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[HB] Widerspruch gegen Besoldung/Versorgung, Diskussion #2
Magda:
Nein, ist bei uns nicht anders. Der PR informiert dazu gar nicht. Ich bin erst 2021/2022 auf das Thema über das Forum hier gestoßen und das obwohl ich seit 2014 Beamtin bin.
Zauberberg:
Ist es denn nur ein Bremer Problem, dass die Personalräte nicht so aktiv sind ?
Generell wir im Land Bremen wenig über beamtenrechtliche Dinge informiert bzw. beraten die Personalräte zu schwierigen Dingen wie amtsangemessene Allimentation oder den Vorschriften zum Familienergänzungszuschlag.
Ich sehe die Personalräte und die darin befindlichen Gewerkschaften nur bei Tarifverhandlungen, was auch sehr gut ist, aber bei anderen schwierigen Themen, gerade bei Beamten, nehme ich sie nicht gerade verstärkt war.
SwenTanortsch:
Das Thema Besoldung und amtsangemessene Alimentation ist spätestens seit 2021/22 in allen 17 Rechtskreisen "derart komplex und intransparent, dass weder aus praktisch-tatsächlicher oder aus strukturell-systematischer Sicht von sinnvollen oder sachgerechten Weiterentwicklungen der Besoldung gesprochen werden kann. [...] Besoldungspraktisch kann heute kein Beamter mehr einordnen, ob die ihm gewährte Besoldung - gegebenenfalls ergänzt um einen ortsbezogenen Familien-(ergänzungs-)zuschlag - amtsangemessen ausgestaltet ist. Infolge der Intransparenz und Komplexität bereits wegen der unterschiedlichen Gewichtungen von familiären und/oder ortbezogenen Elementen ist dies auch Fachleuten kaum mehr rechtssicher möglich." (Tepke/Becker, ZBR 2025, S. 1, 9).
Da nun die jeweiligen Personalräte vor Ort eben i.d.R. keine Juristen sind und die Juristen der jeweiligen Gewerkschaft die Komplexität der Materie den jeweiligen Personalräten in entsprechenden Schulungen - jene geben zumeist einen Überblick über ein ganzes Bündel an Neuregelungen und nicht nur über die Besoldung - kaum sachlich erklären können, sich so aber in der Schwierigkeit befinden, kaum rechtssichere Auskunft geben zu können - so wie das die beiden Besoldungsspezialisten der dbb im Zitat hervorheben -, wird man regelmäßig eher wenig Personalräte finden, die hinreichend über die Materie informieren könnten. Auch hier liegt also die Verantwortung weitgehend ausschließlich bei den 17 Dienstherrn, die das Recht entsprechend so mit ausgestaltet haben, wie wir es heute vorfinden.
Nimmt man bspw. das niedersächsische Personalvertretungsgesetz und wendet den § 99 Abs. 2 an, dann findet man folgende Freiststellung, die nach § 99 Abs. 1 NPersVG jeweils als Unterrichtsstunde zu betrachten ist:
"Schulpersonalräte erhalten folgende Freistellungen:
in Schulen mit
bis 7 Wahlberechtigten keine,
8 bis 20 Wahlberechtigten eine halbe Unterrichtsstunde je Woche,
21 bis 25 Wahlberechtigten eine Unterrichtsstunde je Woche,
26 bis 35 Wahlberechtigten zwei Unterrichtsstunden je Woche,
36 bis 65 Wahlberechtigten drei Unterrichtsstunden je Woche,
66 bis 100 Wahlberechtigten vier Unterrichtsstunden je Woche,
101 bis 150 Wahlberechtigten fünf Unterrichtsstunden je Woche,
151 bis 170 Wahlberechtigten sechs Unterrichtsstunden je Woche,
über 170 Wahlberechtigten sieben Unterrichtsstunden je Woche".
Entsprechend finden wir nun an den niedersächsischen Schulen regelmäßig je nach Größe der Schule einen bis sieben schulische Personalräte, die wöchentlich zumeist eine Entlastungsstunde erhalten. Von ihnen kann man nun im Alltag kaum erwarten, dass sie sich in die Komplexität der Materie hineinarbeiten. Vielmehr können sie zumeist nur bewerkstelligen, die Kolleginnen und Kollegen gen Ende des Jahres dazu auzufrufen, Widerspruch gegen die gewährte Besoldung und Alimentation einzulegen, und darüber zu informieren, dass wohl davon auszugehen sein sollte, dass die Besoldung und Alimentation in Niedersachsen durch die Bank verfassungswidrig sei. Darüber werden sie regelmäßig von den Gewerkschaften informiert, wenn sie denn gewerkschaftlich organisiert sind (was die meisten sein werden).
