Autor Thema: Entwurf zum Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz - BBVAngG  (Read 69914 times)

blubb

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Anbei eine Nachricht vom DBwV der kurz auf den Entwurf eingeht.

"Bewegung beim alimentativen Ergänzungszuschlag

Bereits vor über vier Jahren fasste das Bundesverfassungsgericht zwei Beschlüsse zu der verfassungswidrig zu niedrig bemessenen Alimentation in den Bundesländern Berlin und Nordrhein-Westfalen. Während nicht nur diese beiden, sondern inzwischen alle Bundesländer ihre Besoldungsstrukturen nach eigenen Umsetzungsideen angepasst haben, ging es auf Bundesebene bis vor Kurzem nicht voran. Nun endlich hat die Bundesregierung über ein Jahr nach dem letzten, einen neuerlichen Gesetzentwurf vorgelegt, zu dem der Deutsche BundeswehrVerband aktuell Stellung nimmt.

Mehrfach hatten den DBwV in den vergangenen Jahren Entwürfe zu einer Neuregelung erreicht. Doch trotz der höchstrichterlichen Vorgaben und auch Druck von Seiten des DBwV erreichten diese Entwürfe nie den Bundestag. „Wir haben die Hoffnung, dass es nun vorangeht“, sagt der Vorsitzende Fachbereich Besoldung, Haushalt und Laufbahnrecht, Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Buch. Es dürfe nicht noch einmal passieren, dass das Gesetzgebungsvorhaben politisch nicht weiterverfolgt und das Thema an die nächste Bundesregierung „vererbt“ werden würde – wie im Jahr 2021 vor der damaligen Bundestagswahl.
 
Die Inhalte des aktuellen Entwurfs weichen erneut von denen der vorigen Entwürfe ab. Dennoch sind nach wie vor deutliche Erfolge des DBwV, der den Prozess seit Jahren auf allen Ebenen eng begleitet, erkennbar.
 
Dies sind insbesondere die folgenden, nämlich dass

- ein alimentativer Ergänzungszuschlag (AEZ) eingeführt wird, der sich grundsätzlich an der für den Wohnort von Besoldungsempfängern bzw. Versorgungsempfängern festgelegten Mietenstufe nach der Wohngeldverordnung sowie an der Zahl der berücksichtigungsfähigen Kinder orientiert.
 - Dieser AEZ wird mit steigender Besoldungsgruppe – unter Berücksichtigung des Besoldungsgefüges – abgeschmolzen.

- Darüber hinaus soll der Familienzuschlag reformiert werden – jedoch nicht im negativen, sondern im positiven Sinne. Das heißt, der Familienzuschlag Stufe 1 und Stufe 2 soll nach aktuellem Stand erhalten bleiben und Konkurrenzregelungen zu den Bundesländern entfallen.

- Der AEZ soll auch an Versorgungsempfänger wie auch an Patchworkfamilien zahlbar sein.

- Es reicht für den Bezug des AEZ ein Kindergeldanspruch dem Grunde nach und nicht der tatsächliche Kindergeldbezug.

Allerdings muss festgestellt werden:
Es handelt sich nach wie vor nur um einen Entwurf. Im Zuge der laufenden Verbändebeteiligung sind noch einige Änderungen zu erwarten. Auch der DBwV wird weiter Forderungen und Änderungsvorschläge im Sinne seiner Mitglieder einbringen. „Dass die Maßnahmen realisiert werden, glauben wir erst, wenn das Bundeskabinett das Gesetz beschlossen hat und sich der Bundestag damit befasst“, so Dr. Buch.
 
Das Thema ist aktuell äußerst heikel, denn die Reform bringt hohe Kosten mit sich – während die Streitigkeiten über den Bundeshaushalt in der Koalition mitnichten beigelegt sind."

Quelle:
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/service-recht/beitrag/bewegung-beim-alimentativen-ergaenzungszuschlag

Also, Leute riesen Erfolg! - Bisschen nachbessern und hoch zufrieden ist der DBwV!

