Autor Thema: Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit  (Read 3884 times)

Kaffee247

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Buero 72

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #1 am: 22.05.2024 08:50 »
Interessant! Allerdings arbeiten Menschen in Elternzeit i. d. R. 0 Wochenstunden. Wenn sie trotzdem IAP erhalten, evtl. sogar in voller Höhe, wäre dann nicht auch eine Gleichbehandlung von Teilzeitkräften das nächste Thema? ich erhalte entsprechend meiner Arbeitszeit auch nur 80 % der Ausgleichszahlungen... Denkfehler?

FearOfTheDuck

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #2 am: 22.05.2024 09:55 »
Müsste man gerichtlich mal prüfen lassen. Bisher war es lediglich eine Vereinbarung zwischen Tarifvertragsparteien, die sie entsprechend ihres Willens und Horizontes geschlossen haben. Wenn nun ein Gericht bereits eine Ungleichbehandlung in einem Punkt erkennt...

websgeisti

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #3 am: 22.05.2024 16:54 »
Was ist denn das für eine seltsame Entscheidung? Wer in Elternzeit ohne Teilzeit ist, arbeitet nichts. Demnach müsste ja jetzt jeder, egal ob es 100% oder 50% Teilzeit hat (mit oder ohne Elternzeit)  die volle IAP bekommen. Ich hoffe die nächsthöheren Instanzen kassieren das wieder.

mabe0035

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #4 am: 14.08.2024 18:28 »
Die Berufung vor dem LAG Düsseldorf wurde heute verhandelt:

14 SLa 303/24   

I. Auf die Berufung der beklagten Stadt wird das Urteil des Arbeitsgerichts [..] vom 16.04.2024 - [..] - unter Zurückweisung der Berufung der beklagten Stadt im Übrigen und der Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und in der Hauptsache zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die beklagte Stadt wird verurteilt, an die Klägerin 220,00 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

websgeisti

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #5 am: 14.08.2024 19:26 »
Die Berufung vor dem LAG Düsseldorf wurde heute verhandelt:

14 SLa 303/24   

I. Auf die Berufung der beklagten Stadt wird das Urteil des Arbeitsgerichts [..] vom 16.04.2024 - [..] - unter Zurückweisung der Berufung der beklagten Stadt im Übrigen und der Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und in der Hauptsache zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die beklagte Stadt wird verurteilt, an die Klägerin 220,00 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

Sehr schade, das man so entschieden hat. Da fühlen sich die Vollzeitbeschäftigten gleich Doppelt veräppelt.

TVOEDAnwender

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #6 am: 15.08.2024 08:59 »
Ihr könnte davon ausgehen, dass das Ding bis vors BAG gehen wird. Dann ist erst die Messe gelesen.

DrZombeck

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #7 am: 15.08.2024 14:15 »
Hm beibt ja spannend. Theoretisch wäre es ja möglich, die Überstunden so zu "produzieren, dass man diese in den Ferien ausgleichen kann. Man hat auch noch Urlaub. Das würde zwar für uns AN mehr planung und vorausschauen bedeuten, aber mögliche wäre es und es würde mehr geld bedeuten.

Maggus

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #8 am: 15.08.2024 15:27 »
Die Berufung vor dem LAG Düsseldorf wurde heute verhandelt:

14 SLa 303/24   

I. Auf die Berufung der beklagten Stadt wird das Urteil des Arbeitsgerichts [..] vom 16.04.2024 - [..] - unter Zurückweisung der Berufung der beklagten Stadt im Übrigen und der Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und in der Hauptsache zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die beklagte Stadt wird verurteilt, an die Klägerin 220,00 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

Sehr schade, das man so entschieden hat. Da fühlen sich die Vollzeitbeschäftigten gleich Doppelt veräppelt.

Du hast vermutlich die Urteilsbegründung des AG Essen nicht gelesen.
Die Klägerin hatte innerhalb der Elternzeit in Teilzeit gearbeitet und dafür von ihrem AG anteilig die Inflationsprämie erhalten. Die 220 € Nachzahlung resultieren daraus, dass der AG wohl den Zeitraum falsch berechnet hatte.

Wabi Sabi

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #9 am: 15.08.2024 18:09 »
In der Pressemitteilung des LAG Düsseldorf vom 14. August 2024 finden sich nähere Ausführungen zu dessen Entscheidung vom gleichen Tage:

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/beh_toppmeldungen/Toppmeldung_Presse1/index.php

Die Klägerin ist bei einer Kommune im Technischen Dienst beschäftigt. Sie befand sich vom 14.06.2022 bis zum 13.04.2024 in Elternzeit. Ab dem 14.12.2023 bis zum Ende der Elternzeit arbeitete sie mit 24 Wochenstunden in Teilzeit (Vollzeit = 39 Wochenstunden).

Der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendende Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) sah im Juni 2023 einen Inflationsausgleich von einmalig 1.240,00 Euro und in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 von monatlich 220,00 Euro vor. Die Kommune zahlte der Klägerin diesen Inflationsausgleich nur für die Monate Januar und Februar 2024 in Höhe von 135,38 Euro (24/39 von 220,00 Euro).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die tariflichen Voraussetzungen in §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TV Inflationsausgleich, wonach an mindestens einem Tag ein Anspruch auf Entgelt bestanden haben muss, sie als Arbeitnehmerin in Elternzeit unzulässig wegen des Geschlechts diskriminiere. Es liege eine mittelbare Diskriminierung vor, weil Mütter länger in Elternzeit gingen als Väter. Diese Ungleichbehandlung sei mit dem Zweck des Inflationsausgleichs nicht vereinbar. Vielmehr sei sie in Elternzeit in besonderem Maße von den steigenden Preisen betroffen. Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen und verweist u.a. auf die Tarifautonomie.

