Autor Thema: [Allg] Vaterschaftsurlaub  (Read 1314 times)

Wildschnee

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[Allg] Vaterschaftsurlaub
« am: 26.11.2024 10:32 »
Hallo zusammen,

laut EU-Recht haben Väter Anrecht auf zehn Tage bezahlten Urlaub.

Leider schafft es die deutsche Politik nicht, übergeordnetes Recht umzusetzen, weshalb nun auch bereits ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig ist und bereits erste Klagen auf Schadensersatz von Vätern eingereicht wurden.

Nun wird unser zweites Kind im Mai 25 geboren und ich möchte diesen Vaterschaftsurlaub einfordern. Da ich Lehrer bin, habe ich nicht die Möglichkeit Urlaub zu nehmen, da dieser (verständlicherweise) mit den Ferien abgegolten wird. Elternzeit möchte ich jedoch erst zum zweiten Lebensmonat nehmen, da ich die zwei Wochen Vaterschaftsurlaub von meinem Dienstherren einfordern möchte.

Wie würdet ihr in dieser Situation vorgehen? Ich finde es Familien gegenüber unverantwortlich, dass die deutsche Politik es versäumt hat, die Richtlinie fristgerecht umzusetzen...

cyrix42

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #1 am: 26.11.2024 10:38 »
Du kannst ja vor dem EUGH dagegen klagen. BTW: Natürlich hast du auch als Lehrkraft nur 30 Tage Urlaub/ Jahr; und die sind auch nicht mit den Ferien abgegolten, sondern in den Ferien zu nehmen. An den übrigen Ferientagen arbeitest du…

Wildschnee

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #2 am: 26.11.2024 10:51 »
BTW: Natürlich hast du auch als Lehrkraft nur 30 Tage Urlaub/ Jahr; und die sind auch nicht mit den Ferien abgegolten, sondern in den Ferien zu nehmen. An den übrigen Ferientagen arbeitest du…

Ich habe lediglich aus der Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten zitiert (dort Teil 2 §3 Absatz 5): 1Bei Professoren und Lehrern ist der Erholungsurlaub durch die unterrichtsfreie Zeit abgegolten.

Poincare

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #3 am: 26.11.2024 11:08 »
Hallo zusammen,

laut EU-Recht haben Väter Anrecht auf zehn Tage bezahlten Urlaub.

Leider schafft es die deutsche Politik nicht, übergeordnetes Recht umzusetzen, weshalb nun auch bereits ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig ist und bereits erste Klagen auf Schadensersatz von Vätern eingereicht wurden.

Nun wird unser zweites Kind im Mai 25 geboren und ich möchte diesen Vaterschaftsurlaub einfordern. Da ich Lehrer bin, habe ich nicht die Möglichkeit Urlaub zu nehmen, da dieser (verständlicherweise) mit den Ferien abgegolten wird. Elternzeit möchte ich jedoch erst zum zweiten Lebensmonat nehmen, da ich die zwei Wochen Vaterschaftsurlaub von meinem Dienstherren einfordern möchte.

Wie würdet ihr in dieser Situation vorgehen? Ich finde es Familien gegenüber unverantwortlich, dass die deutsche Politik es versäumt hat, die Richtlinie fristgerecht umzusetzen...

Wenn es umgesetzt wird, wird es bestimmt einen passus geben, dass der Vaterschaftsurlaub in den Ferien zu nehmen ist, da es sonst ein "unzulässiges Aussparen" ist...

Wildschnee

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #4 am: 26.11.2024 11:12 »


Wenn es umgesetzt wird, wird es bestimmt einen passus geben, dass der Vaterschaftsurlaub in den Ferien zu nehmen ist, da es sonst ein "unzulässiges Aussparen" ist...

