Autor Thema: Völlige Entkoppelung von Besoldung und Gehalt nach BVerfG Urteil  (Read 38382 times)

Rentenonkel

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Ich denke, dass das BVerfG das in seinen letzten Entscheidung durchaus getan hat.

Wenn man den vorherigen Halbsatz mit einbezieht, der wie folgt lautet

[...] so entspricht es bei natürlicher Betrachtung einer gewissen Selbstverständlichkeit, daß bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. "familienneutralen" und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten.

kann man erkennen, dass mit Kindesunterhalt das BVerfG nicht den Unterhaltsanspruch, den ein Kind gegenüber seinem nicht in familiärer Gemeinschaft lebenden Elternteil hat, meinen kann und der sich nach der Mindestunterhaltsverordnung bzw. der Düsseldorfer Tabelle orientiert.

Wenn man den Begriff "Kindesunterhalt" daher so versteht, dass das BVerfG damit den Betrag meint, den ein Beamter für den Unterhalt seines in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes aufbringen muss und den Begriff des Kindesunterhaltes in den weiteren Begründungen des Urteils in ein und demselben Kontext bringt kann das BVerfG mit diesem Begriff nur folgende Definition meinen:

Kindesunterhalt in diesem Sinne ist demnach ein um 15 % über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag.

BAT

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Nee, Kindesunterhalt ist eine Legaldefinition aus dem BGB. Der Regelsatz ist ebenso wie z. B. der Unterhaltsvorschuss eine Sozialleistung. Und hat mit Unterhalt im Kern nichts zu tun.

Zur Abgrenzung vom BGB hätte das Gericht evtl. den allgemeinen Begriff der Alimentation nehmen sollen.

Rentenonkel

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Der Begriff Kindesunterhalt ist eigentlich umgangssprachlicher Natur. Das BGB spricht lediglich von Verwandtenunterhalt.

Die Familienzuschläge haben mit dem Unterhalt aus dem BGB im Kern nichts zu tun sondern resultieren aus dem aus der Alimentationspflicht hergeleiteten Anspruch auf "Kindesunterhalt" gegenüber dem Besoldungsgeber.

BAT

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Ja eben.

Aber Unterhalt ist halt im Regelfall in gerader Linie fällig, bei Kindern also von zwei Personen. Regelbedarf schaut sich schlicht an, was denn eine Person so an Bedarf hat und wird dann auch individualisiert (z. B. aufwendige Ernährung, etc.).

Wenn das Gericht jedoch das Wort Unterhalt nutzt, scheint es sich doch eher auf die Sicht eines (von mehreren Unterhaltspflichtigen) zu stützen als auf den Bedarf einer Person.

Damit wäre aber auch die Grenze 1.,2. Kind vs. 3 Kind, etc. aufhoben. Wenn sich das Gericht insofern aber am Regelbedarf orientiert, wäre dieser - auch im Rahmen der Besoldung - an besonderen Gegebenheiten des jeweiligen (Beamten-) Kindes zu orientieren.

Also kurz gesagt: Unterhalt = Pauschale (Besoldung)
                          Regelsatz = individuelle Berechnungen vonnöten
Denn das Existenzminium ist z.B. bei aufwendiger Ernährung ein ganz Anderes.

Rentenonkel

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Wobei das BVerfG zur möglichen Pauschalisierung des Regelsatzes in seinem Urteil weiter ausgeführt hat:

Ist der Gesetzgeber gehalten, den Umfang der Sozialleistungen realitätsgerecht (vgl. BVerfGE 66, 214 <223>; 68, 143 <153>; 82, 60 <88>; 87, 153 <172>; 99, 246 <260>; 99, 300 <1. Leitsatz>) zu bemessen, kann dies nicht ohne vereinfachende Annahmen gelingen. Die zu berücksichtigenden Positionen müssen notwendigerweise typisiert werden (vgl. BVerfGE 99, 246 <261>). Weder der in erster Linie zur Durchführung einer entsprechenden Berechnung berufene Besoldungsgesetzgeber noch das zur Nachprüfung berufene Bundesverfassungsgericht muss sich an atypischen Sonderfällen orientieren. Die Herangehensweise muss jedoch von dem Ziel bestimmt sein, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfängern der sozialen Grundsicherung gewährleisteten Lebensstandard wahrt (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 99, 246 <261>).