Durgi

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Ich frage mich, ob das Treueverhaeltnis zwischen Staat und Soldat nicht mit dem Urteil aus 2020 einseitig aufgeloest wurde und Soldaten nun nicht mehr an den Eid gebunden sind.

beamtenjeff

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Anbei eine Nachricht vom DBwV der kurz auf den Entwurf eingeht.

"Bewegung beim alimentativen Ergänzungszuschlag

Bereits vor über vier Jahren fasste das Bundesverfassungsgericht zwei Beschlüsse zu der verfassungswidrig zu niedrig bemessenen Alimentation in den Bundesländern Berlin und Nordrhein-Westfalen. Während nicht nur diese beiden, sondern inzwischen alle Bundesländer ihre Besoldungsstrukturen nach eigenen Umsetzungsideen angepasst haben, ging es auf Bundesebene bis vor Kurzem nicht voran. Nun endlich hat die Bundesregierung über ein Jahr nach dem letzten, einen neuerlichen Gesetzentwurf vorgelegt, zu dem der Deutsche BundeswehrVerband aktuell Stellung nimmt.

Mehrfach hatten den DBwV in den vergangenen Jahren Entwürfe zu einer Neuregelung erreicht. Doch trotz der höchstrichterlichen Vorgaben und auch Druck von Seiten des DBwV erreichten diese Entwürfe nie den Bundestag. „Wir haben die Hoffnung, dass es nun vorangeht“, sagt der Vorsitzende Fachbereich Besoldung, Haushalt und Laufbahnrecht, Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Buch. Es dürfe nicht noch einmal passieren, dass das Gesetzgebungsvorhaben politisch nicht weiterverfolgt und das Thema an die nächste Bundesregierung „vererbt“ werden würde – wie im Jahr 2021 vor der damaligen Bundestagswahl.
 
Die Inhalte des aktuellen Entwurfs weichen erneut von denen der vorigen Entwürfe ab. Dennoch sind nach wie vor deutliche Erfolge des DBwV, der den Prozess seit Jahren auf allen Ebenen eng begleitet, erkennbar.
 
Dies sind insbesondere die folgenden, nämlich dass

- ein alimentativer Ergänzungszuschlag (AEZ) eingeführt wird, der sich grundsätzlich an der für den Wohnort von Besoldungsempfängern bzw. Versorgungsempfängern festgelegten Mietenstufe nach der Wohngeldverordnung sowie an der Zahl der berücksichtigungsfähigen Kinder orientiert.
 - Dieser AEZ wird mit steigender Besoldungsgruppe – unter Berücksichtigung des Besoldungsgefüges – abgeschmolzen.

- Darüber hinaus soll der Familienzuschlag reformiert werden – jedoch nicht im negativen, sondern im positiven Sinne. Das heißt, der Familienzuschlag Stufe 1 und Stufe 2 soll nach aktuellem Stand erhalten bleiben und Konkurrenzregelungen zu den Bundesländern entfallen.

- Der AEZ soll auch an Versorgungsempfänger wie auch an Patchworkfamilien zahlbar sein.

- Es reicht für den Bezug des AEZ ein Kindergeldanspruch dem Grunde nach und nicht der tatsächliche Kindergeldbezug.

Allerdings muss festgestellt werden:
Es handelt sich nach wie vor nur um einen Entwurf. Im Zuge der laufenden Verbändebeteiligung sind noch einige Änderungen zu erwarten. Auch der DBwV wird weiter Forderungen und Änderungsvorschläge im Sinne seiner Mitglieder einbringen. „Dass die Maßnahmen realisiert werden, glauben wir erst, wenn das Bundeskabinett das Gesetz beschlossen hat und sich der Bundestag damit befasst“, so Dr. Buch.
 
Das Thema ist aktuell äußerst heikel, denn die Reform bringt hohe Kosten mit sich – während die Streitigkeiten über den Bundeshaushalt in der Koalition mitnichten beigelegt sind."

