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Tarifverhandlungen 2024/2025 Öffentlicher Dienst

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Organisator:

--- Zitat von: HochlebederVorgang am 09.04.2025 13:18 ---So trivial ist das Thema ohnehin nicht und man macht einen großen Fehler, den Begriff Bürokratie stets in einen negativen Zusammenhang zu stellen. Sie ermöglicht nämlich zu einem großen Teil unser Zusammenleben, wie es
gerade in diesem Moment stattfindet. Sie ist untrennbar mit dem Rechtsstaat verbunden.

Sie reguliert die gesellschaftlichen Kräfte, indem sie dem Recht Geltung verschafft und verleiht damit unserem Zusammenleben eine Struktur. Diese beschränkt individuell und verleiht Sicherheit zugleich.

Abschaffung der Bürokratie ist immer auch mit dem Einzug von Willkür und der Durchsetzung des Rechts des Stärkeren verbunden. Wieso wird wohl der Staat in den USA gerade rasiert!?

Ich verweise immer wieder gerne auf das hervorragende "Why nations fail". Dort bekommt man genügend Antworten.

--- End quote ---

Inhaltlich bin ich voll bei dir. Ich glaube "Bürokratie" (als effektivste Form der Herrschaftsausübung) wird verwechselt mit "Bürokratisierung".

HochlebederVorgang:
Genau. Das Spannende ist eigentlich, dass diejenigen, die sich über den Hemmschuh Bürokratisierung - ich verwende mal deinen Begriff - beschweren, selber dazu beigetragen haben.

Wir haben uns in vielen Bereichen dahin bewegt, Partikularinteressen rechtlich in Form von Regelbeispielen, Sonderfällen, Sonderaußnahmen etc. zu manifestieren. Teilweise überlässt man Verbänden quasi die Rechtsetzung. Hieran haben Interessenverbände, Lobbyisten - was ihr gutes Recht ist - aber auch die umsetzende Politik ihren Anteil. Hiervon muss man sich im gewissen Maße befreien. Dabei kann man sich nicht immer von Effizienz leiten lassen.

In der Debatte wird häufig unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert, aber auch hier gilt:

Die Ökonomie folgt dem Recht und nicht das Recht der Ökonomie.

Organisator:

--- Zitat von: HochlebederVorgang am 09.04.2025 13:26 ---Es ist nicht Aufgabe der Exekutive, im Sinne eines Bürokratieabbaus, rechtsbeugend kreativ zu werden.

--- End quote ---

Völlig richtig.

Mir gings mit meinem Betrag auch eher darum, das Verwaltungshandeln kreativ zu hinterfragen und andere, effizientere und rechtmäßige Wege zu finden. Und auch die Verwaltung hat dabei Ermessen, ob z.B. gewissen Risiken zu 100 % ausgeschlossen werden müssen oder ob 99% und dafür nur halber Verwaltungsaufwand auch reicht.

Organisator:

--- Zitat von: HochlebederVorgang am 09.04.2025 13:42 ---Genau. Das Spannende ist eigentlich, dass diejenigen, die sich über den Hemmschuh Bürokratisierung - ich verwende mal deinen Begriff - beschweren, selber dazu beigetragen haben.

Wir haben uns in vielen Bereichen dahin bewegt, Partikularinteressen rechtlich in Form von Regelbeispielen, Sonderfällen, Sonderaußnahmen etc. zu manifestieren. Teilweise überlässt man Verbänden quasi die Rechtsetzung. Hieran haben Interessenverbände, Lobbyisten - was ihr gutes Recht ist - aber auch die umsetzende Politik ihren Anteil. Hiervon muss man sich im gewissen Maße befreien. Dabei kann man sich nicht immer von Effizienz leiten lassen.

In der Debatte wird häufig unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert, aber auch hier gilt:

Die Ökonomie folgt dem Recht und nicht das Recht der Ökonomie.

--- End quote ---

Auch zutreffend - die Partikuarinteressen werden in Deutschland ganz besonders beachtet. Auch hier könnte ich mir vorstellen, seitens der Vewaltung die Ermessensspielräume auch vollständig zu nutzen und seitens des Gesetzgebers mehr Ermessen zu ermöglichen.

SwenTanortsch:
Das, was Du beschreibst, Organisator, ist tatsächlich möglich und sicherlich sinnvoll, darin liegt ja auch ein nicht geringer Teil der Hoffnung, die mit der Digitalisierung verbunden ist.

Auf der anderen Seite - in meinem Bereich - ist in den letzten Jahren in allen Bundesländern der Ausbau von Ganztagsschulen vorangetrieben worden, was mit einer hohen Zahl weiterer Regularien verbunden ist, da der Ganztag organisiert werden muss. Darüber hinaus führt eine Ganztagsschule gegenüber der traditionellen Halbtagsschule zwangsläufig zu einem signifikant höheren Bedarf an Personal, das hier also nicht abgebaut werden kann, sondern vergößert werden muss. Wenn nun ab dem Sommer des nächsten Jahres durch das Ganztagsförderungsgesetz der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbeschulung für Schüler des ersten Schuljahres greift, um dann ab den folgenden Schuljahren weiter hochzuwachsen, ist offensichtlich, dass das zu einer immer größeren Nachfrage nach - nach Möglichkeit qualifiziertem und also vielfach nicht vorhandenen- Personal führt, also zu einem sukzessiven Aufbau weiteren Personals im öffentlichen Dienst.

Wer sich also über zu viel Bürokratie im öffentlichen Dienst beschwert, sollte entsprechend so, wie ihr beides das gerade tut, differenzieren, was er oder sie eigentlich meinen und wo es denn nun der "Bürokraten" zu viel geben solle. Tatsächlich ist der "Bürokratieabbau" weitgehend eh nur eines der modischen und also populären Schlagwörter, das von daher populistisch in die Bevölkerung gestreut wird, sodass man an die eigentlichen Probleme, die man selbst lösen könnte - nämlich kluge Regularien als Gesetzgeber zu schaffen -, wiederkehrend nach Möglichkeit nicht rangehen muss.

Gesetzentwürfe zu fabrizieren und sie als Gesetzgeber zu verabschieden, ist keine allzu komplizierte Angelegenheit - sie allerdings sinnvoll in das Normengefüge einzupassen und so eine sinnvolle Deregulierung im Rahmen einer weiteren Regulierung zu vollziehen, ist - auch politisch, da mit jedem Gesetz regelmäßig Interessen verbunden sind - ein offensichtlich schwierigeres Unterfangen. Das ist ein zentraler Mitgrund für die hohe Regulierungsdichte, für die unser schönes deutsches Vaterland bekannt und in Teilen der Welt beneidet, in anderen aber spöttisch belächelt wird.

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