Autor Thema: Wann geht Post "auf dem Dienstweg" zu und welche Form für Zusammenfassung AWbG?  (Read 2283 times)

PiA

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Liebe Verwaltungsfachleute,

als nicht-VFA habe ich mal eine "dumme Frage" (mit zwei Folgefragen):

Mitte Mai habe ich schriftlich mit Eingangsbestätigung etc. Bildungsfreistellung für ein zweiwöchiges Seminar beantragt. Gestern habe ich nun die schriftliche Teilablehnung meines Antrags erhalten, in dem mangels Schriftform der entsprechenden Erklärung aus Dezember 2023 (das war in der Tat eine eMail) die Zusammenfassung abgelehnt, mir die fünf Tage aus 2024 gewährt und mir statt der abgelehnten fünf Tage aus 2023 die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub anheimgestellt wird.

Das Ablehnungsschreiben trägt das taggleiche Datum meines Antrags aus Mitte Mai, einen Eingangsstempel meines Fachamtes von (wochentagsidentisch) drei Wochen später und den Eingangsstempel meiner Dienststelle (also der Schule, an der ich tätig bin) von vorgestern.

Nun gilt ein Antrag auf Bildungsfreistellung gem. § 5 Abs. 3 AWbG NRW als genehmigt, wenn der Arbeitgeber diesen nicht innerhalb von drei Wochen schriftlich und begründet ablehnt.

Daher habe ich drei Fragen:
  • Dies interessiert mich tatsächlich primär:
    Wann ist mir als AN der per "Hauspost" versendete Brief des AG als zugegangen?

    Mit Erstellung? Mit Eingang beim Fachamt? Mit Eingang an der Dienststelle? Mit Ablage in meinem Postfach? Mit Entnahme aus diesem? Mit Öffnen des Umschlages?

  • Gilt die Genehmigungsfiktion auch für die Zusammenfassung, selbst wenn die Erklärung im Vorjahr an einem Formmangel leidete?

    Hätte also die Ablehnung mit der Begründung "Formmangel" auch innerhalb der drei Wochen eingehen müssen?
    Denn freiwillig kann er mir diese Tage durchaus noch gewähren.

  • Unterliegt die Erklärung der Zusammenfassung im ablaufenden Jahr überhaupt einer Formvorschrift?

    Im AWbG NRW ist  keine Formvorschrift für die Zusammenfassung (§ 3 Abs. 1) genannt, das Erfordenis einer Erklärung im ablaufenden Jahr stammt aus der Rechtsprechnung von "anno tuc", nach der ein untergangener Anspruch nicht durch eine nach dem Untergang getätigte einseitige Erklärung zu Lasten des AG wiederauflebt. Seinerzeit ist diese Erklärung aber schriftlich abgegeben worden, weshalb die Form nicht thematisiert worden war.

    Ein Schriftformerfordernis ist aber nur für die Beantragung der zusammengefassten Bildungsfreistellung im Jahr der tatsächlichen Inanspruchnahme normiert (§ 5 Abs. 1 Satz 1).

    Das DGB-Bildungswerk NRW ist zwar nicht der Anbieter meines Seminars, schreibt aber in seinem Flyer zum Bildungsurlaub, für die Erklärung der Zusammenfassung [im ablaufenden Jahr] gäbe es keine Formvorschrift, aus Beweisgründen solle diese aber "schriftlich/per eMail" erfolgen. Sodann folgt ein Hinweis auf einen Musterbrief im Anhang.

    Nun wird es komisch: Die ausdrückliche Nennung der eMail im Fließtext erfolgte mit den Änderungen von der Flyer-Version 2022 nach 2024. Just in dieser Versionsänderung wurde aber zu dem Musterschreiben der Hinweis, dass dieses dem AG bis Jahresende vorliegen muss, das Wort "schriftlich" ergänzt - beide Änderungen selbstredend ohne Rechtsquelle.

    Hat jmd. da evtl. etwas zu gelesen?

Denn selbstredend habe ich das Seminar nach Ablauf der o. a. Dreiwochenfrist - von der damit wirksamen Genehmigung ausgehend - fest gebucht.

Es macht halt einen Unterschied von fünf Tagen bezahltem Urlaub, der mir dann in den Herbstferien fehlte und für den ich in der Folge Kinderbetreuungszeiten buchen müsste.

VG PiA

Casa

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Am einfachsten wäre die Bildungsfreistellung erneut zu beantragen, sofern noch fristgerecht möglich. Nach der Frist kann der Arbeitgeber freistellen, muss es aber nicht.

Zitat
Dies interessiert mich tatsächlich primär:
Wann ist mir als AN der per "Hauspost" versendete Brief des AG als zugegangen?

Zitiert aus meiner Antwort in einem anderen Thread.

Zitat
Der Zugang erfolgt hier, wenn der VA in den Machtbereich des Empfängers gelangt und bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger zu rechnen ist.

VA ist am Montagmittag mit der Hauspost in der Funktionseinheit angelangt, am Dienstag kann mit Kenntnis durch den Beamten gerechnet werden.

