehmen, MoniMoin, was wiederum bedeutet: Der Gesetzgeber hat in seinen Entscheidungen ebenfalls den Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, also dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln sind. Im Rahmen des in Laufbahnen vollzogenen öffentlichen Dienstrechts sind entsprechend die an das Qualifikationsniveau gebundenen Voraussetzung des Amts zu beachten, soll heißen: Den Ämtern, die mit der identischen Besoldung besoldet werden (also denen dieselbe Besoldungsgruppe zugeordnet werden können), ist eine weitgehend gleiche Leistung und Verantwortung zuzuordnen, sie sind entsprechend als wesentlich Gleiches zu begreifen; denn wäre von einer unterschiedlichen Leistung und/oder Verantwortung auszugehen, stellten sich die beiden Ämter als wesentlich Ungleiches dar, sodass sie nach Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht weitgehend gleich besoldet und alimentiert werden dürften. Graduell unterschiedliche Anforderungen an Leistung und Verantwortung innerhalb einer Besoldungsgruppe kann der Dienstherr dabei wiederum im gesetzlichen Rahmen und unter Beachtung des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG durch bspw. verschiedene Ämterzulagen oder Leistungsprämien regeln, die gewährleisten, dass das jeweilige Amt amtsangemessen alimentiert wird, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Soweit erstreckt sich also die Aufgabe des Gesetzgebers, wie sie sich aus der Verfassung ableiten lässt.

Davon abzusehen unterliegt allerdings der Kontrollauftrag des Bundesverfassungsgericht darin, den verfassungsmäßigen Gehalt von Rechtsnormen zu prüfen - wie es in ständiger Rechtsprechung hervorhebt, darf es also nicht prüfen, ob der Gesetzgeber politisch oder moralisch zweckdienlich handelte (denn das sind innerhalb unserer verfassungmäßigen Ordnung Fragen, die sich die Exekutive und Legislative stellen müssen), sondern der Prüfauftrag erstreckt sich auf die Frage, ob eine einfachgesetzliche Rechtsnorm im Einklang mit den höherwertigen Verfassungsnormen steht, kann also nur kontrollieren, ob eine Rechtsnorm evident (also eindeutig) sachwidrig ist oder nicht:

"Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat [...]. Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung [...]. Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden" (vgl. die Rn. 27 in der aktuellen Entscheidung).

Von daher hat das Bundesverfassungsgericht also hinsichtlich des Laufbahn- und Leistungsprinzips unter anderem zu prüfen, ob die Attraktivität eines Amts hinsichtlich der vom Gesetzgeber zu beachtenden Bestenauslese gegeben ist oder nicht - und dabei kann es also nicht betrachten, ob es politisch sinnvoller wäre, bspw. IT'ler, die vom Gesetzgeber derselben Besoldungsgruppe zugeordnet worden sind, höher zu alimentieren als entsprechende Geisteswissenschaftler - diese Aufgabe unterliegt vielmehr dem Gesetzgeber. Sofern also der Gesetzgeber auf formal identischer Grundlage - also z.B. einem i.d.R. fünfjährigen Hochschulstudium, das mit einem Masterabschuss beendet wird, und einem zweijährigen Vorbereitungsdienst - Beamten unterschiedlicher Fachrichtungen mit dem identischen Grundgehalt besoldet - in der Höhe des Grundgehalts offenbart sich zuvörderst das Leistungsprinzip -, steht das im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, solange auch hinsichtlich der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung keine so starken Unterschiede gegeben sind, als dass diese Ämter sich als wesentlich Ungleiches herausstellten.

