Autor Thema: Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber  (Read 1128 times)

RiVi

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Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« am: 12.03.2025 11:49 »
Hallo wertes Forum,

ein leidiges Thema zu dem es hier auch schon viele Themen gibt und doch ist es jedes mal wieder sehr individuell, daher eröffne ich dann doch ein weiteres Thema und hoffe hier ein paar findige Leute anzusprechen oder wenigstens  ein paar Erfahrungen zu sammeln.

Zu meinem aktuellen Problem:

-ich arbeite seit 01.03.2016 an der Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter
-Ende 2023 habe ich die Uni verlassen und war 3 Monate arbeitslos (genauere Gründe hier im Folgenden)
-zum 01.04.2024 wurde ich dann wieder an der Uni angestellt bis zum 31.03.2025
-insgesamt reden wir hier über 8 Verträge und einen Änderungsvertrag mit teilweise Laufzeiten von 6 Monaten bis zu 3 Jahren
-eine Annahme als Doktorand liegt seit dem 28.09.2021 vor (im Vorfeld war keine konstante Themenstellung absehbar)
-alle Verträge sind Drittmittelverträge
-ein Vertrag vom 01.04.2024 - 31.12.2026 wurde vorgelegt und die Finanzierung ist gesichert

So viel zu den Fakten.
Aktuell hängt mein Arbeitsvertrag in der Fakultät, welche der Uni nicht bescheinigen möchte/kann das Risiko einer möglichen Entfristung zu übernehmen und somit wird hier kein Arbeitsverhältnis zustande kommen und ich werde kurzfristig arbeitslos werden.
Meine Frau ist aktuell schwanger und voraussichtlicher Termin ist Ende Mai, zählt aber laut Uni nicht, da kein Arbeitsvertrag nach WissZeitVG zur Qualifizierung vorliegt und das Kind ja auch noch nicht geboren ist.
Die Unterbrechung zum Anfang des Jahres 2024 entstand dadurch, dass seit 2021 ein neuer Professor für unser Fachgebiet berufen wurde. Dieser stellte sich als Prototyp eines Narzissten heraus. Erpressung von Kollegen, deren Arbeitsverträge nicht zu verlängern, Autorenschaft für Veröffentlichungen einzufordern, an denen er kein Anteil hatte und noch einige andere Vorfälle sind nur die Spitze des Eisbergs.
Unter anderem hat er auch mir untersagt in dem Projekt, aus welchem ich meine Ergebnisse für meine Dissertation gewinnen wollte, zu arbeiten. Dies hat er über notwendige NDAs mit dem Projektpartner erwirkt, welche aber alle Beteiligten unterzeichnet hätten bzw. haben. Grund hierfür war, dass ich Ihn nicht als meinen Doktorvater annehmen wollte, da ich schon einen hatte und mit diesem auch sehr happy bin.
All diese Missstände und Vorfälle wurden der Uni angezeigt. Erst kürzlich wurde seine Akkreditierung abgeschlossen und bestätigt. Ein Fachgebiet mit ehemals 15 wissenschaftlichen Mitarbeitern hat heute noch 3.
Unter diesen Umständen habe ich die Uni Ende 2023 verlassen.
Meinem Doktorvater, welcher im selben Fachgebiet parallel gearbeitet hatte, hat man gestattet an der Uni, in einer anderen Fakultät, eine souveräne Arbeitsgruppe zu bilden. Seine Doktoranten und auch Projektmittel konnten ebenfalls umziehen. Und es waren die Möglichkeiten gegeben mir eine Wiederanstellung anzubieten.
Eine Begründung hierfür war sicher die kurze Unterbrechung von 3 Monaten als auch der Wechsel in ein neues Fachgebiet und Fakultät.

Alles in allem scheint es aber keine Auswirkungen auf die Angst der Uni vor einer Entfristung zu haben.

Nun bin ich hier an der Stelle angelangt, wo ich eine oder mehrere Fragen formulieren sollte. Allerdings bin ich im Rückblick der letzten Jahre einfach mal wieder sprachlos.

Ich würde einfach gerne wie ein normaler Mensch meiner Arbeit nachgehen und meine Dissertation voranbringen. Das scheint aber nicht gewollt.

Vielleicht kann ich mit dem Post hier ein paar Leute erreichen, welche in ähnlichen Situationen stecken oder kluge Ideen haben.