Damit kommt eine Orientierung an einem Durchschnittswert jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Varianz so groß ist, dass er in einer größeren Anzahl von Fällen erkennbar nicht ausreichen würde (vgl. BVerfGE 120, 125 <160>).


und weiter

Gemäß § 20 SGB II wird zur Befriedigung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts ein monatlicher Pauschalbetrag anerkannt, dessen Höhe regelmäßig neu festgesetzt wird. Dabei wird typisierend für unterschiedliche Lebensumstände ein unterschiedlicher Regelbedarf angenommen. Für in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Erwachsene gilt gemäß § 20 Abs. 4 SGB II die Bedarfsstufe 2. Für Kinder richtet sich die Zuordnung zu einer Regelbedarfsstufe nach dem Lebensalter. Insofern kann auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode zurückgegriffen werden, bei der die Regelbedarfssätze mit der Anzahl der für die einzelnen Regelbedarfsstufen relevanten Lebensjahre gewichtet werden (vgl. BTDrucks 19/5400, S. 6).

Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bietet sich ein Rückgriff auf die von der Bundesagentur für Arbeit statistisch ermittelten Werte an.


Atypische Fälle, wie z.B. aufwendige Ernährung, fallen so leider hinten rüber, wären bei der Unterhaltspauschale allerdings ebenfalls nicht abgedeckt.

Und noch weiter heißt es dann:

Um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen, gerecht zu werden, muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft so erfasst werden, wie ihn das Sozialrecht definiert und die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen. Auch muss der Ansatz so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet.

Aus dieser Begründung, die ich etwas verkürzt dargestellt habe, leiten ja einige Länder ab, dass sie die Familienzuschläge nach Wohnort differenziert soweit anheben können, dass es am Ende für eine 4K Familie passt. Wie wir gemeinsam aber herausgearbeitet haben, wären solche Erhöhungen nur dann zu rechtfertigen, wenn diese Zuschläge weniger als 40 vom Hundert des (pauschalisierten) Bedarfs zzgl 115 % ausmachen würden.

Daher kommt man zwingend zu dem Ergebnis, dass die Familienzuschläge derzeit in einigen Bundesländern zu hoch sind und die Besoldungsgesetzgeber sich etwas neues einfallen lassen müssen, um verfassungsgemäß zu besolden.

Meine Ideen, wie das außer einer pauschalen Erhöhung der Grundbesoldung für alle um 30 % dennoch möglich sein könnte, habe ich als Diskussionsgrundlage bereits mehrfach in den Raum gestellt.

Allerdings hat die Kindergrundsicherung es, soweit ich weiß, bisher nur in die erste Lesung des Bundestages geschafft und dürfte aufgrund der aktuellen Entwicklung wohl kaum die nächste Hürde nehmen. Daher sind meine Ausführung hierzu ohnehin obsolet, so dass die Besoldungsgesetzgeber weiterhin die volle Verantwortung für die Alimentation der Beamtenkinder haben.

Nach wie vor halte ich jedoch eine weitere Differenzierung der Zuschläge nach Wohnort des (auch Single-) Beamten und Alter der Kinder für möglich, ich lasse mich aber nach dem nächsten Urteil in 2025 gerne eines besseren belehren  ;D

KlammeKassen

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Mindestlohn Vergleich mit Besoldung?    Ist es mal wieder so weit?

Leistet ein A3 Beamter denn viel mehr? Beispielsweise in einer Poststelle?
In Unternehmen werden für solche Stellen (außer vielleicht bei IG Metall Tarif) sicherlich nicht viel mehr als 12,41 Euro ausgegeben

KlammeKassen

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Zitat
das Problem der Sozialabgaben..... dass Beamte eben nicht haben; dort geht nur die Steuer von den Zuschlägen runter).


