Autor Thema: Chancen auf eine zweite Chance?  (Read 2966 times)

asperger

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Chancen auf eine zweite Chance?
« am: 02.10.2024 02:08 »
Hallo!

Durch Zufall bin ich auf das Forum hier gestoßen und ich hoffe, ihr könnt mir helfen oder mind. eure Einschätzung geben.

Meine Freundin war dieses Jahr von Januar bis Mitte März in einer Behörde angestellt und sie erhielt eine Probezeitkündigung. Man warf ihr vor, dass sie in ihrer Einarbeitung zu wenig Motivation gezeigt hat. Ein vorheriges Feedbackgespräch seitens ihres Einarbeiters oder Vorgesetzten gab es lt. ihr nicht.

Aktuell werden dort in demselben Bereich mehrere Mitarbeiter gesucht. Die Bewerbungsfrist läuft diesen Freitag ab.

Einerseits will sie sehr gerne in diesem Bereich arbeiten, auch wieder in dieser Behörde, andererseits will sie nicht zu Kreuze kriechen, sich nicht die Blöße geben. Sie vermutet, dass ihr Einarbeiter sie einfach nicht im Team haben wollte.

Sie hat Asperger mit leichter Ausprägung von denen dort keiner was weiß.

Vllt wäre es nicht zu einer Probezeitkündigung gekommen, wenn sie dort davon berichtet hätte. Sie hat halt manchmal Probleme in der Kommunikation mit Menschen, nicht dass sie nicht vernünftig sprechen kann, sie ist auch sehr freundlich und hilfsbereit, aber man könnte halt manchmal meinen, sie ließe so manches kalt und sie wäre arrogant. Dann ist sie eine learning bei doing-Frau. Es gibt für sie nichts Schlimmeres als nur rumzusitzen, sich was erzählen und zeigen lassen zu müssen, was sie dann aber nicht umsetzen kann, wenn sie dann das erste Mal etwas machen soll und da kann man ihr vorher das 23 Mal gezeigt und erklärt haben. Macht sie es erst einmal und macht und macht es, dann läufts wie geschnitten Brot. Sie benötigt halt Routine, Wiederholung.

Daher meine Idee, dass sie sich nochmal bewirbt und vllt gleich in der Bewerbung auf ihre Behinderung eingeht und um eine weitere Möglichkeit, sich zu beweisen, bittet. Dann wäre die SBV von vornherein involviert und die Behörde könnte weitere Möglichkeiten (Integrationsamt, Integrationsfachdienst, Reha-Vermittlung Agentur für Arbeit?!) in Anspruch nehmen.

Was meint ihr bitte?

Danke.

VG


clarion

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #1 am: 02.10.2024 06:26 »
Hallo,

Ich vermute,  dass sie bei dieser Behörde keine Chance mehr hat. Man lässt heutzutage lieber Stellen unbesetzt als sie mit Leuten zu besetzen, die man für ungeeignet hält. Letztendlich würde aber nur eine neue Bewerbung diese Frage definitiv beantworten. Man kann immer das Glück haben, auf Leute zu treffen, die mit Autismus umgehen können.

Die von Dir genannten Unterstützungsleistungeen durch die Agentur für Arbeit kann man auch nur mit einer  Schwerbehinderung in Anspruch nehmen. Hat Deine Freundin einen solchen, bei einer nur leichten Ausprägung des Autismusses? Die Schwerbehinderungsvertretung ist auch nur bei im Auswahlgremium vertreten, wenn einer der Bewerber einen SBA hat.

asperger

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #2 am: 02.10.2024 07:31 »
Sie hat einen SBA mit 50 GdB.

Welche Leistungen kann es da seitens der Agentur für Arbeit geben?

carriegross

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #3 am: 02.10.2024 20:41 »
Sie soll sich bewerben!

Wir haben hier einige Asperger, Autisten, AD(H)Sler, die allesamt vollkommen in der Spur laufen und sich so mancher, der zumindest keine Schwerbehinderung kundgetan hat, eine Scheibe abschneiden.

Und wenn es die Möglichkeit gibt, ein Integrationsamt einzuschalten, machen! Der AG kann nur gewinnen! Eine fähige, kompetente Mitarbeiterin, die das ein oder andere, gewisse Abläufe usw. schon kennt und man darf auch nicht vergessen, dass es für den AG finanziell sehr interessant ist, da ein guter Anteil der Lohnkosten vom Integrationsamt übernommen werden.

