Autor Thema: Begründungspflicht für wesentliche Verschlechterung einer Regelbeurteilung  (Read 5880 times)

bebolus

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Hallo,

wurde das Urteil hier schon besprochen?

https://www.bverwg.de/de/121023U2A7.22.0


Den Ausgangssachverhalt habe ich folgendermaßen erfasst: Ein Beamter erhielt eine Bestbeurteilung, wird dann befördert und erhält bei der folgenden Beurteilung eine "Durchschnittsnote".

Leitsätze:

1. Weicht eine Regelbeurteilung bei der Leistungsbewertung und bei der Gesamtnote wesentlich von der vorangegangenen Regelbeurteilung ab, bedarf dies einer Begründung.

2. Ist ein Beamter während des Beurteilungszeitraums befördert worden, bezieht sich die Bewertung in der Regelbeurteilung nur auf den Zeitraum im Anschluss an die Beförderung. (...)

..eingekürzt..:

Rn 30 Die angegriffene Regelbeurteilung ist aber rechtswidrig, weil ihre Begründung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen entspricht. Insbesondere wird der ganz erhebliche Abfall sowohl in der Leistungsbewertung als auch im zusammenfassenden Gesamturteil gegenüber der vorangegangenen Regelbeurteilung nicht ausreichend begründet (a).(...)

Rn 31 Die Regelbeurteilung ist rechtswidrig, weil die Ausführungen des Erstbeurteilers zur Begründung der Leistungsbewertung sowie des zusammenfassenden Gesamturteils im Hinblick auf den ganz wesentlichen Abfall in beiden Kategorien gegenüber der vorangegangenen Regelbeurteilung unzureichend sind.

Rn 32 Die Pflicht zur Begründung einer Regelbeurteilung folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie der Funktion der dienstlichen Beurteilung, als tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu dienen. Wie die einzelnen Auswahlkriterien zu gewichten sind, geben weder Art. 33 Abs. 2 GG noch § 9 Satz 1 BBG unmittelbar vor. Im Rahmen des ihm zustehenden Spielraums ist es daher Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 5. September 2007 - 2 BvR 1855/07 - BVerfGK 12, 106 <108> und vom 17. Januar 2014 - 1 BvR 3544/13 - juris Rn. 15). Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen auf die Auswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG bezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 2 VR 4.11 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50 Rn. 15 m. w. N.). Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 12 ff.). Die Begründung des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Sie ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst und kann nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 80 Rn. 41 und Urteil vom 2. März 2017 - 2 C 51.16 - Buchholz 232.1 § 49 BLV Nr. 3 Rn. 16 ff.).

Rn 33 Nach diesem Maßstab ist insbesondere eine wesentliche Verschlechterung in der Leistungsbewertung und im Gesamturteil gegenüber der vorangegangenen Regelbeurteilung zu begründen (aa). Hierfür genügt der Hinweis auf das im Jahr 2019 beim BND neu eingeführte Beurteilungssystem nicht (bb). Ebenso wenig rechtfertigt der bloße Hinweis auf die zwischenzeitliche Beförderung des Klägers die hier vorliegende Verschlechterung in der dienstlichen Beurteilung (cc). (...)

Rn 34 aa) Eine konkrete Begründung bereits in der Regelbeurteilung ist insbesondere dann geboten, wenn das Gesamturteil der aktuellen Regelbeurteilung wesentlich von dem Gesamturteil der vorhergehenden Regelbeurteilung abweicht (...) Nur auf diese Weise ist die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und kann das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden.

Rn 37 Auch die zwischenzeitliche Beförderung des Klägers rechtfertigt die gravierende Verschlechterung in der angefochtenen Regelbeurteilung nicht.

Rn 43 (...) Der bloße Hinweis, dass der Kläger infolge seiner Beförderung erstmals an der "starken Gruppe der vielen erfahrenen Oberregierungsräte" zu messen sei, trägt die wesentliche Verschlechterung nicht.

Rn 44 Der Regelbeurteilung kann auch ansonsten keine hinreichende Begründung für die wesentliche Herabsetzung in der Bewertung entnommen werden.



Vielleicht kann mir jemand helfen: Ich verstehe das so, dass eine Beförderung allein eine "wesentliche Verschlechterung" bei der folgenden Beurteilung nicht rechtfertigt. Eine "wesentliche Verschlechterung" müsste inhaltlich und sachlich begründet werden und einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Auch eine "Quotierung der besten Noten" allein reicht nicht aus (Rn 36).

Ich kann mir mehrere Szenarien vorstellen, bei denen es möglicherweise schwierig werden könnte nach einer Beförderung von A8 zu A9 mit 14-15 Punkten einen "plötzlichen" Abfall auf beispielsweise 10 Punkte noch sachlich zu begründen.

2strong

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Was willst Du am Ende des Tages denn konkret erreichen?