So verstanden vergleicht nun das Bundesverfassungsgericht auf der zweiten Prüfungsstufe seines Prüfungshefts wesentlich Ungleiches - die Besoldung von Beamten und die Entlohnung von Arbeitnehmern -, indem es versucht, eine möglichst gleichwertige Vergleichsgrundlage zu schaffen, indem es die jeweiligen Leistungsgruppen und deren Voraussetzungen in den Blick nimmt. Dabei geht es innerhalb des Vergleichs eben im Sinne des (verfassungs-)gerichtlichen Prüfauftrag nicht darum, am Ende festzustellen, ob der Gesetzgeber hier nun die gerechteste, zweckmäßigste oder vernünftigste Lösung gewählt hat, sondern "nur", ob die Regelung evident sachwidrig ist - und das ist sie nur dann, wenn sie nicht mit der Verfassung in Einklang steht, wenn also mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, dass durch die einfachgesetzliche Regelung eine Verfassungsnorm verletzt wird, was in unserem Fall heißt, wenn ein nachgewiesener Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 vorliegt, also das Leistungsprinzip durch die einfachgesetzliche Regelung verletzt wird. Entsprechend betrachtet das Bundesverfassungsgericht auf der zweiten Prüfungsstufe, nachdem auf der ersten Prüfungsstufe die Vermutung einer verfasungswidrigen Unteralimentation indiziert worden ist, ob sich diese Vermutung erhärtet oder nicht, indem es die Besoldung und Entlohnung von denselben Leistungsgruppen zuzuordnenden Tätigkeiten in den Blick nimmt und dabei voraussetzt, dass die Attraktivität eines Amtes und damit die Möglichkeit der Bestenauslese nur dann gegeben sein kann, wenn die Alimentation hoch genug ist, um entsprechend mit der Privatwirtschaft um Nachwuchs zu konkurrieren bzw. die jeweils bereits verbeamteten Beschäftigten im Dienstverhältnis zu erhalten. Es geht ihm also in der Prüfung weiterhin nicht darum, ob die gerechteste, zweckmäßigste oder vernünftigste Lösung gewählt worden ist, sondern nur, ob die gesetzliche Regelung - in unserem Fall: die Höhe der Besoldung - hinreichend ist, um mit der Verfassungsnorm im Einklang zu stehen, um also zu gewährleisten, dass das Leistungsprinzip weiterhin erfüllt wird.

Als Ergebnis kann die (verfassungs-)gerichtliche Prüfung also innerhalb von identischen Besoldungsgruppen nicht nach unterschiedlichen Prüfkriterien differenzieren, da die Prüfung davon ausgehen muss - solange sie die Höhe der Besoldung und also den amtsangemessenen Charakter der gewährten Alimentation prüft und nicht die jeweilige Ämterzuordnung -, dass die in der jeweils identischen Besoldungsgruppe eingruppierten IT'ler oder Geisteswissenschaftler über weitgehend dieselbe Leistungsfähigkeit verfügen, sodass die mit ihrem Amt verbundene Verantwortung ebenfalls weitgehend gleich ist. In diesem Sinne ist das konkrete Prüfverfahren auf der zweiten Prüfungsstufe zu verstehen und so betrachtet nicht widersprüchlich, sondern im Sinne des Prüfauftrags effektiv: Es ermöglicht an dieser Stelle ein weiteres Indiz (um mehr geht es nicht), ob eine einfachgesetzliche Rechtsnorm im Einklang mit den höherwertigen Verfassungsnormen steht oder nicht.

PolareuD

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #81 am: 15.05.2023 10:38 »
Zur Info: Der Sammelthread dient nur zur Darstellung der wichtigsten Informationen rund um das Thema "Amtsangemessene Alimentation". Fragen und Diskussionen sollen und können im dazugehörigen Diskussionsthread "Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)" gestellt werden.
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.0.html

Bitte beachten.

PolareuD

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #82 am: 05.06.2023 14:39 »
Aktueller ZBR-Beitrag 06/2023

Das im Wandel begriffene Alimentationsprinzip vor den konkreten Normenkontrollverfahren 2 BvL 2/16 bis 2 BvL 6/16

http://www.zbr-online.de/

Leseprobe: http://www.zbr-online.de/click_buy/2023/schwan.pdf

Kostenpflichtig!

PolareuD

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #83 am: 07.06.2023 12:00 »
Als Einzelartikel im PDF-Format ist der ZBR-Beitrag "Das im Wandel begriffene Alimentationsprinzip vor den konkreten Normenkontrollverfahren 2 BvL 2/16 bis 2 BvL 6/16" erhältlich unter:

https://shop.kohlhammer.de/das-im-wandel-begriffene-alimentationsprinzip-vor-den-konkreten-normenkontrollverfahren-2-bvl-2-16-bis-2-bvl-6-16-978-3-00-102390-2.html


