Angesichts des Falles der 16-jährigen Schülerin, die wegen eines auf Tiktok geteilten Unterstützungsvideos einer Oppositionspartei von ihrem Schulleiter angezeigt worden ist und auf dieser Grundlage offenbar von 3 Polizeibeamten zum Zwecke einer Gefährderansprache aus dem Unterricht entfernt worden ist frage ich mich, was man als Polizist bei derartigen ganz offensichtlich gesetzeswidrigen Anordnungen eines Vorgesetzens am besten unternehmen soll. Gibt es hier einen Kollegen, der bereits bei ähnlichen Einsatzbefehlen remonstriert hat?
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/schulleiter-alarmiert-die-polizei-16-jahrige-wegen-schlumpf-video-pro-afd-aus-unterricht-geholt-11372326.html
Wie ordnest Du diesen ursprünglichen Beitrag ein, Hondafahrer?
Mindestens reißerisch - ganz klar. Aber manchmal ergeben sich auch aus (gewollt?) verunglückten Eingangspostings interessante Diskussionen, findest du nicht?
In stimme mit Dir in mindestens zwei Punkten überein, Hondafahrer, (und darüber hinaus höchstwahrscheinlich noch in vielen anderen, die hier nicht das Thema sind) nämlich:
erstens, dass Du genauso wenig wie ich möchtest, dass Schülerinnen und Schüler in der Schule ein Gespräch mit einem oder mehreren Polizisten führen müssen, sofern das nicht nach Gesichtspunkten der Schulordnung oder anderen rechtlichen Normen notwendig ist, und dass ein solches Gespräch, sofern das vonseiten der Polizei als notwendig betrachtet wird, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geführt werden muss. Ob das hier jeweils der Fall gewesen ist, wird die weitere behördliche Prüfung ergeben müssen, denke ich. Denn dafür ist sie da.
Da ich als Lehrer, der ich das nicht erst seit gestern bin, im Verlauf meines Lehrerlebens an mehreren - gesehen auf die gesamte Zeit meines Lehrerlebens zum Glück aber wenigen - solcher Gespräche habe teilnehmen müssen (und zwar jeweils im Zusammenhang mit im Raum stehenden Körperverletzungen oder im Raum stehenden Eigentumsdelikten, die ggf. unmittelbar zuvor begangen worden waren), weiß ich aus eigener Erfahrung, dass solche Gespräche für Schülerinnen und Schüler i.d.R. nicht einfach sind. Deswegen sind sie - insbesondere, wenn mehrere Polizisten im Raum sind und darüber hinaus ebenso die Schulleitung - im besonderen Maße im Rahmen der schulischen Fürsorgepflicht gegenüber dem jeweiligen Schüler - und in diesem Fall der konkreten Schülerin - zu führen. Ich denke, es ist in jenem konkreten Fall von behördlicher Seite zu klären, ob hier der Rahmen für ein solches Gespräch angemessen war oder nicht. Da ich über nicht genügend Informationen verfüge, kann ich dazu keine hinreichend fundierte Meinung haben, insbesondere im Hinblick auf den Grund für das Gespräch, den die Pressemitteilung der Polizei wie folgt angibt: "Das Gespräch fand bei der Schulleitung statt. Dabei zeigte sich die Schülerin verständnisvoll gegenüber den polizeilichen Maßnahmen und dem präventiven Ansatz dahinter,
da es darum ging sie vor möglichen Anfeindungen zu schützen, die sich aus ihren Aktivitäten in sozialen Netzwerken ergeben könnten." (
https://www.polizei.mvnet.de/Presse/Pressemitteilungen/?id=199486&processor=processor.sa.pressemitteilung; Hervorhebungen durch mich)
Insofern enthalte ich mich - wie ich das wiederkehrend geschrieben habe - hier einer konkreten Meinungsäußerung, die über das hinausgehen würde als das, was ich gerade und zuvor geschrieben habe. Dabei darf man zwar in Rechnung stellen, dass es in Ribnitz-Damgarten auch unter Jugendlichen eine kontroverse Sicht auf die städtische Vergangenheit gibt, wie sie bspw. hier geschildert wird:
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Verharmlost-und-vergessen-Rechte-Gewalt-vor-Lichtenhagen,lichtenhagen368.html Ob sich aber der präventive Gedanke und das Schutzinteresse, die die Polizei ins Feld führen, erhärten lassen oder nicht, muss sich zeigen und also Teil der behördlichen Prüfung sein, denke ich.
