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Hilfe! Ich finde kein Personal mehr - Was tun?

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Steuerinnenzahler:
Hallo zusammen,

ich arbeite in einer größeren Kommune. In meinem Bereich wird überwiegend im mittleren Dienst beschäftigt, also zu 90% A/E7, A/E8.

Die Personalfindung war früher schon manchmal schwerfällig, am Ende hat man aber doch noch irgendwie alle Stellen besetzen können. Dies ändert sich seit ca. 1-2 Jahren. Natürlich hat man auf dem Schirm gehabt, dass es mit fortschreitender Zeit immer schwieriger werden wird, Personal zu finden (und hier lasse ich das Wort "geeignet" schon weg, weil wir alles nehmen müssen), aber irgendwie scheint nun spontan ein Kipppunkt erreicht worden zu sein, der die Situation mit einem Mal schlagartig verändert hat: Ich finde NULL Bewerber mehr. ZERO! Also zumindest intern. Externe Ausschreibungen waren dann kurzzeitig der Heilsbringer, aber auch da: Nahezu null Interesse mehr.

Gründe für die Situation sind vielfältig, insbesondere ist selbst im Bereich E9a kaum noch Personal zu finden, und da in meinem Bereich sowohl Publikumsbearbeitung (ergo mehr Stress und kein Homeoffice) als auch einschränkende Gleitzeit in Form von Öffnungszeiten vorherrschen macht das meine Stellen nicht gerade attraktiv.

Es handelt sich aber um eine Pflichtaufgabe, so dass die Arbeit zwingend zu erledigen ist.

Welche Handlungsansätze seht ihr? Kann man Mitarbeiter "verpflichten", bestimmte Tätigkeiten auszuüben, obwohl ich diesen dann den Weg versperre, sich auf höherwertige Stellen zu bewerben, die in der Fläche ebenfalls verfügbar sind? Kann ich mir schlecht vorstellen, zumal dann die Flucht in andere Städte, wo die Situation nicht viel anders ist, einsetzen wird.

Aber was sonst soll man machen, wenn einfach keiner mehr auf dem Markt verfügbar ist und, wie wir ja gerade wieder merken, die Tarifverhandlungen auch nicht ansatzweise zu einer derart verbesserten Einkommenssituation führen, dass der öD attraktiver wird? Alle Stellen anheben scheitert ja an den Tätigkeitsmerkmalen. Zulagen wie bei der IT gibt es nicht.

Ideen? Lösungsansätze? Und damit meine ich nicht "Bildet doch mehr aus", ich benötige das Personal sofort und nicht erst in 2-3 Jahren, zumal man an der Front eh keinen Einfluss auf die Ausbildungssituation hat. Und wenn ich an die immer noch andauernde Verrentungs-/Pensionsflut in den nächsten Jahren denke, frage ich mich, wie der Staat das überleben will, wenn Kernaufgaben einfach nicht mehr erfüllt werden können. Ich werde mit dem Problem ja kaum allein sein.

SVAbackagain:
Der Arbeitgeber kann die auszuübende Tätigkeit ja anderen Arbeitnehmern übertragen, die eine gleichwertige Tätigkeit auszuüben haben. Eine nicht eingruppierungsrelevante Tätigkeitsänderung ist grundsätzlich von seinem Direktionsrecht gedeckt.

Organisator:

--- Zitat von: Steuerinnenzahler am 28.02.2023 08:29 ---Ideen? Lösungsansätze? Und damit meine ich nicht "Bildet doch mehr aus", ich benötige das Personal sofort und nicht erst in 2-3 Jahren, zumal man an der Front eh keinen Einfluss auf die Ausbildungssituation hat. Und wenn ich an die immer noch andauernde Verrentungs-/Pensionsflut in den nächsten Jahren denke, frage ich mich, wie der Staat das überleben will, wenn Kernaufgaben einfach nicht mehr erfüllt werden können. Ich werde mit dem Problem ja kaum allein sein.

--- End quote ---

Interessanter werden durch:
- Mehr Einkommen durch Anwendung tariflicher Regelungen für die Stufen
- Schaffung eines besseren Arbeitsumfeldes (z.B. Homeoffice mit guter technischer Ausstattung, störungsfreies Arbeiten im Büro, Feelgood-Goodies)

Verbesserung der Arbeitsabläufe
- Mehr Automatisierung zur Bearbeitung von Standardfällen ohne Personaleinsatz
- Betrachtung der Prozesse zur Effizienzsteigerung
- Verkürzung der Entscheidungswege / Zusammenfassung von Bearbeitung / Entscheidung
- Reduktion der Komplexität der Arbeitsaufgaben
- Senkung der Erwartungen an die Arbeitsqualität

Rentenonkel:
Dieses Problem hat auch bereits im Beamtenrecht das BVerfG erkannt und deswegen ja auch Anpassungen im Bereich der Beamtenbesoldung angemahnt.

Erst wenn es für wieder einen spürbaren Unterschied zum Bürgergeld und vergleichbaren Berufen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, wird sich die Anzahl der Bewerber spürbar verbessern.

Bis dahin bleibt dir nur übrig, die Stellen anzuheben (soweit möglich), Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, Gleitzeit anzubieten und auszubauen, Teilzeitmöglichkeiten und Home Office ermöglichen, durch Synergieeffekte (Digitalisierung, Modernisierung der Strukturen) und Zusammenarbeit mit anderen Kommunen Aufgaben zu bündeln, Aufsteigerkurse für den einfachen Dienst zu ermöglichen, Zugewanderte durch Sprachkurse integrieren und den Rest durch Arbeitsverdichtung zu erledigen. Man kann auch gezielt mit Bildungsträgern für Leistungen zur Teilhabe sprechen und dort Umschüler abwerben oder Crash Kurse (z.B. für Flüchtlinge mit einer vergleichbaren Ausbildung im Ausland) mit einer Übernahmegarantie ins Leben rufen.

Erst wenn das alles nicht gelingt werden wir uns alle daran gewöhnen müssen, dass bestimmte Aufgaben nicht ad hoc erledigt werden können. Vielleicht wird dann das Bewusstsein der Verantwortlichen wachsen, dass ein starker öffentlicher Dienst uns allen zu Gute kommt, aber auch seinen Preis hat.

was_guckst_du:
..die desolate Personalsituation existiert mittlerweile flächendeckend..da nützt auch kein internes Hinundhergeschiebene mehr (weil da Löcher an anderen Stellen entstehen)...

...in meiner Behörde wird seit ca 10 Jahren verstärkt ausgebildet (die Zahl der Auszubildenden hat sich verfünffacht)...aber auch das reicht inzwischen nicht mehr...hinzu kommt, dass in diesem Jahr aufgrund der mangelnden Bewerberlage nicht alle Ausbildungsstellen besetzt werden können (obwohl das Anspruchsniveau in den letzten Jahren schon runtergesetzt wurde)...

...da nun die Babyboomer in Rente und Pension gehen werden, wird es noch viel schlimmer werden...

...auch im öD wird es erforderlich, eine "Zeitenwende", möglichst mit einem ordentlichen "Doppelwums", einzuleiten, will man den ganzen Laden nicht in naher Zukunft komplett gegen die Wand fahren...

...wenn man sich aber aktuell die Haltung der AG in den Tarifverhandlungen ansieht oder die der Politik bei der Umsetzung einer verfassungskonformen Besoldung, kann man nur noch den Kopf schütteln...

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