Lichtstifter

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #84 am: 07.06.2023 12:15 »
Zitat
Bei FragdenStaat/ Open Knowledge foundation findet man viel über Untätigkeitsklagen.
https://forum.okfn.de/t/untaetigkeitsklage/987


https://dejure.org/gesetze/VwGO/161.html
Abs. 3
Zitat
In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Wenn sich weiterhin nichts tut in Sachen amtsangemessener Alimentation oder bei den Tarifrunden dann hätte man da ein schönes Mittel in der Hand. Jedenfalls wenn man genug Mitstreiter findet. Pro 1000 Leute die Untätigkeitsklagen einreichen entstehen für die beklagten Dienstherren 483.000 Euro Kosten.  8)

Oder man gründet gleich noch eine neue Gewerkschaft für amtsangemessene Alimentation und organsiert darüber massenhafte Untätigkeitsklagen.

In den letzten 3 Jahren ist jedenfalls in Sachen amtsangemessener Alimentation (für alle) nicht viel geschehen.

Vom Nutzer Ozymandias

PolareuD

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #85 am: 07.06.2023 19:56 »
Vielen Dank an SwenTanortsch für die nachfolgenden Berechnungen!

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich entsprechende Berechnungen hier im Forum bereits durchgeführt, allerdings trügt mich ggf. auch meine Erinnerung. Von daher erstelle ich hier noch einmal entsprechende Bemessungen. Da für das aktuelle Jahr 2023 offensichtlich noch kein 95 %-Perzentil oder eine entsprechende Mitteilung des PKV-Verbands vorliegen, gehe ich in das Jahr der letzten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zurück und betrachte also die Besoldungssystematik im Jahr 2020, das zugleich, denke ich, als Ausgangspunkt der mit der Corona-Krise eingeleiteten Zeit nach der "Zeitenwende" betrachtet werden kann. Hierzu bemesse ich zunächst das Grundsicherungsniveau sowie die Mindestalimentation (I) und im Anschluss die gewährte Nettoalimentation sowie den Fehlbetrag (II). Daraufhin betrachte ich dann die Mindestbesoldung mit der Folge für die Besoldungssystematik (III). Entsprechend hätte sich ebenso der Besoldungsgesetzgeber im Gefolge der aktuellen Entscheidung veranlasst sehen müssen, die gewährte Alimentation auf ihren verfassungskonformen Gehalt zu überprüfen. Da hier kein Gesetzgebungsverfahren begründet werden muss, gehe ich zugleich in doppelter Hinsicht vor, indem ich hinsichtlich der kalten Unterkunftskosten (a) das 95 %-Perzentil für Bayern in Höhe von 1.400,- € und (b) das 2020 niedrigste 95 %-Perzentil heranziehe, das sich mit 700,- € 2020 in Sachsen-Anhalt finden lässt. Diese zweite Berechnung kann als nicht realitätsgerecht hinsichtlich der Bemessung der Mindestalimentation angesehen werden, da es dem Beamten nicht zuzumuten ist, seinem Wohnsitz in dem Ort zu wählen, der die niedrigsten Wohnkosten aufweist (Rn. 60 der aktuellen Entscheidung), was für Bundesbeamte noch einmal besonders zu beachten wäre - andererseits soll hier ein Aufschluss über die Besoldungssystematik erstellt werden, sodass es sich anbietet, den Vergleich selbst unter nicht realitätsgerechten Prämissen zu vollziehen. Die Betrachtung mündet in einem kurzen Fazit (IV).


I. Grundsicherungsniveau und Mindeszalimentation 2020

Insgesamt sind der Bemessung des Grundsicherungsniveaus zunächst die Regelsätze für zwei Erwachsene und zwei nach dem Alter zu differenzierenden Kindern zugrundezulegen, wie sie dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung entnommen werden können. Sie betrugen 2020 780,- € und 588,- €. Weiterhin können die Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der monetäre Gegenwert der Sozialtarife nicht realtitätsgerecht bemessen werden, da zu ihnen vom Gesetzgeber bislang keine entsprechenden Daten veröffentlicht worden sind. Von daher können nur die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Beträge herangezogen werden, die 2020 pro Kind 37,23 € betragen haben. Darüber hinaus wurde 2020 nach dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz vom 30.06.2020 je Kind ein steuerfrei zu stellender Bonus von 300,- € gewährt, der ebenfalls hier mit einzubeziehen ist. Tatsächlich muss aber in der Realität hinsichtlich der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie hinsichtlich des monetären Gegenwerts der Sozialtarife von beträchtlich höheren Beträgen ausgegangen werden als der so zugrunde gelegte Betrag von 124,46 €, was bei der nachfolgenden Betrachtung der Fehlbeträge im Hinterkopf zu behalten wäre. Die Heizkosten sind 2020 anhand des jeweils geltenden Bundesweiten Heizspiegel mit den Abrechnungsdaten des Vorjahrs zu bemessen, die entsprechend 2020 22,61 € pro qm betrugen. In Bayern wie auch Sachsen-Anhalt ist von einer Wohnfläche von 90 qm für eine vierköpfige Familie auszugehen, sodass von monatlichen Heizkosten in Höhe von 169,58 € auszugehen ist. Auf dieser Basis lassen sich nun zwei Grundsicherungsnvieaus und Mindestalimentationen erstellen:


