Hallo Swen, in der anschließenden Fragerunde lässt sich Herr Huber auch zur möglichen Anrechnung von passiven Einkommen ein und deklariert diese Möglichkeit als zulässig!? (Ziemlich am Ende der Anhörung. )
Schießt er damit nicht weit über das Ziel hinaus?
Nein, der ehemalige BVR Huber schießt auch hier nicht weit über das Ziel hinaus, sondern er nimmt nur konsequent den Blick eben jenes ehemaligen BVR ein, Tom. Sowohl in seiner schriftlichen Stellungnahme, die er offensichtlich auch deshalb nicht als Gutachten bezeichnet und formuliert, sondern als ein Schreiben an den Landtag, hier den Haushalts- und Finanzausschuss ausführt, als auch in seinen mündlichen Darlegungen macht er sich konsequent die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu eigen und legt deshalb seinen Ausführungen unausgesprochen drei Gedanken zugrunde, was verfassungsrechtlich konsequent ist, weil auch das Bundesverfassungsgericht so vorgeht (ob der Länge des nachfolgenden Beitrags wird er ein weiteres Mal in zwei Teilen dargelegt):
1. Der (Besoldungs-)Gesetzgeber verfügt aus Art. 20 Abs. 3 GG über einen
weiten Entscheidungsspielraum. Diesen weiten Entscheidungsspielraum hat die judikative Gewalt zu respektieren und das Bundesverfassungsgericht gegenüber den weiteren staatlichen Gewalten zu schützen. Darin - in dem Schutz des Gesetzgebers, damit er seinen weiten Entscheidungsspielraum zum Wohle des Volkes, also des Souverän, nutzen kann, den ihm die Verfassung zuspricht - liegt ein besonderer Teil der dem Bundesverfassungsgerichts von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben.
2. Aufgabe des Bundesverfassungsgericht ist es dabei nicht, konkrete politische Lösungen anzubieten oder zu formulieren, sondern die Kontrolle der anderen staatlichen Organe einschließlich der legislativen Gewalt, was bedeutet, im Nachklang
nach ihren Entscheidungen - also hinsichtlich des Gesetzgebers: nachdem er ein Gesetz erlassen hat - auf Antrag in die Prüfung einzutreten, um so seine verfassungsrechtliche Kontrollaufgabe sachgerecht erfüllen zu können. Eine solche Entscheidung liegt aber hinsichtlich des aktuellen
Entwurfs noch nicht vor. Denn ein Entwurf ist verfassungsrechtlich zunächst einmal nichts anders als ein Stück Papier.
3. Hinsichtlich des Doppelverdienermodells liegt nicht nur noch keine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, die die weiteren Verfassungsorgane binden würde, sondern ebenfalls noch nicht eine einzige Betrachtung durch ein Untergerichte. Die Justiz ist also
noch nicht in dessen
Prüfung eingetreten.
Was ist nun die Folge dieser drei Sachverhalte? Hinsichtlich des Doppelverdienermodells als Leitbild findet der Gesetzgeber noch keine Prüfung durch die Justiz und auch noch keine Direktiven des Bundesverfassungsgerichts vor, an die auch er sich gebunden sähe, da die Neuregelungen unter dem Leitbild des Doppelverdienermodells noch nicht in einem gerichtlichen Kontrollverfahren geprüft worden wären (s. Sachverhalt Nr. 3). Der nordrhein-westfälische Besoldungsgesetzgeber hat bis auf Weiteres hinsichtlich des Leitbilds des Doppelverdienermodells und seiner mit ihm verbundenen Regelungen noch nicht gehandelt, sondern bislang nur einen Gesetzentwurf formuliert, der verfasungsrechtlich als solcher unbedenklich ist, da er keine gesetzliche Wirkung entfaltet, weshalb ihn der BVR allenfalls graduell betrachtet (s. Sachverhalt Nr. 2). Im Ergebnis findet der Besoldungsgesetzgeber hinsichtlich von Entscheidungen unter dem Leitbild des Doppelverdienermodells bislang ein verfassungsrechtlich
konkret noch völlig unbetrachtetes Feld vor, sodass er hier verfassungsrechtlich über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügt, den er entsprechend ausfüllen darf, nämlich
bis auf Weiteres weit (s. Sachverhalt Nr. 1). "Bis auf Weiteres" meint dabei, bis sich das Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft äußert und damit die anderen Verfassungsorgane bindet. Diese Äußerung nehmen ehemalige BVR darüber hinaus als eine Art rechtlich nicht bindend festgelegten Kodex hinsichtlich nicht geklärter Verfassungsfragen i.d.R. nicht vorweg, da sie dazu als ehemalige BVR auch nicht anstelle der aktuellen BVR berechtigt wären; sie reden also den aktuellen BVR i.d.R. hinsichtlich ungeklärter Verfassungsfragen nicht ungefragt hinein. Diesem rechtlich nicht bindend festgelegten Kodex folgt der ehemalige BVR Huber offensichtlich sowohl in seiner schriftlichen als auch in seiner mündlichen Darlegung.
