Ein bisschen komplexer scheint mir die Stellungnahme schon. Wenn ich es richtig lese (s. insbesondere die an verschiedenen Stellen wiederkehrenden Darlegungen zu den genannten Verhandlungen), haben sich die Landesregierung und die Mitgliedsgewerkschaften des DGB in umfangreichen Verhandlungen im Jahr 2023 auf verschiedene Eckpunkte geeinigt, die Anfang 2024 in einem entsprechenden Eckpunktepapier festgehalten worden sind. Zwischen den Zeilen kann man lesen, dass der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften dabei von der Verfassungswidrigkeit des neu einzuführenden Doppelverdienermodells ausgehen und diese Prüfung den Gerichten überlassen wollen (sie dürften damit m.E. vor ihren Mitgliedern in der Pflicht stehen, alsbald nach der Verabschiedung der Gesetze Musterklagen anzustrengen). Das dürfte Teil der in der Stellungnahme wiederholt hervorgehoben Verinbarungen gewesen sein, schätze ich, also gewerkschaftlich im Gesetzgebungsverfahren den verfassungswidrigen Gehalt der Familienergänzungszuschläge zwar anzuzweifeln, sie aber nicht als das zu kritisieren, was sie offensichtlich sind, nämlich eindeutig verfassungswidrig, um dafür im Sinne der Vereinbarung Verbesserungen für alle Beamte zu erzielen, die gleichfalls nicht ausgereicht hätten, um zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückzukehren, die aber immerhin als Einstieg in den Austieg aus der Unteralimentation aller Beamten in Mecklenburg-Vorpommern hätten gelesen werden können.
Die Landesregierung hat nun diesen Teil der Vereinbarung gebrochen und ist stattdessen dazu übergegangen, nur untere Erfahrungsstufen anzuheben und so weiterhin große Teile der Beamtenschaft von Verbesserungen auszuschließen, die über die Tarifeinigung hinausgegangen wären. Man darf davon ausgehen, dass das gewerkschaftsseitig zu einem Vertrauensverlust führt (insbesondere in Teilen der Mitgliedsgewerkschaften des DGB), den die Stellungnahme auch wiederholt anspricht.
Die Verhandlungen des letzten Jahres dürften ein zähes Ringen gewesen sein, schätze ich, in dem es den Gewerkschaften immerhin gelungen war, erste Verbesserungen für alle Besoldungsggruppen und Erfahrungsstufen zu erreichen. Man hätte dieses Ergebnis als unzureichend kritisieren können, weil es nicht zu einer amtsangemessenen Alimentation geführt hätte - aber dabei müsste man, denke ich, ebenso in Rechnung stellen, dass die Verhandlungsmacht von Gewerkschaften hinsichtlich einer amtsangemessenen Alimentation recht begrenzt ist. Das ist für die von solchen Verhandlungen unmittelbar Betroffene (also für alle Beamten) ärgerlich, aber leider Teil unseres Themas: Keine (Landes-)Regierung muss hinsichtlich der amtsangemessenen Alimentation mit irgendeiner Gewerkschaft verhandeln, sodass hier die Machtverhältnisse eindeutig sind - anders als im Tarifbereich.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sehen sich nun (das wird wiederholt hervorgehoben) auch vor ihren vielen Mitgliedern als brüskiert, da die Landesregierung sich nicht an getätigte Vereinbarungen hält, die für sich genommen auf's Ganze gesehen zu nur geringen Verbesserungen für alle Landesbeamten geführt hätten. Man darf davon ausgehen, dass das das Klima zwischen der Regierung Schwesig und zumindest Teilen der Gewerkschaften nachhaltig beschädigen wird: Mit Politikern, die sich nicht einmal an - auf's Ganze gesehen - geringe Vereinbarungen halten können bzw. wollen und das auch noch öffentlich zelebrieren, ist kein Staat zu machen und sind folglich keine sachlichen Verhandlungen zu führen. Denn sie sind nicht diskursfähig, stehen also anderen Standpunkten näher.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften werden sich dabei qua ihrer Funktion dennoch alsbald schon wieder gezwungen sehen, auch mit jener wortbrüchigen Landesregierung verhandeln zu müssen, weil das die Funktion von Gewerkschaften ist - vergessen wird das, was jene Landesregierung nun vollzieht, ihr keiner der unmittelbar betroffenen Gewerkschaftsfunktionäre, davon darf man ausgehen.