Autor Thema: [Allg] Ist die Pension sicher?  (Read 6676 times)

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Antw:[Allg] Ist die Pension sicher?
« Antwort #15 am: 29.08.2024 10:12 »
Wow, vielen Dank für diese umfassende, fundierte und kompetente Antwort, Rentenonkel! Genau nach so einer Einschätzung samt Belege hatte ich mich gesehnt.

Daraus lese ich, dass das Alimentationsprinzip und auch eine angemessene Höhe dessen nur unter besonders gravierenden, politischen Umständen geändert werden kann. Zumal man ja bei einer "radikalen" Kürzung auch die Minister und etliche Abgeordnete schöpfen würde... Ob die dann so einem Gesetz zustimmen würden, ist fraglich.

Was in meinen Augen jedoch vorstellbar ist, sind künftige Sozialabgaben von Beamte, um den steigenden Sozialabgaben Herr zu werden... Hat aber dann freilich nichts der Pension zu tun.

Und da gäbe es für dich dann Bestandschutz

Auf welcher Grundlage sollte ein solcher Bestandschutz beruhen?

Ansonsten gab und gibt es schon Kürzungen in der Beamtenversorgung. Zwar nicht radikal, jedoch wurde das Pensionsniveau um einige Prozente abgesenkt, bestimmte Zulagen waren auf einmal nicht mehr ruhegehaltsfähig und Besolderungssteigerungen wurden gekürzt, um dadurch Rücklagen für die Pension zu schaffen.

Real ca. 10 % an Pensionshöhe sind dadurch verloren gegangen.

Hier ging es um eine Umstellung und Aufnahme der Beamten in die Sozialversicherung

Verstehe. Da dürfte es zu keiner Schlechterbehandlung als nach den alten Regelungen kommen.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Ist die Pension sicher?
« Antwort #16 am: 29.08.2024 10:32 »

Ansonsten gab und gibt es schon Kürzungen in der Beamtenversorgung. Zwar nicht radikal, jedoch wurde das Pensionsniveau um einige Prozente abgesenkt, bestimmte Zulagen waren auf einmal nicht mehr ruhegehaltsfähig und Besolderungssteigerungen wurden gekürzt, um dadurch Rücklagen für die Pension zu schaffen.

Real ca. 10 % an Pensionshöhe sind dadurch verloren gegangen.

Bei der Frage des Verfassungsschutzes muss man zwischen erdienten Zeiten als Beamter und Zeiten außerhalb des Beamtentums unterscheiden. Während die Zeiten, die man Beamter war, immer als ruhegehaltfähig anerkannt werden müssen und auch bewertet werden müssen, hat der Gesetzgeber bei der Anerkennung der Zeiten außerhalb des Beamtentums einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher ist es ihm unbenommen, für zukünftige Pensionäre bei der Bewertung und Anerkennung dieser Zeiten seinen Gestaltungsspielraum zu nutzen. Dabei sind ihm aber Grenzen gesetzt.

Zum einen haben diejenigen, die schon in den Ruhestand versetzt wurden, einen Bestandsschutz und deren Pension darf aufgrund der Rechtsänderung nicht gekürzt werden. Unser ehemaliger Arbeitsminister Blüm hat mit dem Satz "Die Rente ist sicher" genau das gemeint. Während seinerzeit im Ausland auch Bestandsrentner Kürzungen hinnehmen musste, galten auch damals die Neuregelungen in Deutschland nur für Neurentner und Bestandsrentner durften darauf vertrauen, dass ihre Rente unverändert weitergezahlt wird.

Zum andern dürfen rentennahe Jahrgänge nur stufenweise und nicht auf einmal von einer Verschlechterung betroffen sein. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass zwar in diesem Zusammenhang insbesondere die Bewertung der Schul- und Studienzeiten durch diese Reform abgeschmolzen wurden, dafür aber seitdem Erziehungsleistungen in erheblich besserem Umfang bewertet werden. Diese Reform war daher nicht für alle schlecht; insbesondere Mütter haben davon in erheblichem Umfang profitiert und profitieren bis heute. Beamte, die nach dem 17. Lebensjahr länger zur Schule gegangen sind oder studiert haben, und keine 40 Dienstjahre zusammen bekommen und keine Kinder haben, haben seit der Reform dagegen tendenziell weniger Pensionsansprüche.

