@Rentenonkel: Danke für die sachliche Darstellung! (Ich muss auch konstatieren, dass ich in der Diskussion nicht immer frei von Emotionen geblieben bin. Die ad hominem Einwürfe waren nicht zielführend...)
No offence taken.
Ansonsten hier noch mal meine "Meinung":
Du hast völlig Recht, es gibt einen Widerspruch zwischen dem Leistungsprinzip und dem Alimentationsprinzip (wobei ich vermutlich eher von "Spannungsverhältnis" sprechen würde, was natürlich nichts am Ergebnis ändert).
- Das Leistungsprinzip besagt, salopp formuliert, dass jeder Beamte nach seiner "Leistung", also seiner Inanspruchnahme, Verantwortung, Wertigkeit seines Amtes, usw., besoldet werden muss. Und dies (zunächst mal) völlig losgelöst von seiner familären Situation, genau wie jeder andere Arbeitnehmer auch.
- Das Alimentationsprinzip besagt, dass dem Beamten und seiner gesamten Familie eine amtsangemessene Lebensführung ermöglicht werden muss.
Je länger ich darüber nachdenke, desto "salomonischer" finde ich den Kompromiss, den das BVerfG aus meiner Sicht zur Auflösung des Konflikts zwischen den beiden konkurrierenden Forderungen gefunden hat:
1.) Ab dem dritten Kind gilt quasi ausschließlich das Alimentationsprinzip. Für dieses und jedes weitere Kind hat der Beamte Anspruch auf eine zusätzliche (Netto-)Alimentation in Höhe von 115% des Bedarfs eines entsprechenden Bürgergeld-Kindes. Und ja, natürlich heißt das, dass hohe Besoldungsgruppen einen höheren Brutto-Anspruch haben als niedrige, um netto den gleichen Zuschlag zu erhalten (allerdings könnte ich mir vorstellen, dass das BVerfG diesbezüglich eine gewisse Pauschalierung erlaubt). Und ja, daraus ergeben sich Fragen und Anmerkungen:
- Natürlich ist die Grenze beim dritten Kind in gewisser Weise willkürlich (warum nicht erst ab dem fünften? oder schon ab dem ersten?). Aber irgendwo muss diese nun mal sein und als Abgrenzung zwischen Klein- und Großfamilie ist die Zahl ja vielleicht gar nicht mal so schlecht gewählt.
- Und ja, durch diese Regelung wird das Leistungsprinzip quasi "außer Kraft" gesetzt. Mit beliebig vielen Kindern kann auch ein A3, A4 oder A5 eine beliebig hohe Besoldung erreichen.
- Und ja, natürlich kann sich ein Tarifangestellter zu Recht fragen, warum ein Beamter ab dem dritten Kind 800 oder 900 Euro zusätzlich bekommt und er nicht.
- Und ja, natürlich kann die Springer-Presse hetzerische Artikel (Stichwort "goldene Beamtenkinder") dazu schreiben.
-> Zu all diesen Punkten lautet die simple Antwort: Das BVerfG hat nun mal so entschieden. Und zwar nicht erst kürzlich und nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder und das (mindestens) seit 1977.
2.) In diametralem Gegensatz dazu ist die Situation bei den ersten beiden Kindern. Hier besteht explizit KEIN Anspruch auf eine bedarfsgerechte Kinder-Alimentation. Im Gegenteil: Dem Beamten mit einem oder zwei Kindern ist es zuzumuten, "Einschnitte in der Lebensführung" gegenüber einem kinderlosen Beamten hinzunehmen und die zusätzlichen Kosten quasi "aus eigener Tasche" bezahlen zu müssen, genauso wie übrigens jeder andere Arbeitnehmer auch. Denn auch bei Beamten ist die Familienplanung "Privatsache". Somit ergeben sich auch hier Fragen und Anmerkungen:
- Ja, der Gesetzgeber darf grundsätzlich auch hier mit Zuschlägen arbeiten, so dass ein Beamter mit zwei Kindern (etwas) mehr bekommt als ein kinderloser Beamter.
- ABER: Im Gegensatz zu oben muss hier strikt das Leistungsprinzip beachtet werden! Das klingt möglicherweise erstmal harmlos, ist jedoch aus meiner Sicht (wenn man etwas länger darüber nachdenkt) ein sehr scharfes Schwert.
- Denn wie erwähnt haben sich jahrzehntelang alle Gesetzgeber in allen Besoldungskreisen an das Leistungsprinzip gehalten, indem sie nur sehr geringe Zuschläge gezahlt und somit das Besoldungsgefüge aufrecht- und damit die Ämterwertigkeit eingehalten haben.
- Seit kurzem ist dies jedoch leider nicht mehr der Fall. So kann beispielsweise aktuell in NRW ein (nahezu ungelernter) A5/3 mit zwei Kindern bereits an seinem allerersten Arbeitstag ein höheres Gehalt bekommen als ein kinderloser A12/5, der schon eine Weile "am Start" ist.
- Mit anderen Worten: Die seit Jahrzehnten austarierte Besoldungssystematik zwischen den Gruppen und Stufen wurde per Handstreich zerschossen und pulverisiert.
- Und ja, du hast völlig Recht, bisher hat sich das BVerfG hierzu noch nicht geäußert. Aber das nur deshalb, weil bisher keinerlei diesbezügliche Notwendigkeit bestand.
- Somit bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass das geschilderte Beispiel (A5 <-> A12) massiv gegen Artikel 33 unseres Grundgesetzes verstößt. Oder würdest du etwa behaupten wollen, dass die aktuelle NRW-Regelung folgende Punkte noch ausreichend berücksichtigt, die sich laut BVerfG in der Besoldung widerspiegeln MÜSSEN (Quelle: Randnummer 52 des BVerfG-Urteils von 1977, siehe
https://openjur.de/u/173228.html)?
a) Bedeutung der Institution des Berufsbeamtentums
b) Rücksicht darauf, daß das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte anziehend sein muß
c) Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft
d) vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung
e) Verantwortung des Amtes
f) Beanspruchung des Amtsinhabers (häufig als "Leistung" bezeichnet)
-> Zusammenfassend: Zu hohe Familienzuschläge für die ersten beiden Kinder zerstören die Ämterwertigkeit und sind daher (aus meiner Sicht) grob verfassungswidrig. Würde das BVerfG dies "erlauben" wollen, hätte es sich den gesamten obigen "Zinnober" mit der trennscharfen Unterscheidung ab dem dritten Kind sparen können. Somit hoffe ich sehr, dass es den absurden Zuschlagsorgien der Besoldungsgesetzgeber möglichst bald ein jähes Ende bereiten wird.
Und ja, selbstverständlich ist nichts von dem, was ich geschrieben habe, bis in alle Ewigkeit in Stein gemeißelt. Allerdings bedürfte es nach meinem Verständnis schon sehr guter Begründungen, um fundamentale Änderungen durchzusetzen, da das BVerfG aus guten Gründen sehr auf Kontinuität bedacht ist (alleine schon, weil es keine weitere Instanz mehr über ihm gibt).
P.S. Ich bin noch nicht so gut mit der hiesigen Suchfunktion vertraut, aber lustigerweise hat anscheinend @Ryan bereits vor einigen Monaten etwas (zumindest nach meinem Verständnis) sehr Ähnliches wie ich geschrieben:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.msg343258.html#msg343258