@ Nelson
Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 - wenn auch hinsichtlich der W-Besoldung, die im Konzert der Besoldungsordnungen eine besondere Rolle spielt, da im Bereich der Forschung eine besonders ausgeprägte Leistungstradition zu finden ist - grundlegende Aussagen zum Verhältnis von Alimentationsprinzip und Leistungsgrundsatz gemacht. Wäre ich nun für einen Gesetzentwurf zuständig und stände unter der Prämisse, eine tatsächlich amtsangemessene Besoldungssystematik zu entwickeln, die darüber hinaus zu möglichst geringen, aber sachgerechten Mehrkosten führen sollte, dann würde ich zunächst einmal die Ämter und ihre unterschiedliche Wertigkeit in den Blick nehmen. Dabei würde ich insbesondere die zwangsläufige Folge der neuen Besoldungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts als Chance begreifen. Denn zunächst einmal wird am Ende allen Beamten ausnahmslos ein höheres Besoldungsniveau zu gewähren sein - es gibt also etwas zu verteilen, was offensichtlich eine Chance ist, wenn man das politisch begreift. Denn die Verteilung eines Gutes kann als nicht geringer sozialer wie materieller Verstärker begriffen werden, wenn man denn etwas begreifen möchte, was man im Besoldungsrecht von den 17 Gesetzgebern offensichtlich nicht immer mit reinem Gewissen behaupten könnte.
Dabei kann der Leistungsgrundsatz mit dem Ziel, die Mehrkosten sachgerecht zu begrenzen, herangezogen werden, um zur Gewährleistung eines sachgerechten Besoldungsniveaus beizutragen; hier treffen sich nun die beiden vorhin genannten lit. b und c. Entsprechend darf der Besoldungsgesetzgeber zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, was der Senat 2012 im zweiten Leitsatz wie folgt ausgeführt hat:
"Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers deckt grundsätzlich auch strukturelle Neuregelungen der Besoldung in Form von Systemwechseln ab, welche die Bewertung eines Amtes und die damit einhergehende besoldungsrechtliche Einstufung betreffen. Allerdings muss der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass die besoldungsrechtliche Neubewertung eines Amtes immer noch den (unveränderten) Anforderungen des Amtes gerecht wird." (BVerfGE 130, 263 <263 Ls. 2>;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/02/ls20120214_2bvl000410.html).
Zurzeit vollziehen die Besoldungsgesetzgeber als Systemwechsel deklarierte Kontinuitätsfortsetzungen, die einzig darin ihre Veränderung erfahren, dass man behauptet, man könne Partneinkünfte betrachten. Darüber hinaus werden neue alte Familienzuschläge in zumeist exorbitanter Höhe gewährt, ohne damit jedoch einen Systemwechsel zu vollziehen, sondern stattdessen nur kaschieren zu wollen, dass man sowohl nicht gewillt ist, eine sachgerechte Alimentation aller Beamten zu gewähren, als auch nicht gewillt ist, als Politiker politisch zu handeln, also nach sachgerechten Problemlösungen zu suchen. In dieser letzten Denkfaulheit zeigt man in unserem Thema wiederkehrend, dass man unfähig ist, Sachprobleme sachlich zu lösen, und darüber hinaus, dass man noch nicht einmal in der Lage ist, Sachprobleme als solche in den Blick zu nehmen, also sie als Problem zu akzeptieren. Man darf sich also nicht wundern, wenn der gemeine Wähler sich nach Alternativen umschaut (was ich weder als richtig betrachte noch als gut bewerte, aber als vorliegend zur Kenntnis zu nehmen habe), da er jene abstrafen will, die Lösungskompetenz für sich beanspruchen, sich dabei in unserem Thema aber als Windbeutel offenbaren - und da man diese Art von Täterätätä im Osten unsere schönen Republik in nicht geringen Teilen noch ganz gut in Erinnerung mit sich trägt, und zwar nicht nur in unserem Thema, ist's wenig verwunderlich, dass dort nun AfD und BSW auf deutlich mehr offene Ohren stoßen als im Westen. Denkfaulheit, die mit Parolen kaschiert werden soll, führt dort offensichtlich noch viel eher zu allergischen Reaktionen. Das Geplapper irgendwelcher westsozialisierten Laberköppe stößt dort zunehmend auf taube Ohren, weil man diese Art des Geplappers mitsamt seiner zerstörerischen Folgen offensichtlich noch nicht gänzlich vergessen hat (das ist nun etwas vereinfacht dargestellt und müsste also im Einzelfall zu differenzieren sein, dürfte aber nicht selten Teil entsprechender Wahlmotivationen sein, schätze ich).
