Selbst in den oberen EG halte ich Schadensatz aus Vertretung heraus für schwer darstellbar. Genauso wie "unten" muss der AG doch auf Eventualitäten vorbereitet sein; zumindest in der Theorie. Als Richter würde ich da die "selbst-Schuld-Linie" ganz ganz dick zeichnen.
Hier gehts aber nicht um die mangelnde Vorsorge und einen Schaden, der abgewendet werden kann, wenn man ausreichend vorsorgt. Hier gehts um höhere Kosten, die bedingt durch das pflichtwidrige Fernbleiben erst entstehen. Nämlich, in dem ein Mitarbeiter die Vertretung übernimmt, für den dann mehr zu zahlen ist.
Ok, aber sind diese Mehrausgaben, denn ein Schaden, der Schadensersatzansprüche rechtfertigt?
Vielleicht mal grundlegend zum Schadensersatzrecht:
Bei Schadensersatz wird betrachtet, wie jemand mit schädigendem Ereignis dasteht und wie ohne schädigendes Ereignis.
Beispiel 1:
MoinMoin hebt nach Tariferhöhung 300 € vom Konto ab. Ich nehme ihm 300 € weg. Anderen Geld wegnehmen ist ein schädigendes Ereignis, da gegen eine Schutznorm verstoßen wird, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 242 BGB (Diebstahl).
Ohne schädigendes Ereignis hat er 300 € in der Tasche. Mit schädigendem Ereignis 0 €.
Schaden: 300 €.
Beispiel 2:
MoinMoin hebt nach Tariferhöhung 300 € vom Konto ab. MoinMoin verliert 300 € beim Spazierengehen.
Hier gibt es schon kein schädigendes Ereignis.
Es gibt kein schädigendes Ereignis.
Zudem muss das schädigende Ereignis kausal sein. Es muss also ein Zusammenhang zwischen Ursache des schädigenden Ereignisses und dem Schaden bestehen.
Beispiel 1:
Hier bin ich die Ursache. Hätte ich ihm das Geld nicht weggenommen, hätte er die 300 € noch.
Beispiel 2:
Hier besteht schon kein schädigendes Ereignis, also kommt es auf einen Zusammenhang von Ursache und Schaden nicht an.
Nun aufs Arbeitsleben bezogen:
Beispiel 3:
MoinMoin arbeitet im Vertrieb für Tiernahrung. MoinMoin wird krank und kann nicht arbeiten.
Ich habe niemanden, der den Vertrieb übernimmt und kann keine Tiernahrung für 20.000 € verkaufen.
Allerdings ist MoinMoin krank und muss keine Arbeitsleistung erbringen.
Es besteht schon kein schädigendes Ereignis.
Beispiel 4:
MoinMoin arbeitet im Vertrieb für Tiernahrung. MoinMoin wird krank und kann nicht arbeiten. Ich muss den Kollegen Organisator einspannen, damit er den Vertrag zum Verkauf von Tiernahrung über 20.000 € zum Abschluss bringt.
Auch hier kein schädigendes Ereignis, da MoinMoin krank keine Arbeitsleistung erbringen muss.
Beispiel 5:
MoinMoin entscheidet sich, trotz bestehenden Vertrags, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Wegen des Vertrags wäre er dazu aber verpflichtet.
Ich habe niemanden, der den Vertrieb übernehmen kann und kann keine Tiernahrung für 20.000 € verkaufen.
Schädigendes Ereignis: MoinMoin bleibt entgegen des Vertrags der Arbeit fern.
Schaden: 20.000 €
Aber: Ich muss damit rechnen, dass Arbeitnehmer der Arbeit fern bleiben, also muss ich bei kurzfristigem Ausfall
Ersatz vorhalten.
Halte ich keinen Ersatz vor, ist das Fernbleiben von MoinMoin zwar vertragswidrig, aber nicht kausal für den Schaden von 20.000 €. Schließlich hätte ich als Arbeitgeber mit Ausfall rechnen müssen und dies in meiner Personalstärke mitberücksichtigen müssen.
Schädigendes Ereignis (+), Schaden (+), Kausalität (-)
Schadensersatzanspruch (-).
Jetzt im öD.
Beispiel 6:
AN-Chef wird krank oder kommt nicht mehr. Ich kann ihn durch vergleichbaren AN2 ersetzen und die Arbeit wird erledigt. AN2 muss ich dafür 500 € mehr zahlen.
AN-Chef ist krank und muss keine Arbeitsleistung erbringen.
Schädigendes Ereignis (-)
Beispiel 7:
AN-Chef entscheidet sich, trotz bestehenden Vertrags, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Wegen des Vertrags wäre er dazu aber verpflichtet.
AN2 übernimmt die Arbeit. Allerdings muss ich AN2 dafür 500 € mehr bezahlen.
Schädigendes Ereignis: (+)
Pflichtverletzung, er hätte zur Arbeit kommen müssen
Schaden: (+)
500 €
Kausalität: (+)
Wäre AN-Chef zur Arbeit gekommen, hätte ich AN2 nicht 500 € mehr zahlen müssen.
Schadensersatzpflicht: (+)
Und zwar in Höhe des Schadens.
Ok, aber sind diese Mehrausgaben, denn ein Schaden, der Schadensersatzansprüche rechtfertigt?
Denn der AG könnte ebenso 3 Eg9b zu je 33% die Aufgaben Übertragen und hätte dadurch keine Mehrausgaben.
Und dieser Schaden wäre ebenso eingetreten, wenn der Eg11er ein halbes Jahr krankheitsbedingt ausgefallen wäre.
Somit entsteht doch der Schaden nicht durch die Kündigung, sondern durch die Organisationsstruktur/Personaldecke (fehlende Vertretungen) und Personalstruktur ("junger" Eg11er wird durch "alten" 9bler ersetzt)
Es können nun nicht alle Chef sein und sich selbst anleiten. Außerdem gibts mitunter organisatorische Hinderungsgründe. Wenn ich 10 Mitarbeiter im Ordnungsamt habe, sind davon 9 auf der Straße und einer der Schichtleiter im Behördengebäude. So weit, dass sich 3 von 10 im Innendienst, vielleicht noch während einer Schicht, abwechseln müssen, reicht die Schadensminderungspflicht nicht.
Außerdem steht es im Organisationsermessen des Arbeitgebers, den geeignetsten Mitarbeiter mit der Vertretung zu betrauen.