Eukalyptus

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Was willst Du am Ende des Tages denn konkret erreichen?

Auch unabhängig davon ob der Ausgangsposter etwas für sich erreichen möchte (oder auch nicht), empfinde ich doch das Urteil in seiner Betonung der ausführlichen Begründungsnotwendigkeit von schlechteren Beurteilungen als neu. Das mag nur mir so gehen, zugegegeben. Bisher kannte ich nur die Aussage, dass man am Maßstab des höheren Amtes gemessen würde, und daher natürlich bei unveränderter Leistung in der Beurteilung zurückfiele.

Im vorliegenden Fall ist das Urteil vermutlich aber auch im (hier) besonders deutlichen Abfall der Beurteilungsnote begründet. Vermutlich wird man in der Praxis speziell diesen Kandidaten zukünftig mit heißem Eisen anfassen und ggf. auch generell die Benotungssysteme versuchen anzupassen, so dass es zukünftig weniger Abstufungen der Note (und damit Notenunterschiede) gibt. Oder zukünftig einfach mehr Begründungstext schreiben müssen.

clarion

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Was heißt denn wesentlich?  Von 14 auf 10 Punkte ist doch nicht wesentlich.

xap

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Ich empfinde eine um fast 29% schlechtere Note schon als wesentlich. Das entspricht einem Abfall von fast 1/3 - wie viel wesentlicher soll es denn noch werden?

clarion

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Nach einer Beförderung ist doch eine vorher gute Leistung nur noch mittelmäßig. Höheres Amt, mehr Leistung, aus dem Zitat von bebolus geht nicht hervor,  was da eine wesentliche Verschlechterung war.

bebolus

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Nach einer Beförderung ist doch eine vorher gute Leistung nur noch mittelmäßig. Höheres Amt, mehr Leistung, aus dem Zitat von bebolus geht nicht hervor,  was da eine wesentliche Verschlechterung war.

Ich habe doch das Urteil verlinkt. Falls Du es nicht herausgelesen bekommst, kann ich gerne helfen. Ich habe es nur verkürzt um die wesentlichen Punkte übersichtlich darzustellen. Ist zugegebenermaßen auch nicht so einfach. Wir beide unterliegen doch aber den gleichen Beurteilungsrichtlinien, oder täusche ich mich?

Und Deine Annahme ist mE falsch. Das Urteil geht im Wesentlichen in die Richtung, das eben gerade nicht automatisch eine schlechtere Beurteilung nach einer Beförderung erfolgt, sondern einer Begründung bedarf. Und das macht die Sache interessant.

bebolus

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Ich empfinde eine um fast 29% schlechtere Note schon als wesentlich. Das entspricht einem Abfall von fast 1/3 - wie viel wesentlicher soll es denn noch werden?

Böse Zungen könnten die These aufstellen, dass beim Deutschlandfunk 29% unwesentlich und alles darunter wesentlich ist.

clarion

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In dem Fall ging es von der Bestbeurteilung nach der Beförderung auf eine mittlere Beurteilung, also um zwei Noten abwärts bei einer sechstufigen Skala. Das scheint wesentlich zu sein.

bebolus

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In dem Fall ging es von der Bestbeurteilung nach der Beförderung auf eine mittlere Beurteilung, also um zwei Noten abwärts bei einer sechstufigen Skala. Das scheint wesentlich zu sein.

Also 1-15..? Wenn 1-5 so gut wie nicht vergeben werden..

clarion

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Die Skala war sechsstufig, schrieb ich doch schon.

corilo

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Bei uns (obere Bundesbehörde) haben die Vorgesetzten bei der Beurteilung keine freie Hand, sondern müssen gemittelt bei einer 6-Stufigen Berwertungsskala auf einen Wert zwischen 3 und 4 (eher 4) landen.
Bei einem kleinen Sachbereich/gebiet mit ca. 10 Leuten ist das nicht leicht.

Wer zur Beförderung ansteht soll/muss eine Bestbenotung 1-2 bekommen, sonst geht die Beförderung nicht durch.
Damit bleibt für die anderen nicht mehr so viel Spielraum. Ich für meinen Teil finde es nur gerecht, wenn ich nach einer Beförderung mal zurücktrete und den Kollegen eine bessere Bewertung überlasse. Zumal ich der Meinung bin, dass man sich nach einer Beförderung auch mal ein wenig bewähren muss und somit automatisch keine erneute Bestbewertung erhält.

Das ist aber nur meine Meinung und ich versuche somit meinen Vorgesetzten, der es bei einer Beurteilungsrunde auch nicht leicht hat, sso gut wie es geht zu unterstützen.

Meist biete ich nach einer Beförderung von mir aus an, die "Opferanode" zu spielen und verzichte auch auf eine Begründung für die Bewertung.

