Ich denke, mit eher verschwörungstheoretischen Sichtweisen kommt man aus mindestens zwei Gründen nicht weiter: Erstens lassen sie sich nicht hinreichend begründen; denn ließen sie sich hinreichend begründen, wären es keine Verschöwrungstheorien. Zweitens lassen sie sich hinreichend widerlegen, worin sich ebenso ihr verschwörungstheoretischer Gehalt offenbart.
Zunächst einmal ist es richtig, dass das Bundesverfassungsgericht ein "politisiertes" Gericht ist, was aber nicht daran liegt, dass die Richter am Bundesverfassungsgericht je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden, sondern daran, dass es als einziges Verfassungsorgan dazu ermächtigt ist, die Verfassung rechtskräftig auszulegen. Seine Entscheidungen haben also wiederkehrend starke Auswirkungen auf die Politik. Darin liegt der "politisierte" Gehalt. Sobald ein Gesetz vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform oder verfassungswidrig betrachtet wird, hat das - je nach dem kontroversen Gehalt des Gesetzes in der Politik - eine je größere politische Auswirkung. Entsprechend "politisiert" das Entscheidungen.
Darüber hinaus ist das Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsorgan. Es muss als solches in unserem Rechtsstaat in einem engen Austausch mit anderen Verfassungsorganen stehen, was man allein daran sieht, dass sein Präsident bei Staatsakten protokollarisch zu betrachten ist und also ganz vorne mit dabei ist. Auch das Bundesverfassungsgericht ist als Verfassungsorgan im politischen Berlin repräsentiert, hat also ebenfalls entsprechende Aufgaben. Ebenso tauschen sich Verfassungsorgane regelmäßig aus, was zu entsprechenden Gespräche führt, die wiederkehrend im Rahmen gemeinsamer Nahrungsaufnahme geschehen. Wenn man daraus ableiten wollte, dass es den weiteren anwesenden Nahrungsaufnehmern hier möglich wäre, gezielt Einfluss auf Entscheidungen von anwesenden Richtern am Bundesverfassungsgericht zu nehmen, müsste man nun begründen können, wie und warum das hier geschehen sollte. Denn wenn politische Einflussnahme auf das Bundesverfassungsgericht so einfach wäre, wäre es sicherlich ratsam, das Telefon zu benutzen, um weniger Spuren zu hinterlassen.
Und schließlich müsste man erklären, wieso - in unserem Thema hier - das Bundesverfassungsgericht seit 2012 den weiten Entscheidungsspielraum, über den auch der Besoldungsgesetzgeber verfügt, immer weiter eingeschränkt hat, sodass sich die 17 Besoldungsgesetzgeber nun gezwungen sehen, immer obskurere Maßnahmen zu ergreifen, um die Personalkosten möglichst gering zu halten, ohne dass das gelänge. Denn allein die allüberall massive Anhebung familienbezogener Besoldungskomponenten führen bereits zu deutlich höheren Personalkosten, ohne eine verfassungskonformen Besoldung zu gewährleisten, deren Messlatte sich seit 2012 zunehmend erhöht hat.
Wenn es dem Bundesverfassungsgericht also zvörderst nur um das politisch Machbare gehen würde, hätte es sich sicherlich nicht die großen Probleme eingehandelt, die es sich ab 2015 entsprechend eingehandelt hat, indem es sich mittlerweile über 60 anhängige Vorlagebeschlüsse eingehandelt hat. Es hätte dann stattdessen die letzten zu jener Zeit anhängigen Richtervorlagen genutzt, um 2015 für Ruhe im Karton zu sorgen, nämlich die R-Besoldung in Sachsen-Anhalt 2008 bis 2010 und die sächsische A-Besoldung im Jahr 2011 als verfassungskonform betrachtet und darüber hinaus nicht sein hier entwickeltes dreistufiges "Pflichtenheft" erstellt. Danach wären keine weiteren Richtervorlagen vor dem Zweiten Senat gelandet und keine weiteren mehr vorhanden gewesen - und die Politik wie das Bundesverfassungsgericht hätte es im Sinne der eher verschwörungstheoretischen Betrachtung gemeinsam erfreut. Es bliebe also die Frage, ob die Richter am Bundesverfassungsgericht nicht nur in ihren Entscheidungen offensichtlich stärker gehend durch Regierende zu beeinflussen wären, sondern ebenso, ob sie dann nicht gleich auch noch etwas dümmlich wären, da sie ja offensichtlich dann nicht einmal in der Lage wären, die Konsequenzen ihrer "politisierten" Entscheidungen abzusehen, nämlich eben das deutliche Anschwillen von Richtervorlagen ab 2016.