Die Kürzung der Pension hat allerdings auch Grenzen. Aus dem Leistungsgrundsatz des Artikel 33 GG und dem Gebot einer amtsangemessenen Alimentierung als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums folgt, dass eine Differenzierung der Höhe des Ruhegehaltes nach der Wertigkeit des Amtes erforderlich ist, das vom Beamten zuletzt ausgeübt wurde.

Als absolute Grenze wurde verdeutlicht, dass eine Absenkung des Versorgungsniveaus immer dort endet, wo der hinreichende Abstand zur Mindestversorgung nicht mehr gewährleistet wird. Die Mindestversorgung ist nicht die Regelversorgung. Bliebe die Mindestversorgung nicht auf Ausnahmefälle beschränkt oder lägen die Bezüge ganzer Gruppen von Versorgungsempfängern nicht im nennenswerten Umfang über der Mindestversorgung, führte dies zu einer unzulässigen Nivellierung, die die Wertigkeit des Amtes nicht mehr hinreichend berücksichtigt.

Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen der durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 eingefügten Vorschriften auf die Beamtenversorgung traf das Bundesverfassungsgericht schließlich eine entscheidenden Feststellung, welche für weitere gesetzgeberische Maßnahmen in der näheren Zukunft präjudizielle Wirkung entfaltet:

Die in der Beamtenversorgung bereits durchgeführten Reformmaßnahmen beinhalten bei Überprüfung zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Beamten eine stärkere Belastung als die Referenzreform der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch die Frage, ob die Höhe der Mindestpension überhaupt noch verfassungsgemäß ist, ist noch nicht beantwortet. Hier wird es sicher in den nächsten Jahren noch durch das BVerfG weitere Entscheidungen geben müssen und uns alle noch einige Monde beschäftigen. Ich hoffe nur, ich erlebe die Entscheidungen noch  ;)

Zu der Frage, ob der Dienstherr überhaupt Besoldungserhöhungen kürzen durfte oder verzögern durfte, um damit Beamte an einer Versorgungsrücklage zu beteiligen, verweise ich auf die Ausführungen zur amtsangemessenen Alimentation aktiver Beamter und da insbesondere auf die Ausführungen von Swen. Das ist eher ein Frage der Amtsangemessenheit der Besoldung als eine Frage zur Pension.

photosynthese

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Antw:[Allg] Ist die Pension sicher?
« Antwort #17 am: 29.08.2024 15:53 »
@Photosynthese:

Ich verstehe Deine Argumentation, allerdings gelten die althergebrachten Grundsätze der Beamten mindestens seit der Weimarer Republik, die Renten noch aus der Zeit des Kaiserreiches.

Die Rechtsnachfolge im Staats- und Völkerrecht ist die Staatensukzession, das Einrücken eines Staates oder mehrerer Staaten in die völkerrechtliche Rechtsposition eines anderen Staates oder mehrerer anderer Staaten. Bei einer solchen Staatensukzession tritt der neue Staat als Rechtsnachfolger für den bisherigen Staat auf. Dabei ist es wichtig, dass der neue Staat regelmäßig die Verbindlichkeiten des bisherigen Staates dem Grunde nach anerkennt. Andernfalls würde der neue Staat Schwierigkeiten haben, auf den internationalen Finanzmärkten Kredite zu erhalten oder international anerkannt zu werden.

Mit ihrem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland ist beispielsweise die DDR mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 als Staats- und Völkerrechtssubjekt untergegangen und nimmt seither an der staats- und völkerrechtlichen Kontinuität Deutschlands in der Form der Identität der Bundesrepublik teil. Damit sind aber auch Ansprüche auf Rente und Pension in die Identität der Bundesrepublik übergegangen und werden kontinuierlich von dieser dem Grunde nach bedient.

