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Völlige Entkoppelung von Besoldung und Gehalt nach BVerfG Urteil
AVP:
--- Zitat von: Rentenonkel am 04.11.2024 10:36 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 01.11.2024 07:33 ---
--- Zitat von: BVerfGBeliever am 31.10.2024 15:43 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 31.10.2024 14:03 ---Gemerkt hat es nur keiner und geklagt auch nicht, warum???
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Kurze Antwort: Unter anderem, weil es damals beispielsweise das 115%-Kriterium noch gar nicht gab (und man es somit logischerweise auch nicht zur Prüfung heranziehen konnte).
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Das ist doch keine Antwort, da es dieses Kriterium und diese theoretische Lebenssituation natürlich schon gab, es nur nicht postuliert wurde.
Es hat eben keiner geklagt, so dass das BVerfG die Besoldungsgesetze von 1951ff als GG widrig erkannt hätte.
Denn das BVerfG wird ja nicht von sich aus tätig und beschäftigt sich nur mit den Dingen, die als Klage herangetreten werden.
Oder bist du etwa der Meinung, dass der Beamte damals mit 2 Kinder und Partner in der untersten Besoldungsgruppe schon über die Marke gekommen ist.
Nehmen wir das Existenzminimum als Leitplanke, erster Bericht hierzu stammt aus 1996.
Da kommt man auf 20118+2x6288 also 32694 DM somit müsste die Mindestalimenation damals bei 37600DM gelegen haben.
Guckst du:
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/1995?id=beamte-bund-1995&g=A_1&s=1&f=4&z=100&fz=100&zulage=
Besoldungsgruppe A 1, Dienstaltersstufe 1, Tabelle 01.05.1995 - 29.02.1997
Monatsbeträge
Grundgehalt: 1512.39 DM
Familienzuschlag: 1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 100.00 DM
Monats-Brutto: 2881.70 DM
Jahresbeträge1
Grundgehalt: 18148.68 DM
Sonderzuwendung: 2642.62 DM
Familienzuschlag: 15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 1200.00 DM
Jahres-Brutto: 37223.02 DM
durchschn. Monatsgehalt: 3101.91 DM
37223 DM Brutto < 37600DM Existenzminimum+15%
Also kann man feststellen, dass sehr wahrscheinlich die Besoldung GG widrig niedrig war, oder?
FunFact: Die Grundbesoldung war nur 53% der Gesamtbesoldung (na sowas aber auch, darf doch nicht! Hat auch keiner gegen geklagt!)
Und diesen Widerspruch, dass die Wertigkeit des Dienstposten sinken würde, wenn man das Kindergeld erhöht, denn konnte mir eben noch keiner erklären.
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Ich buddel die Berechnung nochmal kurz aus: Zum einen kommt zu dem Ergebnis noch das Kindergeld von pro Kind pro Monat netto 200,- DM dazu, was aufs Jahr 4800,- DM ausgemacht hat.
Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind. Auch wurde seinerzeit noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. Ob die 15 % Abstand auch bei A1 gegolten hätten, bin ich mir nicht sicher. Nach der damaligen Definition von Sozialhilfe sollte die ja gerade auf dem Niveau des einfachsten Arbeiters sein. Somit müsste man hier eine A4 Familie heranziehen und, wenn man das tut, erkennt man, dass jemand mit A4 deutlich mehr als Sozialhilfe erhalten hat:
Monatsbeträge
Grundgehalt: 1806.98 DM
Familienzuschlag: 1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 100.00 DM
Monats-Brutto: 3176.29 DM
Jahresbeträge1
Grundgehalt: 21683.76 DM
Sonderzuwendung: 2922.48 DM
Urlaubsgeld: 650.00 DM
Familienzuschlag: 15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 1200.00 DM
Jahres-Brutto: 41687.96 DM
durchschn. Monatsgehalt: 3473.99 DM
Nach der Lohnsteuertabelle hätte man etwa pro Monat nur 150 DM Steuern zahlen müssen, also war das durchschnittliche Nettogehalt seinerzeit:
3300 DM plus 400 DM Kindergeld = 3700 DM
aufs Jahr gerechnet somit grob: 3700,- DM * 12 = 44.400,- DM
gegenüber 37.600 DM Sozialhilfe, davon 115 % = 43.240,- DM
Somit hätte seinerzeit eine Klage keine Aussicht auf Erfolg geboten ...