Wie sollte nun das erklärt werden? Wieso käme es wiederkehrend zu Entscheidungen wie die Nichtigkeitserklärung des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 oder zur Parteienfinanzierung - absolute Obergrenze?
Darüber hinaus hat das politische Berlin als offensichtliche Folge dessen, was hier
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.120.html unter der Nr. 134 ab der S. 1 ausgeführt wird, den Rattenschwanz der geplanten Maßnahmen erkannt, was das politische Berlin reichlich spät aufgeht, aber nun dort eine schöne Knobelaufgabe darstellt, so wie das die DPolG gestern an der dortigen Tabelle 1 dargelegt hat:
"Erfolgt die Einstellung nun in die A4 mit Stufe 5 bedeutet dies aktuell ein Grundgehalt von 3001,08 Euro. Konsequenterweise sind die Stufen 1 bis 4 auch in der A5 obsolet, da erst die Stufe 5 (A5 St. 5 = 3061,57 Euro) über der Besoldung A4 Stufe 5 liegt. Die Einstellung in die A6 Stufe 3 bedeutet aktuell 3029,92 Euro dies liegt unterhalb der A5 St. 5, so sollte und muss die Einstellung in die A6 mindestens Stufe 4 erfolgen. Die Einstellung in die A7 erfolgt nun ebenfalls in die Stufe 3 mit 3164,65 Euro, eine Einstellung in das Beförderungsamt A8 mit Stufe 1 kann es somit auch nicht mehr geben. Bei dieser Aufstellung ist zu erkennen, dass die Abstände in weitere Beförderungsämter immer geringer wird. Bei den Stufen der Besoldungstabelle handelt es sich gemäß § 27 BBesG um Erfahrungsstufen, die im Laufe des beruflichen Lebens gewonnene Erfahrungen in die Besoldung mit einfließen lassen. Beamte der Besoldungsstufe A 9 oder höher benötigen in der Regel 23 Jahre um in die letzte Stufe 8 der Besoldungstabelle aufzusteigen. Zukünftig benötigen Berufseinsteiger in den unteren Besoldungsgruppen nur noch 9 Jahre um die Stufe 8 der Besoldungstabelle zu erreichen."
(
https://www.dpolg-bundespolizei.de/aktuelles/news/kaum-verbesserungen-in-der-besoldungsstruktur-zu-erkennen/)
Diese Problematik haben die politischen Verantwortungsträger augenscheinlich nicht auf dem Schirm gehabt, ansonsten hätten sie nicht die in Tabelle 1 festgehaltenen Regelungen geplant. Denn die vom derzeitigen Entwurf geplanten Regelungen müssen letztlich zu Ämterneubewertungen führen, um sich sachlich rechtfertigen zu lassen - und zunächst einmal müsste nun in einer Neufassung des Entwurfs festgelegt werden, dass, wenn nun A 4/5 zum niedrigsten Besoldungsniveau führen sollte, die weiteren niedrigsten Besoldungsgruppen A 5/5, A 6/4, A 7/3 (hier wie bislang geplant) und A 8/2 sein müssten. Man könnte natürlich auch neue Grundgehaltssätze unter Beibehaltung der jeweiligen Erfahrungsstufen erstellen - nur ginge das dann kaum ohne Ämterneubewertung.
Eine interessante Knobelaufgabe, von denen es ja noch einige im derzeitgen Entwurf gibt, womit sich hier das prinzipielle Dilemma auftut: Man kann sagen, Augen zu und durch, und also das offensichtlich verfassungswidrige Gesetz beschließen, oder man kann versuchen, den Entwurf so zu verändern, dass er den verfassungskonformen Gehalt zumindest suggerieren könnte - aber dann käme eben mehr und mehr der Rattenschwanz hervor, der sich in der Realität als immer länger erweisen wird, je man versucht, Änderungen im Entwurf zu vollziehen. Das ist das generelle Problem verfassungswidriger Gesetze und zuvor der ihnen zugrunde liegenden Entwürfe. Wer im politischen Berlin bislang hier noch keine Kopfschmerzen haben wird, wird sie alsbald bekommen.