Danke Swen für deine ausführlichen Darstellungen.
Inwiefern können wir, abgesehen vom Klageweg, Einfluss auf das Bundesverfassungsgericht nehmen? Bekommen die auch den aktuellen Entwurf zur Kenntnis, sodass die auch von Beginn an sehen, dass die Entwürfe von Mal zu Mal uns schlechter stellen?
Inwiefern kann das Bundesverfassungsgericht vorgeben, dass A3 weiterhin für alle als Eingangsamt bleibt und somit A3 Stufe 1 auf 3001€ fixiert wird und danach die gesamte Besoldungstabelle mit einer fixierten Abstandssystematik bspw. zwischen den Stufen mindestens X% Abstand sowie zwischen den Besoldungsgruppen Y% und ein zusätzlicher Abstand zwischen den Dienstgraden von Z%. Wenn nicht mal eine konkretere Vorgabe kommt, dann wird hier niemals ein fassungsmäßiges Ergebnis dabei rumkommen.
Das Bundesverfassungsgericht prüft in der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens als Folge eines sog. Vorlagebeschlusses, ob die im Klageverfahren angegriffene Norm mit der Verfassung in Einklang steht, Heini. Sofern es keine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlässt - sie stellt die Ultima Ratio dar und erfolgt von daher nur in seltenen Fällen -, kann es ausschließlich die Verletzung einer Verfassungsnorm feststellen und innerhalb des Judikats begründen, welche Regelungen dem (Besoldungs-)Gesetzgeber verfassungsrechtlich gestattet sind und welche nicht. Es ist dabei ermächtigt, Entscheidungen mit Gesetzeskraft zu erlassen, ist aber nicht ermächtigt, selbst gesetzgeberisch aktiv zu werden. Es ist also nicht dazu ermächtigt, eine Besoldungsgruppe als Grundlage für ein Einstiegsamt festzulegen. Dazu ist als Folge des strikten Gesetzesvorbehalts im Besoldungsrecht ausnahmslos der Besoldungsgesetzgeber ermächtigt.
Sofern es seine Entscheidung auf Basis von § 35 BVerfGG fällt, kann es bestimmen, wer seine Entscheidung vollstreckt und im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln. Unabhängig davon, dass eine Vollstreckungsanordnung als Ultima Ratio vollzogen wird, sieht sich das Bundesverfassungsgericht dazu gezwungen, dem (Beslodungs-)Gesetzgeber hier einen Zeitraum einzuräumen, bis zu dem er eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen hat; darüber hinaus ist der (Besoldungs-)Gesetzgeber als solcher auch danach weiterhin jederzeit dazu ermächtigt, eine neue gesetzliche Regelung zu erlassen, die - ohne dass sie vom Bundesverfassungsgericht vernichtet wird - Gültigkeit beansprucht.
@ Durgi
Die Frage lässt sich nicht allgemein beantworten, da sich der Besoldungsgesetzgeber gezwungen sieht, seine im Gesetz vollzogenen Entscheidungen sachgerecht zu begründen. Sofern es ihm gelingt, in einem neuen Gesetzgebungsverfahren die vom Bundesverfassungsgericht vernichtete Norm sachgerecht zu begründen, kann er durchaus zur Normwiederholung schreiten, also die vormals vernichtete Norm inhaltlich identisch erneut beschließen.
In unserem Fall unterschreitet nach Feststellung des Entwurf selbst noch das der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 11 gewährte Besoldungsniveau die Höhe der Besoldung, die der Besoldungsgesetzgebung einem Beamten gewähren müsste, der ein Amt bekleidet, das derzeit in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 3 besoldet wird. Entsprechend wird ein Beamter in einem Beförderungsamt des gehobenen Diensts noch geringer besoldet, als ein Beamter im Einstiegsamt des einfachen Diensts zu besolden wäre.
Als Folge muss sich die Wahrscheinlichkeit, die von 0 (in jedem Fall ausgeschlossen) bis 1 (in jedem Fall gegeben) reicht, sich der 1 nähern, dass sich der Besoldungsgesetzgeber gezwungen sieht, in der Besoldungsstaffelung einen anderen Ausgangspunkt zu wählen, auf dessen Basis eine neue konsistente Besoldungssystematik zu bestimmen wäre. In Anbetracht des weitreichenden Verletzungsgrads der aktuellen Besoldungssystematik darf man davon ausgehen, dass es dem Bundesbesoldungsgesetzgeber nicht möglich sein dürfte, sachgerecht eine Besoldungsgruppe der verschiedenen Besoldungsordnung von der Neustrukturierung auszunehmen, soll heißen, es sollte im Bund als Folge der vom Besoldungsgesetzgeber selbst konstatierten Verletzung der Besoldungssystematik das gelten, was Martin Stuttman seit mehr als acht Jahren sachlich hervorhebt: Alle Besoldungsgruppen sind anzuheben.
Eine Anhebung der Grundgehaltssätze von elf % in der untersten Besoldungsgruppe sollte dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen können, um auf Basis des gegebenen Verletzungsgrads zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Darauf werde ich im Verlauf der nächsten Tage zurückkommen. Bis dahin kann die Seite 8 des Sammelthreads herangezogen werden:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.105.html@ Thoth
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht kommt der Anhörung der Gewerkschaften und Verbände innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens eine wichtige Funktion zu. Es ist dabei anzunehmen, dass der Senat in den angekündigten Entscheidungen darauf hinweisen wird, dass der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Kritik auch vonseiten der zur Anhörung berechtigten Akeure noch in dessen Verlauf sachlich entkräften muss, dass ihm also ein unzulässiges Nachschieben von Gründen nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahren - insbesondere erst im Verlauf der gerichtlichen Kontrolle - nicht gestattet ist, dass also entsprechend nachgeschobene Gründe in der gerichtlichen Kontrolle nicht herangezogen werden dürfen.
