Ein weiteres Problem eines Portals wäre das Vorschlagsrecht von Arbeitsagentur und Integrationsfachdiensten gem. § 164 Abs. 1 Satz 3 SGB IX, das auch nicht so ohne Weiteres vom öffentlichen Arbeitgeber reguliert werden kann.
Hier sehe ich kein Problem, da das Vorschlagsrecht nicht beschränkt wird.
Düwell in LPK-SGB IX § 165 Rn 8 § beschäftigt sich sehr ausführlich mit dem Thema und kommt zu dem Schluss (mit Verweis auf BAG vom 23.1.2020 - 8 AZR 484/18), dass jede einem öffentlichen Arbeitgeber zugegangene Bewerbung berücksichtigt werden muss, sofern der Zugang gem. § 130 BGB nachweisbar erfolgte.
Wirklich ausführlich hat er sich nun nicht mit dem Thema beschäftigt. Der Schluss lässt sich, ohne Weiteres, nicht aus den Ausführungen im Kommentar ziehen.
Ich mache mal ein Beispiel auf.
Ein öffentlicher Arbeitgeber stellt neben dem Eingang zu seinem Dienstgebäude 3 Kästen auf.
Kasten 1 ist für Streugut bei Glatteis und steht auf dem Boden.
Kasten 2 ist für Vorschläge von Mitarbeitern und hängt in 1,20m Höhe. Dieser wird, gemäß Hinweisschild am Kasten, regelmäßig freitags geleert.
Kasten 3 ist für Post vorgesehen und hängt in 1,60m Höhe.
Unser schwerbehinderter Bewerber (Rollstuhlfahrer) kann nur Kasten 1 und 2 erreichen. Er legt die Bewerbung am 03.06.2024 daher in Kasten 1 oder 2. Die Bewerbungsfrist endet am 06.06.2024 (Donnerstag).
Ist die Bewerbung im Stregutkasten 1 oder 2 zugegangen?
Zugegangen iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Willenserklärung, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ihn trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er (der Arbeitgeber) dies, wird der Zugang durch solche – allein in seiner Person liegenden – Gründe nicht ausgeschlossen (st. Rspr., vgl. BAG 22. August 2019 – 2 AZR 111/19 – Rn. 12 mwN).
Machtbereich:
In den Machtbereich des Empfängers sind die Bewerbungen in Kasten 1 und 2 gelangt.
Kenntnisnahmemöglichkeit:
Kasten 1 ist nicht für den Empfang von Post vorgesehen. Zudem kann im Juni unter gewöhnlichen Umständen nicht mit der möglichen Kenntnisnahme von Post in einem Streugutkasten bis 06.06.2024 gerechnet werden. Daher liegt bis spätestens 06.06.2024 kein Zugang vor.
Kasten 2 ist nicht für den Empfang von Post im Zusammenhang mit Bewerbungen und eventuellen Fristen vorgesehen. Zudem kann am 06.06. unter gewöhnlichen Umständen nicht mit der möglichen Kenntnisnahme von Post bis 06.06.2024 gerechnet werden, da der Vorschlagskasten jeden Freitag, also erst am 07.06.2024, geleert wird. Daher liegt bis spätestens 06.06.2024 kein Zugang vor.
Die Ausführungen zum Zugang sagen zudem nichts über die auf Grund Gesetzes zu schaffende Art und den Umfang der Zugangsmöglichkeit aus. Irgendeinen Postkasten wird der öffentliche Arbeitgeber haben müssen. Ob der Postkasten nun digital, analog am Boden stehend, analog in 1,60m Höhe hängend, oder vor jedem Dienstgebäude stehen muss, kann damit aber nicht gesagt werden.
Allerdings kann sich die Ausgestaltung der Zugangsmöglichkeiten als diskriminierend erweisen. Das wäre dann der Fall, wenn die Wahl der Zugangsmöglichkeiten Bewerber an der Bewerbung hindert. Bspw. weil der Postkasten in 1,60m Höhe hängt oder ein Zugang nur digital möglich ist. Für den Postkasten in 1,60m Höhe und dem Rollstuhlfahrer drängt sich diese Hinderung auf. Es gibt aber auch Menschen, die bei filigranen Bewegungen eingeschränkt sind und keine PC-Tastatur bedienen können. Für die Stelle als Pförtner, Telefonist oder Aktenträger sind diese Menschen aber immer noch geeignet.
Hinsichtlich der rechtlichen Grundlage aus dem SGB IX würde mich das Regelungsziel interessieren.
Arbeitgeber dürfen Schwerbehinderte wegen ihrer Behinderung beim Zugang zur Beschäftigung und währenddessen, nicht benachteiligen (vgl. LPK-SGB IX/Franz Josef Düwell, 6. Aufl. 2022, SGB IX, § 165, Rn. 1). Im Einzelnen wird auf das AGG verwiesen.
Ansonsten könnte mach auch über einen Disclaimer in der Stellenausschreibung bzw. bei Interamt darauf hinweisen, dass es in zu benennenden Ausnahmefällen Alternativen gibt.
Das halte ich für richtig.