Bei den von Dir genannten Problemen geht es daher regelmäßig nur um die Frage nach dem wieviel, nicht aber nach der Frage des ob. Und am Rande gesagt: Sollte es einmal zu der von Dir geschilderten Situation kommen, haben wir vermutlich viel mehr Probleme als die Frage nach der Höhe der Pension. Gleiches gilt, wenn der Rechtsnachfolgestaat kein demokratischer sein sollte.

Ich habe keinerlei Lust, den Teufel an die Wand zu malen, und im Grundsatz hast du vollkommen Recht.

Wir leben allerdings in einer Zeit des Wiedererstarkens von Ideologien, und gerade im Zusammenhang mit Ideologien gibt es durchaus Beispiele für Staaten, die unter Verweigerung bzw. Umgehung der Staatensukzession entstanden sind bzw. Staaten, die vollständig zu existieren aufgehört haben und insofern aus der Sukzession gefallen sind. Ich bezweifle zum Beispiel, dass man bei den großen Umbrüchen in Afghanistan jeweils auf rechtliche Selbstverständlichkeiten von davor bestehen konnte, ohne die Verhältnisse vor Ort gut zu kennen.

Glücklicherweise sind wir von derartigen Verhältnissen sehr weit entfernt und ich habe ja auch geschrieben, dass es in der Regel irgendeine Form von Regelung gibt, schon alleine aus der Erfahrung heraus, dass auch das Nachfolgegebilde in der Regel die Erfahrung der bisherigen Staatsdiener benötigt, um überhaupt funktionieren zu können.

Mein Beitrag zielte eher in die Richtung, dass der TE nach einer Art Totalgarantie der Pension gefragt hat, dabei wurde auch auf das historische Beispiel Griechenlands verwiesen, wo zumindest althergebrachte Sicherheiten weitreichend über den Haufen geworfen wurden, und dies ist ein Baustein, weshalb man sie nicht wird geben können. Die Wahrscheinlichkeit einer derart tiefgreifenden Veränderung ist hoffentlich extrem gering, aber junge Menschen, die jetzt in den Dienst eintreten, haben je nach Laufbahn i.d.R. zwischen 40-50 Jahre Dienst vor sich und hoffen danach auf einige Jahrzehnte Pension. So weit kann niemand in die Zukunft sehen.

websgeisti

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Antw:[Allg] Ist die Pension sicher?
« Antwort #18 am: 29.08.2024 18:54 »
Interessante Frage und ich bin gespannt, was dazu noch so an Antworten kommt.

Ich bin nur der Meinung (Hoffnung?), dass wenn der Bund und die (reicheren) Länder irgendwann kein Geld mehr haben, um uns zu bezahlen (egal ob Angestellte oder Beamte), dass wir dann ganz andere Probleme im Land haben und es um existenzielle Fragen (Klima, Krieg,...) gehen dürfte.

Nein, das stimmt nicht. Ein Staatshaushalt kann in eigener Währung nicht pleite gehen. „Geld drucken“ also aus dem „Nichts“ erschaffen, geht auch immer. Nur in Fremdwährung z.B. Dollar im Falle von Deutschland könnte man „pleite gehen“.

Grundsätzlich hängt ja alles am Grundgesetz und wenn da irgendein Künftiges Bündnis den Art. 33 GG entsprechend ändert oder streicht (mit einer 2/3 Mehrheit) dann passiert noch viel mehr als nur eine Streichung oder Verringerung der Pensionen. Aber derzeit sieht es nicht so aus, als würde irgendwer an die Beamtenpensionen oder die Beamten wirklich ran wollen. Die Länder und der Bund profitieren ja durchaus auch von den Beamtenverhältnissen. Sonst würde jetzt kein Bundesland mehr verbeamten.
« Last Edit: 29.08.2024 19:04 von websgeisti »

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Ist die Pension sicher?
« Antwort #19 am: 30.08.2024 07:51 »
Art. 33 Abs. 5 GG ist ein unmittelbar geltendes Recht und nicht nur ein Programmsatz. Diese Vorschrift bindet den Gesetzgeber und die Verwaltung. In Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 4 GG bildet Art. 33 Abs. 5 GG eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums.

