Besoldungsanpassung 2024/2025: Familienergänzungszuschlag und Partnereinkommen (BVAnp-ÄG 2024/2025)
Gesetz: Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2024/2025 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BVAnp-ÄG 2024/2025) vom 5. November 2024, verkündet am 15. November 2024 . Dieses Gesetz wurde vom Landtag am 23. Oktober 2024 beschlossen . Es trat überwiegend rückwirkend zum 1. November 2024 in Kraft (Zeitpunkt der Besoldungserhöhung) bzw. zum Jahresbeginn 2024 für einzelne Bestandteile.
Strukturelle Änderungen: Neben der Übernahme des Tarifabschlusses der Länder von Dezember 2023 (linear +5,5 % in zwei Stufen zum Nov. 2024 und Feb. 2025, plus 200 € Sockelbetrag ab Nov. 2024) brachte dieses Gesetz eine grundlegende Neuerung im Alimentationsprinzip: die Abkehr vom Leitbild der Alleinverdiener-Ehe hin zur Hinzuverdienerfamilie. Konkret bestand die Reform aus zwei eng verknüpften Elementen:
• Anrechnung des Partnereinkommens als neue Bezugsgröße: Erstmals wird in Baden-Württemberg bei der Prüfung der amtsangemessenen Alimentation ein mögliches Einkommen der Ehepartnerin/des Ehepartners berücksichtigt . Bislang wurden Besoldungstabellen und Alimentationsprüfungen fiktiv auf der Grundlage einer vierköpfigen Beamtenfamilie mit alleinverdienendem Beamten kalkuliert. Dieser Grundpfeiler wird nun geändert: Das Gesetz 2024/2025 unterstellt, dass typischerweise beide Ehepartner verdienen (Doppelverdiener-Familie) . Daher soll ein (Hinzu-)Verdienst der Partnerin/des Partners von bis zu 6.000 € netto jährlich künftig mit eingerechnet werden, wenn beurteilt wird, ob die Besoldung ausreichend über dem Sozialniveau liegt  . Praktisch bedeutet dies, dass Beamtengehälter am unteren Ende gerade noch als verfassungskonform gelten können, selbst wenn sie nur knapp über dem Existenzminimum liegen, solange der Partner wenigstens 6.000 € im Jahr dazuverdient . Die fiktive Annahme eines Zweitverdienstes verschafft dem Dienstherrn also Spielraum nach unten. Hinweis: Die 6.000-€-Grenze entspricht einem sehr geringen Einkommen (∼500 € netto/Monat); ein darüber hinausgehender Verdienst des Partners würde ohnehin das Familiennettoeinkommen erhöhen. Die 6.000 € stellen demnach die Schwelle dar, bis zu der von einer „Alleinverdienerfamilie“ ausgegangen wird. Alles darüber wird als normaler Hinzuverdienst betrachtet.
• Einführung eines antragsabhängigen Familienergänzungszuschlags (FEZ): Um echte Härtefälle – nämlich Beamtenhaushalte, in denen tatsächlich nur ein Einkommen vorhanden ist – abzufedern, wurde im Zuge der Partnereinkommens-Anrechnung der Familienergänzungszuschlag geschaffen. Dieser neue Zuschlag steht verheirateten Beamtinnen und Beamten mit mindestens einem kindergeldberechtigten Kind zu, wenn der Ehegatte/Lebenspartner weniger als 6.000 € Netto-Jahreseinkommen erzielt . Der FEZ muss beantragt werden und wird abhängig von Besoldungsgruppe, Erfahrungsstufe und Kinderzahl gewährt  . Typischerweise kommt er Beamten der unteren Besoldungsgruppen (A 7 bis A 9) mit mehreren Kindern zugute, die keine oder nur geringfügig verdienende Partner haben. Die Höhe des FEZ ist gestaffelt (siehe z. B. Tabelle in FAQ des LBV: in A 7 Stufe 1 mit einem Kind 270 € monatlich, abnehmend in höheren Stufen; bei zwei Kindern höher)  . Der FEZ ist also ein familienbezogener Auffüllbetrag, der gezahlt wird, wenn die Annahme eines Zweitverdienstes nicht zutrifft. Durch diese Neuerung verschiebt das Land familienbezogene Besoldungsbestandteile teilweise aus der regulären Besoldungstabelle hinaus in ein separates, bedarfsabhängiges Zuschlagssystem .
Darüber hinaus enthielt das Gesetz 2024/2025 einige weitere strukturelle Verbesserungen zugunsten von Familien und unteren Besoldungsgruppen, um die Übergangszeit bis zur Neuregelung abzudecken und die Vorgaben des BVerfG vollständig zu erfüllen:
• Erhöhung der kinderbezogenen Zuschläge für viele Kinder: Der Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind wurde rückwirkend zum 1. Januar 2023 deutlich angehoben und zum 1. Januar 2024 nochmals erhöht . Dies stellt sicher, dass gerade größere Beamtenfamilien seit 2023 ausreichend alimentiert sind. Ergänzend wurden Nachzahlungen für 2023 vorgesehen: Beamtinnen und Beamte der BesGr A 7 bis A 9 mit einem ersten Kind erhielten für 2023 einmalig einen Ausgleichsbetrag, um rückwirkend die inzwischen beschlossenen höheren Sätze zu erfüllen .