Vielleicht hat sich deine Freundin keinen Gefallen damit getan und ihre Behinderung nicht mitgeteilt, was man auch verstehen kann und muss, weil man ruckzuck als "Psycho" abgestempelt wird, aber nur von dummen Menschen! So ein Outing ist auch nicht leicht. Wenn aber die Kollegen, die Vorgesetzten darüber Bescheid wissen, dann macht das Vieles leichter, weil man deine Freundin viel leichter verstehen kann.

Und, wenn deine Freundin 50 GdB hat, dies in der Bewerbung angibt, sie nicht offensichtlich ungeeignet ist, muss man sie ohnehin zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Und wenn dann dort vielleicht der ehemalige Vorgesetzte mit dem PR und der SBV sitzt, dann kann sie dort richtig punkten und auf ihre Behinderung eingehen und das ein oder andere evtl. Gewesene damit begründen und dann eben o. g. Hilfen usw. erwähnen.

Viel Erfolg!

clarion

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #4 am: 02.10.2024 21:14 »
Für einen GdB von 50 ist es doch keine leichte Ausprägung mehr.

Wie auch immer, wenn die Betroffene arbeitslos ist, würde ich bei der Agentur für Arbeit den GdB kund tun und um Vermittlung durch die Rehaabteilung bitten. Die kann dann auch Unterstützungsmaßnahmen in die Wege leiten.

Wir haben im Übrigen auch einen Autisten und das ist für uns und vermutlich auch für ihn eine ziemliche Herausforderung.

maiklewa

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #5 am: 03.10.2024 11:01 »
Wenn man Deiner Freundin vor der Probezeitkündigung tatsächlich kein Feedback á la "Wenn Du das und das nicht änderst, besser machst ..., dann müssen wir das Arbeitsverhältnis leider vorzeitig beenden!", dann mangelt das aber IMHO deutlich an Mängeln in der Personalführung u. a. Und solche Kollegen, denen der Einarbeitende, aus welchen Gründen auch immer, ein Dorn im Auge oder unsympathisch ist und dann die Rückmeldung von dem Einarbeiter an den personalentscheidenden Vorgesetzten nicht der Wahrheit entspricht. Das hatten wir hier auch schon. Dann wird jemand gekündigt oder die Befristung läuft aus, obwohl die Entscheidung auf falschen Aussagen beruht. Eigentlich Wahnsinn, dass es Arbeitgeber gibt, bei denen letztlich eine Person über das Ja oder Nein entscheiden darf. Bei uns wird das mittlerweile anders gehandhabt. Da wird das ganze Team befragt, ohne dass die MA vorher Bescheid wissen. Ist dann immer sehr komisch und auffällig, wenn nur die einarbeitende Person etwas Negatives sagt und alle anderen das Gegenteil.

Nicht, dass jetzt nur die Schuld bei den Einarbeitern und Vorgesetzten liegt, besonders bei Menschen mit genetischer psychischer Disposition, weil das kann schon eine Herausforderung sein. Habe selbst Erfahrung mit ADHS. Da kommen dann manchmal Sprüche, wo man denkt "Okayyy, das könnten jetzt welche schon in den falschen Hals bekommen haben.". Diese Sprüche sind dann aber nie beleidigend oder verletzend, sondern einfach auch mal die Wahrheit, die sich sonst keiner traut auszusprechen.


stern876

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #6 am: 03.10.2024 13:42 »
Ich würde mich der Einschätzung anschließen, dass es bei derselben Behörde nicht mehr klappen wird, aber eventuell mit der Unterstützung der Arbeitsagentur könnte es bei einer anderen funktionieren.

Die Begründung "zu wenig Motivation" halte ich aber auch für schwammig, da müsste man schon konkreter begründen, was eventuell falsch gemacht wurde. Wenn gesagt wird, die Mitarbeiterin hat ihre Aufgaben nicht erledigt, war zu langsam oder hat Anweisungen nicht befolgt, dann sind das konkrete Argumente, die eine Kündigung rechtfertigen würden.

