Autor Thema: Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte  (Read 4426 times)

egotrip

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #15 am: 04.03.2024 15:46 »
Lange Rede kurzer Sinn, wenn ich hinfahre und es wird ein "Interner" genommen, wie sollte ich dann verfahren? Ist eine Klage realistisch erfolgreich?

Zu Frage 1:

Wenn ein Interner genommen wird, was wäre denn dann dein Gedanke?
Es zählt noch immer die Bestenauslese.
Ein Schwerbehinderter ist bei gleicher Eignung bevorzugt einzustellen.
Wer sagt denn aber, dass der Interne nicht besser geeignet ist.
Den Beweis wirst du in einem Klageverfahren erbringen müssen.

Zu Frage 2:

Das musst du für dich selbst entscheiden, ob du o.a. nachweisen kannst, und ob es für dich erfolgreich sein kann.

NelsonMuntz

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #16 am: 04.03.2024 15:53 »
... Wenn ich als AG einen passenden Bewerber habe, versuche ich doch anderen (und mir) Zeit und Arbeit zu sparen und sie zur Rücknahme der Bewerbung zu motivieren.

Ansonsten würde man halt ein sinnloses Vorstellungsgespräch durchführen, Stunden (Arbeits-) Zeit verpulvern und dann doch den passenden (und geeigneten) Bewerber auswählen. Eine Chance auf Einstellung sehe ich nicht.

Den Fehler solltest du selbst mitbekommen. Warum machst du überhaupt eine Ausschreibung, wenn du einen Bewerber hast? Mit einem "fairen" Verfahren, im Sinne von ergebnisoffen, hat das dann nichts zu tun.

Vielleicht, weil das Einstellungsverfahren formal eben über eine Ausschreibung zu laufen hat?

Wir haben relativ viele Mitarbeiter im Rahmen einer Arbeitnehmer-Überlassung. Wenn diese fest zu uns wechseln wollen, können wir die nicht einfach einstellen, sondern müssen die Stelle zumindest intern ausschreiben. Da könnte sich auch jeder ganz "ergebnisoffen" drauf bewerben, aber in der Regel sind die Anforderungsprofile maßgeschneidert.

Was willst Du aber machen, wenn Du den perfekten Bewerber hast, dieser aber keinen Zugriff auf interne Ausschreibungen hat? Du schreibst eben (maßgeschneidert) öffentlich aus. ... und dann kommt jemand mit den Worten "Aus dem Weg, ich bin schwerbehindert und habe Vorrang - zur Not klage ich alle anderen Bewerber aus dem Feld!". Da kommt doch richtig Freude auf, oder?

Natürlich hätte ich die Stelle damals dann auch nicht erkämpfen und antreten wollen. Nur, bei solchen Sachen habe ich ein Elefantengedächtnis!

Das Problem liegt doch auf der Hand: Vakanzen müssen ausgeschrieben werden, selbst wenn man sich in der Besetzung bereits festgelegt hat. So eine Situation hat eben immer zwei Seiten.

Organisator

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #17 am: 04.03.2024 15:57 »
... Wenn ich als AG einen passenden Bewerber habe, versuche ich doch anderen (und mir) Zeit und Arbeit zu sparen und sie zur Rücknahme der Bewerbung zu motivieren.

Ansonsten würde man halt ein sinnloses Vorstellungsgespräch durchführen, Stunden (Arbeits-) Zeit verpulvern und dann doch den passenden (und geeigneten) Bewerber auswählen. Eine Chance auf Einstellung sehe ich nicht.

Den Fehler solltest du selbst mitbekommen. Warum machst du überhaupt eine Ausschreibung, wenn du einen Bewerber hast? Mit einem "fairen" Verfahren, im Sinne von ergebnisoffen, hat das dann nichts zu tun.