Quelle:
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/service-recht/beitrag/bewegung-beim-alimentativen-ergaenzungszuschlag

Also, Leute riesen Erfolg! - Bisschen nachbessern und hoch zufrieden ist der DBwV!

Ist das deren Ernst? Mir fehlen wirklich die Worte. In der Theorie haben sie ja nicht mal ganz unrecht, aber wenn man sich die Zahlen und Konditionen anguckt, dann gehen 90% der Beamten mit 0 aus der Sache raus. Was soll das?

beamtenjeff

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Also ich denke, für uns ist es das Beste, wenn der Entwurf so kommt ( auch wenn er verfassungswiedrig ist)und zwar aus 2 Gründen:

1. Gibt es für einige Nachzahlungen und etwas mehr Geld. Ich selber gehöre auch dazu. Diese Nachzahlungen kann man dann endlich anlegen und Erträge aus den Nachzahlungen erwirtschaften.

Mit diesen Erträgen, kann man dann Punkt 2 finanzieren, wenn man denn möchte.

2. Wir haben endlich Rechtsmittelfähige Bescheide in der Hand und die Möglichkeit gegen das Gesetz zu klagen. Was auch eine Verzinsung einer zusätzlichen Nachzahlung bringt.

Auch für die, die jetzt Leer ausgehen ist insbesondere Punkt 2 mehr Wert als noch ein paar Jahre auf einen potenziell besseren Entwurf zu warten.

Es ist das beste für dich, aber nicht für die Allgemeinheit. Ich, mit Mietstufe 4 und 2 Kindern könnte im Strahl kotzen, wenn ich sehe, dass ich mit diesem Entwurf mit 0 raus gehe und das, obwohl gefühlt der Mietspiegel  in unserem Ballungsgebiet deutlich höher liegt als die Mietstufe es impliziert und das nur so ist, weil das Ganze gedrückt wird durch "soziale" Plattenbau-Haltung der übelsten Sorte. Das stimmt alles vorne und hinten nicht, der AEZ als solches der einzig die Mietstufe als zuverlässige Größenordnung konstatiert und der ohnehin zu niedrig angesetzte Maßstab für diese Mietstufe als solches. Man kommt sich langsam vor, als wird man von einem Hütchenspieler zum nächsten geschubst.

Blablublu

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Also ich denke, für uns ist es das Beste, wenn der Entwurf so kommt ( auch wenn er verfassungswiedrig ist)und zwar aus 2 Gründen:

1. Gibt es für einige Nachzahlungen und etwas mehr Geld. Ich selber gehöre auch dazu. Diese Nachzahlungen kann man dann endlich anlegen und Erträge aus den Nachzahlungen erwirtschaften.

Mit diesen Erträgen, kann man dann Punkt 2 finanzieren, wenn man denn möchte.

2. Wir haben endlich Rechtsmittelfähige Bescheide in der Hand und die Möglichkeit gegen das Gesetz zu klagen. Was auch eine Verzinsung einer zusätzlichen Nachzahlung bringt.

Auch für die, die jetzt Leer ausgehen ist insbesondere Punkt 2 mehr Wert als noch ein paar Jahre auf einen potenziell besseren Entwurf zu warten.

Es ist das beste für dich, aber nicht für die Allgemeinheit. Ich, mit Mietstufe 4 und 2 Kindern könnte im Strahl kotzen, wenn ich sehe, dass ich mit diesem Entwurf mit 0 raus gehe und das, obwohl gefühlt der Mietspiegel  in unserem Ballungsgebiet deutlich höher liegt als die Mietstufe es impliziert und das nur so ist, weil das Ganze gedrückt wird durch "soziale" Plattenbau-Haltung der übelsten Sorte. Das stimmt alles vorne und hinten nicht, der AEZ als solches der einzig die Mietstufe als zuverlässige Größenordnung konstatiert und der ohnehin zu niedrig angesetzte Maßstab für diese Mietstufe als solches. Man kommt sich langsam vor, als wird man von einem Hütchenspieler zum nächsten geschubst.