Jeder, der mal ein gewisse Zeit als Personalrat tätig war, weiß um die Mühen der Ebene - und die liegt vor allem auch hier wie immer darin, dass auf die Personalräte zumeist in viel zu wenig zur Verfügung stehender Zeit viel zu viele Probleme innerhalb der Dienststelle und darüber hinaus einstürzen, die nach Möglichkeit allesamt (mit) zu lösen sind. Das Amt des Personalrats ist letztlich ein Ehrenamt, das, wenn man es vernünftig wahrnimmt, was nach meiner Erfahrung der weit überwiegende Teil der Personalräte tut, deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als das die jeweilige Freistellung auch nur in Ansätzen abbilden könnte.
Genau auch deshalb gilt es für die Wahlvorstände von Personalratswahlen in den Schulen zumeist, viel, viel Klinken zu putzen, um überhaupt Kolleginnen und Kollegen zu finden, die sich entsprechend zur Wahl stellen.
Um kurz aus dem eigenen Nähkästchen zu plaudern: Wir haben 2015/16 an unserer Schule als PR mit viel Aufwand die von der GEW initiierte Arbeitszeitstudie mit unterstützt, indem also am Ende eine hohe Zahl an Kolleginnen und Kollegen an ihr teilgenommen haben (https://www.gew-nds.de/fileadmin/media/sonstige_downloads/nds/Mehrarbeit/Niedersaechsische-Arbeitszeitstudie2015-2016-Endbericht.pdf). Ich habe damals ebenfalls meine Arbeitszeit dokumentiert. Ich kam am Ende - in dem Schuljahr hatte ich zum ersten Mal mein Deputat auf eine Dreiviertelstelle heruntergekürzt, weil ich einfach nicht mehr hinterherkam - bei einer also regelmäßigen 30 Stunden-Woche auf über 47 Wochenstunden, von denen durchschnittlich rund zehn Stunden auf meine PR-Arbeit entfielen.
Ergo: PR-Arbeit ist super, unter anderem, weil man in der Beteiligung ist - aber sie ist ein erheblicher Zeitfresser, eben nicht zuletzt, weil man in der Beteiligung ist. Entsprechend kann ich nur allen Leserinnen und Lesern aus Niedersachsen und Bremen empfehlen, lasst euch in drei Jahren aufstellen, engagiert euch als PR: Das ist ein sehr wichtiges und sehr schönes Ehrenamt, das einem in vielerlei Hinsicht die Augen öffnet. Ein wenig Zeit solltet ihr dafür mitbringen.
Zauberberg:
Sweet., wie fast alles von Dir, absolut richtig ! PR Tätigkeit ist nicht zu unterschätzen. Es ging mir auch nicht um konkrete und schon gar nicht rechtssichere Hilfe durch die Personalräte ! Es ging mir darum wie Magda es schrieb, dass überhaupt das Problem vorgestellt wird ! Viele wissen nicht von der Existenz des Problems mit der amtsangemessen Alimentation oder der Problematik oder gar der Existenz des FEZ ! Das sollen die Personalräte bekannt machen und nicht totschweigen ,!
SwenTanortsch:
Das Problem ist, dass auch noch nach 2015 ein großer Teil der Personalräte wegen der Komplexität der Materie ebenfalls nur bedingt von der Problematik wusste (und vor 2015 regelmäßig letztlich wohl eher gar keiner, so wie ich auch nicht), was sich nach 2020 aus den genannten Gründen nur noch verstärkte. Ein sicherlich nicht geringer Teil an Personalräten kann sich - eben, weil sie sich ebenfalls aus den genannten Gründen kaum hinreichend in die Materie einarbeiten können - tatsächlich selbst kaum vorstellen, dass und ggf. in welchen Dimensionen wir in den Rechtskreisen diese eklatanten Probleme hinsichtlich einer amtsangemessenen Besoldung und Alimentation vorfinden, Zauberberg.