Zweitens stimme ich mit Dir darin überein, der ich - ich schätze mal ähnlich wie Du - Diskussionen nicht aus dem Weg gehe, wenn sie geführt werden müssen und der Diskussionen individuell und gesellschaftlich als wichtig erachte, dass sich aus gewollt oder auch ungewollt verunglückten Eingangspostings interessante Diskussionen ergeben können. Auch sollten wir nicht zu empfindlich sein, wenn sich uns Gegenmeinungen in den Weg stellen, die wir nicht auf Anhieb durchdringen und/oder die aus politisch konträren Sichtweisen entspringen. Man muss jemanden, der politisch eine andere Sicht auf die Dinge hat, nicht sogleich alle Schlechtigkeiten der Welt unterstellen, wozu sozialen Medien leider recht schnell führen, was sicherlich auch mit dem Medium des geschriebenen Worts zu tun hat. Denn das hin und her gehende schriftliche Wort ist ein anderes als das geprochene. Es ist i.d.R. leichter eine kontroverse Diskussion face to face als schriftlich zu führen. Schriftliche Entäußerungen dürften häufiger ungewollt verunglücken oder haben dazu eine größere Wahrscheinlichkeit als mündliche. Ergo, volle Zustimmung: "[M]anchmal ergeben sich auch aus (gewollt?) verunglückten Eingangspostings interessante Diskussionen".
In diesem Fall sehe ich aber in dem Eingangsbeitrag keinen solchen Fall, so wie ich das hier mehrfach dargelegt habe. Dabei gilt ebenso und gerade das, was Organisator vorhin geschrieben hat, nämlich dass "der Threadersteller auch nichts weiter zu dem Thema gesagt hat und somit wohl auch kein besonderes Interesse an einer Diskussion hat". Er hätte seit drei Tagen die Möglichkeit, seinen Beitrag zu präzisieren, was er nicht getan hat.
Wenn man in den von mir verlinkten Beiträgen und Videos liest und sieht, was die AfD aus dem Sachverhalt macht, dann hat man in einem Beamtenforum als Teilnehmer m.E. die Pflicht, seine Falschdarstellungen mindestens zu korrigieren, wenn man Beamter ist, also qua Eid an Recht und Gesetz gebunden ist und also auch an das, was § 34 Abs. 1 BeamtStG uns auferlegt, nämlich dass wir in unserem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden müssen, die unser Beruf erfordert.
Ein Polizeibeamter ist dabei qua seines Berufes im besonderen Maße dazu verpflichtet, Tathergänge, die er beschreibt, sachgerecht darzustellen. Er muss sich also dafür zuvor mindestens hinreichend informieren. Ihm muss dabei in diesem konkreten Fall klar sein, dass die von mir vorhin per Link gezeigten und noch deutlich mehr Beiträge der AfD keine zum Sachverhalt sachgerechten Betrachtungen sind. Wer als Polizist im Rahmen dessen, was dem Schulleiter derzeit widerfährt, trotzdem einen solchen Beitrag posten würde, dürfte kaum der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die von ihm qua Beruf zu erwarten sind. Die Unterstellung, der Vorgesetzte der drei Polizisten habe eine "ganz offensichtlich gesetzeswidrige Anordnung" vollzogen, geht in einem so starken Maße an der Realität vorbei, dass auch das nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die der Beruf des Polizisten erfordert. Es muss entsprechend jedem Polizisten klar sein, dass hier kein sachlicher Grund zur Remonstration vorgelegen hat.
Wenn ein Polizist sich nicht in der Lage sieht, das zu erkennen, obgleich er einen Link beifügt, der ihn erkennen lassen muss, dass hier kein sachlicher Grund zur Remonstration gegeben war, dann muss er sich fragen lassen, wie gewissenhaft er seine ihm obliegenden Pflichten als Polizeibeamter erfüllt. Wenn ein Polizist hingegen erkennt, dass kein sachlicher Grund zur Remonstration vorlag, diesen aber zu konstruieren versucht, indem er weitgehende Falschdarstellungen aus den politischen Reihen der AfD öffentlich kundtut, dann dürfte er sich augenscheinlich erst recht im Widerspruch zu den Pflichten befinden, die sich aus dem Beamtenstatusgesetz ergeben.
Sein Beitrag ist als Polizist, als den er sich aus- oder zu erkennen gibt, nicht von den Beiträgen der AfD-Propagandamaschinerie zu trennen, da er sich ihrer entweder ausschließlich bedient oder weil er diese zielgerichtet bedient. Weder das eine noch das andere ist unwidersprochen akzeptabel, und zwar auch und gerade hier bei uns, nämlich in einem Beamtneforum, in dem wir als Privatpersonen schreiben, aber weiterhin an unsere Dienstpflichten gebunden bleiben, die sich aus unserem besonderen Status als Beamten ergeben.