Autor Thema: Kombination von Arbeitsverträgen zu insgesamt 120% - Ist das möglich?  (Read 6827 times)

wissmitarbeit

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Hallo zusammen,

ich stehe momentan vor einer beruflichen Entscheidung und könnte etwas Rat gebrauchen. Aktuell bin ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität in Sachsen-Anhalt tätig, beschäftigt nach TV-L 13 mit einer 100%-Stelle auf einem befristeten Vertrag bis Ende 2026. Kürzlich habe ich ein Angebot für eine unbefristete 100%-Stelle bei einer GmbH (Sachsen-Anhalt) erhalten.

Mein jetziger Chef (Arzt) möchte jedoch nicht, dass ich ganz gehe und hat mir vorgeschlagen, meinen aktuellen Vertrag auf 50% zu reduzieren und zusätzlich die Stelle bei der GmbH mit 70% anzutreten. Theoretisch würde das bedeuten, dass ich insgesamt 120% arbeite, was natürlich finanziell vorteilhaft wäre, aber auch mehr Arbeit bedeutet.

Ist eine solche Kombination von Arbeitsverträgen rechtlich und praktisch möglich, besonders im Hinblick auf die Regelarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche? Wie könnte das in der Praxis umgesetzt werden? Hat jemand Erfahrungen mit ähnlichen Situationen oder kann juristische bzw. arbeitsrechtliche Einsichten bieten?

Vielen Dank im Voraus für eure Hilfe!

troubleshooting

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120% bei 38h wären theoretisch möglich, da 45,6h (nach Europäischer Arbeitszeitrichtlinie sind 48 Wochenstunden möglich)
Aber, du musst auf die Aufteilung achten, da mehr als 10h/Tag halt erstmal gegen das ArbZG verstoßen + Ruhezeiten beachten usw.

Casa

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Zitat
Ist eine solche Kombination von Arbeitsverträgen rechtlich und praktisch möglich, besonders im Hinblick auf die Regelarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche?

Ja.

Zitat
Hat jemand Erfahrungen mit ähnlichen Situationen oder kann juristische bzw. arbeitsrechtliche Einsichten bieten?

Die Arbeit sollte tageweise aufgeteilt werden, bspw. 2 Tage AG1, 3 Tage AG2.

Ich gebe zu bedenken, dass sich eine dauerhafte Arbeitsbelastung von 120 % negativ auf die Gesundheit auswirken kann.
Bei 2 Arbeitsplätzen kann es stets zu Konflikten kommen. Salopp gesagt, man kann nicht auf 2 Hochzeiten tanzen.

Es kann Probleme bei der Urlaubsgewährung geben. Willst du eine Woche Urlaub nehmen musst du von beiden AG Urlaub genehmigt bekommen. Je nach konkreter Aufgabe kann dies schwierig bis unmöglich werden.

Die neue Beschäftigung kann grundsätzlich zu inhaltlichen Interessenkonflikten mit der ersten Beschäftigung führen.
Gib mir ein Minus, wenn dir meine Beiträge gefallen. :-)

wissmitarbeit

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120% bei 38h wären theoretisch möglich, da 45,6h (nach Europäischer Arbeitszeitrichtlinie sind 48 Wochenstunden möglich)
Aber, du musst auf die Aufteilung achten, da mehr als 10h/Tag halt erstmal gegen das ArbZG verstoßen + Ruhezeiten beachten usw.

Vielen Dank für Deine schnelle Antwort!

Zur Präzisierung meiner Situation: Auf dem Formular zur Reduzierung meines aktuellen Vertrags auf 50% lautet die Option zur Verteilung der Arbeitszeit:

Die Verteilung der Arbeitszeit soll wie folgt erfolgen:
Stundenaufteilung gleichmäßig je Arbeitstag/Woche
Stundenaufteilung wie folgt: Mo: ___ h, Di: ___ h, Mi: ___ h, Do: ___ h, Fr: ___

Angenommen, das Maximum von 8 Stunden pro Tag darf nicht überschritten werden, und bei der anderen Position werde ich ebenfalls 70% über dieselben fünf Tage arbeiten, wie könnte dann die Stundenverteilung praktisch aussehen, um die Arbeitsbelastung gleichmäßig auf die Woche zu verteilen und gleichzeitig die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten? Oder sollte ich bei der Personalabteilung anfragen, ob die Möglichkeit besteht, auch samstags zu arbeiten, um eine bessere Verteilung zu ermöglichen?

Vielen Dank nochmal für Deine Hilfe!


2strong

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In der Praxis wird niemand erfahren, wie viele Stunden Du jetzt tatsächlich am Tag gearbeitet hast, weil sich die Stunden auf verschiedene Arbeitgeber verteilen. Die größeren Probleme sehe ich auch insgesamt weniger in den 120% als in der - vom Kollegen bereits erwähnten - Tatsache, beide Arbeitsverhältnisses aufeinander abzustimmen, was insbesondere Überstunden, Dienstreisen, Urlaub und Arbeitsbefreiung betrifft. Aber scheint ja vorerst auch nur eine Übergansllsung (bis 2026) zu sein.

troubleshooting

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ArbZG sagt werktäglich nicht mehr als 8h bzw. 10h wenn innerhalb 8 Monate bzw. 24 Wochen der werktägliche 8h-Schnitt nicht überschritten wird.

Werktäglich ist halt auch Samstags. Ohne, im Detail die Kommentierungen zur Auslegung zu kennen, dürfte das bedeuten, dass du jeden Arbeitstag 9,6h schaffen kannst, und damit insgesamt innerhalb der 8h werktäglich (= 6 Tage á 48h) bleibst.

