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Vaterschaftsurlaub

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Manuel123:
Guten Tag,

ich möchte mit dem Post
1. Informationen zur Verfügung stellen.
2. Einen hoffentlich bereichernde und für betroffene sachdienliche Grundlage schaffen.

Ich bin der Meinung, dass insb. Beamtenvätern bereits jetzt schon 10 Tage Vaterschaftsurlaub zur Geburt eines Kindes gewährt werden müssen. Aktuell befindet sich mein gestellter und bisher abgelehnter Sonderurlaubsantrag nach § 22 Absatz 2 der SUrlV auf 10 Tage Vaterschaftsurlaub im Widerspruchsverfahren. Ich bin aktuell noch unschlüssig ob ich den Gang vor das Verwaltungsgericht gehen soll.

Begründung:
Gemäß der Richtlinie 2019/1158 des EU Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (Vereinbarkeitsrichtlinie) müssen die Mitgliedsstaaten Gesetze erlassen nach denen Vätern mindestens 10 Tage Anspruch auf Vaterschaftsurlaub/Freistellung haben und in dieser Zeit so bezahlt werden wie im Krankheitsfall (Bei Beamten volles Gehalt). Nach Artikel 20 der Richtlinie 2019/1158 hätten die Mitgliedstaaten entsprechende Verwaltungsvorschriften bis zum 2.8.2022 in Kraft setzen müssen.

Richtlinien sind für die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 288 AEUV bindende Rechtsakte der Europäischen Union. Sie werden vom Rat oder der Kommission erlassen. Anders als bei EU-Verordnungen ist ihr Inhalt aber grundsätzlich nicht unmittelbar geltendes Recht, der Inhalt ist für den einzelnen Bürger grundsätzlich nicht verbindlich bzw. begründet keinen direkten Anspruch. Damit der Inhalt für die Mitgliedstaaten verbindlich wird, muss er innerhalb der Umsetzungsfrist in nationales Recht umgesetzt werden.

Die Umsetzung kann dabei in einer vom Mitgliedsland frei gewählten Form oder Mittel durchgeführt werden. Jedoch sind die Mitgliedsländer verpflichtet, die Form zu wählen, die sich zur Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Zwecks am besten eignet. Zwingend ist aber die Frist zu beachten, innerhalb derer die Richtlinie von dem Mitgliedsland in das nationale Recht umzusetzen ist. Wird die Umsetzungsfrist versäumt und erleidet ein Unionsbürger einen Schaden, so erlangt die Richtlinie für den Unionsbürger unmittelbare Geltung.

Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 249 EGV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 10 EGV verpflichtet, zur Durchführung einer EU-Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (BGH, 09.04.2002 - XI ZR 91/99).

Richtlinien enthalten in den meisten Fällen einen Mindestinhalt des zu regelnden Rechtsgebiets bzw. geben einen inhaltlichen Rahmen vor. Die Mitgliedsländer können jedoch über diese Mindestharmonisierung hinaus bei Vorliegen der Voraussetzungen weitere Inhalte regeln.
Bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie in das nationale Recht eines Mitgliedsstaats ist das Mitgliedsland verpflichtet, den zwingenden Inhalt der Richtlinie zu übernehmen.
Darüber hinaus besteht bei einigen Richtlinien die Möglichkeit, dass die Mitgliedsländer strengere bzw. weiter gehende Regeln als in der Richtlinie vorgesehen erlassen. Voraussetzung ist, dass die Richtlinie eine sogenannte Mindestklausel enthält. Dabei kann eine Mindestharmonisierung sowohl für den gesamten Inhalt der Richtlinie bestehen als auch nur für einen Teilbereich.