Auch Personalräte beziehen nicht wenig ihres Wissens wie wir alle aus den Medien und also gleichfalls aus den Qualitätsmedien - wenn jene aber von solchen ahnungslosen Worten wie bspw. diesen hier voll sind, dann kann man es m.E. - leider! - durchaus verstehen, dass sich das Wissen über die überkomplexe Materie eher in Grenzen hält:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/oeffentlicher-dienst-ein-arbeitskampf-gegen-den-politikwechsel-110216272.html
Es ist also i.d.R. kaum ein Vorsatz, sondern vielfach ein nicht hinreichendes Wissen, das dazu führt, dass wiederkehrend nicht hinreichend informiert wird. Genau deshalb ist das Forum hier ein wichtiges Instrument zur Selbstvergewisserung und Information, weshalb ich direkt nach der Veröffentlichung der aktuellen Entscheidung Ende Juli 2020 den mittlerweile aus 464 Seiten bestehenden Thread zum Thema eröffnet habe, der klein anfing, zunächst eher nicht verstanden wurde und heute knapp drei Millionen mal aufgerufen worden ist. m3mn0ch hat dann kurze Zeit später den entsprechenden Thread auf der Seite der Bundesbeamten eröffnet, der dann nach und nach noch einmal sehr viel größer geworden ist und heute 1072 Seiten mit knapp 4,5 Mio. Aufrufen beinhaltet.
Um noch einmal aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich habe ebenfalls erst 2015 angefangen, mich so hinreichend mit der Thema zu beschäftigen, dass ich ab da in meinem Kollegium Jahr für Jahr Musterwidersprüche zur Verfügung stellen und die Kolleginnen und Kollegen dazu auffordern konnte, im eigenen Interesse Widerspruch zu führen. Ich habe darin dann in den nächsten Jahresenden regelmäßig nicht wenig Energie investiert - dabei habe ich allerdings zunächst ebenfalls nur einen kleinen Ausschnitt der Problematik verstanden, wenn auch nun schon bereits mehr als noch 2005, als auch ich zum ersten Mal Widerspruch geführt habe, ohne eigentlich zu verstehen, was ich da gemacht habe, weil auch ich damals letztlich unwissend nur dem Aufruf der niedersächsischen GEW gefolgt bin.
Erst als am 30. Oktober 2018 das Bundesverwaltungsgericht seinen für Niedersachsen maßgeblich Vorlagebeschluss 2 C 32.17 gefasst hat (https://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/301018B2C32.17.0.pdf), habe ich angefangen, mich zunehmend tiefer in die Thematik einzuarbeiten - was nun reiner Zufall, und zwar diesem Beitrag geschuldet war:
https://www.goettinger-tageblatt.de/der-norden/beamte-in-niedersachsen-koennten-bald-mehr-verdienen-4QCTU3E3HIPWBH4NR3DNFZAXJQ.html
Auf ihn bin ich am 30. Oktober 2018 gestoßen und habe also auch diese Passage gelesen: "Der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hatte in dem jetzigen Revisionsverfahren zu prüfen, ob der Abstand zum Grundsicherungsniveau in der untersten Besoldungsstufe A 2 über Jahre hinweg geringer als 15 Prozent war. 'Wir haben in erschreckender Weise festgestellt, dass dies in all den Jahren nicht erreicht wurde', sagte der Vorsitzende des 2. Senats, Ulf Domgörgen, am Dienstag. Die Vorgabe gelte für die geringste Besoldungsstufe A 2, sei aber auf die höheren Stufen übertragbar, betonte der Senatsvorsitzende Domgörgen. Er verglich das Grundsicherungsniveau mit dem Grundwasserspiegel. 'Wird dieser angehoben, hat das auch Auswirkungen auf alle folgenden Stufen.' Das Bundesverfassungsgericht könnte jedoch die Abstände der Besoldungsstufen neu festlegen." (Hervorhebungen durch ST.)
Hätte ich die drei hervorgehobenen Worte nicht gelesen - hätte also der Vorsitzende Richter bspw. nur formuliert: 'Wir haben festgestellt, dass ...." -, hätte ich mich sicherlich ebenfalls noch ein wenig mehr als zuvor mit dem Thema beschäftigt, da ja die Daten der Entscheidung recht eindeutig für sich sprachen - aber durch diese drei Worte ist mir, der ich seitdem schon über zehn Jahre in meinem PR für die Rechtsfragen zuständig war, sogleich klar gewesen, dass hier nun ein richtig großes Thema schlummert - denn wenn ein Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht solch drastische Worte in den Mund nimmt, dann musste hier ein gewaltiges Thema vorhanden sein. Das hat mich interessiert und so bin ich dann zu dem Thema gekommen, ohne dass mir am Anfang klar war, wohin es mich bislang treiben würde.
Die vielen Facetten des Themas haben mich seit jenem 30. Oktober 2018 nicht mehr losgelassen. Dass dem aber so gekommen ist, war nur verschiedenen Zufällen geschuldet, die mich dann an jenem 30. Oktober haben aufmerken lassen. Zufall ist, was einem zufällt...
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