Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rs20180612_2bvr173812.html) - in einer damals von vielen - insbesonderere eher gewerkschaftsnahen Wissenschaftlern und Publizisten - so nicht erwarteten sachlichen Unmissverständlichkeit das Streikverbot für Beamte als einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums betrachtet. So wie es 2020 in der aktuellen Entscheidung das Mindestabstandsgebot ebenfalls als einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums betrachtet hat, und zwar hier nun in einer sachlichen Unmissverständlichkeit, die wiederum für die Dienstherrn offensichtlich recht überraschend gekommen ist. Es hat mit seiner Rechtsprechung damit den eigenen Weg zur weiteren Ausformung der Dienstrechtsrechtsprechung recht deutlich vorgegeben. Nicht umsonst hat es in der Entscheidung zum Streikverbot bereits im dritten Leitsatz auf die enge Verbindung wesentlicher Grundsätze des Berufsbeamtentums hingewiesen, indem es dort hervorhob, das Streikverbot "weist eine enge Verbindung auf mit dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, der Treuepflicht, dem Lebenszeitprinzip sowie dem Grundsatz der Regelung des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber".
Zugleich hat es dort in entsprechender Unmissverständlichkeit ebenso klargestellt, dass "die Folgerung unabweisbar [ist], dass die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts als ein besonders wesentlicher hergebrachter Grundsatz anzusehen ist, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber verpflichtet ist" (Rn. 123). Die Fortentwicklung des Alimentationsprinzips, wie sie dann 2020 vollzogen worden ist, schließt an dieser Sicht auf die Dinge an. Denn als Folge der aktuellen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ein Besoldungsniveau festgelegt, das deutlich über das hinausgeht, was zuvor das Bundesverwaltungsgericht 2017 und 2018 als amtsangemessen begriffen hat, sodass es in der Logik der gerade skizzierten Rechtsprechung der Sicherung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts den ihm zukommenden Rang zugewiesen hat. Dabei sollte zugleich beachtet werden, dass nun wiederum das Bundesverwaltungsgericht mit seinen beiden genannten Vorlagebeschlüsse 2017 und 2018 hinsichtlich der Höhe einer amtsangemessenen Alimentation noch einmal deutlich über das hinausgegangen ist, was zuvor die nachgesetzten Gerichte als amtsangemessen betrachtet haben. Hätten die sachlichen Argumente, die zu einem entsprechend deutlich niedrigeren Alimentationsniveau geführt hätten, das Bundesverfassungsgericht überzeugt, wäre es ihnen gefolgt. Als ein daraus resultierendes Ergebnis hätten wir uns dann hier seit 2020 viele Beiträge sparen können. Denn auf Basis der einfachgerichtlichen Rechtsprechung der Jahre vor 2020 wäre das bis dahin gewährte Besoldungsniveau weit überwiegend als hinreichend zu betrachten gewesen (und wären also auch das heutige Besoldungsniveaus und insbesondere die Grundgehaltssätze als Hauptkomponente der Besoldung weiterhin weit überwiegend hinreichend), um eine amtsangemessene Alimentation zu gewährleisten.
Durch die unmissverständliche Klarstellung eines deutlich höheren Besoldungsniveaus, als es die Dienstherrn ihren Beamten bis heute gewähren und das also erst zu einer amtsangemessenen Alimentation führen kann, hat das Bundesverfassungsgericht 2020 letztlich seine weitere Rechtsprechung strukturell vorgegeben, was es einstimmig getan hat. Dabei wird es ebenso solange nicht von seiner Sicht auf das Streikverbot abrücken, wie der Art. 33 Abs. 5 GG nicht im Zuge einer Verfassungänderung grundlegend anders ausformuliert werden würde, was es 2018 u.a. wie folgt begründet hat:
"Nach allgemeiner Auffassung zählt die Treuepflicht des Beamten zu den Kernbestandteilen der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. nur Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 33 Rn. 186 m.w.N.). Inhaltlich verlangt die Treuepflicht, dass der Beamte bei Erfüllung der ihm anvertrauten Aufgaben seine eigenen Interessen zurückzustellen hat (vgl. BVerfGE 119, 247 <264>). Arbeitskämpfe der Beamtenschaft lassen sich damit nicht in Einklang bringen. Befürchtungen, wonach ein solches Verständnis das Beamtenverhältnis zu einem grundrechtsfreien Bereich mache, in dem die Gehorsamspflicht dazu führe, dass den Beamten ähnlich der Vorstellung des besonderen Gewaltverhältnisses keine eigenen Rechte gegenüber dem Dienstherrn zuerkannt würden (vgl. Hensche, in: Däubler, Arbeitskampfrecht, 3. Aufl. 2011, § 18a Rn. 46), sind unbegründet. Die Treuepflicht schließt mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG nicht jegliches private oder berufsständische Engagement des Beamten aus; ein generelles Betätigungsverbot des Beamten für eine Koalition stellt weder einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dar, noch folgt es aus dem Sinn und Zweck des Beamtenverhältnisses (vgl. BVerfGE 19, 303 <322>).