                                                   (a)                               (b)
Regelsätze:                                                1.368,-- €
+ Kalte Unterkunftskosten:        1.400,-- €                         700,-- €
+ Heizkosten:                                               169,58 €
+ Kosten der Bedarfe für
Bildung und Teilhabe/                                    124,46 €
Sozialtarife:

Grundsicherungsbedarf:            3.062,04  €                     2.362,04 €
Mindestalimentation:                 3.521,35 €                     2.716,35 €


II. Gewährte Nettoalimentation und Fehlbetrag 2020

Heranzuziehen ist die Besoldung eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe, also nach A 3/1, eingruppiert war. Heranzuziehen sind die Besoldungsbestandteile, die allen Beamten der Besoldungsgruppe gewährt worden sind. Nach dem Besoldungsrechner ergibt sich für 2020 das nachfolgende Bild hinsichtlich der Bruttobesoldung (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a?id=beamte-bund-2020neu&g=A_3&s=1&f=3&z=100&zulage=&stj=2023&stkl=1&r=0&zkf=0); zur Bemessung der steuerlichen Veranlagung ist laut der entsprechenden Mitteilung des PKV-Verbands ein BEG-Anteil in Höhe von 485,42 € heranzuziehen (https://www.bmf-steuerrechner.de/bl/bl2020/resultbl2020.xhtml?acckey=true). Die PKV-Kosten betrugen 2020 602,42 €. Als Kindergeld wurden monatlich jeweils 204,- € gewährt. Entsprechend ergibt sich das folgende Bild:

Grundgehalt:                                 2.301,21 €
+ Familienzuschläge:                        436,87 €
Bruttobesoldung:                           2.738,08 €
- Einkommensteuer:                         104,50 €
- PKV-Beitrag:                                  602,42 €
+ Kindergeld:                                   408,-- €

Nettoalimentation:                           2.439,16 €
Grundsicherungsbedarf: 3.062,04 €                      2.362,04 €
Fehlbetrag (absolut):        622,88 €                          ---
Fehlbetrag (%):                  20,3 %
Mindestalimentation:     3.521,35 €                     2.716,35 €
Fehlbetrag (absolut):     1.082,19 €                        354,31 €
Fehlbetrag (%):                 30,7 %                           13,0 %


III. Mindestbesoldung und Fehlbetrag

Die Mindestbesoldung kann nach den ZBR-Beiträgen des letzten und dieses Jahrs als der Äquivalenzwert betrachtet werden, der genau auf der Höhe der Mindestalimentation liegt, entsprechend ergibt sich das "Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation". Hierzu werden von der Mindestalimentation das Kindergeld subtrahiert und die PKV-Kosten addiert. Damit erhält man die Nettobesoldung, die sich äquivalent zur Mindestalimentation verhält. Addiert man hierzu die steuerliche Veranlagung, erhält man das entsprechende Besoldungsäquivalent, also die Bruttobesoldung auf Höhe der Mindestalimentation (a). Im Anschluss werden mit Ausnahme des Grundgehaltssatzes die weiteren Besoldungskomponenten subtrahiert, sodass man das "Grundgehaltsäquivalent zur Mindestalimentation" erhält, also den Grundgehaltsbetrag, der genau auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Es kann nun zu Vergleichzwecken mit den Tabellenwerten verglichen werden. Da es sich hier um ein indizielles Mittel handelt, können die Nachkommastellen grundsätzlich auf ganze Zahlen aufgrundet werden. Darüber hinaus müsste ich eigentlich ein "Spitzausrechnung" vornehmen, da die Besoldung erst zum 01.03.2020 erhöht worden ist. Die Berechnung erspare ich mir aber, da es ja nur um ein allgemeines Bild geht. In der Realität würden die Fehlbeträge noch etwas größer sein, da die Besoldung in den ersten beiden Monaten des Jahres 2020 geringer ausgefallen ist. Entsprechend ergibt sich das folgende Bild, für dessen Bemessung man insgesamt kaum eine Stunde Zeit benötigt:


Mindestalimentation:                    3.522,- €                     2.717,- €   
- Kindergeld:                                                    408,- €
+ PKV-Beitrag:                                                 603,- €
Äquivalente Nettobesoldung:         3.717,- €                     2.912,- €
+ Einkommensteuer:                       465,- €                        187,- €
Besoldungsäquivalent:                  4.182,- €                     3.099,- €
- Familienzuschläge:                                         437,- €
Grundgehaltsäquivalent:               3.745,-  €                    2.662,- €
tatsächliche gewährte
Grundbesoldung (A 3/1):                                 2.302,- €         
Fehlbetrag (absolut):                    1.443,-                          360,- €
Fehlbetrag (%):                               38,5 %                     13,5 %

Ein Grundgehalt in Höhe von 3.745,- € ist keinem Bundesbeamten in den Besoldungsgruppen A3 bis A 8 gewährt worden. In der Besoldungsgruppe A 9 hat erst die letzte Erfarungsstufe diesen Betrag knapp überschritten; in A 9/8 wurde ein Grundgehaltssatz in Höhe von 3.754,27 € gewährt. In A 10 überschritt erst die Besoldungsgruppe A 10/5 das Grundgehaltsäquivalent, in A 11/2 wurden die identischen 3745,12 € gewährt. Erst in der Besoldungsgruppe A 12 überstieg der Grundgehaltssatz ausnahmslos den Wert, der indiziell auf Höhe der Mindestalimentation gelegen hat. Entsprechend zeigt sich die Besoldungssystematik hinsichtlich eines in Bayern gelegenen Dienstorts in neun von 14 Besoldungsgruppen als verletzt; der indizielle Fehlbetrag lag bei 38,5 %, womit sich die Grundbesoldung indiziell um fast 2/5 zu gering entpuppt. Entsprechend offenbart sich die Systematik der Bundesbesoldung in einem so starken Maße als verletzt, dass es offensichtlich ausgeschlossen ist, den Ausschluss der deutlichen Erhöhung der Grundgehaltssätze sachgerecht begründen zu können.

Betrachtet man nun einen Dienstort in Sachsen-Anhalt, dann erreicht dort kein Beamter in der Besoldungsgruppe A 3 das Grundgehaltsäquivalent in Höhe von 2.662,- €. Erst die Besoldungsgruppen A 4/7, A 5/6, A 6/4, A 7/3 und A 8 mit einer Grundbesoldung von 2.685,05 in der ersten Erfahrungsstufe übersteigen jeweils das Grundgehaltsäquivalent. Dabei bliebe aber zu beachten, dass unter Bemessung anhand einer "Spitzausrechnung" auch hier noch ggf. ein Unterschreiten nicht unwahrscheinlich ist. Ebenfalls fällt ins Gewicht, dass die Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife mit 124,46 € offensichtlich zu gering angesetzt worden sind. Entsprechend darf davon auszugehen sein, dass hier indiziell mindestens sechs der 14 Besoldungsgruppen 2020 als verletzt zu betrachten wären. Damit zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem indiziellen prozentualen Fehlbetrag von 13,5 %, dass selbst in einem Bundesgebiet mit einem geringen Grundsicherungsniveau weiterhin eine deutliche Verletzung des Besoldungssystematik gegeben ist. Der Gesetzgeber wäre also selbst diesbezüglich gezwungen (gewesen), die Vermeidung der Anhebung der Grundgehaltssätze sachgerecht zu begründen, ohne dass ihm das in Anbetracht dessen, dass fast die Hälfte der Besoldungsgruppen von der Verletzung der Besoldungssystematik betroffen ist, möglich (gewesen) sein sollte.

