@ AVP
Wie gesagt, was Du schreibst, ist mir inhaltlich durchaus sympathisch und kann ich politisch und/oder moralisch unterschreiben. Es bleiben aber durchgehend "nur" politische Forderungen (so wie gerade auch wieder in der Antwort an Opa), die als solche weder dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG noch dem Leistungsprinzip aus Art. 33 Abs. 2 GG zu entnehmen wären. Es besteht hier also weder eine verfassungsrechtliche Zwangsläufigkeit noch überhaupt ein entsprechender Auftrag an den Besoldungsgesetzgeber, in dem von Dir erhofften Sinne zu handeln. Dabei kann verfassungsrechtlich gleichfalls nicht ins Feld geführt werden, dass der Bundesbesoldungs- und Sozialgesetzgeber identisch seien, da sich an ihn - je nachdem, in welcher Funktion er handelnd tätig wird - unterschiedliche Anforderungen richten, die er jeweils zu erfüllen hat, wenn er seine jeweilige Funktion ausfüllt: Der (Bundes-)Besoldungsgesetzgeber hat im Zuge der Prüfung des Mindestabstandsgebots die (vom Sozialgesetzgeber und also zu einer anderen Zeit vollzogene) Sozialgesetzgebung sachgerecht zu beachten; er hat sie (die Sozialgesetzgebung) aber nicht im Sinne des Besoldungsrechts zu verändern, da das Beamtenrecht kein Spezialgebiet des Sozialrechts ist. Zwar ist der Bundestag in seiner Funktion als Sozial- und in seiner Funktion als Besoldungsgesetzgeber während einer Legislaturperiode auf Personengleichheit angelegt; ein Gesetz ist aber nicht an die Personen gebunden, die es verabschieden, sondern auf die Sache zu beziehen, die es regeln soll. Da die jeweilige Sache unterschiedlichen Rechtsgebieten unterliegt, sind die jeweiligen Forderungen getrennt voneinander zu betrachten, da alles andere sachgerecht nicht möglich wäre.
Entsprechend kann eine Prüfung, wie Du sie Dir vorstellst, vonseiten des Bundesverfassungsgerichts so nicht stattfinden, da es damit seine Kontrollfunktion überschreiten würde, nämlich nicht mehr allein prüfen würde, ob eine besoldungsrechtliche Regelung evident sachwidrig und damit nicht mit der Verfassung in Einklang stände - es würde in der Prüfung also nicht mehr allein um die Sachgerechtigkeit einer gesetzgeberischen Entscheidung gehen -, sondern der Zweite Senat würde nun die Gerechtigkeit, Zweckmäßigkeit oder Vernunft einer politischen Entscheidung
auf ihre Güte hin prüfen, womit er seinen Kontrollauftrag überdehnen würde und letztlich nicht mehr allein juristisch, sondern bereits explizit politisch handelte. Damit würde er sich zu einer Art Nebengesetzgeber aufschwingen, den das Grundgesetz nicht kennt und der die Grundlagen unseres demokratischen Rechtsstaats gefährden müsste.
In diesem Sinne fasst das Bundesverfassungsgericht seinen Kontrollauftrag grundsätzlich eng, so, wenn es wiederkehrend hervorhebt (ich lasse hier mal, anders als ich das zumeist mache, die begründenden Verweise des Bundesverfassungsgerichts auf seine Rechtsprechungspraxis bestehen, da es im Einzelnen durchaus interessant ist, diese zu lesen und nachzuvollziehen; im Ergebnis des Nachvollzugs wird Dir deutlich werden, dass Du ein politisches Ziel verfolgst, mit dem Du Dich an den Gesetzgeber - also i.d.R. an einen Abgeordneten Deines Vertrauens - wenden solltest oder für das Du selbst eine politische Inititiative anstoßen könntest, mit dem Du aber nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts warten solltest, da es sich solange nicht in Deinem Sinne äußern wird, wie es nicht eine evidente Sachwidrigkeit feststellte - entsprechend ist der letzte Satz des Zitats zu verstehen, nämlich sowohl in seinem ersten feststellenden Teil als auch in seinem zweiten Teil, der die Feststellung im Sinne des Kontrollauftrags begründet, nämlich die sachgerechte Begründung hervorhebt, die allein das Bundesverfassungsgericht zu prüfen hat):
"Bei dem Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE 8, 1 <22 f.>; 13, 356 <361 f.>; 26, 141 <158 ff.>; 71, 39 <52 f.>; 103, 310 <319 f.>; 114, 258 <288>; 117, 372 <381>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>; stRspr). Dies gilt sowohl mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG als auch hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfGE 56, 146 <161 f.>; 145, 304 <332 Rn. 86>). Wegen dieses weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, überprüft das Bundesverfassungsgericht nicht, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 110, 353 <364>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 107, 218 <244 f.>). Jede Besoldungsordnung enthält unvermeidbare Härten und mag aus Sicht der Betroffenen fragwürdig sein. Solche Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (BVerfGE 110, 353 <364 f.>; 145, 304 <331 f. Rn. 85>)." (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, Rn. 18;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/10/ls20181016_2bvl000217.html)