Auch das ist zu bezweifeln, da es im EU-Gesetz heißt: "Dieser Vaterschaftsurlaub sollte um den Zeitpunkt der Geburt des Kindes
herum genommen werden und eindeutig mit der Geburt – zum Zweck der Erbringung von Betreuungs- und
Pflegeleistungen – zusammenhängen"

Da sich der Geburtszeitpunkt der Kinder wenig um die Ferienzeiten schert, dürfte dies hinfällig sein, da es sich außerdem um einen Sonderurlaub handelt.

IchLiebeBeamtentum

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #5 am: 26.11.2024 11:15 »
Der Vaterschaftsurlaub stand in dem Koalitionsbeschluss der nunmehr auseinander gebrochenen Regierung. Andere Dinge waren halt wichtiger und kosteten hunderte Milliarden. Jetzt ist das Geld ausgegeben, das gerissene Loch ist groß. Ich denke, damit ist der Vaterschaftsurlaub, der schlussendlich Geld kostet, vom Tisch.

Casa

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #6 am: 26.11.2024 11:52 »
Nach Artikel 4 und 8 der RICHTLINIE (EU) 2019/1158 soll ein Anspruch auf 10 Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist endet gem. Artikel 20 Abs. 1 RICHTLINIE (EU) 2019/1158 am 02.08.2022. Deutschland hat die Richtlinie nach aktuellem Stand noch nicht umgesetzt.

Zitat
EU-Richtlinien sind an die Mitgliedstaaten gerichtete Rechtsakte, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Trotzdem erkennt der Gerichtshof in bestimmten Fällen eine unmittelbare Wirkung an, um die Rechte der Einzelnen zu schützen. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil Van Duyn gegen Home Office festgelegt, dass eine Richtlinie eine unmittelbare Wirkung hat, wenn ihre Bestimmungen uneingeschränkt und hinreichend klar und eindeutig sind und wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt hat. Sie kann jedoch nur unmittelbare vertikale Wirkung entfalten; die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Richtlinien umzusetzen, aber ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Richtlinien gegenüber Einzelnen berufen (siehe Urteil in der Rechtssache Ratti).
https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/the-direct-effect-of-european-union-law.html

Die Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung sehe ich - grob überschlägig - als erfüllt an. Auch dann, wenn dem nationalen Gesetzgeber mit der Lage des Urlaubs ein Spielraum verbleibt. Die Verpflichtung halte ich für hinreichend konkre. Bedenken dazu aber hier:
https://www.humanresourcesmanager.de/arbeitsrecht/abgelehnter-vaterschaftsurlaub-vater-klagt-auf-schadensersatz/

Insoweit würde ich folgendes tun.

Antrag auf Vaterschaftsurlaub gem. RICHTLINIE (EU) 2019/1158 stellen. Die Lage des Urlaubs sollte folgendermaßen beantragt werden: Ab Geburt, hilfsweise vor der Geburt, hilfsweise flexibel in einem mit Art. 4 RICHTLINIE (EU) 2019/1158 zu vereinbaren Zeitraum, äußerst hilfsweise soll sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezuüge gewährt werden.
Mit letzterem wird dem Dienstherr die Möglichkeit gegeben, sich durch Gewährung von Sonderurlaub einer Entscheidung über den Vaterschaftsurlaub zu entziehen.


Gewährt die Dienststelle den Urlaub nicht, sind Widerspruch und Klage möglich. Sollte absehbar vor der Geburt kein Gesetz zum Vaterschaftsurlaub erlassen worden sein, wäre ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen, damit der Anspruch auf bezahlten Vaterschaftsurlaub durchgesetzt werden kann. Dies ist nötig, da dregulärer Urlaub nicht genommen werden kann, sodass die Sache klärungsbedürftig ist.
Erfolgsaussichten sind unklar, da die Frage der unmittelwaren Wirkung der Richtlinie noch nicht geklärt zu sein scheint.
Gib mir ein Minus, wenn dir meine Beiträge gefallen. :-)

PushPull

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #7 am: 26.11.2024 12:11 »
@Casa: Danke für den tollen Beitrag.

Zum Thema: Ein Kollege hat sich den quasi selbst genommen ;). Dann zwar nicht direkt nach der Geburt, aber eben frei nach der Elternzeit.