Entsprechend hat der Zweite Senat Anfang 2023 in seiner Entscheidung zur Parteienfinazierung - absolute Obergrenze entschieden. Die Entscheidung dürfte nun in ihrem sachlichen Gehalt auf das Besoldungsrecht übertragen werden.
Bislang sieht der Regelfall wie folgt aus: Die Gewerkschaften und Verbände äußern im Beteiligungsverfahren sachliche Kritik, die wiederkehrend umfassend begründet wird und darin einen sachlichen Gehalt zeigt, der vielfach nicht sachgerecht vom Besoldungsgesetzgeber zur Kenntnis genommen und also nicht sachgerecht entkräftet wird. Auch dem Besoldungsgesetzgeber sollte dabei spätestens als Folge der gerade genannten Entscheidung heute bewusst sein, dass auch diese Praxis für ihn mit gehörigen Gefahren verbunden ist. Ich kann mich an kein Besoldungsgesetzgebungsverfahren der letzten Jahre entsinnen, in dem ein Besoldungsgsetzgeber sich tatsächlich durchgehend ernsthaft mit der im Anhörungsverfahren zum Teil differenziert begründeten sachlichen Kritik auseinandergesetzt hätte.
Auch diese Zeiten werden alsbald offensichtlich vorbeisein, da sie uns in das sachliche Chaos hineingestürzt haben, dessen Ausfluss der aktuelle Entwurf ist. Die Missachtung unserer Verfassung im Besoldungsrecht hat mit diesem Entwurf des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat Ausmaße erreicht, vor denen Ulrich Battis bereits Ende 2022 eindringlich gewarnt hat (vgl. die S. 13 f. unter
https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf@ PolareuD
Vielfach sind in der Vergangenheit selbst evidente Sachwidrigkeiten wie bspw. das, was ich zur Besoldungsgruppe A 5 herausgestellt habe, obzwar im Anhörungsverfahren als sachliche Kritik schlüssig begründet, nicht korrigiert worden, wie Alx das hervorhebt, was mit dazu geführt haben dürfte, dass der Senat in der genannten Entscheidung zur Parteienfinazierung seine entsprechende Klarstellung - angelehnt an seine neuere Besoldungsrechtsprechung - vollzogen hat. Denn der Umgang mit sachlicher Kritik zeigt gleichfalls die Missachtung nicht zuletzt der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die zur Erhärtung sachlicher Kritik regelmäßig herangezogen wird.
Zugleich ist die jeweilige Überleitungsregelung so unsinnig im Gesetzgebungsverfahren vollzogen worden, dass man sich mit deren Korrektur zwangsläufig Blößen im Begründungsverfahren geben würde, dass ich die Wahrscheinlichkeit der Korrektur für kleiner als 0,5 einschätze. Es wird interessant werden, wie die zur Anhörung zugelassenen Gewerkschaften und Verbände ihre Kritik sachlich darlegen werden. Auf dieser Grundlage wird sich dann konkret zeigen, wo noch Korrekturen im Entwurf vollzogen werden.
@ untersterDienst
Die 17 Besoldungsgesetzgeber sind in ihrem jeweiligen Rechtskreis zur eigenständigen Gesetzgebung ermächtigt, haben aber das Gebot der Bundestreue hinreichend zu berücksichtigen. Dementsprechend kommt insbesondere dem Bundesgesetzgeber eine besondere Bedeutung zu, weshalb Ulrich Battis seine eben verlinkte Kritik 2022 entsprechend so formuliert hat, wie er sie formuliert (und unmittelbar an den sächsischen Gesetzgeber gerichtet) hat. Die 16 Besoldungsgesetzgeber der Länder werden diesen Entwurf als Rechtfertigung für ihre eigene Gesetzgebungspraxis betrachten, die seit 2020 in keinem Rechtskreis zur sachgerechten Beachtung des seit spätestens 2008 in allen Rechtskreisen verletzten Mindestabstandsgebots geführt hat.
Das 2008 von Andreas Voßkuhle als "zahnloser Tiger" betrachtete Alimentationsprinzip ist mittlerweile mit starkem Gebiss ausgestattet. Die 17 Besoldungsgesetzgeber betrachten es allerdings, als wäre es ein Schoßhündchen. Es muss jetzt an Karlsruhe sein, die dem Alimentationsprinzip in den letzten zwölf Jahren eingezogenen Zähne Geltung zu verschaffen. Zeigte das dogmatische Gebiss nun in den angekündigten Entscheidungen keine Schärfe, dürfte damit ein Autoritätsverlust des Bundesverfassungsgerichts einhergehen, an dem weder der Erste noch der Zweite Senat ein Interesse haben könnten. Dessen werden sich beide Senat für sich und in ihrem Zusammenhang bewusst sein, denke ich. Insbesondere von dem vorliegenden Entwurf könnten dann Signalwirkungen ausgehen - nicht zuletzt in Anbetracht der letzten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen über Gesetze des Bundesgesetzgebers -, die der Reputation Karlsruhes auch im internationalen Kontext schweren Schaden zufügen könnten. Das, so lässt sich vermuten, wird man nun in der Betrachtung der weiter auszuformenden neuen Dogmatik zum Besoldungsrecht in Karlsruhe im Hinterkopf haben.