Ergo: Wie es Opas Beispiel als Beispiel richtig anführt - so wie Ryan nicht minder richtig und also zurecht auf die Problematik des Beispiels hinweist (jedes von uns ins Feld geführte Beispiel bleibt unvollständig, da wir es nicht in seiner Gänze betrachten können) -, kann es keine allgemein verbindliche Festlegung der Abstände zwischen Besoldungsgruppen geben, die das Bundesverfassungsgericht festlegen könnte; denn dann würde es erneut seine Kontrollfunktion überdehnen und selbst politisch handeln. Vielmehr ist der Besoldungsgesetzgeber im Zuge seiner Gesetzgebung gezwungen, die Ämterwertigkeit zur Grundlage unterschiedlich hoher Besoldungsniveaus zu machen und also die unterschiedlich hohen Besoldungsniveaus aus dem jeweiligen Wert, dem die mit einem Amt verbundene Leistung entspricht, heraus sachlich zu begründen (genau deshalb lassen sich die hohen familienbezogenen Besoldungskomponenten, die seit 2021 zunehmend Eingang in die Besoldungsgesetzgebungen finden, i.d.R. sachlich nicht begründen: erstens sind sie nicht mit dem Amt verbunden und zweitens besteht für sie solange kein sachlicher Grund, wie sie nicht hinreichend konkret begründet sind, also einen konkreten sachlichen Bedarf abdecken; eine solche
konkrete Begründung hat seitdem kein Besoldungsgesetzgeber vollzogen, aber das nur nebenbei).
In diesem Sinne ist der Verweis, den das Bundesverfassungsgericht in der von Ryan berechtigt ins Feld geführten Rn. 96 der von ihm genannten Entscheidung, hervorhebt auch in unserem Fall in die Überlegungen mit einzubeziehen. Hier stellt das Bundesverfassungsgericht in der Mitte der Rn. 96 fest:
"Innerhalb des jeweils 'amtsangemessenen' Unterhalts ist keine Differenzierung in verschiedene Bedarfe angelegt, weshalb es beim Abstandsgebot auch nicht auf absolut, sondern auf relativ gleichbleibende Abstände in der Besoldung der unterschiedlich bewerteten Ämter ankommt (vgl. auch Urteile des BVerwG vom 12. Dezember 2013 – 2 C 24.12 und 2 C 26.12 –, juris, Rn. 17)."
Entsprechend stellte es direkt zuvor weiterhin den "Gesamtbedarf" und damit die Alimentation (und nicht die Besoldung) in den Mittelpunkt seiner hier vollzogenen Betrachtung; betrachtet also den Nettobetrag, den der Beamte am Ende tatsächlich zur Deckung seiner persönlichen Bedarfe zur Veffügung hat. Wie Du es Dir - inhatlich m.E. zurecht und aber politisch - wünschst, stellt es zugleich den "relativen" Abstand in den Mittelpunkt seiner Betrachtung, durch den eben genau das verhindert werden soll, was Du als unzureichend vom (Besoldungs-)Gesetzgeber berücksichtigt bemängelst, nämlich dass diese (die Abstände) durch bspw. die Steuerprogression oder die Möglichkeit unterer Besoldungsgruppen, "aufstockende" Sozialbeiträge erhalten zu können, über Gebühr eingeebnet werden könnten. Mit dem abschließenden Verweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts macht es dabei aber erneut auf die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle und also auf die des Prüfauftrags, der zur Kontrolle notwendig ist, aufmerksam, weshalb ich nachfolgend nicht nur die genannte Rn. 17, sondern ebenso die Rn. 16 zitiere. Denn nur die Gesamtbetrachtung zeigt am Ende, welcher der verfassungsrechtliche Auftrag der judikativen und welcher der der legislativen Gewalt ist (auch hier lasse ich die begründenden Verweise stehen; auch sie sind im Einzelnen sachlich von Interesse), also:
"Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1969 a.a.O. S. 158 f.), innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Den Gerichten ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Das Bundesverfassungsgericht kann, sofern nicht - wie hier möglicherweise Art. 33 Abs. 2 und 5 GG mit dem aus dem Leistungsprinzip und aus dem Alimentationsprinzip folgenden Abstandsgebot - von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218 <244>; vgl. auch Beschlüsse vom 6. Oktober 1983 - 2 BvL 22/80 - BVerfGE 65, 141 <148 f.> und vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <319 f.>). Jede Besoldungsordnung enthält unvermeidbare Härten und mag aus Sicht der Betroffenen fragwürdig sein. Solche Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (Beschlüsse vom 6. Mai 2004 a.a.O. S. 364 f. und vom 4. Februar 1981 a.a.O. S. 161 ff.; aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. statt aller Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <313> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1, S. 4 m.w.N.).