Auch für dich gilt ja zumindestens Punkt 2. Besser so als gar keine Entscheidung....

beamtenjeff

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Also ich denke, für uns ist es das Beste, wenn der Entwurf so kommt ( auch wenn er verfassungswiedrig ist)und zwar aus 2 Gründen:

1. Gibt es für einige Nachzahlungen und etwas mehr Geld. Ich selber gehöre auch dazu. Diese Nachzahlungen kann man dann endlich anlegen und Erträge aus den Nachzahlungen erwirtschaften.

Mit diesen Erträgen, kann man dann Punkt 2 finanzieren, wenn man denn möchte.

2. Wir haben endlich Rechtsmittelfähige Bescheide in der Hand und die Möglichkeit gegen das Gesetz zu klagen. Was auch eine Verzinsung einer zusätzlichen Nachzahlung bringt.

Auch für die, die jetzt Leer ausgehen ist insbesondere Punkt 2 mehr Wert als noch ein paar Jahre auf einen potenziell besseren Entwurf zu warten.

Es ist das beste für dich, aber nicht für die Allgemeinheit. Ich, mit Mietstufe 4 und 2 Kindern könnte im Strahl kotzen, wenn ich sehe, dass ich mit diesem Entwurf mit 0 raus gehe und das, obwohl gefühlt der Mietspiegel  in unserem Ballungsgebiet deutlich höher liegt als die Mietstufe es impliziert und das nur so ist, weil das Ganze gedrückt wird durch "soziale" Plattenbau-Haltung der übelsten Sorte. Das stimmt alles vorne und hinten nicht, der AEZ als solches der einzig die Mietstufe als zuverlässige Größenordnung konstatiert und der ohnehin zu niedrig angesetzte Maßstab für diese Mietstufe als solches. Man kommt sich langsam vor, als wird man von einem Hütchenspieler zum nächsten geschubst.

Auch für dich gilt ja zumindestens Punkt 2. Besser so als gar keine Entscheidung....

Mag ja sein, aber vermutlich kommt jetzt auch für viele andere wie für mich die bittere Erkenntnis, dass man gar keine Reserven mehr für so einen "Kampf" hat. Viele Familien sind durch Corona an den Rand des machbaren getrieben worden, ich glaube ich bin alleine durch die vielen Monate Kinderbetreuung und Arbeit gleichzeitig, um das 5-fache des normalen gealtert. Ich hatte abgrundtiefe dunkle Gedanken in den schlimmsten Zeiten. Ich bin müde von den vielen Krisen und dem Stress und vermutlich geht es vielen anderen Familien bzw. Eltern die ebenso betroffen waren genau so. Mal schauen was noch so geht....

PolareuD

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@ Swen

Wie interpretierst du die Aussagen von BVR a.d. Huber ?
Nach meinen Verständnis sagt er, solange nur wenige Einzelfälle von den Regelungen in NRW betroffen sind, geht das BesG in NRW verfassungsrechtlich in Ordnung.

Das Video ist auf der Seite des Landtags NRW zu finden:

https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=8fd36f19-2974-47d7-ad64-5637a850f33e

ab  11:28min. ist die Stellungnahme von Prof. Huber zu verfolgen. Anschließend folgen noch Fragerunden, in denen er als einziger Sachverständiger den Gesetzentwurf als so ziemlich verfassungskonform ansieht

HochlebederVorgang

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Herr Huber ist BVR a.D., und hat ein schwarzes Parteibuch.

Wer die Juristerei ein bisschen weiter verstehen mag: Das Recht ist keine rein objektive Materie, vielmehr versuchen unterschiedliche Interessengruppen unterschiedliche rechtliche Ansichten zu platzieren, um sie zum Gegenstand der juristischen Diskussion zu machen.

Spannend ist dies insbesondere bei Themenfeldern wie dem Steuerrecht (sehr lobbybehaftet). Hier werden gezielt in Masse bestimmte Themen und Ansichten in Fachzeitschriften platziert, um sie später im juristischen Diskurs oder vor Gericht geltend zu machen oder ggf. als scheinbar herrschende Ansicht zu präsentieren.