Die Rechtsprechung des EuGH hat aber unter folgenden Voraussetzungen eine unmittelbare Geltung der Richtlinie anerkannt bzw. das nationale Recht des Landes ist im Sinne der Richtlinie auszulegen (EuGH 04.07.2006 - C 212/04):
a)   Die Richtlinie wurde von dem Mitgliedsstaat nicht fristgemäß, unvollständig oder unrichtig / fehlerhaft umgesetzt.
b)   Die Richtlinienbestimmung ist zwingend umzusetzendes Recht (keine Kann-Bestimmung!).
c)   Die Richtlinienbestimmung ist zur Anwendung auf den Einzelfall hinreichend bestimmt.
d)   Die Umsetzung des Inhalts der Richtlinie ist nicht an eine Bedingung geknüpft.
Rechtsfolgen der unmittelbaren Geltung sind:
Die jeweilige Richtlinienbestimmung ist von allen Trägern der Verwaltung anzuwenden.
Die öffentliche Verwaltung und die Gerichte haben das nationale Recht gemäß der Richtlinienbestimmung auszulegen. Dabei fordert der Europäische Gerichtshof, dass das Gericht erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt (EuGH 19.01.2010 - C-555/07).
Der Einzelne kann einen unmittelbaren Anspruch aus der Richtlinienbestimmung ableiten. Aber dies gilt nicht für das Verhältnis zwischen zwei Privatpersonen, z.B. einem Arbeitsverhältnis, sondern nur im Verhältnis Staat - Bürger. Dabei gilt der öffentliche Arbeitgeber als Staat.
Ist durch die nicht fristgemäße Umsetzung der Richtlinienbestimmung ein Schaden eingetreten, so kann der Einzelne einen Schadensersatzanspruch aus dem Staatshaftungsrecht herleiten.

Die Teilaspekte a)-d) sehe ich alle in der EU-Richtlinie als erfüllt an.

Darüberhinaus hat am 20. September 2022 die Europäische Kommission mit der Übersendung eines Aufforderungsschreibens unter dem Aktenzeichen INFR(2022)0347 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und die mangelnde Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie gerügt. Einschlägige Interessensverbände (DBwV, DBB, Deutscher Juristinnenbund) sehen in der Nichtumsetzung der Richtlinie 2019/1158 ein Verstoß gegen das EU Recht. Betroffenen Bürgern wird empfohlen den Rechtsanspruch einzufordern und ggf. einzuklagen.

Politische Diskussion:
Bundesfamilienministerin Lisa Paus stellte die Umsetzung nun für das nächste Jahr in Aussicht: „Die zweiwöchige Freistellung nach der Geburt kommt, nicht mehr in diesem Jahr, aber in 2024.“ Grund sei die derzeit schwierige wirtschaftliche Lage, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. Ab 2024 solle es dann auch in Deutschland eine bezahlte Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt geben. https://www.tagesschau.de/inland/vaterschaftsurlaub-paus-101.html

https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/wo-bleibt-der-vaterschaftsurlaub

Politische Uneinigkeit https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/vaterschaftsurlaub-ab-2024_76_581382.html

Kaldron:
Wenn ein Post schon mit "Ich bin der Meinung..." einleitet, dann kann meist nichts Gutes dabei herumkommen.

Wenn du schon bei Anwalt24 abkopierst (und von wo auch noch zusätzlich), dann mach das doch bitte kenntlich.

Zum Thema: Es wird hier kaum jemanden geben, der sich juristisch mit EU-Recht spezifisch auskennt, ab wann eine Richtlinie tatsächlich umzusetzen ist, wann ein Schaden dadurch tatsächlich eingetreten ist und ob eine Klage daruf erfolgreich ist.

Ob Du das so siehst oder nicht, ist erst einmal irrelevant. Falls Du der Meinung bist einen Schaden erlitten zu haben, dann solltest Du o.g. Seite nicht nur copy&pasten, sondern einen auf EU-Recht spezialisierten Anwalt aufsuchen.