• Anhebung der Strukturzulage für niedrige Besoldungsgruppen: Die monatliche Strukturzulage für den einfachen/mittleren Dienst (BesGr A 7 und A

wurde zum 1. 12. 2022 bereits eingeführt und nun nochmals erhöht . Diese Zulage verbessert das Grundgehalt in den niedrigsten Laufbahnen zusätzlich. (Für 2024 plante man zudem, die Strukturzulage zu vereinheitlichen – weg von unterschiedlichen Beträgen je Besoldungsgruppe hin zu einem einheitlichen Betrag für alle im mittleren Dienst .)
Begründung des Landes: Die Landesregierung begründete diesen Paradigmenwechsel mit gesellschaftlichen Realitäten. Statistik und Erfahrungswerte zeigten, dass die Doppelverdiener-Familie heute die deutlich vorherrschende Konstellation in Baden-Württemberg sei . Es sei daher nicht mehr zeitgemäß, bei der Besoldungsentwicklung vom Bild der Alleinverdienerehe auszugehen . Vielmehr wolle man den Familienbegriff im Besoldungsrecht „weiterentwickeln“, indem ein übliches Hinzuverdienstszenario zur neuen Bezugsgröße erklärt wird . Dies entlaste den Staat finanziell, da die Besoldungstabellen nun niedrigere Mindestsätze aufweisen können, ohne verfassungswidrig zu sein – die Differenz wird ja durch ein unterstelltes Partnereinkommen gedeckt. Für echte Alleinverdienerfamilien verspricht das Land dennoch ausreichende Unterstützung über den FEZ. Laut Finanzministerium schafft man so einen Ausgleich zwischen moderner Realität und dem verfassungsrechtlichen Anspruch: „Für die Fälle tatsächlicher Alleinverdienerfamilien wird ein antragsabhängiger Familienergänzungszuschlag eingeführt“, während ansonsten ein Hinzuverdienst berücksichtigt wird . Zudem argumentierte das Ministerium, man halte damit den erforderlichen 115%-Abstand zur Grundsicherung ein, ohne allen Beamten pauschal mehr zahlen zu müssen – gewissermaßen eine zielgenauere Form der Alimentation. Darüber hinaus wurden mit diesem Gesetz die Tarifabschlüsse 2023/24 vollständig übertragen (inkl. 200 € Sockelerhöhung ab Nov. 2024 und 5,5 % Erhöhung 2025)  sowie die Inflationsausgleichsprämien des Tarifbereichs 1:1 auf die Beamten erstreckt  . All dies stelle sicher, dass die Besoldung in Baden-Württemberg auch in Zeiten hoher Inflation verfassungskonform und attraktiv bleibe – so die Sicht des Landes.
Reaktionen der Interessengruppen: Die Einführung des Familienergänzungszuschlags und die Abkehr von der Alleinverdienerehe stießen auf herbe Kritik von Beamtenvertretungen und Oppositionspolitikern:
• BBW Beamtenbund: Der BBW zeigte sich „vor den Kopf gestoßen“ von diesen Plänen . Landeschef Kai Rosenberger beklagte, dass die Regierung ohne frühzeitige Einbindung der Verbände einen Grundpfeiler des Besoldungssystems aufgibt . Aus Sicht des BBW muss ein Beamter jederzeit in der Lage sein, eine vierköpfige Familie allein zu ernähren . Die Kopplung der Besoldung an ein Partnereinkommen widerspreche den Leitentscheidungen des BVerfG, das noch in seinen Urteilen 2015, 2017 und 2020 ausdrücklich von einer Alleinverdiener-Ehe als Referenz ausgegangen sei . Rosenberger warf dem Land vor, sich mit der Anrechnung des Partnereinkommens ein „Sparinstrument“ zu schaffen, um künftig jede auftretende Lücke zum 115%-Mindestabstand einfach wegrechnen zu können . Er warnte, die zunächst willkürlich gewählte Grenze von 6.000 € könne jederzeit vom Gesetzgeber erhöht werden, um weiteren Spardruck abzubauen – auf Kosten der Beamtenfamilien . Auch den neu geschaffenen Familienergänzungszuschlag sieht der BBW kritisch: Dieser antragsabhängige Zuschlag baue neue Bürokratie auf und erweitere erneut die familienbezogenen Leistungen außerhalb der regulären Besoldungstabelle, was das Problem des Abstandsgebots eher verlagere oder sogar verschärfe . Durch immer mehr Zuschläge parallel zur Tabelle werde das Besoldungssystem komplexer und anfälliger für neue Ungerechtigkeiten, so die Befürchtung. Rosenberger verwies darauf, dass nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in anderen Bundesländern erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel geäußert werden, wenn die amtsangemessene Alimentation plötzlich von einem Partnereinkommen abhängig gemacht werde . Sein Fazit: Die Maßnahmen der Grün-Schwarzen Landesregierung seien “keine Attraktivitätssteigerung, sondern Flickschusterei“ . Der BBW forderte stattdessen langfristige, planbare Lösungen (z. B. Arbeitszeitverkürzung, bessere Besoldung insgesamt) anstelle solcher kurzsichtigen Einschnitte . Insgesamt lehnt der BBW das neue Modell ab und prüft, inwieweit hier erneut der Gang vor Gericht nötig sein könnte.
• Richterbund Baden-Württemberg: Auch die baden-württembergischen Richter und Staatsanwälte sehen die Neuerungen äußerst kritisch. Schon beim Vier-Säulen-Modell 2022 hatte der Richterbund vor dem Aufweichen des Abstandsgebots gewarnt – die Anrechnung von Partnereinkommen bestätigt nun diese Befürchtung. Der Deutsche Richterbund (DRB) hat in einer Stellungnahme grundsätzlich klargestellt, dass eine vom Partner- oder Familieneinkommen abhängige Beamtenbesoldung weder dem bisherigen Alimentationsprinzip noch den üblichen Entgeltsystemen entspricht . Eine solch fundamentale Abkehr von der tradierten Struktur dürfte nach Ansicht vieler Juristen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung kaum standhalten. Der Landesrichterbund BW hat die Entwicklung mit großer Sorge verfolgt. Öffentlich machte er insbesondere geltend, dass gut ausgebildete Juristen für den Staatsdienst gewonnen werden müssen und hierzu eine konkurrenzfähige, verlässliche Besoldung brauchen. Die neue Regelung schaffe aber Unsicherheit: Junge Richter könnten befürchten, finanziell schlechter dazustehen, wenn ihr Partner nicht berufstätig ist – was die Attraktivität des Richteramts mindern könnte. Auch weist der Richterbund darauf hin, dass es sozialpolitisch bedenklich sei, Ehegatten mit Erwerbseinkommen faktisch für die Alimentationspflicht des Dienstherrn haftbar zu machen. Zwar hat der Landesrichterbund noch keine eigene Klage eingereicht, jedoch unterstützt er die kritische Linie des BBW und des Deutschen Richterbundes in dieser Frage vollumfänglich. Sollte ein konkreter Fall auftreten, in dem ein Beamter oder Richter wegen der Partnereinkommens-Regelung eine bestimmte Besoldung nicht erhält, wäre eine Klage wegen Unteralimentierung wahrscheinlich.
• Weitere Stimmen: Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg und Oppositionspolitiker schlossen sich der Kritik an. Der DGB bezeichnete den Familienergänzungszuschlag als fragwürdige Neuerung, die „statt Sicherheit unnötigerweise weitere Rechtsunsicherheit […] in das System der Besoldung“ bringt . Anstatt Probleme zu lösen, schaffe man neue Unruhe. Der FDP-Finanzexperte Stephen Brauer nannte die Partnereinkommens-Anrechnung „nur einen faulen Trick“, um zu verhindern, dass die Besoldung andernfalls verfassungswidrig würde . Er warnte zudem, der FEZ könne unbeabsichtigt Minijobs unattraktiv machen  – etwa wenn ein Beamtenpartner einen Minijob hat, der knapp über 6.000 € im Jahr einbringt, ginge der FEZ verloren und damit eventuell mehr Geld als der Minijob netto einbringt. Auch der SPD-Finanzsprecher Nicolas Fink kritisierte das Vorgehen als „permanente Flickschusterei“ und forderte stattdessen eine grundlegende Verbesserung von Arbeitszeit und Bezahlung im öffentlichen Dienst . Lediglich aus der AfD gab es verhaltenes Verständnis für den Schritt: Man könne nachvollziehen, dass man statistisch die Doppelverdiener-Ehe als Bezugsgröße wähle; allerdings dürfe der Sozialstaat nicht aus den Fugen geraten .
Zusammenfassung: Das Besoldungsanpassungsgesetz 2024/2025 brachte einen Systemwechsel: Künftig wird die Besoldung nach dem Leitbild der Zwei-Verdiener-Familie bemessen, wobei ein Partnereinkommen bis 6.000 € jährlich als vorhanden unterstellt wird . Für echte Alleinverdiener wurde ein Familienergänzungszuschlag eingeführt . Diese Neuerungen sollen die Alimentation zeitgemäß und rechtssicher machen – wurden jedoch vom Beamtenbund und Richterbund scharf kritisiert. Der BBW sieht darin einen Verstoß gegen bewährte verfassungsrechtliche Prinzipien und befürchtet ein Aushöhlen des Alimentationsprinzips zugunsten von Haushaltsentlastungen . Der Richterbund lehnt eine Besoldung “nach Kassenlage und Ehestand“ ebenso ab . Es ist davon auszugehen, dass auch diese Reform juristisch überprüft werden wird. Die Landesregierung hat zwar eine vollständige Tarifübertragung (inkl. Inflationsprämie) und gezielte Familienleistungen umgesetzt  , steht aber nun im Kreuzfeuer der Kritik, einen Alleingang zu wagen, der möglicherweise verfassungswidrig ist und die Attraktivität des öffentlichen Dienstes nicht erhöht, sondern eher gefährdet  .