Weil manche Arbeitgeber durch bestimmte Regelungen daran gebunden sind, bestimmte Stellen extern auszuschreiben, obwohl es ausreichend geeignte interne Bewerber gibt - siehe Nelson.

clarion

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #18 am: 04.03.2024 21:14 »
Wenn genug geeignete interne Kandidaten vorhanden sind, dann muss auch nicht öffentlich ausgeschrieben werden, da reicht eine interne Ausschreibung. Dieser AG hat aber öffentlich ausgeschrieben, daher ist davon auszugehen, dass auch eine Bestenauswahl aus allen Bewerbungen erwünscht ist.

Der Wunschbewerber eines Vorgesetzten ist im Übrigen auch nicht notwendigerweise der Wunschkandidat des gesamten Auswahlgremiums.

NelsonMuntz

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #19 am: 05.03.2024 07:25 »
Wenn genug geeignete interne Kandidaten vorhanden sind, dann muss auch nicht öffentlich ausgeschrieben werden, da reicht eine interne Ausschreibung. Dieser AG hat aber öffentlich ausgeschrieben, daher ist davon auszugehen, dass auch eine Bestenauswahl aus allen Bewerbungen erwünscht ist.

Der Wunschbewerber eines Vorgesetzten ist im Übrigen auch nicht notwendigerweise der Wunschkandidat des gesamten Auswahlgremiums.

Du bewertest die Sachlage alleinig über eine rechtliche Interpretation. Das kann man machen, aber da landet man eben oft auch daneben, wenn man die Intention menschlichen Handelns ergründen will. Jetzt läuft so ein Besetzungsprozess in einer klar definierten, 2-stufigen Kaskade: 1) Interne Abfrage, 2) öffentliche Ausschreibung mit Bestenauslese (idealerweise EU-weit). Die Möglichkeit, eine externe, aber bereits gut mit den Arbeitsprozessen und den Beteiligten bekannte Person zu priorisieren, ist nicht vorgesehen. Dafür gibt es natürlich gute Gründe (um bspw. zu verhindern, dass man Freunde oder Familie ohne entsprechende Qualifikation einstellt), aber es kann eben einer Wunschbesetzung auch im Wege stehen, wenn -wie hier- ein Benachteiligtenausgleich zum Tragen kommt.

Von daher ist Deine Interpretation "dass auch eine Bestenauswahl aus allen Bewerbungen erwünscht ist" nicht mehr als eine Mutmaßung hinsichtlich der Motivation der Ausschreibung. Ggf. ist sich sogar das Einstellungsgremium über den Wunschkandidaten einig, aber jene Pflicht zur Bevorzugung Schwerbehinderter bringt die gewünschte Einstellung formal in Gefahr.

Ob man da nun gegen vorgehen sollte, ist -wie gesagt- eine Geschmacksfrage. Das eigentliche Ziel (eine neue, zufriedenstellende berufliche Wirkungsstätte zu erreichen) wird man dadurch aber wahrscheinlich verfehlen.

Thomber

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #20 am: 05.03.2024 08:35 »
Ganz komische Perspektiven hier -- teilweise gespickt mit politischen Behauptungen ("noch in einem Rechtsstaat") ...

Die Bewerberin schreibt, dass sie "aus persönlichen Gründen" die Stelle interessant findet. Das ist ihr gutes Recht und deswegen muss sie sich keine nett verpackten Unverschämtheiten des AGs anhören. Es klingt ja wirklich so, als ob dieser zu wissen scheint, dass er etwas falsch macht.


Beim ersten teil bin ich dabei. Insbesondere Aussagen, wie "...Der Grund spielt keine Rolle, ..." oder "... ist ja immerhin relativ offen, ehrlich und fair.." sind schon arg grenzwertig. Genau deshalb gibt es die Antidiskriminierungsgesetze.