Ein Beamter bekommt bei jeder "Tariferhöhung" jeweils 0,2% weniger (womit der Beamte die Lücke schließen soll, die Politiker zu verantworten haben.  (Altes Thema - keine Zeit es wieder holt zu erklären)
Wirkt wie ne Art Zinseszins, aber beachtet niemand, weil 0,2 ja immer so wenig kingt..     und natürlich klingt es auch im Vergleich mit Tariflern wenig, die mehr % bezahlen, aber die bekommen ja auch mehr Brutto (nicht umsonst sozusagen).       Äpfel und Birnen halt......

?
"Ein Beamter"? Also bei den Ländern weiß ich nicht, wann die Beamten zuletzt weniger bekommen haben, das muss - wenn dann - ewig her sein.

Hat beim Bund dieses Mal überhaupt Abzug stattgefunden?

4.000 Euro: 0,2 % = 8 Euro.... naja
Wenn du meinst, damit sind die Sozialabgaben abgegolten...
Ich kann dir gerne verraten, dass bei mir jeden Monat über 1.000 Euro an Sozialabgaben weggehen, zusätzlich die Steuer und die VBL (die ist zwar nett für die Rente später, aber ist halt auch erstmal eine "Zwangsabgabe" und auch höher als 0,2 %, nämlich 1,81 %)

BAT

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In der Nachbarstadt ist gerade eine interessante Stelle nach E11/A12 ausgeschrieben, hierzu gehört allerdings auch die Organisation von Wahlen. Das schreckt bei der aktuellen Situation natürlich ab ;)

Aber worum es mir geht: ich bin in der Endstufe und eine Übernahme der Stufe beim neuen AG ist nicht ganz sicher. Nun sagte mir die verbeamtetet Kollegin, dass im Beamtenrecht die Stufe bei "Neueinstellung" von Beamten aufgrund der bisherigen Dienstjahre (auch bei anderen AG) festgelegt wird. Stimmt das so?



KlammeKassen

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@Rentenonkel, bezüglich der Zuschläge für die ersten beiden Kinder sage ich Zweierlei:

@UNameIT, auch an dich die Frage: Gegen wen und auf Basis welchen Artikels welchen Gesetzes soll ein Angestellter (oder auch der Bund der Steuerzahler) in deinen Augen klagen, wenn er mit seinem Gehalt unzufrieden ist?

Thema: Haushaltsuntreue

vielleicht wäre das dann auch eher ein Thema für die Kommunalaufsicht oder die Rechnungshöfe - einfach aus dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung.

Warum?

Weil ein einfacher Postbote dann (nach deiner Argumentation) das Gehalt eines Studierten in der PW erhält - somit besteht hier weder die Wirtschaftlichkeit noch die Ordnungsmäßigkeit sondern reine Steuerverschwendung. Abgesehen von dem ganzen sozialen Ratenschwanz was das ganze mit sich ziehen wird. Denn "Die Besoldung muss angemessen sein, also dem übertragenen Amt entsprechen."

Definitiv. Und ich glaube, dass genügend Bürger dann sagen "ich gehe nicht mehr arbeiten, wenn ich kein Beamter bin; dann hole ich mir lieber direkt Bürgergeld, bevor ich mich für meine Arbeit so krass unterbezahlen lasse."

=> Ohne Arbeitnehmer keine Steuereinnahmen....
=> Der Staat wird sich prächtig entwickeln
« Last Edit: 08.11.2024 09:49 von KlammeKassen »

KlammeKassen

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In der Nachbarstadt ist gerade eine interessante Stelle nach E11/A12 ausgeschrieben, hierzu gehört allerdings auch die Organisation von Wahlen. Das schreckt bei der aktuellen Situation natürlich ab ;)

Aber worum es mir geht: ich bin in der Endstufe und eine Übernahme der Stufe beim neuen AG ist nicht ganz sicher. Nun sagte mir die verbeamtetet Kollegin, dass im Beamtenrecht die Stufe bei "Neueinstellung" von Beamten aufgrund der bisherigen Dienstjahre (auch bei anderen AG) festgelegt wird. Stimmt das so?