Beste Grüße
RiVi

Faunus

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #1 am: 12.03.2025 12:59 »
Geistes-, Natur- oder Ingenieurswissenschaften?

Mich irritiert ein wenig die Aussage:
"seit 01.03.2016 an der Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter" mit Zeitverträgen tätig, aber erst
"eine Annahme als Doktorand liegt seit dem 28.09.2021" und "31.12.2023 die Uni verlassen"

Üblicherweise wird man in der Ing-Wissensschaft nach dem Master bestenfalls 2-3 Monate übergangsweise mit einem Zeitvertrag hingehalten und findet sich spätestens im Anschluss über 3-4 Jahre (u.U. über mehrere Zeitverträge) in der Dissertation wieder.

Du hast 5 Jahre an der Uni mit einer bemerkenswerten Anzahl von Zeitverträgen mit welchem Ziel gearbeitet?


Ergänzung: Bei Ing.-Wissenschaften würde ich mir an Deiner Stelle aber sofort außerhalb der Uni eine vernünftige Arbeit suchen!
« Last Edit: 12.03.2025 13:05 von Faunus »

RiVi

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #2 am: 12.03.2025 13:23 »
Das es sich hier nicht um einen üblichen Fall handelt, wird sicher schnell klar.

Eine Dissertation stand anfangs nicht im Raum, da thematisch keine stabilen Verhältnisse geboten werden konnten und ich quasi in verschiedenen Themenbereichen und Projekten aktiv war.
Mit welchem Ziel tut man so was. Das wissenschaftliche Arbeiten liegt mir und da es sich hier nicht gerade um eine Metropolregion handelt und das auch noch im Osten, ist der Arbeitsmarkt für Ing.-Wissenschaften eher dünn. Daher ist die Idee einer vernünftigen Arbeit ja ganz schön aber automatisch mit einem Umzug mit hoch schwangerer Frau verbunden und dem Verlassen unseres Zuhauses, welches wir uns in den Jahren aufgebaut haben.
Und ebenso wäre eine "vernünftige" Arbeit mit dem Abbruch der Diss. verbunden.

Aber danke für die gut gemeinten Tipps.

Faunus

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #3 am: 12.03.2025 14:28 »
Dieses beschrieben "Elend der Zeitverträge" an den Unis ist nicht nur im Osten - ich kenne es zur Genüge aus den alten Bundesländern.  Was Du jetzt erlebst, hat sich vor 20-25 Jahren für Wissenschaftler mit "Kettenzeitverträgen" dann so um das 45 Lebensjahr abgespielt. Ordinarius emeritierte und der Nachfolger hatte nur Verträge für seine eigenen Leute. Mit 45 und nach 20 Jahren im ÖD galten diese Wissenschaftler als "unbrauchbar" für die PW und standen vor dem Nichts, mit  schulpflichtigen Kinder, ein Haus zum Abzahlen....Deswegen kamen dann Bestimmungen auf, die u.U. nach 5-6 Jahren aneinandergereihte Kettenverträge zu einer Festanstellung führen mussten, obwahl keine unbefristete Stelle da waren.
Wie das heute ist...

Such Dir was anderes, da auch der Arbeitsgruppenleiter Dich m.M. nach nur ausnutzt. Und ja, das ist schwer in einem strukturschwachen Gebiet. Aber vielleicht überlegt Ihr beide Euch lieber etwas Solides woanders aufzubauen, den noch seit Ihr jünger = flexibler und Du bist in einem Berufsbereich, der woanders gefragt ist. 

MoinMoin

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #4 am: 12.03.2025 15:08 »
Tipps habe ich da nicht, aber ich habe auch die ersten ~20 Arbeitsjahre vor und nach meiner Diss nur Zeitverträge gehabt, allerdings eher selbst bestimmt als fremdgesteuert.
Und wenn die Uni Angst hat, dich mit Sachgrund zu befristen, weil sie Angst vor eine Entfristung haben, dann sieht es mau aus, wenn du sie nicht rechtlich überzeugen kannst.
Und wenn du nicht die wissenschaftliche Karriere gehen willst, dann solltest du evtl. auf die Diss pfeifen und Geld verdienen.
(Doch ein Tipp von mir, ich habe meine Diss angefangen, beiseite gelegt und Jahre später dann doch durchgeführt)

clarion

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #5 am: 13.03.2025 06:53 »
Ich habe auch die beiden Buchstaben und es in etwa 10 Jahren bei der Uni 7 Zeitverträge gehabt und das noch nicht mal lückenlos. Ich bin durchaus stolz auf meine Leistung.  Monetär hat sie mir nichts gebracht. Jetzt habe ich im Amt mehr Geld und mehr Sicherheit bei weniger Stress. Noch einmal würde ich nicht dissertieren, aber als ich mit dem Studium fertig wurde, waren es auch andere Zeiten und Jobs waren rar.