Eine enge Beziehung weist das Streikverbot darüber hinaus zu dem Alimentationsprinzip auf (vgl. BVerfGE 44, 249 <264>; 130, 263 <298>), das nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums darstellt (vgl. BVerfGE 8, 1 <16>; 117, 330 <349>; 119, 247 <263>; 130, 263 <292>). Der Beamte verpflichtet sich mit Eintritt in das Beamtenverhältnis, seine gesamte Arbeitskraft dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfGE 21, 329 <345>; 119, 247 <263 f.>). Als Ausgleich hat der Dienstherr den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (vgl. BVerfGE 130, 263 <292> mit Verweis auf BVerfGE 8, 1 <14>; 117, 330 <351>; 119, 247 <269>). Art. 33 Abs. 5 GG enthält damit eine unmittelbare, objektive Gewährleistung des angemessenen Lebensunterhalts und gewährt wegen der Eigenart des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses, in welchem dem Beamten kein Einfluss auf die Ausgestaltung seiner Arbeitsbedingungen zukommt, zugleich ein grundrechtsähnliches, materielles Recht gegenüber dem Staat (vgl. BVerfGE 8, 1 <17>). Hiermit geht die einseitige, hoheitliche Festlegung der Besoldung der Beamten durch den Dienstherrn einher.
Das Streikverbot ist nach der gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Konzeption des Berufsbeamtentums sowohl mit dem Alimentationsprinzip als auch mit der Treuepflicht untrennbar verbunden. Mit diesen beiden funktionswesentlichen Prinzipien lässt sich ein Streikrecht für Beamte nicht vereinbaren; das Streikverbot gewährleistet und rechtfertigt vielmehr erst die gegenwärtige Ausgestaltung der genannten Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem Streikverbot des Art. 33 Abs. 5 GG um ein eigenständiges, systemnotwendiges und damit fundamentales Strukturprinzip des Berufsbeamtentums (vgl. Bitsch, ZTR 2012, S. 78 <79 f.>; a.A. Klaß, Die Fortentwicklung des deutschen Beamtenrechts durch das europäische Recht, 2014, S. 306). Seine Preisgabe würde die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Ordnung des Berufsbeamtentums grundsätzlich in Frage stellen (vgl. Seifert, KritV 2009, S. 357 <368, 372 ff.>)." (Rn. 150 ff.)
Entsprechend auch dieser sachlichen Ausführungen darf erwartet werden, dass das Bundesverfassungsgericht in den angekündigten drei Entscheidungen seine 2020 fortgeführte neue Dogmatik zum Besoldungsrecht nun in der Kontinuität weiterentwickeln wird, wie sie seit 2012 vollzogen worden ist. Dabei dürfte es bspw. nicht unwahrscheinlich sein, dass es weitere direktive Vorgaben auch zur Betrachtung des Mindestabstandsgebots machen wird (wobei diese Konkretisierung ggf. auch erst der übernächsten Entscheidung vorbehalten sein wird; dafür spricht ggf. weiterhin die Auswahl der angekündigten Entscheidungen). Nicht umsonst hat es in der aktuellen Entscheidung bspw. auf die besondere Bedeutung der Kinderbetreuungskosten hingewiesen und deren Beachtung in die Verantwortung der Besoldungsgesetzgeber gelegt (vgl. die Rn. 69), ohne eine weitergehende Betrachtung mangels 2020 bereits vorliegender realitätsgerechter Daten selbst durchführen zu können bzw. durchzuführen, da auch ohne solche Betrachtungen der evident unzureichende Gehalt der gewährten Nettoalimentation festgestanden hat (Rn. 70 f.). Von daher hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe und hinsichtlich der Sozialtarife für das Jahr 2015 in Berlin monatliche Kosten in Höhe von 74,46 € zugrunde gelegt (Rn. 146; dieser nicht realitätsgerechte Betrag ergibt sich direkt aus dem Gesetz und spiegelt insofern nicht die tatsächlichen Bedarfe wider). Das VG Berlin ist auf Basis einer realitätsgerechten Betrachtung für das Jahr 2016 zu entsprechenden Kosten in Höhe von 167,06 € gelangt (vgl. die Entscheidung vom 16.06.2023 - 26 K 157/23;
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE235008239/part/L -, Rn. 269).
Auch in diesen letzten Ausführungen zeigt sich vor allem eines, was hier ebenfalls bereits wiederkehrend dargelegt worden ist: Je länger die Dienstherrn mit der Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation zuwarten werden, als desto höher wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit das verfassungsrechtlich gebotene Besoldungsniveau als Folge weiterer Konkretisierungen der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung herausstellen. Wie hier schon mehrfach hervorgehoben: Wären die Besoldungsgesetzgeber nach 2012/2015 zu einer verfassungskonformen Gesetzgebung zurückgekehrt, wie sie das Bundesverfassungsgericht bis dahin vorgezeichnet hat, hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl vergangenheitsbezogen als auch zukünftig deutliche Personalkosteneinsparungen rechtfertigen können, was ihnen seit spätestens 2020 so nicht mehr möglich ist. Und je länger sie ihren länderübergreifenden konzertierten Verfassungsbruch aufrechterhalten, desto teuerer wird es eben werden, unabhängig davon, dass das Bundesverfassungsgericht das Streikverbot für Beamte in der Bundesrepublik Deutschland auch zukünftig als Verfassungsrealität begreifen wird, da es nach seiner Rechtsprechung Verfassungsrealität ist. Und da dem so ist, ist dem so.