Wie Swen es so schön zu der Beteiligung der kritischen Verbände geschrieben hat, die nach Ansicht des BVerfG mehr Berücksichtigung im Gesetzgebungsverfahren finden muss, so kann es natürlich auch mit entgegengesetzten Ansichten, die die Vorhaben des Gesetzgebers mittragen, gehen.

lotsch

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@ Swen

Wie interpretierst du die Aussagen von BVR a.d. Huber ?
Nach meinen Verständnis sagt er, solange nur wenige Einzelfälle von den Regelungen in NRW betroffen sind, geht das BesG in NRW verfassungsrechtlich in Ordnung.

Das Video ist auf der Seite des Landtags NRW zu finden:

https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=8fd36f19-2974-47d7-ad64-5637a850f33e

ab  11:28min. ist die Stellungnahme von Prof. Huber zu verfolgen. Anschließend folgen noch Fragerunden, in denen er als einziger Sachverständiger den Gesetzentwurf als so ziemlich verfassungskonform ansieht

Ich bin schockiert. Das hört sich doch alles so an, als ob das fiktive Partnereinkommen verfassungskonform wäre.

Pendler1

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Der liebe Professor sagt ja unangefochten ganz klar:

" ... die generelle Anhebung der Grundbesoldung ist fiskalisch nicht darstellbar ..."

Also, Kassen leer! Oder: Wo kein Geld ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren.

PS. Ist nicht meine Meinung. Wer die seriöse Presse aufmerksam liest, wird feststellen, dass der Staat Geld raushaut ohne Ende. Nur bei Beamtens ist wundersamer Weise auf einmal nix mehr da😒

PolareuD

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SwenTanortsch

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@ PolareuD

Ich habe mir gerade das Anhörungsverfahren angeschaut. Insbesondere die Aussagen des ehemaligen BVR Huber blieben für mich streckenweise eher vage, was für einen ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht allerdings sicherlich - um's mal so auszudrücken - nicht als atypischer Einzelfall zu betrachten wäre; denn er wird peinlich genau darauf achtgeben, in seinen Aussagen nicht unverhältnismäßig in den weiten Entscheidungsspielraum einzugreifen, über den der Besoldungsgesetzgeber weiterhin (wenn auch mittlerweile in deutlich kanalisierter und alsbald wohl eingehegter Art und Weise) verfügt, auch wenn er heute kein Richter am Bundesverfassungsgericht mehr ist. Diese ihn m.E. grundsätzlich leitende Motivation sollte man im Hinterkopf haben, wenn man verstehen will, was er sagt.

Wenn ich unter dieser Prämisse seine mündlichen Darlegungen in seinem Eingangsstatement richtig verstehe, enthält er sich hier insbesondere im Hinblick auf den geplanten § 71b zum Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag also weitgehend sachlicher Urteile und referiert stattdessen mit eigenen Worten in der Regel die bislang erfolgte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, um sie über den geplanten § 71b hinaus mal stärker auf den jeweiligen Sachverhalt zu transferieren und mal weniger, und zwar - so würde ich das interpretieren - je weniger stark transferierend, je stärker davon grundlegende Interessen des Besoldungsgesetzgebers betroffen sind (wenn es also politisch heikel wird, nicht zuletzt fiskalisch), und je eher, je weniger grundlegende Interessen des Besoldungsgesetzgebers betroffen sind. Das muss man - wie gerade hervorgehoben - im Blick haben, wenn man seine Ausführungen betrachten will: Der § 71b hat einen hohen Interessenswert für den Besoldungsgesetzgeber (bzw. bislang noch nur für die Landesregierung); entsprechend bleibt der ehemalige BVR sachlich eher vage, muss das, was er sagt, also kontextualisiert werden, was ich für den uns hier interessierende Teil seines Statements nachfolgend versuchen werde, um also "Verfassungsrechtsdeutsch" in allgemein verständliche deutsche Sprache zu übersetzen. In einer solchen "Übersetzung" wird hingegen recht deutlich, was er sagt, denke ich.

In seiner Eingangspassage ab Min. 11:28  führt der ehemalige BVR Huber zunächst aus, dass er in dem Entwurf eine geradezu schulmäßige Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorfinde, insbesondere die prozeduralen Anforderungen seien vorbildlich erfüllt. Dabei setzt er zugleich voraus, dass er den Entwurf richtig verstehe und die Zahlen stimmten; hier finden wir nun eine wichtige Aussage hinsichtlich seines weiteren Fokus. Er stellt hier klar, dass er die Zahlen und Aussagen des Entwurfs als sachlich betrachtet, sie also nicht im Einzelnen prüft, sondern auf Grundlage der Voraussetzung ihrer Sachlichkeit diesen Entwurf betrachtet. Das beim Hören im Hinterkopf zu behalten, ist m.E. wichtig, um zu verstehen, was er sagt. Unter den Prämissen also, dass er den Entwurf richtig verstehe und die von ihm verwendeten Zahlen stimmten, spreche keiner der Parameter der ersten Prüfungsstufe mit Ausnahme des zweiten Parameters (Vergleich mit dem Nominallohnindex) für die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation (vgl. zum zweiten Parameter Vorlage 18/2495 v. 26.04.2024, S. 52 Tabellensatz 1; https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV18-2495.pdf). Jene Vermutung sehe er auf der beschriebenen Grundlage richtigen Verständnisses von seiner Seite und stimmender Zahlen des Gesetzentwurfs in weiter Entfernung.

Im Anschluss hebt er allerdings drei kritische Punkte hervor, und zwar zunächst den nach seiner Meinung vielleicht ein bisschen tönend eingeführten Wechsel des Familienleitbilds hin zum Doppelverdienermodell; hier sei er sich unsicher, ob der Entwurf tatsächlich einen Wechsel des Familienleitbilds vollziehe, da hier jenseits der Besoldungsgruppe A 5 für die vierköpfige Familie vermutlich keine grundlegenden Veränderungen gegeben sein würden, womit der ehemalige BVR offensichtlich zwar auf den ersten Blick vage, verfassungsrechtlich aber augenscheinlich eine recht deutliche Kritik äußert, nämlich dass hier für die in der untersten Besoldungsgruppe eingruppierten Beamten eine grundlegende Veränderung vollzogen wird - nämlich hinsichtlich der Verletzung des Mindestabstandsgebots, von dem das Bundesverfassungsgericht in seinem aktuellen Judikat in der Rn. 46 von  "der Missachtung des gebotenen Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in der untersten Besoldungsgruppe" ausgeht (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html; Hervorhebung durch mich). Sofern sich also bewahrheiten würde, dass der Besoldungsgesetzgeber Regelungen auf Basis des neuen Familienleitbilds weitgehend nur zum Zwecke der Einhaltung des Mindestabstandsgebots in der untersten Besoldungsgruppe vollzöge - diese Kritik klingt in der Aussage an -, um darüber hinaus damit keine sachlich hinreichenden Auswirkungen für alle weiteren Besoldungsgruppen unter dem neuen Leitbild des Doppelverdienermodells zu vollziehen, stellte sich die Frage, ob damit eventuell eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG einherginge. Dieser vage formulierte Kritikpunkt einer ggf. verfassungsrechtlich nicht haltbaren Einführung des neuen Familienleitbilds sollte hier durchscheinen.

Daran anschließend führt der ehemalige BVR aus, dass der Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag darüber hinaus von Gewerkschaftsseite als Rechentrick stigmatisiert worden sei und es auch in gewisser Weise sei bzw. könne er auch als salvatorische Klausel für Einzelfälle verstanden werden. Hinsichtlich von salvatorischen Klauseln hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit bspw. im Zusammenhang mit Enteignungen festgestellt - auch das wird der ehemalige BVR im Hinterkopf haben -, dass eine solche Klausel, um verhältnismäßig zu sein, garantieren muss, dass eine verfassungswidrige Inanspruchname des Eigentums in erster Linie durch Ausnahme- und Befreiungsregelungen sowie sonstige administrative und technische Vorkehrungen vermieden wird und dass sie so geregelt ist, dass dem Rechtsschutz des Betroffenen hinreichend Rechnung getragen wird (BVerfGE 100, 226 <246 f.>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv100226.html). Entsprechend kann sie offensichtlich nur in Einzelfällen angewandt werden, wie das auch der ehemalige BVR Huber hier hervorhebt.