Das Grundgesetz kann nach Art. 79 Abs. 2 GG nur durch ein den Text des Grundgesetzes ausdrücklich änderndes Bundesgesetz mit den Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages und mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates geändert werden. Alle Änderungen, die den bundesstaatlichen Aufbau in Länder oder die grundsätzliche Mitwirkung der Bundesländer bei der Gesetzgebung ändern sollen, sind verboten. Unzulässig sind auch die Änderungen der Grundsätze der Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 20 GG (Staatsaufbau). Dies gewährt die sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG.

Da sich die für das Berufsbeamtentum geltenden Grundentscheidungen der Verfassung in Art. 33 GG wiederfinden, wäre also eine Abschaffung des Berufsbeamtentums mit den Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages und mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates denkbar.

Dabei stellt sich dennoch die Frage, ob eine Abschaffung des Berufsbeamtentums überhaupt möglich ist, weil die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG auf Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verweist, der die Gewaltentrennung und damit konsequenterweise auch den Bestand der vollziehenden Gewalt und in Art. 20 Abs. 3 GG das Gesetzmäßigkeitsprinzip und das Rechtsstaatsprinzip  auf Dauer garantiert.

Die verfassungsänderungsfesten Prinzipien „Rechtsstaat“ und „Sozialstaat“ bedingen, dass ein Dienstrechtssystem besteht, das diese Prinzipien sichert und seine Amtswalter so schützt, wie dies das Beamtensystem tut. Nimmt man das Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip ernst, so wird man nicht umhin können, das Beamtensystem als Institution dem Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 20 GG unterzuordnen. Eine ganze Reihe namhafter Autoren hat sich jedenfalls dafür ausgesprochen, die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums dem Ewigkeitsschutz des Art. 97 Abs. 3 GG zu unterstellen.

Und selbst wenn es dazu kommen sollte, dass das Berufsbeamtentum wie zum Beispiel in der Schweiz abgeschafft werden sollte, dann haben diejenigen, die schon verbeamtet sind, Bestandschutz und Ihnen wird weder die Urkunde weg genommen noch werden sie in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden können.

Etwas anders gilt natürlich, wenn wir kein GG mehr haben oder kein BVerfG mehr haben. Dann haben wir alle, also auch die Tarifbeschäftigten und normalen Bürger, mit Sicherheit auch noch ganz andere Probleme. Ich kann mich immer noch an die Geschichten meiner Großeltern erinnern, die vor langer Zeit von Ostpreußen zu Fuß nach NRW fliehen mussten. Die Sorge um die Rente war seinerzeit eines ihrer geringsten Probleme.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Ist die Pension sicher?
« Antwort #20 am: 30.08.2024 15:15 »
Der Souverän (das Volk) kann sich jederzeit eine neue Verfassung geben, die wie auch immer aussehen kann. Manche hätten z.B. lieber einen Zentralstaat wie Frankreich, kommt besonders immer im Bildungsbereich zum Vorsprung. Oder auch eben ohne Berufsbeamtentum, dann gilt das Gesagte mit dem Bestandsschutz.
Die Ewigkeitsgarantie ist ein schönes Wort, gilt jedoch nur für das Grundgesetz, sprich die derzeitige Verfassung. Eine ewig geltende Einschränkung des Souverän kann es demokratietheoretisch und auch praktisch gar nicht geben.
Theoretisch kann man auch wie China/Taiwan enden und dann gilt das GG halt in xxx Jahren nur noch auf Helgoland. 

Das größere Problem aktuell sind die schleichenden Veränderungen, durch Sockelbeträge, Stauchung der Besoldungsmatrix und Familienzuschläge, denn die Pensionäre haben zu 99% nur erwachsene Kinder.
Längere Lebensarbeitszeit wird auch noch kommen, denn die Lebenserwartung steigt weiter. Dadurch lassen sich diePensionen locker 20% real absenken, auch wenn die Pensionen nominal steigen.
« Last Edit: 30.08.2024 15:31 von Ozymandias »