Die Aussage: "Im Hinblick auf die familienbezogene Zweckbestimmung und Ausgestaltung des Erhöhungsbetrags ist das verfassungsrechtliche Abstandsgebot nicht unmittelbar betroffen, weil dieses sich auf die Höhe der Grundgehälter bezieht", ist hier wie auch dort, wo sie stereotyp von anderen Gesetzgebern behauptet wird, sachlich falsch. Sie betrachtet die Aussagen des Zweiten Senats hinsichtlich eines indiziellen Parameters als eine materiell-rechtliche Aussage, was diese aber nicht ist.
Das Bundesverfassungsgericht führt im
Prüfverfahren als indiziellen Parameter aus, dass die
Prüfung des Abstandsgebots zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen anhand der Grundgehaltssätze der Endstufengehälter erfolgen kann. Darüber hinaus lässt es keinen Zweifel daran, dass das Gehalt als Ganzes
materiell-rechtlich die Grundlage für die amtsangemessene Alimentation ist.
Wenn nun also durch die extreme Aufstockung familienbezogener Besoldungskomponenten, wie sie auch Baden-Württemberg in der Einführung entsprechender Erhöhungsbeträge insbesondere für das zweite Kind im Zuge der Verabschiedung seines "Vier-Säulen-Modells" vollzogen hat, das Besoldungsniveau einzelner Beamter signifikant erhöht wird, bleibt auch hier außer Acht, dass das Amt und nicht soziale Bedingungen wie der Familienstand oder die Kinderzahl die Grundlage für eine amtsangemessene Alimentation sein muss, dass also das Leistungsprinzip vom Gesetzgeber sachgerecht zu beachten ist.
Im Ergebnis führt eine solche Regelung zur Verletzung des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, da hier das wesentlich gleiche Amt wesentlich ungleich behandelt wird. Eine Nebenkomponente, die die familienbezogenen Besoldungsbestandteile sind, kann nicht zur Hauptkomponente werden, was sie aber wird, wenn in der Besoldungsgruppe A 7 in der ersten Erfahrungsstufe zwei Beamten ein Grundgehalt in Höhe von 2.769,20 € sowie eine Strukturzulage von 24,- € gewährt wird, der zweite darüber hinaus aber ohne weitere Leistung im Sinne des Leistungsprinzips noch durch familienbezogene Besoldungskomponenten in Höhe von 797,64 € um rund 28,6 % höher besoldet wird (
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue&g=A_7&s=0&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2).
Da kein sachlicher Grund für eine Besoldungsdifferenzierung in dieser Höhe gegeben ist - denn der Familienstand oder die Kinderzahl eines Beamten sind keine amtsbezogenen Leistungskriterien -, sind solche Regelungen, die einzig und allein das Ziel verfolgen, jährlich Personalkosten von mehreren Milliarden Euro einzusparen, verfassungsrechtlich nicht gestattet, was auch jeder Jurist in den Ministerien des Landes weiß.
Neben und in dieser sachwidrigen Erhöhung familienbezogener Besoldungskomponenten ist gleichfalls die Ungleichbehandlung der beiden Kinder sachlich nicht zu rechtfertigen, also den Erhöhungsbetrag für das erste Kind auf 50,- € festzulegen, den für das zweite Kind aber auf 450,- €. Denn auch dafür gibt es keinen sachlichen Grund, da der tatsächliche Bedarf des zweiten Kinds gegenüber dem ersten sich nicht in dieser Höhe unterscheidet. Auch hier geht es ausschließlich darum, durch die evident sachwidrige Einführung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Nebenkomponente hohe Personalkosten einzusparen, also den Beamten des Landes durch ein sachlich nicht zu rechtfertigendes "Sonderopfer" weiterhin keine amtsangemessene Alimentation zu gewähren. Auch das weiß in den Ministerien des Landes jeder Jurist.