cyrix42

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #6 am: 13.03.2025 08:48 »
Moin, soweit du beschreibst, bist du in einem Drittmittel-Projekt beschäftigt. Damit ergibt sich automatisch ein Sachgrund für die Befristung, da die Projektgelder ja nur befristet bereitstehen. Mit Sachgrund kann dich die Uni bis zur Rente von einem befristeten Vertrag in den nächsten schieben, ohne dir je eine Festanstellung geben zu müssen!

Ohne Sachgrund sähe das anders aus. Da ist nach Teilzeit- und Befristungsgesetz nach spätestens 2 Jahren Schluss.

Die einzige Möglichkeit, dich ohne Sachgrund aus dem Grundhaushalt länger befristet anzustellen, wäre über das Wissenschaftszeitvertrags-Gesetz. Dann aber müsstest du auf einer Qualifizierungsstelle sitzen und wesentliche Arbeitszeitanteile müssten für deine Qualifizierung, also die Promotion, vorgesehen sein. Dann wären — nun aber in Summe aller [inkl. der Drittmittelprojekte] seit Studienabschluss vorliegenden befristeten Beschäftigungen an deutschen Hochschulen —insgesamt bis zu 6 Jahre bis zur Promotion, und nach aktuellem Stand bis zu 6 weitere Jahre nach der Promotion befristete Beschäftigungen möglich.

Wenn also dein neuer Vertrag auch aufgrund der Drittmittelfinanzierung befristet ist, braucht die Uni keine Angst haben, dass sie du dich dadurch auf eine Dauerstelle einklagen könntest.

Allerdings braucht sie keinen Grund angeben, warum sie einen Arbeitsvertrag nicht unterschreiben will. Nur, wenn eine Person, die offensichtlich weniger geeignet ist, dann auf diese Stelle eingestellt wird, könntest du Konkurentenklage gegen die fehlerhaft ausgeführte Bestenauslese erheben.

So viel zum Inhaltlichen. Meine Erfahrung war auch, dass man um diese ganzen Befristungen im akademischen Bereich kaum herum kommt. Ich war nach Ende des Studiums insgesamt knapp über 10 Jahre an insgesamt 3 Unis (und mit Ausflug zwischendurch in die Privatwirtschaft) befristet tätig, bevor ich meine feste Stelle bekommen habe. Das ist schon nervenaufreibend, wenn man nie richtig weit planen kann…

BTW: Weil du von einer Beschäftigung an einer Uni sprichst, würde ich mal davon ausgehen, dass eigentlich der TV-L der relevantere Tarifvertrag für dich wäre als der TVöD. Beides spielt hier aber keine Rolle, da du Fragen ansprichst, zu denen sich beide Tarifverträge nicht äußern.

MoinMoin

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Antw:Angst vor Entfristung beim Arbeitgeber
« Antwort #7 am: 13.03.2025 10:19 »
Ich habe auch die beiden Buchstaben und es in etwa 10 Jahren bei der Uni 7 Zeitverträge gehabt und das noch nicht mal lückenlos. Ich bin durchaus stolz auf meine Leistung.  Monetär hat sie mir nichts gebracht. Jetzt habe ich im Amt mehr Geld und mehr Sicherheit bei weniger Stress. Noch einmal würde ich nicht dissertieren, aber als ich mit dem Studium fertig wurde, waren es auch andere Zeiten und Jobs waren rar.
Nun im öD gibt es in der Tat nicht mehr Geld.
Aber meine Juristen haben durch die Buchstaben lustigerweise mehr Respekt
Und auch die Ministerien reagieren auf meine Bericht anders durch den Titel, so scheint es.
Sind halt noch hierarchische OldSchool Strukturen.