Chillbear

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Nach einer Beförderung gelangt man in eine neue Vergleichsgruppe, in der man gerankt und nachfolgend bewertet (bepunktet) wird. Wie schon dargestellt, werden an ein höheres Amt auch höhere Ansprüche gestellt. Meist ändert sich auch die Gewichtung einzelner Beurteilungspunkte (bzw. Vertretung Verantwortungsbereich, Fachkompetenz etc.). U.U. kommen noch neue BU-Punkte hinzu (Führungsverhalten ab A12 etc.).


Würde der Beamte seine zur Beförderung ausreichend SpitzenBU einfach in die nächste Vergleichsgruppe mitnehmen, wäre er erneut beförderungsfähig. Am Ende hätte man dann 10/10 Kandidaten mit der  Bestnote - viel Spaß bei der verwaltungsrechtlich sauberen Binnendifferenzierung.

(Der Liga-Aufsteiger im Sport findet sich auch nicht sofort wieder im Spitzenbereich wieder...)

"Zwar kann ein Absinken im Beurteilungsergebnis nach einer Beförderung mit allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben in Einklang stehen, da mit dem Aufstieg in ein höheres Statusamt regelmäßig höhere Anforderungen an Leistung und Befähigung verbunden sind. Dementsprechend muss sich die Gewichtung der in unterschiedlichen Statusämtern enthaltenen Beurteilungen an den abstrakten Anforderungen dieser Statusämter orientieren. Es entspricht weitverbreiteter, von der Rechtsprechung gebilligter Praxis, bei gleichbleibender Leistung die um einen Punktwert besser ausgefallene Beurteilung im rangniedrigeren Amt der im ranghöheren Amt erteilten Beurteilung gleichzustellen (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.08 – 6 B 1131/08 – DÖD 2009, 74; OVG Lüneburg, Urteil vom 09.02.10 – 5 LB 497/07 -, OVGE 54, 312). "




 

Prüfer SH

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Nach einer Beförderung gelangt man in eine neue Vergleichsgruppe, in der man gerankt und nachfolgend bewertet (bepunktet) wird. Wie schon dargestellt, werden an ein höheres Amt auch höhere Ansprüche gestellt. Meist ändert sich auch die Gewichtung einzelner Beurteilungspunkte (bzw. Vertretung Verantwortungsbereich, Fachkompetenz etc.). U.U. kommen noch neue BU-Punkte hinzu (Führungsverhalten ab A12 etc.).


Würde der Beamte seine zur Beförderung ausreichend SpitzenBU einfach in die nächste Vergleichsgruppe mitnehmen, wäre er erneut beförderungsfähig. Am Ende hätte man dann 10/10 Kandidaten mit der  Bestnote - viel Spaß bei der verwaltungsrechtlich sauberen Binnendifferenzierung.

(Der Liga-Aufsteiger im Sport findet sich auch nicht sofort wieder im Spitzenbereich wieder...)

"Zwar kann ein Absinken im Beurteilungsergebnis nach einer Beförderung mit allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben in Einklang stehen, da mit dem Aufstieg in ein höheres Statusamt regelmäßig höhere Anforderungen an Leistung und Befähigung verbunden sind. Dementsprechend muss sich die Gewichtung der in unterschiedlichen Statusämtern enthaltenen Beurteilungen an den abstrakten Anforderungen dieser Statusämter orientieren. Es entspricht weitverbreiteter, von der Rechtsprechung gebilligter Praxis, bei gleichbleibender Leistung die um einen Punktwert besser ausgefallene Beurteilung im rangniedrigeren Amt der im ranghöheren Amt erteilten Beurteilung gleichzustellen (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.08 – 6 B 1131/08 – DÖD 2009, 74; OVG Lüneburg, Urteil vom 09.02.10 – 5 LB 497/07 -, OVGE 54, 312). "




 

Finde das spannend bei Stellenbündelungen, z.B. A9-A11 oder teilweise sogar bis A12 (wo mangels Bewerber z.T auch A9er sitzen und die gleichen Aufgaben erledigen, wie die A12er Kollegen).

Chillbear

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"Früher" wurden bei uns nur gleiche Stellen gemeinsam gerankt, da war man als A9er mit Führungsverantwortung (Gruppenführer)  gegenüber einem 9er Gruppenbeamten im Nachteil. Da wurde dann halt auch mal der eigene Mitarbeiter befördert und die Führungskraft nicht (davon abgesehen, dass zu der Zeit auch nur ein Bruchteil der heutigen Beförderungsmöglichkeiten/stellen gab) .

Inzwischen wird ja das Statusamt gerankt, da hat dann der mit der "höherwertigen" Stelle einen Vorteil.

Aber egal wie man es dreht, es heißt nicht umsonst BeurteilungsUNwesen^^
Ich bin schon froh, nicht mehr an den Konferenzen teilnehmen zu müssen - und auch derzeit keine BU mehr zu bekommen.