Diese gerade dargelegten drei Grundgedanken mitsamt dem rechtlich nicht bindend festgelegten Kodex leiten nun meines Erachtens sowohl die mündlichen als auch die schriftlichen Ausführungen des ehemaligen BVR. Er gibt weitgehend keine politischen Ratschläge oder diese, falls doch, zumeist eher nebenbei, sondern referiert den Sachstand in Anbetracht der Ermächtigung des (Besoldungs-)Gesetzgebers, seinen weiten Entscheidungsspielraum auszugestalten, wie jenem das Art. 20 Abs. 3 GG erlaubt. Entsprechend folgt er hier dem, was das Bundesverfassungsgericht in seinem aktuellen Judikat in der Rn. 26 wie folgt formuliert (Hervorhebungen durch mich):
"Bei der Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation besitzt der Gesetzgeber
einen weiten Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 8, 1 <22 f.>; 114, 258 <288>; 117, 372 <381>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>). Dies gilt sowohl
hinsichtlich der Struktur als auch
hinsichtlich der Höhe der Besoldung (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>);
diese ist der Verfassung nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag,
zu entnehmen (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 ff.>; 117, 330 <352>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>). Insofern stellt die in
Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines 'amtsangemessenen' Unterhalts lediglich eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende
verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar (vgl. BVerfGE 117, 330 <352>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <279 Rn. 73>). Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht
den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen. Die von ihm jeweils gewählte
Lösung – hinsichtlich Struktur und Höhe der Alimentation –
unterliegt allerdings der
gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <279 Rn. 74>)."
Wenn ich es richtig sehe, müssen auch die Ausführungen des ehemaligen BVR Huber am Ende der Anhörung, die er auf die hier erneut klugen Rückfragen des Abgeordneten Witzel macht, in den von mir gerade dargelegten Kontext eingeordnet werden, was ebenso für das gilt, was ich gestern ausgeführt habe.
Er stellt also am Ende der Anhörung ab 1:46:30 zunächst einmal klar, dass nach seiner Ansicht der Besoldungsgesetzgeber dazu berechtigt sei, nicht nur die aktiven Einkünfte des Ehepartners eines Beamten, also seine sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden, sondern ebenso auch die passiven wie bspw. Kapitalerträge zu betrachten, sofern - hier erfolgt wiederum eine vage Ausführung, die m.E. im Kontext dessen zu verstehen ist, was ich gerade geschrieben habe - das Ergebnis stimme.
Was scheint nun das Ergebnis zu sein? Was sagt der ehemalige BVR also im Anschluss?