Einspruch.  :)
Einen Bewerber abzulehnen und es ihm/ihr zu zeigen ist fair - natürlich!    Ja, Behinderte fühlen sich dann oft diskriminiert und wollen den wahren Ablehnungsgrund nicht akzeptieren.   Ist es nicht ein Wenig vermessen, jede Ablehnung auf den eigenen Gesundheitszustand zu schieben?   Der Besserer soll gewinnen - nicht der kränkere oder der gesündere Bewerber, finde ich.


dmmx

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #21 am: 05.03.2024 09:51 »
Ich würde hingehen, und je nach Verlauf des Vorstellungsgesprächs den Anrufer mit seinen vorherigen Abschreckungsversuchen konfrontieren. Wenn Sie es schon mir unlauteren Mitteln versuchen, soll es auch nicht ganz schmerzfrei ablaufen.
Ob die Anrufe an sich klagewürdig sind, muss ein Jurist beantworten. Aber alleine, sie in einer breiteren Öffentlichkeit zu thematisieren, wird so manchen ins Schwitzen bringen. Man macht sowas nämlich nicht!
Bin selbst bei uns in der SBV engagiert und habe schon einige Vorstellungsrunden erlebt, bei denen es im Vorfeld einen klaren Favoriten gab, der aber im Vorstellungsgespräch überhaupt nicht überzeugen konnte. Und genau dafür ist das Vorstellungsgespräch da.

dmmx

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #22 am: 05.03.2024 09:55 »
   Der Besserer soll gewinnen - nicht der kränkere oder der gesündere Bewerber, finde ich.
[/quote]

Ja, aber wer der oder die bessere ist, weiß man erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens, und nicht schon vorher!


dmmx

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #23 am: 05.03.2024 09:58 »
Von daher ist Deine Interpretation "dass auch eine Bestenauswahl aus allen Bewerbungen erwünscht ist" nicht mehr als eine Mutmaßung hinsichtlich der Motivation der Ausschreibung. Ggf. ist sich sogar das Einstellungsgremium über den Wunschkandidaten einig, aber jene Pflicht zur Bevorzugung Schwerbehinderter bringt die gewünschte Einstellung formal in Gefahr.
[/quote]

Die Bestenauswahl ist sicher nicht lediglich "erwünscht", sondern sie ist Pflicht bei öffentlich-rechtlichen Auswahlverfahren. Das Auswahlgremium hat sich dabei vorurteilslos leiten zu lassen.

NelsonMuntz

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #24 am: 05.03.2024 10:14 »

Die Bestenauswahl ist sicher nicht lediglich "erwünscht", sondern sie ist Pflicht bei öffentlich-rechtlichen Auswahlverfahren. Das Auswahlgremium hat sich dabei vorurteilslos leiten zu lassen.

Ja, das ist die Rechtslage. Das ändert aber nichts an dem von mir Gesagten.

Ihr dürft silke natürlich unter Verweis auf eben jene Rechtslage dazu ermutigen, alle Rechtsmittel an dieser Stelle auszuschöpfen, um einer (wie auch immer gearteten) Gerechtigkeit genüge zu tun - ob das dann in einem alle Beteiligte zufriedenstellenden Beschäftigungsverhältnis mündet, steht doch auf einem ganz anderen Blatt.

Mehr habe ich auch nicht zum Ausdruck bringen wollen.

(Mich erinnern solche Diskussionen an meinen ehemaligen Nachbarn, der erfolgreich gegen die Gemeinde geklagt hat, weil der Bürgersteig 7cm auf sein Grundstück ragte. Er meldete auch jeden Falschparker. Recht ist eben Recht ;))

Kingrakadabra

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #25 am: 12.03.2024 13:20 »
Ich würde das Vorstellungsgespräch auf jeden Fall wahrnehmen. Solche AG darf man nicht auch noch in ihrem Tun bestärken. Kann da aus eigener Erfahrung sprechen.

Die Aussage "Schwerbehinderte fühlen sich dann ganz schnell diskriminiert" finde ich wirklich frech. Die Ablehnung kann in so einem Fall klar begründet werden und würde dann sicherlich auch einer rechtlichen Überprüfung genügen.

Als SB bekommt man leider sehr schnell den Stempel aufgedrückt, dass man bevorzugt behandelt werden möchte oder nur aufgrund der SB eine Stelle erhält.
Das ist natürlich totaler Quatsch. Ein SB möchte genauso behandelt werden wie ein "Normalo" auch und auch nur seine ihm zustehenden Rechte in Anspruch nehmen. Manche sollten vielleicht mal erleben, wie es als SB ist.