Das Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, einen einmal festgelegten Abstand zwischen den Besoldungsgruppen absolut oder relativ beizubehalten. Der Gesetzgeber kann ein bestehendes Besoldungssystem neu strukturieren und auch die Wertigkeit von Besoldungsgruppen zueinander neu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <295> m.w.N.). Hingegen dürfen die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen infolge von Einzelmaßnahmen nicht nach und nach eingeebnet werden. Solche Maßnahmen können unterschiedlich hohe lineare Besoldungsanpassungen etwa für einzelne Besoldungsgruppen sein. Auch regelmäßige, mehr als geringfügige zeitliche Verzögerungen bei den Besoldungsanpassungen für höhere Besoldungsgruppen können zu einer solchen Einebnung beitragen. Da der Abstand im Hinblick auf das Alimentationsprinzip relativ zu bemessen ist - ein absolut gleichbleibender Abstand verliert durch die Inflation an Wert und vermittelt entsprechend weniger Kaufkraft zur Bestreitung des 'amtsangemessenen' Unterhalts -, gilt dies auch für die völlige oder teilweise Ersetzung von linearen Besoldungserhöhungen durch Einmalzahlungen. Ob eine der genannten Maßnahmen eine mit dem Abstandsgebot unvereinbare Einebnung des Besoldungsgefüges zur Folge hat, erschließt sich in der Regel nicht durch die Betrachtung allein der konkreten Maßnahme, sondern nur durch eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung früherer Besoldungsanpassungen." (BVerwG, Urteil vom 12.12.2013 - 2 C 24.12 -, Rn. 16 f.;
https://www.bverwg.de/de/121213U2C24.12.0)
Auf dieser sachlichen Grundlage ist dann das Bundesverwaltungsgericht nachfolgend in das Kontrollverfahren eingetreten (vgl. die nachfolgenden Randnummern). Es hat also - zusammengefasst - nicht geprüft, ob die Maßnahme die gerechteste, vernünftigste oder zweckmäßigste sei (eine solche Betrsachtung ist der judikativen Gewalt verwehrt) und damit ausnahmlos alle Unebenheiten, Friktionen und Mängel beseitigte (was eben prinzipiell unmöglich und darüber hinaus nicht Auftrag der judikativen Gewalt ist), sondern nur, ob sie als (ggf. noch) sachgerecht zu begreifen ist, ob sie sich also (ggf. noch) sachlich rechtfertigen lässt, also einen sachlichen Grund findet, der im Ergebnis nicht evident sachwidrig ist.
In unserem Fall bedeutet das also: Sobald das Mindestabstandsgebot für alle Besoldungsgruppen eingehalten wird, findet sich hier ein Indiz für eine amtsangemessene Alimentation; die gewährte Alimentation stellt sich dann in der untersten Besoldungsgruppe als nicht
evident unzureichend dar. Wenn auch die weiteren Parameter der ersten und zweiten Prüfungsstufe nicht zu dem Ergebnis führen, dass hier eine jeweils
evident unzureichende oder evident sachwidrige gesetzliche Regelung vorliegt, kann das Kontrollverfahren nur zu dem Ergebnis kommen (sofern ebenfalls die prozeduralen Anforderungen hinreichend erfüllt sind und die dritte Prüfungsstufe dem Ergebnis ebenfalls nicht entgegensteht), dass das Besoldungsgesetz mit der Verfassung in Einklang steht. Wie gesagt: nicht mehr und nicht weniger - mit dieser Entscheidung einhergehende individuelle Härten muss der von dieser Entscheidung Betroffene ertragen, solange er nicht den eindeutigen, also evidenten Nachweis erbringen kann, das konkret sein grundrechtsgleiches Individualrecht auf eine amtsangemessene Alimentation verletzt ist.