Hier ists freilich ein AN.



Zusammenfassung Bildungsfreistellung über 2 Jahre.

§ 3 Abs. 4 AWbG regelt den Anspruch bei Ablehnung der Bildungsfreistellung aus den in § 5 Abs. 2 genannten Gründen. Unabhängig von dem Anspruch auf Übertragung gem. § 3 Abs. 4 kann der Bildungsurlaub gem. § 3 Abs. 1 zusammengefasst werden.
Das "kann" wird von der Behörde im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ausgelegt. In 2024 kann also Bildungsfreistellung mit den Tagen aus 2023 beantragt werden. Die mir bekannten Behörden verweigern üblicherweise keine Zusammenfassung des Bildungsurlaubs aus 2 Jahren. Die Behörde wird eine Entscheidung treffen müssen und muss diese begründen.


Formwirksamkeit Antrag und VA

Aus dem Erfordernis der schriftlichen Mitteilung in § 5 Abs. 1 AWbG ergibt sich, dass sowohl der Antrag, als auch die in der Norm genannten Unterlagen schriftlich zu übermitteln sind. Grundsätzlich ist ein Antrag eine Willenserklärung. Wird die Willenserklärung nicht dem Formerfordernis entsprechend abgegeben, ist sie unwirksam, § 125 BGB analog.

Gleichwohl kann ein Verwaltungsakt auch bei Vorliegen rechtlicher erlassen werden und bestandskräftig werden. Er muss dafür wenigstens wirsam sein und darf nicht nichtig sein. Hier stellt sich die Frage, ob eine Genehmigungsfiktion ohne formgültigen Antrag wirksam ist und in Bestandskraft erwachsen kann.
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, § 44 Abs. 1 VwVfG NRW.
Ich sehe den Tatbestand nicht als erfüllt an.

Weitere Nichtigkeitsgründe aus § 44 Abs. 2 sind nicht ersichtlich.

Viel mehr spricht die Regelung in § 45 Abs. 1 VwVfG NRW dafür, dass ein mangelnder Antrag (also auch ein formunwirksamer Antrag) keinen besonders schwerwigenden Fehler darstellt. Nichtige Verwaltungsakte können nicht geheilt werden. Um einen VA zu heilen, darf er nur rechtswidrig, aber nicht nichtig sein. Der mangelnde Antrag kann nach dieser Norm nachträglich gestellt werden. Das spricht deutlich für einen wirksamen Verwaltungsakt.

I. E. ist die Genehmigungsfiktion auch bei formunwirksamer Antragstellung eingetreten. Der Verwaltungsakt ist rechtswidrig, aber bestandskräftig. Eingeschlossen sind alle beantragten Tage für den Bildungsurlaub, also auch die Tage aus 2023.
Eine Aufhebung kann nur gem. § 48 VwVfG NRW erfolgen.*




§ 5 Abs. 4 stellt m. E keine Lösung dar, da der AG den Antrag nicht aus Sachgründen abgelehnt hat, sondern aus formalen Gründen und keine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Dies würde den vom Gesetzgeber gewollten Anwendungsbereich doch deutlich übersteigen.

Zitat
Verweigert der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen Gründen als aus denen des Absatzes 2, so kann der Arbeitnehmer ihm binnen einer Woche seit Mitteilung der Verweigerung schriftlich mitteilen, er werde gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen; in diesem Fall darf er an der Veranstaltung auch ohne Freistellung teilnehmen.

Ich würde es trotzdem versuchen und binnen Wochenfrist die Teilnahme mitteilen. Mal sehen wie der AG reagiert.


Weiterhin würde ich mitteilen, "die Ablehnung hat keine Grundlage, da der Antrag durch Genehmigungsfiktion bewilligt ist und das Verwaltungsverfahren beendet ist. Die verspätete Bearbeitung des Antrags aus Dezember 2023 sowie der mangelnde Hinweis auf eine formwirksame Antragstellung führt zudem zu Amtshaftungsansprüchen bzw. Schadensersatzansprüchen, sollte die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung untersagt werden. Anbei erhalten Sie für Ihre Unterlagen den Antrag  aus 2023 und die dazugehörigen Unterlagen in Schriftform."

Binnen Monatsfrist wäre Widerspruch zu erheben. Grund 1: "Ein erneuter Antrag wurde nicht gestellt. Ohne Antrag darf die Behörde hier nicht tätig werden."

Denkbar ist zudem, dass die Ablehnung in eine Aufhebung gem. § 48 VwVfG NRW umgedeutet werden kann. Daher ist im Widerspruch weiterhin anzuführen, Grund 2: "Sofern eine Aufhebung der Genehmigungsfiktion vorliegen sollte, mangelt es der Aufhebung an der notwendigen Ermessensausübung und Begründung."




Zitat
*
Das Unterlassen notwendiger Verfahrensschritte führt hingegen grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungsfiktion. Dann ist es allerdings folgerichtig, die §§ 45, 46 anzuwenden (Schoch/Schneider/Baer/Wiedmann VwVfG § 42a Rn. 18 mit weiteren Nachweisen). § 48 VwVfG findet Anwendung (Schoch/Schneider/Baer/Wiedmann VwVfG § 42a Rn. 21).
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PiA

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Danke Casa.