Leider kann man bei einer Probezeitkündigung nicht viel machen. Es hat dann eher menschlich nicht gepasst würde ich sagen.

maiklewa

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #7 am: 03.10.2024 19:36 »
Mein Gefühl sagt mir auch, dass es eher was Menschliches war.

Kein Feedback, komische Begründung.

Ob man DA überhaupt nochmal arbeiten will?

carriegross

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #8 am: 03.10.2024 22:23 »
Wir wissen ja nichts Genaues, aber ja, ein Vorgesetzter, der seine Personalentscheidung nur aufgrund einer Stimme trifft, ist kein guter Vorgesetzter und auch bei uns hört ein Vorgesetzter mehrere Personen an, bevor es zu Personalentscheidungen kommt.

kraemerchen

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #9 am: 04.10.2024 08:42 »
Wie sich der "Ausgangsfall" mit weiteren hier deckt und das auch bei uns bekannt ist und sicherlich auch bei vielen anderen Behörden.

Und wenn man dann nachfragt, auf was denn diese Gründe beruhen oder ob man genaue Beispiele nennen kann, damit der Betroffene daraus was ziehen, lernen kann, dann wird sich rausgeredet und man kann sich an nichts erinnern.

Immer sehr schade um fähiges Personal, das irgendwelche Behinderungen hat, ihre Arbeitsleistung erbringt, aber vielleicht nur ein "falsches" Wort einem anderen nicht gefallen hat.

clarion

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #10 am: 05.10.2024 09:09 »
Also, unser Personaldezernat würde schon genau nach den Gründen fragen,  wenn eine Abteilung jemanden in der Probezeit kündigen wollte

nadja

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #11 am: 05.10.2024 13:30 »
Also, unser Personaldezernat würde schon genau nach den Gründen fragen,  wenn eine Abteilung jemanden in der Probezeit kündigen wollte

+1

Wir hatten einen sehr ähnlich gelagerten Fall. Da wusste keiner, warum derjenige gehen musste. Alles sehr suspekt. Der hatte sich in kürzester Zeit in die Herzen der meisten Kollegen gearbeitet. Aber halt nicht in alle. Und wer kann schon mit allen oder wer wird von allen gemocht? Der konnte super mit den Bürgern. Weg! Erst einmal! Dann haben die in genau den Bereich gesucht, wo die den vorher gekickt haben. Da die Bewerberanzahl und deren Lebensläufe usw. doch sehr zu wünschen übrig ließen, kontaktierte man den an letzten Tag der Bewerbungsfrist, er möge sich doch bitte bewerben. Gesagt, getan, eingestellt. Ich hätte es nicht gemacht und gedacht und vielleicht auch am Telefon nicht verifizierbar gesagt, dass die mich mal gern haben können, aber gut. Da hat dann tatsächlich mal die Vorgesetztenriege zugegeben, dass sie einen Fehler gemacht haben und sich Feedback aus der ganzen Gruppe hätte holen müssen. War natürlich ein Schlag ins Gesicht desjenigen, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der gehen musste, aber da man von dieser Person wusste, dass sie abwanderungswillig ist, war das nicht sooo schlimm! xD

berga

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #12 am: 05.10.2024 15:52 »
Hier noch eine Behörde, wo so mancher seinen Status als Einarbeiter überinterpretiert und schamlos ausnutzt und so manchen Neuling über die Klinge hat springen lassen.

Ich wunder mich immer wieder und jetzt noch mehr, wie das sein kann und darf.

Das mit den ganzen Team fragen, werde ich bei uns mal der Dienststellenleitung vorschlagen.

Ich wüsste jetzt auch nicht, ob ich mich da nochmal bewerben würde. Egal, ob man zurecht oder nicht gefeuert wurde, aber son bisschen Stolz hab ich dann schon.

Dass der alte AG aber auf einen ehemaligen erst geschassten AN wiederholt, geil. Spricht ja für beide und dann kann es mit dem alten und neuen AN ja doch nicht so schlimm gewesen sein.