IchLiebeBeamtentum

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #8 am: 26.11.2024 12:16 »
Du scheinst dich entschieden zu haben.
Dann viel Erfolg beim Klagen.

Wildschnee

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #9 am: 26.11.2024 12:35 »
@Casa: Top Beitrag und vielen Dank für die sachliche Einschätzung…

Naja, bevor man den aufwendigen Weg der Klage geht, kann es ja auch sein, dass einen die Geburt so geschlaucht hat, dass man sich für zwei Wochen krank schreiben lassen muss…

IchLiebeBeamtentum

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #10 am: 26.11.2024 16:30 »
Wenn du es schon entschieden hast, warum fragst du denn hier in diesem Forum?

Aber von Wegen

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #11 am: 26.11.2024 22:53 »
Meines Wissens ist die Frage für Deutschland und die EU geklärt.

Zitat:
"Ist Deutschland durch die Richtlinie zur Einführung eines "Vaterschaftsurlaubs" verpflichtet?
Eine solche Verpflichtung besteht für Deutschland nicht. Die nach Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 2 der sogenannten Vereinbarkeitsrichtlinie (Richtlinie 2019/1158/EU) grundsätzlich vorgegebene zehntägige bezahlte Auszeit des zweiten Elternteils rund um die Geburt des Kindes muss Deutschland nicht umsetzen. Denn: Ausnahmeklauseln in Artikel 20 Absatz 6 und Absatz 7 der Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen von der Verpflichtung, einen sogenannten "Vaterschaftsurlaub" vorzusehen. Diese Voraussetzungen erfüllt Deutschland aufgrund seiner umfassenden Regelungen zur Elternzeit (hinsichtlich der Freistellung) und Elterngeld (hinsichtlich der Vergütung)."

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/familienleistungen/elternzeit/vertragsverletzungsverfahren-zur-umsetzung-der-vereinbarkeitsrichtlinie--237698

Klagen kann man natürlich immer, aber vor Gericht und auf hoher See ...

shimanu

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #12 am: 26.11.2024 23:06 »
Und genau deswegen ist das benannte Vertragsverletzungsverfahren ggü. der BRD inzwischen nicht mehr anhängig.

PushPull

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #13 am: 27.11.2024 07:32 »
Dennoch steht's im Koalitionsvertrag. Dass das in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommt, liegt dann, wie eigentlich alles Schlechte bzgl. der Ampel an Christian Lindners Ego den Gelben.

Casa

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Antw:[Allg] Vaterschaftsurlaub
« Antwort #14 am: 27.11.2024 08:20 »
Zitat
Meines Wissens ist die Frage für Deutschland und die EU geklärt.

Zitat:
"Ist Deutschland durch die Richtlinie zur Einführung eines "Vaterschaftsurlaubs" verpflichtet?
Eine solche Verpflichtung besteht für Deutschland nicht. Die nach Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 2 der sogenannten Vereinbarkeitsrichtlinie (Richtlinie 2019/1158/EU) grundsätzlich vorgegebene zehntägige bezahlte Auszeit des zweiten Elternteils rund um die Geburt des Kindes muss Deutschland nicht umsetzen. Denn: Ausnahmeklauseln in Artikel 20 Absatz 6 und Absatz 7 der Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen von der Verpflichtung, einen sogenannten "Vaterschaftsurlaub" vorzusehen. Diese Voraussetzungen erfüllt Deutschland aufgrund seiner umfassenden Regelungen zur Elternzeit (hinsichtlich der Freistellung) und Elterngeld (hinsichtlich der Vergütung)."

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/familienleistungen/elternzeit/vertragsverletzungsverfahren-zur-umsetzung-der-vereinbarkeitsrichtlinie--237698

Klagen kann man natürlich immer, aber vor Gericht und auf hoher See ...

Danke!

Damit scheint Deutschland von einer Ausnahme zu profitieren, da es einen Anspruch auf Elternzeit mit entsprechender Vergütung gibt.
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