MoinMoin

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Mein jetziger Chef (Arzt) möchte jedoch nicht, dass ich ganz gehe und hat mir vorgeschlagen, meinen aktuellen Vertrag auf 50% zu reduzieren und zusätzlich die Stelle bei der GmbH mit 70% anzutreten. Theoretisch würde das bedeuten, dass ich insgesamt 120% arbeite, was natürlich finanziell vorteilhaft wäre, aber auch mehr Arbeit bedeutet.
Und warum macht man sowas?
Hat der jetzige Chef in der GmbH seine Finger mit im Spiel?
Sind die beiden AGs irgendwie miteinander verbandelt?

Ansonsten würde ich jemanden der 120% arbeitet die Probezeit nicht überleben lassen, weil zu erwarten ist, dass er minderleistend sein wird.
Und was für eine gehetzt, wenn man da 5,6h arbeitet und dann zum anderen rauscht um dort 4h zu arbeiten.
Von den schon angesprochenen Urlaubs/Dienstreisen etc. mal abgesehen.
Auf alle muss man aufpassen, dass man seinen Vertrag so gestaltet, dass man als TZ Kraft nicht Mehrarbeit angeordnet bekommen kann.
Denn wenn da plötzlich gesagt wird, morgen müssen sie 8 h machen, was sagt man da dem anderen AG.


FearOfTheDuck

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Ich würde bei der GmbH erstmal nachfragen, ob die auf so etwas überhaupt eingehen. Wie kommt denn der Chef auf die 50/70? Wieso nicht 40/60 oder 50/50? Will er die wegfallenden % nicht an andere Mitarbeiter vergeben?

Capo

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Bei der vorgeschlagenen Verteilung von 50% und 70% ist es schon Vorprogrammiert das man sich in die Nesseln setzt. 48 Stunden sind der max Wert für die Regelarbeitszeit pro Woche, 8 Stunden Arbeitstäglich als Regelarbeitszeit. Um hier den Wunsch der Arbeitgeber nachzukommen muss man sich schon eine 6 Tage Woche aufbürden, Warum?

troubleshooting

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Um hier den Wunsch der Arbeitgeber nachzukommen muss man sich schon eine 6 Tage Woche aufbürden, Warum?

Es geht nicht um das "Warum?", es geht dem Fragesteller um die "rechtliche und praktische Möglichkeit".

Capo

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Nun die pracktische Möglichkeit habe ich ja Aufgezeigt. 6 Tagewoche.

Fragmon

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Für mich sind das auch jeweils Nebentätigkeiten die angezeigt werden müssen. Ich weiß nicht, ob der jeweils andere Arbeitgeber eventuell sogar ein Veto einlegen wird.

Buero 72

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Der AV mit 70% wäre der Hauptvertrag, die GmbH die Haupt-Arbeitgeberin. Dieser muss die "Nebentätigkeit" angezeigt werden, auch der Umfang muss mitgeteilt werden. Die AG sind für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zuständig, es gab schon empfindliche Bußgelder, wenn die Höchstarbeitszeit über- bzw. die Ruhezeit unterschritten wurde. Eine Möglichkeit wäre noch, freiberuflich tätig zu werden, da gilt das Arbeitszeitgesetz nicht. Theoretisch kann aber die GmbH den Nebenjob untersagen, wenn der Hauptjob darunter leidet oder wenn es z. B. Konkurrenz ist.
ich persönlich würde mich nur auf 50/50 einlassen, alles andere geht früher oder später an die Substanz.

Es gibt ja immer mal wieder Vorstöße von Arbeitgeberseite, die Ruhezeiten zu verkürzen und die täglich mögliche Arbeitszeit auf 12 Stunden hochzusetzen, "weil die jungen Leute das gern so machen möchten und ein längeres Wochenende wollen". Tja nun, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen aber deutlich ein erhöhtes Stresslevel, höhere Unfall/Fehlerquoten etcpp.  Ist also auf Dauer keine gute Idee und man macht sich kaputt... meiner Meinung nach auch mit permanent 120 %!

Buero 72

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In der Praxis wird niemand erfahren, wie viele Stunden Du jetzt tatsächlich am Tag gearbeitet hast, weil sich die Stunden auf verschiedene Arbeitgeber verteilen.

Nur, wenn die AG das genau nehmen (sind dazu verpflichtet!) und wenn mal eine Kontrolle kommt. Über Arbeitszeitregelungen gibt es häufig Beschwerden bei der Aufsicht, die kontrollieren schnell mal...und dann muss der AG ein Bußgeld berappen, das kann teuer werden. Das kann man nur mit freiberuflicher Tätigkeit klar umgehen.

Wäre mir insgesamt viewl zu stressig, die Kolleginnen und Kollegen halten sich möglicherweise nicht dran, man muss Termine einhalten, es kann zeitgleich bei beiden Jobs sehr stressig werden. Wenn man sich das ans Bein binden will....

MoinMoin

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Es gibt ja immer mal wieder Vorstöße von Arbeitgeberseite, die Ruhezeiten zu verkürzen und die täglich mögliche Arbeitszeit auf 12 Stunden hochzusetzen, "weil die jungen Leute das gern so machen möchten und ein längeres Wochenende wollen". Tja nun, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen aber deutlich ein erhöhtes Stresslevel, höhere Unfall/Fehlerquoten etcpp.  Ist also auf Dauer keine gute Idee und man macht sich kaputt... meiner Meinung nach auch mit permanent 120 %!
Gab es nicht diese Studie mit der 4 Tagewoche, wo die Leute gleich Leistung gebracht haben und zufriedener waren?
Das würde dem doch widersprechen.

Hängt wahrscheinlich doch arg von der Tätigkeit ab.
Büro vs Baggerfahrer und so