Also, einfach vorstellen und dann weiterschauen. :)

Thomber

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Antw:Klage bei Scheinausschreibung als Schwerbehinderte
« Antwort #26 am: 12.03.2024 14:38 »
Zitat
Ein SB möchte genauso behandelt werden wie ein "Normalo" auch und auch nur seine ihm zustehenden Rechte in Anspruch nehmen.

Aus Sicht eines SB besteht die Gleichbehandlung darin, dass der/die/das SB seine Rechte bekommt, denn ein Normalo (ist dieser Begriff noch woke oder schon rechtsextrem?) möchte seine Rechte ja auch wahrnehmen.
Da die Rechte aber nicht die selben sind, könnte ein pöser pöser Normalo diese herbeikontruierte "Gleichbehandlung" eventuell anders beurteilen.

Zitat
Als SB bekommt man leider sehr schnell den Stempel aufgedrückt, dass man bevorzugt behandelt werden möchte oder nur aufgrund der SB eine Stelle erhält.
Das ist natürlich totaler Quatsch.
  Ob das Quatsch ist, muss im Einzelfall betrachtet werden. Die Gesetzeslage ist jedenfalls dafür geeignet solche Mutmaßungen im Allgemeinen zu untermauern. (Ist ja wie bei jeder anderen Quotenregelung auch so. - Wer davon profitieren möchte, muss halt damit leben, dass andere eventuell Vorbehalte haben.)

NelsonMuntz

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« Antwort #27 am: 12.03.2024 15:49 »
Mir ist eigentlich grundsätzlich nicht bewusst, warum hier die SB überhaupt eine Rolle spielt respektive einen Ablehnungsgrund darstellt.

Wenn es sich um eine Scheinausschreibung handelt, um eine bekannte, externe Person mit ins Boot holen zu können, dann ist das vom Grundsatz her natürlich verwerflich - aber anders als die fW hat der öD keine Möglichkeit, ohne Ausschreibung einzustellen. Der genaue Sachverhalt verbleibt natürlich im Spekulativen (vielleicht meldet sich jener Abteilungsleiter hier ja mal zu Wort  ;D ;)?), aber grundsätzlich habe ich nicht herausgehört, dass die telefonische "Absage" hier auf genau jenen Umstand der SB abzielte.

Gleichzeitig gilt natürlich auch, dass selbst bei einem normalen Einstellungsverfahren kein Anspruch auf einen Zuschlag allein aufgrund der SB zu erfolgen hat. Es klang bei silke aber leider ein wenig so, als ob sie genau diesen Umstand als "Bonus" mit in die Wagschale werfen wollte - auch dies ist natürlich nur spekulativ, wäre aber dann auch nicht im Sinne einer Gleichbehandlung.

Der eigentliche Punkt ist jedoch: Eine alle Seiten zufriedenstellende Arbeitsperspektive scheint nicht in Aussicht. Vielleicht erklagt man sich eine leckere Entschädigung, aber das verbleibt eine persönliche Entscheidung.

Organisator

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« Antwort #28 am: 12.03.2024 17:26 »
aber anders als die fW hat der öD keine Möglichkeit, ohne Ausschreibung einzustellen

Na klar geht das - auch im öD bedarf es bei Tarifbeschäftigten nicht zwingend einer Ausschreibung vor der Einstellung. Oder Höhergruppierung.

clarion

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« Antwort #29 am: 12.03.2024 23:57 »
Nelson Muntz,

Dein Vortrag überzeugt nicht.

Entweder hat man interne Bewerber, dann muss und sollte man nicht öffentlich ausschreiben. Oder man hat kein geeignetes internes Personal, dann sollte man öffentlich ausschreiben und eine echte Bestenauswahl vornehmen. Externe Bewerber kennt man allenfalls flüchtig, und von daher ist es gar nicht mal unwahrscheinlich,  dass sich noch besser geeignete Bewerber bewerben. So hat das Verfahren doch ein Geschmäckle. Mal abgesehen davon, dass öffentliche Scheinausschreibungen unfair sind!