Ich erwähnte die Dienststellenleitung nicht ohne Grund. Wenn ich sowas z. B. bei uns im Team, in der Abteilung, im Amt kommuniziere, passiert nix. Selbst die besten Ideen (nicht von mir) wurden einfach so ignoriert. Ich bin der Meinung, dass sich, bei uns die Oberbürgermeisterin, also die Dienststellenleitung selbst mal ein Bild von den jeweiligen Ämtern, Abteilungen, Teams machen sollte. Keine Zeit? Wenn ich sehe, wie viel Zeit nur fürs Klinkenputzen  drauf geht oder für irgendwelche überflüssigen Sozialen Medien-Quatsch, na ja. Bei uns z. B. sind so viele Stellen betroffen. Da kommt das Personalamt gar nicht hinterher mit den ganzen internen und externen Stellenanzeigen, weil es auch dort Personalmangel gibt. Und dann gibt es noch mehrere Teamleiter, weil einer  reicht ja nicht, man muss ein Team nochmal splitten, obwohl alle dasselbe machen, da wird einfach ein Freund vom Dezernenten X auf Stelle Y "befödert". Und dann sind sich die Teamleiter natürlich bzgl. Personal, das eingestellt werden soll, noch nicht mal einig. Der eine will das, der andere dieses, dem anderen ist jenes nicht so wichtig. Bis dann mal was ausgeschrieben ist, sind noch mehr gegangen. Und, wer will die ganzen Neuen einarbeiten von denen, die noch da sind? Es wird ja nicht nur Fachpersonal gefunden, sondern die meisten muss man arbeiten, wobei die Einarbeitungszeit auch deutlich kürzer sein könnte, da werden die sooo lange an der kurzen Leine gehalten, dass es so manchen nach 6 Monaten natürlich zu blöd ist, noch nicht alles machen zu dürfen, obwohl man es kann.


gilla

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #13 am: 06.10.2024 00:33 »
Deine Liebste sollte vielleicht froh sein, da nicht mehr arbeiten zu müssen.

Ich hab auch in so einem Laden bzw. Abteilung gearbeitet.

Als die Kollegen erfahren haben, dass ein "guter Mann" völlig überraschend gehen muss, war ich die einzige, die sich für ihn eingesetzt hat. Bis auf 2, die Einarbeiterin und noch so eine inkompetente Kollegin, haben alle gesagt "Nein. Doch. Oh!" und waren vor den Kopf gestoßen und sprachlos. Hätten noch ein paar mehr von denen ihren allzu großen Mund vor der Vorgesetzten aufgemacht und Partei ergriffen, wäre der noch hier. Große Klappen und nichts dahinter! Jeder ist sich selbst der Nächste!

Und offensichtlich wird nicht nur bei uns das Einarbeiten von Kollegen übernommen, die selbst nicht die kompetentesten sind und wegen jedem Pups zum Vorgesetzten gehen müssen. Scheint bei anderen auch so zu sein, dass wohl genau deswegen diese Leute zum Einarbeiten auserkoren werden? ;-)

mimimimi

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Antw:Chancen auf eine zweite Chance?
« Antwort #14 am: 07.10.2024 22:34 »
Mal eine Frage zum Nachdenken und auch zum Antworten von anderen:

sofern dann die Schwerbehinderung in der Bewerbung angegeben wird, ist doch abschließend überhaupt nicht klar, ob der alte = potentiell neue AG die Bewerberin einladen muss. Geht er auf Nummer sicher, lädt ein, wird es nur ein Bewerbungsgespräch sein, das evtl. geführt werden muss und sie nur deswegen eingeladen wurde.

Selbst, wenn sie dann alles in den Ring wirft, sie die Beste ist und nach der Bestenauslese eigentlich eingestellt werden müsste und man sie dann doch nicht einstellt, was dann? Stellenbesetzungsverfahren anfechten?

So richtige Gewinner kann es hier doch nicht geben, oder!? Wenn es so sein sollte, wie es beschrieben wurde, es vermutlich auch so war und es leider auch immer wieder vorkommt, wie man ja lesen kann, dann ist der AG bzw. der eine Einarbeiter und der Vorgesetzter die größten Loser.

Will man mit solchen Losern nochmal arbeiten?

Wer wird der Einarbeiter, wenn man denn dann tatsächlich nochmal eingestellt wird? Wird das derselbe Loser sein?

Der Vorgesetzte wird auch derselbe Loser sein?!

Ich bin der Meinung, dass sie selbst keine Loserin sein sollte und sich, wenn bei demselben AG, dann woanders bewerben sollte.