Autor Thema: Verbeamten lassen oder tarifbeschäftigt? Ich kann mich einfach nicht entscheiden  (Read 5899 times)

Violol

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 23
Hallo zusammen,

ich hoffe, mir kann auf diesem Wege jemand den entscheidenden Denkanstoß geben, da ich mich nur im Kreis drehe. Folgende Situation:

Ich (31, ledig) arbeite als Tarifbeschäftigte bei der Stadt München und werde derzeit nach TVöD E9c, Stufe 3 bezahlt. Mein Gehalt beträgt aktuell ca. 2800€ netto und unter Berücksichtigung der Tarifverhandlungen dann ab nächstem Jahr ca. 3000-3100€ netto. Darin sind folgende Zulagen  enthalten: doppelte Münchenzulage 270€, Arbeitsmarktzulage für erschwerten Parteiverkehr 200€ (beides brutto)).

Ich habe nun die Möglichkeit, mich ab September verbeamten zu lassen. Dann wäre ich 1 Jahr in Probezeit bis September 24 und in Besoldungsgruppe A9, Stufe 3 und ab da dann A10 Stufe 4. Problem: Ich habe keine Ahnung, ob sich das lohnt. Ich habe den Antrag schon eingereicht, aber wirksam wird das Ganze meines Wissens erst mit Unterschreiben der Urkunde. Daher zögere ich derzeit noch.


Gegen eine Verbeamtung sprechen aus meiner Sicht folgende Gründe:

1. Die Tarifverhandlungen für TVL (und damit indirekt für Landes- und Kommunalbeamte) stehen noch aus. Wenn die schlechter ausfallen, als für TVöD, dann habe ich deutlich weniger Geld.

2. Zulagen bei den Beamten etwas geringer, insgesamt 130€ weniger (brutto). Ist aber evtl. auch irrelevant, da weniger Steuern gezahlt werden, damit ggf. höheres Netto.

3. In dem einen Jahr Probezeit verliere ich grob geschätzt aufgrund der niedrigeren Eingruppierung mal locker 2000-3000€.

4. Ich weiß nicht, wie easy es ist, sich innerhalb der Landeshauptstadt München als Beamtin auf höhere Stellen zu bewerben.

5. 1 Stunde längere Arbeitszeit pro Woche (ist mir eigentlich egal)

6. "Knechtschaft" mit dem Dienstherren eingehen --> kann nicht beurteilen, ob das wirklich ein Nachteil ist.


Pro Verbeamtung sprechen natürlich die üblichen Gründe, die aber aus meiner Sicht irgendwie ziemlich schnell entkräftet sind.

1. Jobsicherheit --> habe ich als TB auch jetzt schon

2. Pension --> GRV + VBL-Betriebsrente kommt fast aufs selbe hinaus, vielleicht etwas weniger.

3. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall --> nice to have, aber zumindest aus aktueller Sicht kann ich sagen, dass ich so gut wie nie krank werde und das daher auch nicht als Vorteil sehe (ändert sich ggf. im Alter...).

4. Familienzuschläge etc.: Ich bin ledig und habe auch keine großartige Familienplanung auf absehbare Zeit, also bringt mir das auch nichts.


Und dann wäre da noch die PKV. Keine Ahnung, ob das ein Vorteil oder Nachteil ist. Für mich fühlt es sich eher wie ein Nachteil an wegen dem ganzen Aufwand, der damit einhergeht (mit Ärzten bzgl. Rechnungen diskutieren, alles bei PKV und Beihilfe einreichen etc.).

Irgendwie spricht alles gegen eine Verbeamtung. Habe ich hier irgendwas übersehen? Ist Verbeamtung doch nicht so toll, wie alle sagen? Ich hoffe, mir kann hier jemand Input geben, damit ich endlich eine finale Entscheidung treffen kann.

Vielen Dank im Voraus!  :)



clarion

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,831
So zumindest aus den monetären Erwägungen heraus, ist die Entscheidung doch nicht so schwer. Man nehme die Tabellenwerte plus die Beförderungserwartung als TB und Beamter und vergleiche. Die Wertentwicklung der VBL wird nach der derzeitigen Rechts und Sachlage mit max. 1 % verzinst. Wenn die Inflation lange hoch bleiben sollte,  ist das wohl eher kein solcher  gutes Geschäft wie es mal war

Bastel

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 4,360
Die VBL wird auch erst steigen, wenn du in Rente bist. Vorher bleibt der Wert der Punkte bei 4€. Wenn du es schaffst auf eine E11 oder gar E12 zu kommen, könnte es sich als TBler mehr lohnen.