Mit dieser Hevorhebung bezieht er sich hier offensichtlich auf den Gesetzentwurf, der auf der Seite 73 ausführt (Hervorhebung durch mich): "Sofern ein solches Einkommen [des Ehepartners; ST.] nicht oder ein geringeres Einkommen vorhanden ist, wird im Einzelfall die Gewährleistung des erforderlichen Abstandes zum grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf auf Antrag durch die Gewährung eines mit diesem Gesetz neu geschaffenen Ergänzungszuschlages zum Familienzuschlag (§ 71b des Landesbesoldungsgesetzes) sichergestellt." Dabei dürfte der ehemalige BVR gleichfalls im Blick haben - auch deshalb sollte er eingangs unbesehen davon ausgegangen sein, dass die Zahlen des Gesetzentwurfs stimmten -, dass das Bundesverfassungsgericht in der Rn. 52 der akutellen Entscheidung ausführt (Hervorhebungen durch mich):

"Weder der in erster Linie zur Durchführung einer entsprechenden Berechnung berufene Besoldungsgesetzgeber noch das zur Nachprüfung berufene Bundesverfassungsgericht muss sich an atypischen Sonderfällen orientieren. Die Herangehensweise muss jedoch von dem Ziel bestimmt sein, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfängern der sozialen Grundsicherung gewährleisteten Lebensstandard wahrt (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 99, 246 <261>)."

Entsprechend hebt der Senat hier hervor, dass der Besoldungsgesetzgeber das Recht habe, sich nicht an atypischen Sonderfällen zu orientieren, jedoch zugleich die Pflicht habe, in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau zu garantieren. In dieser Spannbreite sind nun ggf. Einzelfälle einzuordnen, die also atypische Sonderfälle sind und als solche eben nicht über die Anzahl an Einzelfällen hinausreichen.

Damit aber - denke ich - wird sachlich deutlich, wenn auch in der dargelegten Ausführung wie oben von mir bewertet vage hervorgehoben, dass die geplante Regelung des § 71b kaum mit der Verfassung in Einklang zu bringen sein sollte. Denn weiterhin sollte die Zahl an alleinverdienden Familienernähern in der Bundesrepublik kein "atypischer Sonderfall" sein, sondern eines der vielen typischen Familienmodelle, und zwar das nur umso mehr, je jünger die Kinder der beiden Ehepartner sind. Darüber hinaus sollte weiterhin - sofern die geplante Regelung des § 71b Gesetzeskraft erlangte - ein nicht geringe Zahl an anspruchsberechtigten Beamten in Nordrhein-Westfalen gegeben sein, sodass sich die Behauptung, hier lägen nur Einzelfälle vor, kaum in der Realität erhärten lassen sollte. Dahingegen hebt der ehemalige BVR Huber ab der Min. 13:56 hervor: "Und solang sich das [die Gewährung des Ergänzungszuschlags zum Familienzuschlag; ST.] auf Einzelfälle beschränkt, sehe ich da auch keine Einwände und Bedenken."