Die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat heute anders als das Arbeitsgericht Essen den Antrag der Klägerin auf Zahlung des vollen Inflationsausgleichs zurückgewiesen. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - ausgenommen die Teilzeittätigkeit - ruht, erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung nicht. Sie hat keinen Entgeltanspruch. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt und stellt keine mittelbare Diskriminierung dar, weil der tarifliche Inflationsausgleich auch einen Vergütungszweck verfolgt. Er ist arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Fehlt es daran völlig, weil nicht an einem Tag ein Entgeltanspruch besteht, besteht kein Anspruch. Soweit Beschäftigte, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, einen Inflationsausgleich erhalten, erfolgt dies aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten. Für diese durften die Tarifvertragsparteien andere Regelungen vorsehen als für Beschäftigte in Elternzeit. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit ist im Regelfall planbar, die eigene oder die Erkrankung des Kindes tritt dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf.

Die Kammer hat der Klägerin lediglich aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit für den Monat Dezember 2023 einen Inflationsausgleich von 220,00 Euro zugesprochen. Sie hatte in diesem Monat an einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt. Für die Höhe der Inflationsausgleichsprämie ist die am ersten Tag des Bezugsmonats vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich. Diese war am 01.12.2023 noch fiktiv 100%. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 8.000,00 Euro wegen unzulässiger Geschlechtsdiskriminierung (§ 15 Abs. 2 AGG) hatte keinen Erfolg, weil die Kommune die Klägerin nicht wegen des Geschlechts diskriminiert hat.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2024 – 14 SLa 303/24
Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 16.04.2024 – 3 Ca 2231/23
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung ungemein!

TVOEDAnwender

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #10 am: 16.08.2024 10:58 »
Zitat
Die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat heute anders als das Arbeitsgericht Essen den Antrag der Klägerin auf Zahlung des vollen Inflationsausgleichs zurückgewiesen. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - ausgenommen die Teilzeittätigkeit - ruht, erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung nicht. Sie hat keinen Entgeltanspruch. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt und stellt keine mittelbare Diskriminierung dar, weil der tarifliche Inflationsausgleich auch einen Vergütungszweck verfolgt. Er ist arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Fehlt es daran völlig, weil nicht an einem Tag ein Entgeltanspruch besteht, besteht kein Anspruch. Soweit Beschäftigte, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, einen Inflationsausgleich erhalten, erfolgt dies aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten. Für diese durften die Tarifvertragsparteien andere Regelungen vorsehen als für Beschäftigte in Elternzeit. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit ist im Regelfall planbar, die eigene oder die Erkrankung des Kindes tritt dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf.

Das war zu erwarten und ist auch vollkommen logisch. Ich habe gestern auch den Tenor zunächst falsch verstanden, da in der Revisionsinstanz ja Kläger und Beklagte wechseln, habe ich auch zunächst verstanden, das LAG hätte das Urteil des ArbG Essen bestätigt. Im Zusammenspiel mit der PM macht das Ganze aber Sinn.

TVOEDAnwender

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Antw:Inflationsausgleichszahlungen in Elternzeit
« Antwort #11 am: 16.08.2024 13:18 »
Der KAV NW hat das Urteil/die PM gerade auch per Newsletter verteilt:

Zitat
Praktische Bedeutung:
Die vorlaufende erstinstanzliche Entscheidung des ArbG Essen war bundesweit verbreitet worden. Die
Gewerkschaften haben vor diesem Hintergrund betroffene Beschäftigte über Rundschreiben und vorbereitete
Musteranschreiben aufgefordert, solche Forderungen beim Arbeitgeber geltend zu machen – gleichermaßen
auch auf Länderebene vor dem Hintergrund eines insoweit gleichlautenden Tarifvertrages. Insoweit war das
allgemeine Augenmerk auf das vorliegende Berufungsverfahren gerichtet.
Mit vorstehendem Urteil hat das LAG Düsseldorf vor allem die verfassungsrechtlich garantierte
Tarifautonomie gestärkt, indem es im Einklang mit der von hier vertretenen Rechtsauffassung (vgl. unseren NL
040/24 vom 11. Juni 2024) anknüpfend an ständige Rechtsprechung des BAG und auch an eigene Rechtsprechung (Urteil vom 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 -) darauf hingewiesen hat, dass die Tarifvertragsparteien nicht
verpflichtet sind, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen – vielmehr
genüge ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung. Maßgeblich sei, dass der Arbeitgeber die
Mittel für die Inflationsausgleichszahlungen bereitstelle. Daher sei ihm bzw. den Tarifvertragsparteien ein
Gestaltungsspielraum zuzubilligen, solange die konkrete Ausgestaltung dem in § 3 Nr. 11c EstG vorgesehenen
Ziel nicht zuwiderlaufe.
Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG und das Maßregelungsverbot des § 612a BGB spielten aus
Sicht des LAG zu Recht keine Rolle, da die beklagte Stadt die tarifvertraglichen Regelungen bloß umgesetzt
habe.
Nachvollziehbar hat das LAG auch ausgeurteilt, dass ein Entschädigungsanspruch nicht in Betracht komme, da
es bereits an einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG mangele.
Das Urteil des LAG Düsseldorf sorgt mithin zunächst für eine Klärung der Rechtslage. Freilich haben beide
Parteien bereits im Gerichtssaal angekündigt, den Weg zum BAG zu beschreiten. Es bleibt also spannend.

Wie erwartet: Es wird es noch vorm BAG landen. Ich glaube aber kaum, dass das BAG eine 180 Grad-Kehrtwende machen wird.