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[Allg] Einsicht Personalakte bei Versetzungsgesuch
Juraisttoll:
Ergänzung:
1. Tatbestand
Art der Unterlagen
Die in der Personalakte befindlichen Schriftstücke zur Attest- und Amtsarztanordnung einschließlich der zugrundeliegenden Vorwürfe des „Blaumachens“ sind Unterlagen über Beschwerden bzw. Behauptungen im Sinne des § 88 Abs. 1.
Feststellung der Unbegründetheit
Durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts wurde festgestellt, dass die Maßnahme rechtswidrig war; damit steht fest, dass die zugrundeliegenden Behauptungen unbegründet sind.
Dieses richterliche Erkenntnis bewirkt rechtlich dieselbe Qualität wie eine behördliche Feststellung der Unrichtigkeit.
Damit greift Nr. 1 unmittelbar: „… falls diese sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben …“
2. Rechtsfolge
Unverzügliche Entfernung: Der Dienstherr hat die betreffenden Unterlagen ohne jede Frist aus Ihrer Personalakte zu entfernen und zu vernichten.
Erforderliche Zustimmung: Sie müssen die Entfernung schriftlich billigen (§ 88 Abs. 1 S. 1 Nr. 1). Eine darüber hinausgehende Antragstellung oder Wartefrist ist nicht erforderlich.
Verwertungsverbot: Nach Entfernung dürfen die Daten gemäß § 88 Abs. 1 S. 3 nicht mehr verwertet werden; ein weiterer Abruf bei Versetzung oder Beurteilung ist unzulässig.
3. Warum Nr. 2 nicht einschlägig ist
Nr. 2 setzt gerade voraus, dass die Vorwürfe nicht als falsch erwiesen sind; es handelt sich um „ungünstige“ Unterlagen, die womöglich zutreffen könnten.
Da hier aber eine gerichtliche Entscheidung die Unrichtigkeit bestätigt, liegt die Wertung des Gesetzgebers klar auf Nr. 1.
Die Zwei-Jahres-Frist aus Nr. 2 würde den gesetzlich gewährleisteten Schutz gegen unrichtige Personalakteneinträge unzulässig verkürzen und widerspräche dem Grundsatz sachlicher Aktenführung (vgl. BVerwG, Urteil v. 21. 06. 2007 – 2 C 9.06, zum Verwertungsverbot bei unrichtigen Personalakteneinträgen).
verwaltungsvorschriften-im-internet.de
Ergebnis
Anspruchsgrundlage: § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW.
Rechtswirkung: Sofortige Löschung der als rechtswidrig erkannten Unterlagen; Nr. 2 ist mangels offener Tatsachenlage nicht anwendbar.
Damit können Sie die Entfernung mit sofortiger Wirkung verlangen und müssen nicht die Zweijahresfrist des Nr. 2 abwarten.
ERGEBNIS: Die Anspruchsgrundlage auf Entfernung richtet sich nach § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW meines Erachtens und somit müssend die streitgegenständlichen Unterlagen sofort aus allen Personalakten entfernt werden und nicht erst nach einer 2-Jahresfrist wie im Falle des § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW!!
Juraisttoll:
2. Ergänzung (der erste Text bezog sich vor allem auf die dem verwaltungsgerichtlichen Urteil zugrundeliegenden Tatsachen (Krankschreibung, Anordnung über Attestpflicht + Amtsarzt), hier geht es jetzt um Entfernungsanspruch bezüglich der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung:
I. Maßgebliche Rechtsnorm: § 88 Abs. 1 LBG NRW
Nach § 88 Abs. 1 LBG NRW sind Unterlagen über Beschwerden, Behauptungen und Bewertungen unter bestimmten Voraussetzungen aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten.
Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Konstellationen:
1. § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW – Unbegründete oder falsche Vorwürfe
„…falls diese sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben, mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten unverzüglich […] zu entfernen und zu vernichten.“
Anwendbarkeit im Fall:
Die behördliche Maßnahme (Amtsarztverpflichtung) beruhte auf dem Vorwurf des „Blaumachens“, mithin also einer impliziten Bewertung dienstlichen Verhaltens. Dieser Vorwurf wurde durch das gerichtliche Urteil eindeutig als rechtswidrig und somit unbegründet zurückgewiesen.
Das Urteil dokumentiert einen unbegründeten behördlichen Eingriff, nicht eine schuldhafte Pflichtverletzung Ihrerseits.
Da die zugrunde liegende „Bewertung“ (Sie seien dienstunfähig oder simulierend) objektiv falsch war, ist § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW unmittelbar einschlägig.
Folge: Mit Ihrer Zustimmung ist die Eintragung (hier: das Urteil selbst und etwaige Bezugsvorgänge) unverzüglich zu entfernen und zu vernichten.
2. § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW – Ungünstige oder nachteilige Unterlagen
„…falls sie für die Beamtin oder den Beamten ungünstig sind oder ihr oder ihm nachteilig werden können, auf Antrag […] nach zwei Jahren zu entfernen und zu vernichten.“
Hilfserwägung (subsidiär):
Selbst wenn man das Urteil nicht als Reaktion auf eine „falsche Behauptung“ i. S. v. Nr. 1 ansieht, fällt es dennoch unter Nr. 2, sofern die Dokumentation des Vorgangs geeignet ist, sich nachteilig auf Ihre dienstliche Entwicklung auszuwirken (z. B. bei Versetzungen, Beförderungen, Beurteilungen).
Hier genügt der bloße Antrag, nachdem zwei Jahre vergangen sind – ohne Ermessensspielraum der Behörde, es sei denn, ein disziplinar- oder strafrechtlicher Zusammenhang besteht (was hier nicht der Fall ist).
II. Verfassungsrechtliche und verwaltungsgerichtliche Ergänzungserwägung
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)
Die dauerhafte Dokumentation eines gerichtlichen Verfahrens, das ausschließlich zu Ihren Gunsten ausgegangen ist, stellt einen nicht gerechtfertigten Eingriff in Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
Die informationelle Selbstbestimmung schützt auch Beamtinnen und Beamte davor, dass rechtswidrige Behördenmaßnahmen dauerhaft dokumentiert und potenziell stigmatisierend weiterverwendet werden.
Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung
VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 29.09.2015 – 12 K 2391/14.PVL:
„Der bloße Umstand eines Konflikts mit der Dienststelle darf nicht zu einer dauerhaften Belastung im beruflichen Werdegang führen, wenn keine schuldhafte Pflichtverletzung festgestellt wurde.“
BVerwG, Urt. v. 19.02.2009 – 2 C 18.08:
„Eintragungen müssen geeignet und erforderlich sein, um das dienstliche Verhalten sachgerecht zu beurteilen. Andernfalls sind sie zu entfernen.“
III. Ergebnis
Ein Anspruch auf vollständige Entfernung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aus der Personalakte ergibt sich primär aus § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW, da der zugrunde liegende Vorwurf rechtswidrig und damit falsch/unbegründet war.
Hilfsweise folgt ein Anspruch aus § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW nach Ablauf von zwei Jahren, sofern eine nachteilige Wirkung zu besorgen ist.
In beiden Fällen ist eine fortdauernde Speicherung des Urteils weder rechtlich erforderlich noch verfassungsrechtlich zulässig. Die Dokumentation einer zu Ihren Gunsten ausgegangenen Entscheidung der Verwaltungsgerichtsbarkeit stellt keinen relevanten oder gerechtfertigten Personalaktensachverhalt dar.
blub1984w:
@Juraisttoll
Vielen vielen Dank dafür, dass du dir so viel Mühe gegeben hast. Damit hab ich nicht gerechnet, eine so ausgearbeitete Antwort zu erhalten. Ich war wirklich hier schon am verzweifeln, ob ich mich überhaupt irgendwo bewerben kann. Danke!
Ich werde schriftlich einen entsprechenden Antrag stellen und dann mal sehen, was noch kommt.
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