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Der unterste Beamte muss 15% über der Grundsicherung liegen. Viele Bundesländer haben die Besoldungsgruppen A1-3 allerdings schon abgeschafft, weshalb dann mit A4 gerechnet wurde. In BaWü ist das Einstiegsamt mittlerweile sogar A7 oder A8 um den Abstand zur Grundsicherung einzuhalten.
MEn hat das BverfG hier auch nicht sauber gearbeitet und/oder die Dreistigkeit der Besoldungsgesetzgeber unterschätzt. Grundsätzlich sollte natürlich auch die einfachste Tätigkeit über der Grundsicherung (gar keine Tätigkeit) liegen. Ansonsten macht es ja überhaupt keinen Sinn zu arbeiten und Zeit sowie Kosten für Mobilität (um zur Arbeit zu kommen) zu investieren.
Wenn das so weitergeht wie bisher wird irgendwann jeder Beamte in die B-Besoldung gesteckt wobei B1 dann 115% der Grundsicherung entspricht, A Besoldungsgruppen schafft man einfach ab
MoinMoin:
--- Zitat von: Rentenonkel am 04.11.2024 10:36 ---Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind.
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Wurde nicht die niedrigste mögliche Besoldung rausgesucht? Und A4 war halt hier und da die niedrigste zum Klagezeitpunkt.
Oder heißt das, dass ein A1er Beamte mit x Kinder durchaus auch unterhalb des Existenzminimums fallen darf, ohne das die Besoldung dadurch GG widrig wird?
Rentenonkel:
--- Zitat von: MoinMoin am 04.11.2024 11:10 ---
--- Zitat von: Rentenonkel am 04.11.2024 10:36 ---Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind.
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Wurde nicht die niedrigste mögliche Besoldung rausgesucht? Und A4 war halt hier und da die niedrigste zum Klagezeitpunkt.
Oder heißt das, dass ein A1er Beamte mit x Kinder durchaus auch unterhalb des Existenzminimums fallen darf, ohne das die Besoldung dadurch GG widrig wird?
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Die Frage ist ja eben, was amtsangemessen ist. Während ein A4 Beamter mit 2 Kindern 15 % mehr haben muss als der Grundsicherungsbedarf, kann es bei A 1 möglicherweise auch nur 100 % oder vielleicht 105 % des Sozialhilfebedarfs sein. Weniger als der Grundsicherungsempfänger kann es in keinem Fall sein. Das ist jetzt jedoch nur noch eine Frage akademischer Natur, weil es eben keine Beamten mehr mit A1 bis A3 gibt.
Es wurde in der Tat die niedrigste Besoldungsgruppe zum Zeitpunkt der Klage genommen und da wurden bezogen auf eine A4 Tätigkeit die 115 % als amtsangemessene Mindestalimentation definiert. Wäre es A1 gewesen, wäre die Definition jedenfalls nach meinem Rechtsverständnis eine andere gewesen.
MoinMoin:
--- Zitat von: Rentenonkel am 04.11.2024 11:19 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 04.11.2024 11:10 ---
--- Zitat von: Rentenonkel am 04.11.2024 10:36 ---Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind.
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Wurde nicht die niedrigste mögliche Besoldung rausgesucht? Und A4 war halt hier und da die niedrigste zum Klagezeitpunkt.
Oder heißt das, dass ein A1er Beamte mit x Kinder durchaus auch unterhalb des Existenzminimums fallen darf, ohne das die Besoldung dadurch GG widrig wird?
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Die Frage ist ja eben, was amtsangemessen ist. Während ein A4 Beamter mit 2 Kindern 15 % mehr haben muss als der Grundsicherungsbedarf, kann es bei A 1 möglicherweise auch nur 100 % oder vielleicht 105 % des Sozialhilfebedarfs sein. Weniger als der Grundsicherungsempfänger kann es in keinem Fall sein. Das ist jetzt jedoch nur noch eine Frage akademischer Natur, weil es eben keine Beamten mehr mit A1 bis A3 gibt.
Es wurde in der Tat die niedrigste Besoldungsgruppe zum Zeitpunkt der Klage genommen und da wurden bezogen auf eine A4 Tätigkeit die 115 % als amtsangemessene Mindestalimentation definiert. Wäre es A1 gewesen, wäre die Definition jedenfalls nach meinem Rechtsverständnis eine andere gewesen.