Haben die so viele gute Bewerbungen, dass die dir das in heutiger Zeit nicht mal zusichern würden?
Also ich würde nirgendwo unter meiner jetzigen Stufe anfangen und würde auch verhandeln, dass die bereits in der jetzigen Stufe vergangene Zeit übernommen wird. Das muss man natürlich verhandeln, weil es keinen tarifrechtlichen Anspruch dafür gibt. Wenn der Arbeitgeber einen aber haben will, wird er das wohl machen.
Wenn nicht, bleibe ich halt auf meiner Stelle  :D

Ich bin allerdings auch noch in Stufe 3 (sodass mir das auch etwas bringt, in Stufe 6 wäre es ja egal), da ich den Fehler gemacht habe, mich erst später mit dem TVöD zu beschäftigen; meine beruflichen Vorzeiten (vorm Studium und als Werkstudent) wurden nicht anerkannt und ich bin in Stufe 1 gelandet; zu dieser Zeit kannte ich mich leider noch nicht mit dem TVöD aus, da ich mich auch sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst beworben habe, war es eher "Zufall", dass ich im öD gelandet bin. Bevor die Frage kommt: Die vorherigen Tätigkeiten in der PW und aus der Werkstudententätigkeit gingen thematisch in die Richtung meiner jetzigen Tätigkeit, wären also durchaus anrechenbar gewesen.
Mittlerweile habe ich mich mit dem TVöD aber intensiv beschäftigt und auch sämtliche Kommentierungen auf dem Markt gelesen.

So einen Fehler macht man nicht ein zweites Mal  ;)

BAT

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Selbst bei Zusicherung wäre das weniger als bisher, weil es mit 30 Stunden ausgeschrieben ist und damit vier weniger als ich jetzt habe. Mal schauen... der Arbeitsweg fällt dann halt weg.

Aber zurück zum Topic. Mir geht es mit der Besoldung zwar am Ar... vorbei, ich zweifele jedoch immer mehr an der Rechtsprechung des BVerfG, auch in Bezug auf Soli (kommt da noch was?), beim Existenzminimum (ohne Einbezug des Schonvermögens) oder auch seinerzeit schon bei der Gurtpflicht (Rechtsverdrehung).

Rentenonkel

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@BAT: Ist zwar falscher Thread, aber egal  ;D

Im Tarifrecht kann die Erfahrungsstufe vor Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag verhandelt werden.

Im Beamtenrecht dagegen ist sie gesetzlich normiert. Ohne jetzt in die Tiefe gehen zu wollen, hängt es im wesentlichen davon ab, wann man die Qualifikation für die Beamtenlaufbahn erworben hat und ob die bisherige Tätigkeit ab da gleichwertig war, also mindestens in einer gleichwertigen Laufbahngruppe.

Wenn Du mehr dazu hören willst, stelle Deine Frage am besten im passenden Beamtenthread rein, da gibt es Leute, die können meiner Antwort mehr Tiefe geben  ;)

BAT

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Danke, Rentenonkel. Bestandschutz (Beihilfe; LFZ, Jubiliäum) wäre bei mir auch weg.

Sorry, für oT.
« Last Edit: 08.11.2024 10:38 von BAT »

KlammeKassen

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Selbst bei Zusicherung wäre das weniger als bisher, weil es mit 30 Stunden ausgeschrieben ist und damit vier weniger als ich jetzt habe. Mal schauen... der Arbeitsweg fällt dann halt weg.

Aber zurück zum Topic. Mir geht es mit der Besoldung zwar am Ar... vorbei, ich zweifele jedoch immer mehr an der Rechtsprechung des BVerfG, auch in Bezug auf Soli (kommt da noch was?), beim Existenzminimum (ohne Einbezug des Schonvermögens) oder auch seinerzeit schon bei der Gurtpflicht (Rechtsverdrehung).

Ah okay, vielleicht lässt man sich aber auch auf 34 Stunden ein, wenn du überzeugend bist. Wenn es dich reizt, würde ich es zumindest versuchen. Kannst nach einem Vorstellungsgespräch oder einer "Absage zu dem Wunsch nach 34 Stunden" ja immer noch sagen "nö Danke, hat sich erledigt".


Ich komme da auch nicht mehr mit.
Zusätzlich ist da jetzt noch die Klage, dass der Grundfreibetrag zu gering ist....

Mit dem Soli weiß ich auch nicht, wann da mal eine Entscheidung kommt, könnte aber auch teuer werden.