Die Eheschließung dürfe keine wirtschaftliche Belastung darstellen, was wohl meint, dass der Besoldungsgesetzgeber hinsichtlich von Regelungen unter dem Leitbild der Doppelverdienerfamilie den besonderen Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG hinreichend zu beachten habe. Entscheidend sei also, dass die Eheschließung nicht zu einer Diskriminierung des Beamten führe, womit er auf die Forderungen des Art. 3 Abs. 1 GG - den allgemeinen Gleichheitssatz - verweisen sollte. Darüber hinaus dürfte die Betrachtung aktiver und passiver Einkünfte durch den Gesetzgeber nicht zu einer Absenkung des Lebensstandards führen, womit wiederum die Forderungen aus Art. 33 Abs. 5 GG - dem Alimentationsprinzip - hervorgehoben werden sollten, denke ich. Denn der Lebensstandard des Beamten ist maßgeblich vom Besoldungsgesetzgeber zu beachten, wie das das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung wiederholt und das deshalb in der aktuellen Entscheidung im ersten Leitsatz seiner Rechtsprechung voranstellt (auch hier müssen also die Ausführungen des ehemaligen BVRs in die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung eingerodnet werden, um überhaupt verstehen zu können, was er eigentlich sagt; Hervorhebungen durch mich):
"Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zählt das Alimentationsprinzip. Es verpflichtet den Dienstherrn, Richtern und Staatsanwälten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des
allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen hergestellt"
Wenn der ehemalige BVR Huber also zu dem Ergebnis kommt, dass man verfassungsrechtlich auch andere Einkunftsarten berücksichtigen könne - wozu die Verfassung hinsichtlich des Beamten keine konkreten Aussagen macht, was aber im Kontext des "
allgemeinen Lebensstandards" in der gesellschaftlichen Verfasstheit einer großen Zahl an Doppelverdienerhaushalten, die darüber hinaus in nicht geringer Zahl über Einkünfte verfügen, die nicht allein aus abhängiger Beschäftigung resultieren, verfassungsrechtlich möglich sein muss, um den Forderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes gerecht zu werden (Beamte unterliegen verfassungsrechtlich einer besonderen Betrachtung, zeige sich aber nicht als privilegiert) -, was, wie er ausführt, man bislang nicht gemacht habe, und dass das also das Grundgesetz nicht verhindere, dann muss diese Aussage über das hinaus, was ich gerade zum "allgemeinen Lebensstandard" skizziert habe, ebenso im Kontext der weiteren Schutzrecht betrachtet werden, die das Grundgesetz formuliert und die der ehemalige BVR hier nun augenscheinlich aufruft, nämlich unter Betrachtung des besonderen Schutzes der Ehe und der hinreichenden Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes sowie des Alimentationsprinzips.
Der ehemalige BVR macht hier also das, was Richter am Bundesverfassungsgericht regelmäßig machen: Er hebt verschiedene materielle Güter hervor, ordnet sie ein und wägt sie - ggf. gegeneinander - ab. Entsprechend hebt er also den weiten Entscheidungsspielraum hervor, über den auch der Besoldungsgesetzgeber als Folge aus Art. 20 Abs. 3 GG verfügt und der zweifellos noch durch keine konkrete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Betrachtung eines Partnereinkommens von Beamten eine verfassungsrechtliche Ausformung erfahren hat; und zugleich zeigt er dessen Eingrenzung durch weitere verfassungsrechtlich gegebene Schutzrecht, die ebenso dem Beamten (wie auch dem Ehepartners des Beamten) gegeben sind, auf: im konkreten Fall hinsichtlich des grundrechtsgleichen Individualrechts des einzelnen Beamten, wie es sich aus dem Alimentationsprinzips ergibt, und darüber hinaus hinsichtlich des besonderen Schutzes, dem die Ehe und Familie unterliegen, sowie mit Blick auf die Forderungen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz; es werden also vom ehemaligen BVR maßgebliche Schutzrechte ins Feld geführt, durch die sich die weiten Entscheidungsmöglichkeiten des Besoldungsgesetzgebers, wie er unter der Prämisse der Doppelverdienerfamilie welche gesetzlichen Regelungen vollziehen kann, bereits als eingeschränkt zeigen.
Was er nicht macht - denn damit würde er gegen den oben genannten rechtlich nicht geregelten Kodex verstoßen -, ist nun die konkrete Abwägung. Denn das wäre offensichtlich erst die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, sofern der Besoldungsgesetzgeber nun tatsächlich zur Tat schreiten wollte (wovon auszugehen ist, was aber der ehemalige BVR nicht zu entscheiden hat), was mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Widersprüchen und Klagen führte (wovon auszugehen ist, was aber der ehemalige BVR nicht zu entscheiden hat) und sofern es am Ende zu Vorlagebeschlüssen der Verwaltungsgerichtsbarkeit kommen würde (wovon auszugehen ist, was aber der ehemalige BVR nicht zu entscheiden hat).