IV. Fazit

Die Betrachtung der Mindestbesoldung anhand von Äquivalenzbeträgen zur Mindestalimentation ermöglicht indiziell eine umfassende Prüfung der Besoldungssystematik, so wie das in den beiden ZBR-Beiträgen methodisch dargelegt wird. Sie kommt für das in Augenschein genommene Jahr 2020, das den Ausgangspunkt der seitdem sich vollziehenden schweren ökonomischen Verwerfungen bildet, zu den dargelegten Ergebnissen. Zugleich sollte man davon ausgehen können, dass sich die Sachlage seitdem kaum substanziell verbessert hat. Nicht umsonst ist 2021 eine nominale Besoldungsanpassung um 1,2 % zum 01.04. erfolgt, die also eine reale Erhöhung um 0,9 % bedeutet hat, und 2022 erfolgte einer nominale Besoldungserhöhung zum 01.04. um 1,8 %, was real einem Wert von 1,35 % entspricht. Damit ist in jenem Zeitraum der Besoldungsindex von 2020 100 auf Ende 2022 auf 102,3 gestiegen. Die Verbraucherpreise sind 2021 um 3,1 % gestiegen und 2022 um 7,9 %. Damit steht dem genannten Besoldungsindex ein Verbraucherpreisindex von 111,2 gegenüber. Wie man in Anbetracht der in diesem Beitrag vollzogenen Prüfung ohne eine substanzielle Anhebung der Grundgehaltssätze zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation zurückfinden will, bleibt entsprechend das Geheimnis - bislang - der Bundesregierung. Es dürfte ausgeschlossen sein, dass sich ein solches Ansinnen sachgerecht begründen ließe. Ohne eine sachgerechte Begründung sind aber keine Gesetzesnovellierungen möglich, die als verfassungskonform anzusehen wären.

Wie gesagt, all das kann man zeitlich in rund einer Stunde bemessen und betrachten. Es besteht von daher kein sachlicher Grund, nicht umgehend zur Tat zu schreiten - es sei denn, man wollte weiterhin offensichtlich gezielt verhindern, "das massiv erschütterte Vertrauen der Beamtinnen und Beamten wieder zurückzugewinnen und den Alimentationsklagekreislauf zu durchbechen". Entsprechend endet der wichtige Beitrag Alexia Tepkes und Andreas Beckers - der beiden wichtigen Besoldungsspezialisten des dbb - aus dem letzten Jahr wie folgt: "Es gilt vielmehr Gesetze zu erlassen, die die Besoldung - unabhängig von der persönlichen Lebensgestaltung im Familienbereich - finanziell so ausgestalten, dass nicht nur die absolute Mindestbesoldung gewährt, sondern das Vertrauen der Beamtinnen und Beamten in ihren Dienstherrn auf tatsächlichen Erhalt der verfassungsrechtlich zustehenden amtsangemessenen Alimentation unter Berücksichtigung des Leistungsgedankens zurückgewonnen wird. Diese Aufgabe kann das Bundesverfassungsgericht den Dienstherrn nicht abnehmen." (ZBR 2022, S. 153 f.)

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #86 am: 08.06.2023 14:21 »
Übertragung des Tarifabschlusses 2023 auf Beamte und Versorgungsempfänger

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Bundesbesoldung und -versorgung für 2023/2024 und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAnpAendG2023_2024_RefE.pdf;jsessionid=2493243342CF1BBA9A873CE193F41A72.1_cid373?__blob=publicationFile&v=1

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #87 am: 08.06.2023 14:22 »
Zur Info: Der Sammelthread dient nur zur Darstellung der wichtigsten Informationen rund um das Thema "Amtsangemessene Alimentation". Fragen und Diskussionen sollen und können im dazugehörigen Diskussionsthread "Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)" gestellt werden.
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.0.html

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #88 am: 21.06.2023 08:35 »
Könnte mir jemand bitte grob sagen was auf mich zukommen würde?

Habe 2 Kinder, nicht bei mir im Haushalt lebend wegen Trennung. Bekomme den Kinderbezogenen Familienzuschlag da die Mutter keine Beamte ist.

Was würde sich für mich ändern bzw. Verbessern?

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Antw:[Sammelthread] - Amtsangemessene Alimentation
« Antwort #89 am: 22.06.2023 08:06 »
Quellenangaben zu den Berechnungen vom 07.06.2023. Vielen Dank an Swen!