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Interessanter Aspekt, dann kann ich beruhigt sein, dass seinerzeit die Besoldung wohl doch GG konform war.
BVerfGBeliever:
--- Zitat von: BVerfGBeliever am 02.11.2024 10:18 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 01.11.2024 15:21 ---Nun deine Berechnungen entstammen eben dem Taka Tuka Land
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OK, dann gehen wir doch noch mal kurz nach Taka-Tuka-Land und unterstellen, dass "Fritze" (Merz) nächstes Jahr sein Herz für Kinder entdeckt und eine Kindergrundsicherung einführt.
Welche Auswirkungen hätte dies auf eine Beamtenfamilie mit zwei "mittleren" Kindern (zwischen 6 und 13 Jahren)?
1.) Der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie beträgt wie bekannt bis zu 3.860 € (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Nettoalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich zwei Mal 555 € Kindergrundsicherung und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergäbe sich eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von 3.990 €.
4.) Addiert man die zu zahlenden Steuern, erhält man die äquivalente Brutto-Mindestbesoldung in Höhe von 4.390 €, unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar wären.
5.) Diese Brutto-Mindestbesoldung würde sich entsprechend aus rund 4.050 € Grundgehalt, 170 € Partnerzuschlag sowie zwei Mal 85 € Zuschlag für die beiden Kinder zusammensetzen.
Was würde dies für einen Single-Beamten bedeuten?
- Die Brutto-Mindestbesoldung würde 4.050 € betragen.
- Nach Abzug der Steuern läge die Netto-Mindestbesoldung bei 3.300 €, unter der Annahme, dass 240 € PKV-Kosten steuerlich absetzbar wären.
- Nach Abzug der PKV-Kosten von 300 € läge die Nettoalimentation somit bei 3.000 € (im Vergleich zu obigen 4.440 € der vierköpfigen Beamtenfamilie).
Du siehst also, dass ein Single-Beamter selbst nach Einführung einer Kindergrundsicherung Anspruch auf eine Bruttobesoldung von rund 4.050 € hätte. Aktuell sind es jedoch nur 2.700 €. Somit beträgt die Lücke rund 1.350 € bzw. 50 Prozent.
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--- Zitat von: clarion am 02.11.2024 22:56 ---Hallo,
bis 4.) konnte ich folgen. Worauf begründet Du 5.)
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@clarion, nach Einführung einer Kindergrundsicherung wären ja nach meinem Verständnis die Grundbedürfnisse aller Kinder durch diese abgedeckt. Somit dürfte es vermutlich gar keine Kinderzuschläge mehr für Beamte geben, um eine sachwidrige und unzulässige Besserstellung von Beamtenkindern zu verhindern (@Swen hatte hierzu irgendwann mal etwas geschrieben). In meiner Beispielrechnung war ich jedoch nicht ganz so "streng" mit den Besoldungsgesetzgebern und hatte ihnen zugestanden, einen Zuschlag von 15%, also im Beispiel zwei Mal 85 €, für die ersten beiden Beamtenkinder zu bezahlen.
Losgelöst von den konkreten Zahlen wollte ich in erster Linie aufzeigen, dass es auch bei einer signifikanten Erhöhung des Kindergelds oder der Einführung einer Kindergrundsicherung trotzdem ZWINGEND zu einer signifikanten Erhöhung der Grundbesoldungen (also insbesondere auch für Single-Beamte) kommen MUSS, um zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurückzukehren. Selbst @MoinMoin scheint diesen Punkt ja mittlerweile - zumindest in Ansätzen - verstanden zu haben.
P.S. Und nur noch mal kurz zur "Einordung", in meiner Beispielrechnung käme es zu folgendem Ergebnis:
1.) Ein 4K-Bürgergeldempfänger würde 0 Stunden arbeiten und bekäme 3.900 € Grundsicherung.
2.) Ein 4K-Beamter müsste 40 Stunden arbeiten und bekäme knapp 4.500 € Nettoalimentation.
3.) Ein Single-Beamter müsste 41 Stunden arbeiten und bekäme rund 3.000 € Nettoalimentation.
Wem gegenüber soll der Single-Beamte "überalimentiert" sein? Gegenüber dem Bürgergeldempfänger? Gegenüber dem 4K-Beamten?
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