Edit: 2 Minuten interessehalber gegoogelt erbringt Folgendes:
"Solange aus dem Vorhaben noch kein Gesetz gemacht wurde, könnten sich Väter in Deutschland den Sonderurlaub auch nicht einklagen, erklärt Anwältin Julia Pacha: "Da muss man unterscheiden auf welcher rechtlichen Basis das passiert. Es gibt direkt verbindliche, da könnte man es auch einklagen. Aber hier ist erst ein Umsetzungsakt notwendig, der erst umgesetzt werden muss."

Bis dahin gehen die Väter also leer aus, müssen weiter ihren Jahresurlaub oder Elternzeit nehmen, um nach der Geburt zuhause bleiben zu dürfen."
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/familienstartzeit-sonderurlaub-vaeter-nach-geburt-106.html
Das es natürlich auch hier 3 Anwälte 5 Meinungen geben kann, bleibt unbenommen.

Manuel123:

--- Zitat von: Kaldron am 15.02.2024 13:27 ---Wenn ein Post schon mit "Ich bin der Meinung..." einleitet, dann kann meist nichts Gutes dabei herumkommen.

Wenn du schon bei Anwalt24 abkopierst (und von wo auch noch zusätzlich), dann mach das doch bitte kenntlich.

Zum Thema: Es wird hier kaum jemanden geben, der sich juristisch mit EU-Recht spezifisch auskennt, ab wann eine Richtlinie tatsächlich umzusetzen ist, wann ein Schaden dadurch tatsächlich eingetreten ist und ob eine Klage daruf erfolgreich ist.

Ob Du das so siehst oder nicht, ist erst einmal irrelevant. Falls Du der Meinung bist einen Schaden erlitten zu haben, dann solltest Du o.g. Seite nicht nur copy&pasten, sondern einen auf EU-Recht spezialisierten Anwalt aufsuchen.

--- End quote ---

Vielen Dank den inhaltlich wertvollen Beitrag und die Kritik.
Ja es ist von Anwalt24 herauskopiert mit leichter Editation und entsprechender Verkettung bzgl. dieses Themas. Aktuell kann ich jedoch meinen Eingangspost nicht anpassen und es kenntlich machen.
Auf die Idee bezüglich eines Anwalts wäre ich von alleine nicht gekommen.
"Meine Meinung" scheint bisher soweit relevant zu sein, als dass mir mit dieser weitere Rechtswege bisher nicht verweigert wurden und diese von meiner Rechtsberatung als plausibel bewertet wurde.

Manuel123:

--- Zitat von: Kaldron am 15.02.2024 13:27 ---
Edit: 2 Minuten interessehalber gegoogelt erbringt Folgendes:
"Solange aus dem Vorhaben noch kein Gesetz gemacht wurde, könnten sich Väter in Deutschland den Sonderurlaub auch nicht einklagen, erklärt Anwältin Julia Pacha: "Da muss man unterscheiden auf welcher rechtlichen Basis das passiert. Es gibt direkt verbindliche, da könnte man es auch einklagen. Aber hier ist erst ein Umsetzungsakt notwendig, der erst umgesetzt werden muss."

Bis dahin gehen die Väter also leer aus, müssen weiter ihren Jahresurlaub oder Elternzeit nehmen, um nach der Geburt zuhause bleiben zu dürfen."
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/familienstartzeit-sonderurlaub-vaeter-nach-geburt-106.html
Das es natürlich auch hier 3 Anwälte 5 Meinungen geben kann, bleibt unbenommen.

--- End quote ---

Die unmittelbare Wirkung eine Richtlinie kann nicht unter "Bürgern" oder zwischen "Bürgern" und "Unternehmen" geltend gemacht werden, sondern nur gegenüber dem Rechtsstaat selber. Daher stimmt diese Bewertung nach meiner Einschätzung innerhalb der Nicht-Beamtenwelt, ich beziehe mich aber ausdrücklich auf die Rechtsstellung von Beamten gegenüber dem Dienstherren.

Der Obelix:
Wenn es deine Meinung ist, welche Meinung hat dann Anwalt24?

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