MoinMoin

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 5,465
So zumindest aus den monetären Erwägungen heraus, ist die Entscheidung doch nicht so schwer. Man nehme die Tabellenwerte plus die Beförderungserwartung als TB und Beamter und vergleiche. Die Wertentwicklung der VBL wird nach der derzeitigen Rechts und Sachlage mit max. 1 % verzinst. Wenn die Inflation lange hoch bleiben sollte,  ist das wohl eher kein solcher  gutes Geschäft wie es mal war
Findest du?
Als Beamter hast du einen fremdbestimmten "klaren" Einkommensweg.
Als Angestellter hast du alles selber in der Hand, sofern du nicht einen Beruf gewählt hast, der dich (so wie Beamte) an den öD und in engeren Verwendungsbereichen bindet.

Mit Kinder dürfte es sich durchaus schnell lohnen, ohne da hängt es davon ab welchen Berufsweg man sich als Angestellter vorstellen kann.
Wenn man auch als Angestellter sagt: Das ist mein AG, hier werde ich in Rente gehen, so will ich leben, dann ist in der Tat der B Weg eine (auch nicht monetär) gute Entscheidung.

Meine Meinung ist jedoch, wer als erstes Entscheidungskriterium die monetäre Entwicklung auf seiner Entscheidungsliste hat, der ist grundsätzlich nicht gut als Beamter aufgehoben, geschweigen denn hat die Softskills zum Berufsbeamtentum und wird eher leiden.

Für mich wäre es der Tot gewesen, auch wenn ich jetzt wieder gerne im öD bin.

teclis22

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 331


Meine Meinung ist jedoch, wer als erstes Entscheidungskriterium die monetäre Entwicklung auf seiner Entscheidungsliste hat, der ist grundsätzlich nicht gut als Beamter aufgehoben, geschweigen denn hat die Softskills zum Berufsbeamtentum und wird eher leiden.

Für mich wäre es der Tot gewesen, auch wenn ich jetzt wieder gerne im öD bin.

Kannst du das bitte ausführen?
Du hattest das in verschiedenen Threads schon öfter erwähnt. Was ist die Begründung für deine Aussage?

z. B.
- Softskills fürs Beamtentum
- monetär keine gute Entscheidungsgrundlage
- warum wäre es für dich der 'Tot' gewesen?

MoinMoin

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 5,465
Kannst du das bitte ausführen?
Du hattest das in verschiedenen Threads schon öfter erwähnt. Was ist die Begründung für deine Aussage?

z. B.
- Softskills fürs Beamtentum
- monetär keine gute Entscheidungsgrundlage
- warum wäre es für dich der 'Tot' gewesen?

Wenn Menschen über das sich verbeamten lassen Gedanken machen und es wie ein Arbeitgeber / Arbeitnehmer Verhältnis betrachten, dann fehlt es an einem Grundverständnis, was das besondere Dienst und Treueverhältnis ausmacht.
(Auch wenn beide Seiten es nicht mehr wirklich einhalten, sowohl Dienstherr als auch Beamte)

Ein (inzwischen eher theoretischer) Aspekt ist, dass man 24h als Beamte dem Dienstherren zu "dienen" hat.

Als Softskill bezeichne ich eben diese "unabdingbare" Treue zum Dienstherren, die jemand "spüren" sollte wenn er sich und sein Leben dem Dienstherrn verschreibt.
Dazu gehört unter anderem, dass man in der Lage sein muss, seine eigenen persönlichen Meinungen und Gefühle komplett auszuschalten, wenn man sein Dienst versieht und während man nicht seinen Dienst versieht weiterhin ein Vertreter des Dienstherren ist nicht 100% "frei".

Wenn z.B. jemand als Beamter versetzt wird, weil woanders jemand gebraucht wird, dann sollte man ohne murren seine Koffer packen und dorthin gehen, weil das ist der Deal und gehört zum Softskill.
Und ist einer der Gründe weswegen mEn man Beamte benötigt:
Der Staat hat einen verlässlichen und planbaren Kernstamm an Menschen, die jederzeit überall für ihn da sind, um den Staat am laufen zu halten.

So meine persönliche, etwas plakative Meinung zum Sinn des Beamtentums.
Daher wenn man des Geldes wegen Beamter wird, ist man mEn nicht geeignet ein Beamter zu sein.

Für mich wäre der Beamtenweg der Tot gewesen, weil ich viel mich beruflich hätte nicht so einengen lassen und in meinen Freiheiten so beschränken hätte wollen.

Daher habe ich es klar abgelehnt Beamter zu werden und bin lieber zwischen öD und pW gewechselt.

teclis22

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 331
Danke für die Erläuterungen.

Ich gehe da zwar nicht mit, verstehe nun aber den Hintergrund der aussagen besser.

Viele Grüße

Stefan35347

  • Moderator
  • Full Member
  • *****
  • Beiträge: 179
Tot, Du bist vom Sieg umschlungen.... ;D

2strong

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,484
Wenn Du im öffentlichen Dienst bleiben willst, rate ich Dir klar zur Verbeamtung. Die Dienstposten sind oftmals einen tick höher bewertet als im Tarifbereich, dadurch ergibt sich - auch nach Abzug der PKV - ein Höheres Netto. Außerdem hast Du mit der PKV die grundsätzlich bessere Krankenversicherung. Das macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn Du mal nen Facharzttermin brauchst ("MRT? Kein Problem! Morgen Früh oder lieber schon heute Nachmittag?"). Last but not least die Pension: 70% vom letzten Gehalt vs. nur 60% Deines Durchschnittsgehalts (inkl. VBL). Sollten irgendwann Frau und Kinder hinzutreten, greifen weitere Absicherungsaspekte des Beamtentums.

Beamter

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 161
4. Ich weiß nicht, wie easy es ist, sich innerhalb der Landeshauptstadt München als Beamtin auf höhere Stellen zu bewerben.

Bei der LHM kein Unterschied zwischen den beiden Beschäftigtengruppen.

Tagelöhner

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 885
Ich kann die Ausführungen von MoinMoin nur teilen. Wenn man (wie heute üblich) nur ein Alibibeamter werden möchte für den der mit Wechsel ins Beamtenverhältnis und der damit verbundene Eid nur ein Lippenbekenntnis ist um die Vorteile/Privilegien mitzunehmen und die damit verbundenen Pflichten, sobald sie abgerufen werden sofort für unzumutbar hält, dann sollte man besser mit allen Vor- und Nachteilen Tarifbeschäftigter bleiben, und sich die Möglichkeit eines Wechsels in die Privatwirtschaft offen halten.

Die Beamtenschaft tut sich mit zu vielen Alibibeamten auch keinen Gefallen, da das System von innen heraus erodiert und den Rückhalt der Allgemeinbevölkerung verliert.

AR76

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 50
Zu 2. - wieso reden die Leute immer davon, dass Beamte weniger Steuern zahlen? Ist auf das Brutto korrekt, aber nur weil dieses höher ist. Ansonsten zahlen wir genauso wie alle anderen auch.

Beim TVÖD ist bei Stufe 5 Schluss, wie viele Erfahrungsstufen hat Bayern? Und wie sind die Sprünge zur E10 gegenüber der A11 etc.

Ich denke, perspektivisch bekommst du mehr Netto als Beamtin - nach einer anfänglichen Durststrecke. Musst halt schauen, was du PKV in deinem Alter nimmt.

Und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die spätere (noch) Pension sollte man auch beachten.

clarion

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,831
Ich behaupte mal, dass der Dienstherr  zur Erosion das Meiste selbst beiträgt. Man stelle sich vor, das BVG stellt fest, dass keiner der 17 Dienstherren verfassungsgemäß besoldet. Anstelle, dass die Dienstherren peinlich berührt  diesem Mangel sofort abhelfen, sind wir schon im dritten Jahr, in dem die Dienstherren durch immer mehr oder weniger kreativen, auf jeden Fall verfassungswidrig Klimmzüge beweisen,  dass sie ganz und gar nicht gewillt sind,  verfassungsgemäß zu besolden. Was ist eigentlich mich mit den Amtseiden unserer Regierungen und Parlamentarier?

Zurück zum Thema.  Wer sich die Option  PW erhalten will, fährt als TB besser.

Opa

  • Gast
Zu 2. - wieso reden die Leute immer davon, dass Beamte weniger Steuern zahlen? Ist auf das Brutto korrekt, aber nur weil dieses höher ist. Ansonsten zahlen wir genauso wie alle anderen auch.
Für Beamte gilt die besondere Steuertabelle. Der Beamte zahlt bei gleichem Brutto sogar deutlich mehr Steuern, als der Angestellte.

Elur

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 136
Genau! Als ich verbeamtet wurde, wunderte ich mich anfangs, warum ich als Beamtin deutlich mehr (mehrere 100 Euro) monatlich an Lohnsteuer zu zahlen hatte wie mein Mann, obwohl er in etwa dasselbe verdiente.