1) Die Regelbedarfe ergeben sich aus § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2020 (RBSFV 2020) v. 15.10.2020 (BGBl. I 2019 S. 1452 - vgl. https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl119s1452.pdf%27%5D__1687377850750). Die Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 389,- € pro Monat gibt die Regelbedarfe für einen Erwachsenen, der mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebt. Für zwei entsprechende Erwachsene ergibt sich ein monatlicher Regelbedarf in Höhe von 778,- €. Die Regelbedarfe von zwei Kindern sind nach dem Alter auf Grundlage der Regelbedarfsstufen 4 bis 6 zu gewichten. Der Schlüssel zur Gewichtung sieht wie folgt aus:

- Regelbedarfsstufe 4 (Jugendlicher vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres):
4 x 328,- €
- Regelbarfsstufe 5 (Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres):
8 x 308,- €
-Regelbedarfsstufe 6 (Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres):
6 x 250,- €
- gewichtete Summe pro Kind: 5276,- € : 18 = 293,11 €. Regelbedarf für zwei Kinder: 586,22 €

Der Regelbedarf für eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft beträgt 778,- € + 586,22 € = 1.364,22 € (die Differenz zu den am 07.06. herangezogenen 1.368,- € ist für mich auf die Schnelle nicht aufzuklären).

2) Die kalten Unterkunftskosten für das Jahr 2020 sind der von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebenen "Aktualisierung der Auswertung zum Verfahren einer verfassungsrechtlichen Prüfung des Bundesbesoldungsgesetzes (Vorgang 2 BvL 4/18)" mit dem Erstellungsdatum vom 18.05.2021 zu entnehmen. Hier sind auf die "Laufenden Kosten der Unterkunft: 95 %-Perzentil der Größenklasse für Bedarfe an Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern" abzustellen (die Statistik ist nicht öffentlich zugänglich). Die kalten Unterkunftskosten setzen sich aus dem 95 %-Perzentil der laufenden Unterkunfts- und dem 95 %-Perzentil der laufenden Betriebskosten zusammen.

Die niedrigsten kalten Unterkunftskosten wies 2020 Sachsen-Anhalt auf: Das erstgenannte 95 %-Perzentil betrug 500,- €, das letztgenannte 200,- €, was hier in der Summe zu kalten Unterkunftskosten in Höhe von 700,- € führt.

Die höchsten kalten Unterkunftskosten wies zunächst einmal Hamburg auf, wobei es hier zu einer Verzerrung der statistischen Daten im Gefolge überproportional hoher Kosten bei der Unterbringung von Grundsicherungsberechtigten in Flüchtlingsunterkünften gekommen ist, weshalb die Daten so nicht herangezogen werden können, vgl. für die Jahre 2017 bis 2019 VG Hamburg, Beschl. v. 29.09.2020 - 20 K 7506/17 -, Rn. 87 (https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/MWRE200004703), dem hier ebenso für das Jahr 2020 gefolgt wird, da sich die statistische Verzerrung ebenfalls 2020 offensichtlich weiterhin fortgesetzt hat (das entsprechende 95 %-Perzentil der laufenden Unterkunftskosten ist von 2017 nach 2018 als einziges der 16 Bundesländer extrem angestiegen, nämlich um mehr 200 %, sodass die Beträge im Gefolge so nicht herangezogen werden können). Von daher sind der genannten Statistik als Höchstwerte die kalten Unterkunftskosten für Bayern zu entnehmen, die sich 2020 aus dem 95 %-Perzentil der laufenden Unterkunftskosten in Höhe von 1.150,- € sowie dem 95 %-Perzentil der laufenden Betriebskosten in Höhe von 250,- € zusammengesetzt haben, sodass ein Betrag in Höhe von 1.400,- € zu Grunde zu legen ist.