Wenn der stellvertretende Ministerpräsident als Jurist solch einen sachlichen Unsinn von sich gibt, muss er sich nicht wundern, dass er damit dem Rechtsextremismus auch in Baden-Württemberg Vorschub leistet, indem er sich mit ihm, was den Wahrheitsgehalt seiner betreffenden Aussage anbelangt, auf eine Stufe stellt: Denn auch Extremisten neigen dazu, Unwahrheiten verlautbaren zu lassen. Entsprechend liegt auch darin der rechtsstaatsgefährdende Gehalt des konzertierten Verfassungsbruchs versteckt, von dem Ulrich Battis sachlich berechtigt spricht (vgl. weiterhin die S. 13 f. unter
https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf).
Ehrlicher wäre es, zu sagen wie es ist. Entsprechend wäre seine Aussage wie folgt sachgerecht:
Es ist eine klare Sache, dass wir in Baden-Württemberg das Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für unsere Beamtinnen und Beamten nicht übernehmen. In Zeiten, in denen unsere Demokratie unter Druck ist wie noch nie seit Bestehen des Landes, brauchen wir einen handlungsfähigen Staat. Unsere Beamtenschaft ist gerade in der Krise der Demokratie das Rückgrat des Staates. Die zeit- und wirkungsgleiche Erhöhung der Besoldung wäre ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber unseren Beamtinnen und Beamten; allerdings vollziehen wir sie nicht, sondern speisen unsere Beamten mit einer erneut sehr fantasievollen Ausgestaltung ihrer Besoldung ab. Im Ergebnis werden wir auch damit weitgehend wieder dort landen, wo wir uns 2018 befunden haben, als uns das Bundesverfassungsgericht in aller gebotenen Deutlichkeit bereits im ersten Leitsatz seiner damaligen Entscheidung ins Stammbuch geschrieben hat, dass auch das besondere Treueverhältnis Beamte nicht dazu verpflichtet, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/10/ls20181016_2bvl000217.html). Solche uns bindende Rechtsprechung ist uns als Landesregierung aber weiterhin egal, weshalb wir unser wissentlich und willentlich verfassungswidriges "Vier-Säulen-Modell" vier Jahre nach dieser Rechtsprechung verabschiedet haben. Denn wir sehen uns weiterhin nicht an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, weshalb wir seine Rechtsprechung weiterhin gezielt missachten. Das ist für uns ein wichtiger Beitrag zum Demokratieerhalt, auf den wir stolz sind, weshalb ich hier das sage, was ich hier sage. Im Übrigen trägt die verfassungswidrige Unteralimentation, derer wir uns weiterhin wissentlich und willentlich befleißigen, ihren Teil dazu bei, dass das Land Baden-Württemberg nach wie vor kein attraktiver Arbeitgeber bleibt und im Wettbewerb um die besten Köpfe weiter nicht bestehen kann. Den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gehört unser Dank und unsere Anerkennung dafür, dass wir sie nach wie vor als Melkkuh unserer Haushaltsinsteressen missbrauchen – denn sie arbeiten tagtäglich für unser aller Wohl, für unser Land und für unsere Demokratie. Das kann in diesen Zeiten nicht gering genug geschätzt werden.
Diese Ehrlichkeit wäre eine wichtige Maßnahme zum Kampf gegen den Rechtsextremismus auch im Ländle, da sie es den Rechtsextremen unmöglich machte, den Innenminister als einen Politiker zu betrachten, der es mit dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen hinsichtlich der Beamtenschaft, für die er die Verantwortung trägt, nicht allzu genau nimmt.
Auf der anderen Seite wäre es entsprechend vielleicht noch besser, die Wahrheit zu sagen und zugleich auch für eine amtsangemessene Alimentation zu sorgen, zu der Gewährung der Dienstherr verpflicht ist. Denn das würde zu dem Ergebnis führen, dass der stellvertretende Ministerpräsident wahrheitswidrig für sich reklamiert. Politik als reine Reklameveranstaltung - denn das sind die zitierten Worte der Pressemitteilung (
https://im.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilung/pid/tarifergebnis-der-beschaeftigten-des-oeffentlichen-dienstes-der-laender) - führt genau zu den Zuständen, in denen wir uns derzeit befinden. Denn das von ihm geleitete Ministerium heißt, glaube ich, weiterhin Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg und nicht Reklameministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg.