Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H > TVöD Kommunen

Übertragung von Tätigkeiten widerspruchslos gebilligt

(1/2) > >>

exeBLN:
Guten Morgen liebe Forumsmitglieder,

ich würde euch gerne nach eurer Einschätzung fragen, ob bei folgenden Sachverhalt höherwertige Tätigkeiten als die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit wirksam übertragen wurden und die Tarifautomatik ausgelöst wurde, mithin also ein Anspruch auf Bezahlung, nach der entsprechend höheren EG, wirksam entstanden ist.

Verwaltungsstruktur:
1. Führungsebene: Hauptverwaltungsbeamter (HVB)
2. Führungsebene: Fachbereichsleitungen (FBL)
3. Führungsebene: Fachdienstleitungen (FDL)
Vorgesetzt: FBL-B
Zeichnungsberechtigt: HVB
Allgemeine Vertretung des HVB gem. Kommunalverfassung: FBL-Z

Sachverhalt:
Der Arbeitnehmer stellt fest, dass seine gesamte tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nach Art und Maß von der auszuübenden Tätigkeit abweicht (vom FBL-B angeordnet). Daraufhin wurde ununterbrochen ein Tätigkeitstagebuch geführt. Nach einigen Monaten Aufzeichnung wurde der Vorgesetzte (FDL-B) über die Abweichungen und Aufzeichnungen informiert.

Abstimmung mit der FBL-B war daraufhin, dass der Arbeitnehmer seine gesamte tatsächliche ausgeübte Tätigkeit inkl. Zeiteinteilung als Tätigkeitsdarstellung ausarbeitet, welche dann der FBL-Z (u. a. Personalangelegenheiten) zur Überprüfung und Neubewertung vorgelegt wird. Der Arbeitnehmer fertigte eine solche Tätigkeitsdarstellung entsprechend seines Tätigkeitstagebuchs an. Die Vorlage bei FBL-Z erfolgte dann durch FBL-B.

Im folgenden übersandte der ständige Vertreter des FBL-Z dem Arbeitnehmer seine „neue Stellenbeschreibung“ (ohne Neubewertung) via interner Mail, welche im wesentlichen der Ausarbeitung des Arbeitnehmers entspricht. FBL-B und FBL-Z stehen im CC. Die Neubewertung soll nun durch einen externen Dienstleister erfolgen.

In dem Zeitraum, in dem die ausgearbeitete Tätigkeitsdarstellung dem FBL-Z vorgelegt wurde und die neue Stellenbeschreibung dem Arbeitnehmer übersandt wurde, war der HVA krankheitsbedingt verhindert (mehrere Monate). Der FBL-Z war mithin zuständige Stelle für Vertragsänderungen.


Fazit:

Bei uns im Haus wird angenommen, dass erst ein schriftlicher Änderungsvertrag geschlossen werden muss, damit die Tätigkeiten wirksam übertragen sind.
Das ist natürlich Schwachsinn. Sie lassen neue Stellenbeschreibungen erstmal durch einen externen Dienstleister bewerten, damit sie die Beschreibung bei zu hoher Bewertung noch nach unten korrigieren können. In den Arbeitsvertrag wird dann nur die neue EG aufgenommen.

Ich sehe das hier eher so. Der Arbeitnehmer übt nachweisbar Tätigkeiten entsprechend der neuen und im relevanten Zeitpunkt, der zuständigen Stelle bekannten Stellenbeschreibung aus. Diese ist nicht dagegen vorgegangen, hat die Ausübung der Tätigkeit folglich widerspruchslos gebilligt. Dem Arbeitnehmer wurde der Inhalt der Stellenbeschreibung mithin als nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit konkludent übertragen und dies bereits mit Vorlage bei der  FBL-Z, da diese bei Vorlage die zuständige Stelle für Vertragsänderungen war, spätestens aber mit Übersendung an den Arbeitnehmer.

Seht ihr das ebenso oder bin ich auf dem Holzweg?

Ich danke hier schon für eure Einlassungen.

Sjuda:
Vorbildliche Sachverhaltsdarstellung, schön, wenn es immer so wäre  ;)

Ich schließe mich deiner Einschätzung nicht an. 

Problematisch ist, dass du andere als deine auszuübenden Tätigkeiten ausgeführt hast. Daran ändert nichts, dass dies vom FBL-B angeordnet wurde. Sollten diese anderen Tätigkeiten zu einer höheren Eingruppierung führen, wären weder der FDL-B noch der FBL-B dazu berechtigt, dir diese Aufgaben übertragen.
Spid führt sicherlich gerne dazu aus, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen daraus - theoretisch - für die Beteiligten entstehen könnten.

Sollte der AG (FBL-Z / HVB) erst durch die vorgelegten Aufzeichnungen auf diesen Umstand aufmerksam geworden sein, steht ihm selbstverständlich das Recht zu, zu entscheiden, ob er dir überhaupt andere Tätigkeiten übertragen möchte. Dass er sich vorher erst eine Rechtsmeinung zur Eingruppierung bilden möchte und dazu einen externen Dienstleister beauftragt, ist nachvollziehbar.

Ob durch Übersendung der neuen Stellenbeschreibung bereits eine Übertragung stattgefunden hat, bezweifle ich. Fraglich ist schon, ob der ständige Vertreter des FBL-Z dazu überhaupt befugt wäre. Es ist wahrscheinlich, dass nur ein überarbeiteter Entwurf (anscheinend gab es geringfügige Änderungen) zur Information bzw. Abstimmung vorgelegt wurde. Den Wortlaut der Mail kennen wir nicht. Da Stellen und deren Beschreibungen für die Eingruppierung von Tarifbeschäftigten unbeachtlich sind, müsste neben dem beigefügten Dokument aus dem Text m. E. schon deutlich der Wille zur Übertragung anderer auszuübender Tätigkeiten hervorgehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, halte ich es für schwierig, daraus schon eine Einigung zu konstruieren.

Die Änderung des Arbeitsvertrags durch Anpassung der Entgeltgruppe ist das übliche Vorgehen. Eine Vertragsänderung hat bisher nicht stattgefunden.

Organisator:
Inhaltlich bin ich bei Sjuda. Aus dem Sachverhalt geht zwar hervor, dass eine "Neue Stellenbeschreibung" versandt wurde, jedoch nicht, mit welcher Absicht.

Von einer Aufgabenübertragung kann nur ausgegangen werden, wenn diese durch eine entsprechende Willensäußerung durch den AG erfolgt. Dies ist im Sachverhalt nicht zu erkennen.

Auch die bloße Kenntnisnahme von (ggf. entscheidungsbefugten) Dritten über von den übertragenen Aufgaben abweichenden Tätigkeiten bedeutet keine Übertragung dieser.

exeBLN:
Ich möchte euch zunächst für eure Antworten und Einschätzungen danken und noch dazu etwas ausführen.


--- Zitat von: Sjuda am 13.01.2025 07:35 ---Vorbildliche Sachverhaltsdarstellung, schön, wenn es immer so wäre  ;)

--- End quote ---

Vielen Dank dafür :)


--- Zitat von: Sjuda am 13.01.2025 07:35 ---Problematisch ist, dass du andere als deine auszuübenden Tätigkeiten ausgeführt hast. Daran ändert nichts, dass dies vom FBL-B angeordnet wurde. Sollten diese anderen Tätigkeiten zu einer höheren Eingruppierung führen, wären weder der FDL-B noch der FBL-B dazu berechtigt, dir diese Aufgaben übertragen.

--- End quote ---

Genau, daher wurde ja die FBL-Z einbezogen. Letztlich wird dann durch den HVB mit Zeichnung bestätigt.


--- Zitat von: Sjuda am 13.01.2025 07:35 ---Sollte der AG (FBL-Z / HVB) erst durch die vorgelegten Aufzeichnungen auf diesen Umstand aufmerksam geworden sein, steht ihm selbstverständlich das Recht zu, zu entscheiden, ob er dir überhaupt andere Tätigkeiten übertragen möchte. Dass er sich vorher erst eine Rechtsmeinung zur Eingruppierung bilden möchte und dazu einen externen Dienstleister beauftragt, ist nachvollziehbar. Ob durch Übersendung der neuen Stellenbeschreibung bereits eine Übertragung stattgefunden hat, bezweifle ich.

--- End quote ---

Hier kommt die Crux und dazu ist bspw. folgende Rechtsprechung relevant:

Leitsatz
Die - auch mit dem unmittelbaren Vorgesetzten - abgestimmte Ausübung höherwertiger Tätigkeiten führt nur dann zu einem tariflichen Höhergruppierungsanspruch, wenn eine zumindest stillschweigende Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle des öffentlichen Arbeitgebers vorliegt.
(LAG Köln, U. v. 08.08.2000 – 5 Sa 567/00 –, juris)
Revision als unzulässig verworfen.
(BAG, B. v. 20.02.2001 – 4 AZR 677/00 –, BAGE 97, 63-64)

Leitsatz
Die mit den im Arbeitsumfeld tätigen Kollegen und gegebenenfalls auch mit dem unmittelbaren Fachvorgesetzten abgestimmte Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit durch den Angestellten ohne - auch nur stillschweigende - diesbezügliche Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle des öffentlichen Arbeitgebers vermag einen Anspruch des Angestellten auf Höhergruppierung nicht zu begründen.
(BAG, U. v. 26.03.1997 – 4 AZR 489/95 –, juris)

Daraus lässt sich meinem Verständnis nach eine Pflicht für den öffentlichen Arbeitgeber ableiten, gegen die tatsächliche Ausübung eingruppierungsverändender Tätigkeiten vorzugehen, sobald er davon nachweislich Kenntnis erlangt, die Ausübung somit zu untersagen. Hier hat die im relevanten Zeitpunkt zuständige Stelle nachweislich Kenntnis erlangt und ferner wurde dem Arbeitnehmer diese Tätigkeiten durch einpflegen dieser in ein „wie auch immer genanntes“ förmliches Dokument bestätigt, bzw. hatte die zuständige Stelle nachweislich Kenntnis darüber, dass deren ständiger Vertreter als FBL-Z diese bestätigt hat.

Richtig währe hier doch eher gewesen, dem Arbeitnehmer die Ausübung der eingruppierungsrelevanten Tätigkeiten zu untersagen bis sich der Arbeitgeber eine Rechtsauffassung zu den Tätigkeiten und der Eingruppierung gebildet hat.


--- Zitat von: Sjuda am 13.01.2025 07:35 ---Fraglich ist schon, ob der ständige Vertreter des FBL-Z dazu überhaupt befugt wäre. Es ist wahrscheinlich, dass nur ein überarbeiteter Entwurf (anscheinend gab es geringfügige Änderungen) zur Information bzw. Abstimmung vorgelegt wurde. Den Wortlaut der Mail kennen wir nicht. Da Stellen und deren Beschreibungen für die Eingruppierung von Tarifbeschäftigten unbeachtlich sind, müsste neben dem beigefügten Dokument aus dem Text m. E. schon deutlich der Wille zur Übertragung anderer auszuübender Tätigkeiten hervorgehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, halte ich es für schwierig, daraus schon eine Einigung zu konstruieren.

--- End quote ---

Hierzu noch organisatorische Ausführungen:
Der FBL-Z ist zum ende 2024 in Rente gegangen. Sein "ständiger Vertreter" (der Übersender) wurde über das zweite Halbjahr 2024 als sein Nachfolger eingearbeitet. Dieser ist mit beginn 2025 neuer FBL-Z und durch Beschluss der Gemeindevertretung nun auch allgemeiner Vertreter des HVB.

Es handelt sich tatsächlich nicht nur um einen überarbeiteten Entwurf, sondern der Wortlaut der Mail kling eher nach einer als Endgültig zu verstehende Bestätigung. Es geht auch nicht um geringfügige Änderungen sondern um eine gänzliche Überarbeitung der Art und des Maßes der Tätigkeit. Ich kann die beiden Tätigkeitsbeschreibungen anonymisiert gerne Posten.

Sehr geehrter XXX,

bezugnehmend auf Ihre Anfrage vom TT. MMMM 2024 überreiche ich Ihnen anbei die aktualisierte Stellenbeschreibung.
Sollten Sie Rückfragen haben oder weitere Informationen benötigen, stehe ich Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.

Freundliche Grüße

Stellenbeschreibung ist bei uns im Haus eine "Allbezeichnung". Von Seiten des FB-Z ist Tätigkeitsdarstellung, Arbeitsplatzbeschreibung uns Stellenbeschreibung alles das gleiche. Naja…

Und die Einigung ergibt sich aus den Tatsachen. Was jetzt Angebot und was Annahme ist spielt letztlich keine Rolle mehr. Jedenfalls hatte die zuständige Stelle nachweislich Kenntnis über die gesamte tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Dagegen ist diese nicht vorgegangen sondern hat sogar nachweislich Kenntnis über die Bestätigung dieser Tätigkeiten erlangt.



--- Zitat von: Organisator am 13.01.2025 08:10 ---Inhaltlich bin ich bei Sjuda. Aus dem Sachverhalt geht zwar hervor, dass eine "Neue Stellenbeschreibung" versandt wurde, jedoch nicht, mit welcher Absicht.

--- End quote ---

Hierzu s. o.: Habe den Text der Mail beigefügt.


--- Zitat von: Organisator am 13.01.2025 08:10 ---Von einer Aufgabenübertragung kann nur ausgegangen werden, wenn diese durch eine entsprechende Willensäußerung durch den AG erfolgt. Dies ist im Sachverhalt nicht zu erkennen.
Auch die bloße Kenntnisnahme von (ggf. entscheidungsbefugten) Dritten über von den übertragenen Aufgaben abweichenden Tätigkeiten bedeutet keine Übertragung dieser.

--- End quote ---

Hierzu auch s. o.: BAG, U. v. 26.03.1997 – 4 AZR 489/95 –, juris und LAG Köln, U. v. 08.08.2000 – 5 Sa 567/00 –, juris.


Möglicherweise habe ich die Rechtsprechung ja auch gänzlich falsch verstanden.


Organisator:
Nunmehr schätze ich das etwas anders ein. Aus der Mail geht hervor, dass dir eine neue Stellenbeschreibung übersandt wurde und daraus würde ich folgern, dass du dieser Stellenbeschreibung auch folgen, also die genannten Aufgaben übernehmen sollst. Damit wären (Vorausgesetzt, die übersendende Person ist für die Übertragung neuer, eingruppierungsrelevanter Aufgaben auch berechtigt), neue Aufgaben auch wirksam übertragen.

Solltest du der Meinung sein, dass damit auch eine Höhergruppierung verbunden ist, würde ich das höhere Entgelt gegenüber deiner Personalabteilung entsprechend einfordern.

Navigation

[0] Message Index

[#] Next page

Go to full version