3. Die angemessenen Heizkosten werden vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung anhand der von der co2online GmbH erstellten "Kommunalen Heizspiegel" bemessen, worin das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht ihm gefolgt sind. Es ist das Produkt zu bilden aus dem Wert, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet, und dem Wert, der sich für den Haushalt als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder ergibt (BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R -, Rn. 23 ff.). Diese Methode hat das Bundesverfassungsgericht wie gesagt in der aktuellen Entscheidung als realitätsgerecht betrachtet (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 62 f.), weshalb es wie das Bundesverwaltungsgericht den für das jeweilige Besoldungsjahr geltenden "Bundesweiten Heizspiegel" mit den Abrechnungsdaten des Vorjahrs herangezogen hat (BVerwG, Beschl. v. 22.09.2017 - 2 C 56.16 -, Rn. 170 und BVerwG, Beschl. v. 30.10.2018 - 2 C 32.17 -, Rn. 110 ff.). Als Heizkosten ist für das Jahr 2020 im Gefolge der Entscheidungen der genannten drei Gerichte auf den Heizspiegel 2020 mit den Abrechnungsdaten des Vorjahrs abzustellen (https://www.heizspiegel.de/fileadmin/hs/heizspiegel/heizspiegel-2020/heizspiegel-2020.pdf). Hier ist auf der S. 4 der vergleichbare Höchstwert heranzuziehen, der sich entsprechend auf den Energieträger Fernwärme und die Gebäudefläche 100 bis 250 qm erstreckt und 22,61 € pro qm zu Grunde legt. Als Wohnfläche ist i.d.R. die Unterkunftsgröße heranzuziehen, die die Bundesländer aufgrund von § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung festgesetzt haben (WoFG v. 13.09.2001 BGBl. I 2001 S. 2376). Sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Bayern ist entsprechend eine Wohnfläche von 90 qm für eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft heranzuziehen, vgl. für Sachsen-Anhalt die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl. des MRS v. 23.02.1993 (MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1285); RdErl. des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr v. 10.03.1995 (MBl. LSA Nr. 31/1995, S. 1133); vgl. a. LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 17.12.2018 - L 4 AS 481/17 -, Rn. 30; vgl. für Bayern Ziff. 22.2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren über die Wohnraumförderungsbestimmungen 2012 (WFB 2012) v. 11.01.2012 (AllMBl. 2012 S. 20), die zuletzt durch die Bekanntmachung v. 28.11.2019 (BayMBl. 2019 Nr. 533) geändert worden ist.

Entsprechend ergeben sich in beiden Rechtskreisen jährliche Heizkosten in Höhe von 22,61 € x 90 = 2.034,90 € bzw. von monatlich 169,58 €.

4. Die Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der monetäre Gegenwert für die Sozialtarife lassen sich weiterhin für beide Rechtskreise nicht hinreichend realitätsgerecht heranziehen, da sie bislang von der jeweiligen Landesregierung nicht hinreichend vorgelegt worden sind. Entsprechend können weiterhin nur die - deutlich zu geringen - Pauschalbeträge herangezogen werden, wie sie den gesetzlichen Bestimmungen entnommen werden können (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 64 ff.). Diese Methodik betrachtet das Bundesverfassungsgericht zur gerichtlichen Prüfung als sachgerecht, sofern auch ohne Berücksichtigung der realitätsgerechten Beträge feststeht, dass der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau verletzt ist (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 71), was hier der Fall ist. Der Betrag ist zwischen 2011 und 2020 mit 37,23 € je Kind unverändert geblieben (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 145 f.). Im Jahr 2020 wurde darüber hinaus nach dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz v. 30.06.2020 (BGBl. I 2020 S. 1512) ein steuerfrei zu stellender Bonus von 300,- € je Kind gewährt, der bei der Bemessung des Grundsicherungsniveaus entsprechend zu beachten ist.

Es ergeben sich (nicht realitätsgerecht) Kosten in Höhe von 2 x (37,23 € + 25 €) = 124,46 €.

5. Im Ergebnis muss wegen der in Ziff. 1 genannten Ungenauigkeit korrigiert von einem Grundsicherungsbedarf in Höhe von 2.358,26 € (und nicht von  2.362,04 €) in Sachsen-Anhalt und von 3.058,26 € (und nicht von 3.062,04  €) in Bayern ausgegangen werden.

Eventuell hört sich nun die Bemessung ob der Länge des Beitrags kompliziert an - tatsächlich ist sie ganz einfach, wenn man der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in der aktuellen Entscheidung ab der Rn. 50 folgt und sobald man auf Grundlage der genannten Quellen die jeweiligen Bemessungsposten zusammengestellt hat. Weiterführende Infos findest Du auch in dem bekannten DÖV-Beitrag aus dem letzten Jahr ab der S. 199, der Beitrag beginnt dort auf der S. 198.