Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass eine angemessene Alimentation von Familien mit Kindern ein „Muss“ ist. Soweit hier Verbesserungen erfolgt sind, wird das im Sinne der betroffenen Familien unabhängig von rechtlichen Wertungen und der nachfolgenden Kritik begrüßt. Eine Umsetzung der sog. Berliner Entscheidung, mit der aber deutliche Verbesserungen nahezu ausschließlich für Familien mit Kindern vorgenommen werden, verkennt die Tragweite der Entscheidung und greift daher deutlich zu kurz!
Sowohl aus den bisherigen Gesetzesänderung der Länder als auch aus den jeweiligen Gesetzesbegründungen lässt sich der systematische Ansatz erkennen, dass es bei der Erarbeitung der Gesetzentwürfe ausschließlich darauf ankam, exakt und möglich centgenau die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts für diesen Teilbereich abzubilden, also die Familien zu stärken. Es ging – einmal mehr – darum, die Besoldung für den betroffenen Personenkreis, ausgehend von dem Maßstab des Grundsicherungsbedarfs einer vierköpfigen Vergleichsfamilie, in einem (vielleicht noch) verfassungsrechtlichen Rahmen zu halten. Einmal mehr orientieren sich die Besoldungsgesetzgeber also nicht an der Angemessenheit des Amtes und seiner Bedeutung, sondern allein an der Untergrenze der noch nicht verfassungswidrigen Unteralimentation. Faktisch dienen die von vielen Ländern nunmehr vorgesehenen Familienzuschläge ausschließlich dazu, die finanzielle Ausstattung von Kindern über dem Mindestabstand von 15% zu halten – und zwar ausschließlich kindbezogen mit nur geringer Berücksichtigung der unterschiedlichen Besoldungsstufen. Evident wird dies vor allem bei den hohen Zuschlägen ab dem dritten Kind. Die Einführung regionaler Ergänzungszuschläge ausschließlich für Familien mit Kindern bestätigt dies, ebenso wie die Berechnung der erforderlichen Jahresalimentation.
Kindbezogene Zuschläge können also deutlich höher ausfallen als das Erreichen eines höheren Amtes. Auch wenn der Besoldungsgesetzgeber diese Beträge mit den Berechnungen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigen will, ergeben sich neue Fragestellungen: Nach meinem Verständnis ist auch die Amtsbezogenheit der Besoldung ein hergebrachter verfassungsrechtlicher Grundsatz. Je höher das statusrechtliche Amt, desto höher ist es zu alimentieren. Familienbezogene Bestandteile dienen zwar der Ergänzung, spiegeln jedoch nicht die Amtsbezogenheit der Besoldung wider. Es ist zweifelhaft, ob eine Grundbesoldung noch angemessen ist, wenn schon bei üblichen Familiengrößen die zur Verfassungsmäßigkeit der Familienalimentation erforderlichen zusätzlichen Bestandteile teilweise mehr als 30% der „eigentlichen“ Besoldung des Amtes betragen müssen.
In Frage zu stellen ist auch, ob das mit der Besoldung ebenfalls verknüpfte Prinzip der leistungsbezogenen Besoldung noch eingehalten ist. Von einem gedachten Modell „gleiche Arbeit und gleiche Leistung“ ist ein stark familienzuschlagsbezogenes Alimentationsmodell weit entfernt.
Insoweit ergeben sich also neue klärungsbedürftige verfassungsrechtliche Fragen. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass dieses Modell junge Beschäftigte vor der Familiengründung erheblich benachteiligt. Jüngeren Kolleginnen und Kollegen ist es nicht selten unmöglich, in Gebieten mit hohen Mieten, die Voraussetzung für eine Familie mit Kindern zu schaffen. Es ist nicht unrealistisch, dass z.B. die Schaffung angemessenen Wohnraums vor der Entscheidung stehen kann, die Familie mit Kindern zu bereichern. Schließlich muss auch an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden, dass dieses Alimentationsmodell den Einstieg der besten Köpfe in den öffentlichen Dienst nicht attraktiver macht.
In einem weiteren Schritt wäre nun zu prüfen, ob die tatsächliche Ungleichbehandlung beider Normgruppen (den Unverheirateten und kinderlosen Beamten und dem verheirateten Familienvater mit Ehefrau und zwei Kindern) verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, ob also bspw. die konkrete Höhe der genannten Familienzuschläge sachgerecht ist oder nicht. Dabei ist jener prozentuale Anteil der genannten Familienzuschläge, der sich seit langer Zeit im Bund als weitgehend unverändert zeigt (die Familienzuschläge werden i.d.R. prozentual entsprechend der Erhöhung der Grundgehaltssätze angehoben) bislang nicht vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt worden. Da sich diese Höhe offensichtlich auch anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sachlich rechtfertigen lässt, können wir davon ausgehen, dass diese Familienzuschläge von ihrer Struktur und Höhe verfassungskonform sind - anders sieht das allerdings offensichtlich mit vielen familienbezogenen Besoldungskomponenten in den Ländern aus, wie sie seit 2021 eingeführt worden sind und denen entweder eine neue Struktur zugrunde liegt oder die sich von ihrer Höhe sachlich nicht mehr rechtfertigen lassen, da sie - vereinfacht zusammengefasst - die jeweilige Ämterwertigkeit nicht hinreichend beachten (das wäre im Einzelnen jeweils genauer zu betrachten,).
Ergo: Die zurzeit im Bund gewährten Familienzuschläge sollten sich sowohl von ihrer Struktur als auch von ihrer Höhe sachlich rechtfertigen lassen können. Der unverheiratete Beamte in der Besoldungsgruppe A 8 hat andere Lasten zu tragen als der vierköpfige Familienvater in der Besoldungsgruppe A 3, der zugleich hinsichtlich seiner aus Art. 6 GG resultierenden Grundrechte ggf. anders zu betrachten wäre als ersterer. Die Familienzuschläge sollen also am Ende mit dazu führen, dass sich zwei dasselbe Amt bekleidende Beamten (also in diesem Fall ein kinderloser Beamter und ein verheirateter Familienvater, die beide nach A3 oder nach A 8 besoldet werden) am Ende "annähernd das gleiche leisten" können, wie das das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten maßgeblichen Entscheidung über den alimentativen Mehrbedarf für diesen Mehrbedarf festgestellt hat, ohne dass ein Zweifel bestehen könnte, dass das auch für den Unterschied zwischen einem unverheirateten und kinderlosen Beamten und dem verheirateten Familienvater von zwei Kindern gilt (was dahingegen heute als überholt anzusehen sein muss, ist die Aufzählung des Ausgabenpools im zweiten Teil des Zitats, der sich in der sozialen Wirklichkeit des Jahres 2024 deutlich komplexer darstellt):
"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt aber, daß jedenfalls in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können. Führt eine Regelung eindeutig evidentermaßen dazu, daß die Familie wegen der größeren Zahl der Kinder und der mit ihrem Unterhalt und ihrer Erziehung verbundenen Ausgaben - also regelmäßig für die Jahre, in denen sie zum Haushalt gehören - auf den Abschluß eines Bausparvertrags, auf die Anschaffung der üblichen Haushaltsmaschinen, auf die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, auf Urlaub verzichten und sich im Zuschnitt ihres Privatlebens, beispielsweise bei dem Kauf von Bekleidung, Einschränkungen auferlegen muß, also in diesem Sinne bescheidener leben muß als der - beamten- und besoldungsrechtlich gleich eingestufte - ledige Beamte, kinderlos verheiratete Beamte oder die Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern, so ist der Grundsatz amtsangemessener Alimentierung für jene Familie mit größerer Kinderzahl verletzt." (Beschluss vom 30.03.1977 - 2 BvR 1039/75;
https://openjur.de/u/173228.html - hier die Rn. 55)
Alles in allem wird man wohl zu dem Ergebnis kommen, dass es dem Besoldungsgesetzgeber erlaubt ist, familienbezogene Anteile in die Alimentation einzubauen. Somit ist die verfassungsrechtliche Untergrenze des unverheirateten Beamten ohne Kinder sicherlich nicht 115 % des Grundsicherungsbedarfes einer vierköpfigen Familie. Auf der anderen Seite ist es zweifelhaft, ob eine
Grundbesoldung noch angemessen ist, wenn schon bei üblichen Familiengrößen die zur Verfassungsmäßigkeit der Familienalimentation erforderlichen zusätzlichen Bestandteile teilweise mehr als 30% der „eigentlichen“ Besoldung des Amtes betragen müssen. Diese Frage ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.
Im Übrigen möchte das BVerfG gar keine Besserstellung von Kindern von Beamten gegenüber anderen Kindern. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, eine Verbesserung der Einkommenssituation
aller Familien mit Kindern bspw durch höheres Kindergeld, stärkere Berücksichtigung bei der Einkommenssteuer (Stichwort: Familiensplitting) oder durch die diskutierte Kindergrundsicherung zu gewährleisten.