Ich finde auch, dass mir ein Schreiben, dass "zwar" in meinem Fachamt, aber in einem ganz anderen Haus herumgereicht wird, frühestens zugeht, wenn es in meinem tatsächlichen Zugriffsbereich eintrifft, sprich an "meiner" Schule als regelmäßiger Arbeitsstätte.

Damit ist zumindest mal die drei-Wochen-Frist "durch".

Sind wir denn überhaupt im VwVfG, wenn ein kommunaler Arbeitgeber einen Antrag auf Bildungsurlaub ablehnt?

Was unstrittig ist:
Der Antrag auf Freistellung aus Mitte Mai war grds. form- und fristgerecht sowie vollständig für ein Seminar Mitte Juli. Deshalb ja auch nur eine "Teilablehnung".
Für eine neue Beantragung "heute" wäre es zu spät, dies ist aber mE auch nicht erforderlich. Die Erklärung der Zusammenfassung in anderer Form kann ja auch nicht rückwirkend geschehen.

Also, mE irrt der AG betreffend des Schriftformerfordernisses. Deshalb lehnt er den Antrag - aber zu spät - ab.
Gibt es denn im Zivilrecht ein "Pendant" zur "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" zu Gunsten des AG?
Ich meine klar, wenn schon formal nicht zulässig, muss ich inhaltlich nicht prüfen, daher ist dies ggf. gar nicht erfolgt.

Nun steht aber im AWbG NRW nur in § 5 etwas zu Schriftform, namentlich bei der tatsächlichen Beantragung (mit Nennung Lehrgang, Unterlagen etc.), dessen Ablehnung durch den AG und der sog. "Gleichwohl-Erklärung".

Zur Zusammenfassung nach § 3 Abs 1 Satz 2 (nicht: die Übertragung nach § 3 Abs. 4, aber auch dort nur mittelbar, weil ja nur ein schriftlicher Antrag wirksam ist und hier - nur hier - begründet abgelehnt werden muss) bzw. zu deren Erklärung finde ich aber im ganzen Gesetz keine Formvorschrift.

[Dass überhaupt eine Erklärung im Vorjahr abzugeben ist, folgt ja auch nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Rechtsprechung, die "damals" - 1993? - nachvollziehbar ausführte, im Folgejahr könne ein Anspruch, der mit Ablauf des Vorjahres untergegangen ist, nicht druch einseitige Willenserklärung wiederaufleben. In dem damaligen Fall erfolgte diese Erklärung schriftlich, weshalb sich die Frage nach der gar nicht stellte.]

Eine Prüfung, die die Wirksamkeit der Erklärung anerkennt, hätte aber mE auch nicht zu einem anderen Ergebnis führen können, als zu Genehmigung, denn mir wurde ja alternativ Erholungsurlaub angeboten.

Aber auch eine begründete Ablehnung wäre ja auch nicht früher angekommen als die jetzige.

Würde der AG jetzt wegen eines Irrtums in der Begründung der verfristeten Ablehnung eine neue Möglichkeit zur Ablehnung aus anderen  Gründen erhalten, wäre das ja... ja was eigentlich? Die Belohnung des Rechtsirrtums? Hättest Du einen zutreffenen Grund gehabt, wäre es jetzt zu spät, aber weil dein Grund nicht zutrifft, darfst Du nochmal prüfen?

Einzig - das hatte ich in meiner Schilderung unterschlagen um sie nicht noch komplexer zu machen - die Tatsache, dass es nur ein siebentätiges Seminar ist und ein anderes dreitägigen Seminar bereits stattgefunden hat, hätte ggf. zur Ablehnung mit der Begründung führen können, diese beiden Seminare seien nicht "einheitlich" genug.

Dazu hatte ich in den Antrag eine Begründung geschrieben:
Es geht konkret um ein Seminar zur Qualität in der OGS (drei Tage) und um die Übungsleiter-C-Lizenz Breitensport für Kinder und Jugendliche des Landessportbundes (sieben Tage). Letztere wird u. a. von unserer Landesregierung für OGS-Quereinsteiger und Honorarkräfte als alternative "irgendwie"-Qualifikation beworben.


Um es abzukürzen:
Ich werde dem AG eine schriftliche Gleichwohl-Erklärung zukommen lassen und in dieser ferner auf die "gerissene" Frist und den mE Irrtum betreffend das Schriftfromerfordernis für die Erklärung der Zusammenfassung im Dezember 2023 hinweisen.

Und dann sehen wir mal...

Casa

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Zitat
Um es abzukürzen:
Ich werde dem AG eine schriftliche Gleichwohl-Erklärung zukommen lassen und in dieser ferner auf die "gerissene" Frist und den mE Irrtum betreffend das Schriftfromerfordernis für die Erklärung der Zusammenfassung im Dezember 2023 hinweisen.

Und dann sehen wir mal...


Das würde ich lassen und wie von mir genannt verfahren.
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