Da nun aber - denke ich - das Alleinverdienermodell kein atypischer Sonderfall ist, so wie das neue Leitbild der Doppelverdienerfamilie nicht die weit überwiegende Zahl gesellschaftlich gegebener Verhältnisse repräsentiert, und zwar das nur umso mehr, je jünger die jeweiligen Kinder sind, da also in der gesellschaftlichen Verfasstheit der Bundesrepublik deutlich zu viele Alleinverdienerfamilien gegeben sind, was sich ebenso in den Beamtenfamilien weitgehend so darstellen dürfte, kann man offensichtlich nicht hinsichtlich der Anspruchsberechtigung eines mit diesem Gesetz neu geschaffenen Ergänzungszuschlages zum Familienzuschlag von wenigen Einzelfällen ausgehen. Damit aber entfiele die verfassungsrechtliche Voraussetzung für eine salvatorische Klausel und bliebe am Ende das Stigma des Rechentricks, den der ehemalige BVR offensichtlich in seinem Statement für den Fall  bestätigt, dass sich eine entsprechende salvatorische Klausel nicht formulieren ließe. So verstanden dürfte diese Betrachtung eindeutig sein: Sofern sich die vom ehemaligen BVR nicht geprüfte Aussage des Entwurfs, von der Anspruchsberechtigung zum Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag seien nur Einzelfälle betroffen, als unbegründet zeigte, wäre verfassungsrechtlich keine Möglichkeit für eine Art salvatorische Klausel gegeben; jene Regelung entpuppte sich dann als ein Rechentrick, der als solcher verfasungsrechtlich nicht begründbar wäre und sich entsprechend als evident sachwidrig und damit verfassungswidrig entpuppte.

Da allerdings in solchen Anhörungen "das gesprochene Wort gilt", wäre es für mich deutlich interessanter, seine schriftliche Stellungnahme zu lesen, die - davon darf man ausgehen - noch einmal sprachlich deutlich präziser (wenn auch sicherlich sachlich kaum weniger vage) sein dürfte. In den bislang veröffentlichten Gesetzgebungsmaterialien habe ich sie allerdings nicht gefunden. Wo oder wem liegt sie vor? PS. Ich lese gerade, dass Du sie hier eingestellt hast. Ich werde sie nachher mal lesen und bin gespannt auf sie!

PS. Übrigens sind die Ausführung zum Nivellierungsverbot ab der Min. 14:30 ebenfalls recht interessant.

untersterDienst

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Ganz naiv gefragt:
Wenn der /die Partner(in) bspw. in Bayern unter 20.000€ verdient und dieses Einkommen künftig im Bund angenommen wird, dann nicht mehr arbeitet gibt es die 20.000€ oder den noch zu bestimmenden Betrag als AEZ? Meine Frau würde sich über mehr Zeit freuen!
Schönes Wochenende und ab zum See!

PolareuD

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Vielen Dank für deine ersten Einschätzungen, Swen. Das lässt die Aussagen von BVR a.D. Huber in einem klareren Kontext erscheinen.

Rentenonkel

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@untersterDienst: Soweit ich es verstehe würde der Dienstherr zunächst einmal prüfen, ob Deine Familie mit Deiner Besoldung (und ohne das Einkommen der Ehefrau) mindestens 15 % mehr hat als eine Familie, die von Grundsicherung lebt. Sollte dann der extrem unwahrscheinliche Einzelfall (*hüstel) vorliegen, dass Du weniger hast als eine Familie auf Grundsicherung, würde Deine Besoldung durch einen Zuschlag auf dieses Niveau plus 15 % angehoben.

@PolareuD: Dem kann ich mich nur anschließen.

Dennoch denke ich, dass die Aussagen von BVR a.D. Huber bei den Politikern in der Regierungsverantwortung so verstanden werden, dass man den Gesetzesentwurf auch als voraussichtlich verfassungsgemäß ansehen kann, während die Parteien in der Opposition die Aussagen so verstehen, dass ihre Kritik durchaus berechtigt ist und nachgebessert werden muss.

So verstanden steht zu erwarten, dass der Entwurf den Landtag passiert und unverändert in Kraft tritt, bis in einigen Monden das BVerfG auch dieses Gesetz wieder auf dem Prüfstand hat.

Somit bleibt für mich: Business as usual: Vor der Ausstrahlung des Klassikers Dinner for one jährlich pro forma Widerspruch einlegen

Kleiner Hinweis am Rande: Ich glaube, die Beiträge stehen im falschen Forum und müssten zum Land NRW verschoben werden ...