Gibt man also die Denkfaulheit auf und versucht, politisch zu handeln - demokratische Politik bedeutet bekanntlich, in der Sache um alternative, also unterschiedliche, Lösungsversuche zu ringen, etwas, was sich gleichfalls in der Verrechtlichung der Bersoldungsfrage seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr findet -, darf man also das zur Kenntnis nehmen, was das Bundesverfassungsgericht 2012 im dritten Leitsatz hervorgehoben hat:
"In der Entwicklungsfähigkeit des Alimentationsprinzips ist es auch angelegt, anstelle eines grundgehaltsorientierten, nach Dienstaltersstufen [heute: Erfahrungsstufen; ST.] gegliederten Besoldungssystems ein zweigliederiges Vergütungssystem bestehend aus festen Grundgehältern und variablen Leistungsbezügen zu schaffen. Wenn der Gesetzgeber aber von der einen auf eine andere Gestaltungsvariante übergeht, dann muss er – neben den vom Alimentationsprinzip gestellten Anforderungen – auch den sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge tun. Leistungsbezüge müssen, um das Grundgehalt alimentativ aufstocken und dadurch kompensatorische Wirkung für ein durch niedrige Grundgehaltssätze entstandenes Alimentationsdefizit entfalten zu können, für jeden Amtsträger zugänglich und hinreichend verstetigt sein."
Auf dieser Basis hätte man nach 2012 - zu einer Zeit, als es noch kein Mindestabstandsgebot gab - genauso wie noch 2015 - als es noch kein Mindestabstandsgebot gab und die Mindestalimentation als 15 %ige Vergleichsschwelle zum Grundsicherungsniveau zwar ausformuliert, aber noch nicht konkretisiert worden war - und ebenso wie noch 2019, als weiterhin das zu beachten gewesen ist, was ich in der letzten Parenthese ausgeführt habe, einen grundlegenden sachorintierten Systemwechsel vollziehen können, der ggf. zu nicht unendlich höheren Personalkosten geführt hätte, als sie zur damaligen Zeit gegeben waren. Da man aber auch zu jener Zeit als politische Klasse in unseren Thema ebenfalls schon lieber Denkfaulheit und Problemverdrängung praktiziert hat, obgleich die Worte aus Karlsruhe ab 2012 in den Jahren 2015, 2017 und 2018 immer drängender geworden waren, hat man diese Chance verstreichen lassen, um nun seit 2020 über das ausgeformte Mindestabstandsgebot gewahr zu werden, dass es nun auch mittels eines sachgerechten Systemwechsels deutlich teurer werden wird. Und da man seit 2020 weiterhin denkfaul und problemverdrängend gehandelt hat, darf man vermuten, dass es nach den angekündigten Entscheidungen kaum kostengünstiger mehr werden wird, zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Da dürfte auch sämtliches Täterätätä, was mancher als Prozeduralisierung verstehen möchte, wenig nützen.
Dennoch bleibt die Direktive des gerade zitierten dritten Leitsatzes in ihrem sachlichen Bestand bestehen. Und nun wäre es offensichtlich im demokratischen Wettstreit um die besten Ideen sachgerecht, mal die Fenster und Türen zu öffnen und also mit der Gesellschaft in einen Dialog zu treten, was man anhand dessen, was der Zweite Senat über Leitsätze hinaus eigentlich an sachlicher Substanz nicht nur in der zitierten, sondern auch in seinen weiteren Entscheidungen dargelegt hat, eigentlich für einen öffentlichen Dienst der Zukunft, der notwendig sein wird, um den sich zunehmend beschleunigenden sozialen Wandel öffentlich verwalten zu können, an Möglichkeiten anvisiert dürfte - und wenn man schon als Politik nicht in der Lage ist, mit der Gesellschaft in einen Dialog zu treten, weil man ggf. vergessen hat, dass Politeia ursprünglich auf Dialog beruht und also man als Politiker die Kunst der Rede beherrschen sollte, dann könnte man wenigstens die Denkfaulheit auf ein gesundes Maß verringern und also innerhalb der politischen Klasse nach den besten Ideen fahnden, was zunächst einmal hieße, dass man ggf. mal lesen sollte, was der Zweite Senat in den letzten rund dreißig Jahren eigentlich so alles in präzisen Begründungen an Alternativen zum überkommenen Besoldungsrecht formuliert hat.
Der langen Rede kurzer Sinn: Allein in der gerade mit zwei Leitsätzen zitierten Entscheidung, die wie gesagt die hessische W-Besoldung zu prüfen hatte, wird man so viele Ideen finden, wie man eine sachgerechte Besoldungssystematik für die unterschiedlichen Besoldungsordnungen erstellen könnte, dass das für mehr als die durchschnittliche Dauer eines Politikerlebens reichen dürfte. Denn die Halbwertszeit bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen ist in der Regel erstaunlich lang, was man von den Entscheidungen unserer 17 Besoldungsgesetzgeber in den letzten drei bis vier Jahrzehnten offensichtlich so eher nicht behaupten kann.