Autor Thema: Rückwirkende Höhergruppierung, Auszahlung erst mit Haushalt üblich  (Read 2298 times)

Cillian

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Hallo,
ich bin noch nicht ganz 10 Jahre im öD und hatte eine solche Situation noch nicht:
Mitarbeiter X wurde im August letztes Jahr eine Höhergruppierung schriftlich bewilligt, rückwirkend bis 01.01.2023. Auszahlung ist bis heute nicht erfolgt. Laut Aussage vom Personalamt dürfen sie erst bei Haushaltsfreigabe zahlen, das kann sich aber dieses Jahr noch hinziehen...
Vom Lohn wird auch anteilig in ein LOB Topf eingezahlt nach einem neuen Umlageverfahren und mit dem Junigehalt ausbezahlt. Ob es eine Neuberechnung im Nachhinein mit der höheren Eingruppierungen gibt konnte niemand beantworten.
Der Personalrat zuckt mit den Schultern.

Wir sind jetzt keine so kleine Kommune mit über 500 Mitarbeitern.

Sind solche Handhabungen normal?

MoinMoin

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Wenn Höhergruppierung schriftlich bewilligt bedeutet, dass jemand falsch bezahlt wurde, da ein Eingruppierungsirrtum seit dem 1.1.2023 vorliegt und er das im ersten Halbjahr 2023 geltend gemacht hat und somit der §37 greift, dann ist es ein illegales vorenthalten der Hauptleistung des AGs und man sollte den "Gerichtsvollzieher" losjagen.

Wenn der AG freundlicherweise ab 1.1.23 nachzahlt, obwohl er nur die letzten 6 Monate ab Geltendmachung es müsste, dann würde ich die Schnauze halten und abwarten und Verständnis dafür zeigen, dass sie erstmal die Kohle zusammenkratzen müssen.
 

Organisator

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Wenn Höhergruppierung schriftlich bewilligt bedeutet, dass jemand falsch bezahlt wurde, da ein Eingruppierungsirrtum seit dem 1.1.2023 vorliegt und er das im ersten Halbjahr 2023 geltend gemacht hat und somit der §37 greift, dann ist es ein illegales vorenthalten der Hauptleistung des AGs und man sollte den "Gerichtsvollzieher" losjagen.

Wenn der AG freundlicherweise ab 1.1.23 nachzahlt, obwohl er nur die letzten 6 Monate ab Geltendmachung es müsste, dann würde ich die Schnauze halten und abwarten und Verständnis dafür zeigen, dass sie erstmal die Kohle zusammenkratzen müssen.

fein und zutreffend formuliert!

Saggse

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Wenn der AG freundlicherweise ab 1.1.23 nachzahlt, obwohl er nur die letzten 6 Monate ab Geltendmachung es müsste, dann würde ich die Schnauze halten und abwarten und Verständnis dafür zeigen, dass sie erstmal die Kohle zusammenkratzen müssen.
Würde mit so einer freiwilligen Nachzahlung nicht sogar der Straftatbestand der Untreue verwirklicht? Dem Empfänger kann das freilich egal sein bzw. es ist ein Grund mehr, tunlichst die Füße still zu halten... ;-)

MoinMoin

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Wenn die freiwillige Zahlung von Zulagen auch Untreue wäre, dann ja.

NWB

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Wenn die falsche Anwendung des TV-L zu einer Überzahlung führt und das den Tatbestand der Untreue verwirklichen würde, hätten viele Beschäftigte ein Problem

Saggse

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Wenn die freiwillige Zahlung von Zulagen auch Untreue wäre, dann ja.
Der Schilderung ist auch nicht zu entnehmen, ob eine Nachzahlung tatsächlich auch rückwirkend zum 1.1.23 erfolgen soll. Dies ist zwar denkbar, aber nicht gesichert. Daher gibt es hier möglicherweise kein Problem.

Zitat
Wenn die falsche Anwendung des TV-L zu einer Überzahlung führt und das den Tatbestand der Untreue verwirklichen würde, hätten viele Beschäftigte ein Problem
Genau das war ja der Gegenstand meiner Frage: Welche Voraussetzungen müssen für das Vorliegen von Untreue erfüllt sein und ist dies hier - unter bestimmten Annahmen - möglicherweise der Fall? Dass beispielsweise ein Eingruppierungsirrtum hierfür nicht ausreicht, ist klar, aber einem Mitarbeiter eine Zahlung zu gewähren, deren Anspruch längst verjährt ist, scheint mir schon ein ziemlich grober "Fehler". Andererseits ja, Untreue setzt Vorsatz voraus, für die die Schilderung keine Anhaltspunkte liefert...

MoinMoin

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Selbst wenn sie verjährt sind und man sie trotzdem bezahlt, muss es keine Untreue sein, wenn durch diese Handlung ein "Schaden" abgewendet wird.

Saggse

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Selbst wenn sie verjährt sind und man sie trotzdem bezahlt, muss es keine Untreue sein, wenn durch diese Handlung ein "Schaden" abgewendet wird.
Ich hätte ja eher vermutet, dass die fehlende Schädigungsabsicht Untreue ausschließt, aber welche Art von "Schaden" kann dadurch abgewendet werden, dass man eine Zahlung leistet, zu der man aufgrund von Verjährung nicht verpflichtet ist? Stellt ein Mitarbeiter, der sich deswegen ungerecht behandelt fühlt, bereits einen Schaden dar?

MoinMoin

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Selbst wenn sie verjährt sind und man sie trotzdem bezahlt, muss es keine Untreue sein, wenn durch diese Handlung ein "Schaden" abgewendet wird.
Ich hätte ja eher vermutet, dass die fehlende Schädigungsabsicht Untreue ausschließt, aber welche Art von "Schaden" kann dadurch abgewendet werden, dass man eine Zahlung leistet, zu der man aufgrund von Verjährung nicht verpflichtet ist? Stellt ein Mitarbeiter, der sich deswegen ungerecht behandelt fühlt, bereits einen Schaden dar?
Nein, aber ein fähiger Mitarbeiter der kündigt schon.

TVOEDAnwender

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Hier ein interessanter Aufsatz aus 2017:

"Dr. Clemens Latzel und Dr. Daniel Dommermuth-Alhäuser,
München*
Zu gute Arbeitsbedingungen als Untreue
Kann die Gewährung zu guter Arbeitsbedingungen Untreue i.S.d.
§ 266 StGB sein? Die Strafgerichte erachten zu hohe Vergütungen
im öffentlichen Dienst, insbesondere zu hohe Eingruppierungen und
Einstufungen wegen des öffentlich-rechtlichen Sparsamkeitsprinzips als
Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht. Setzen TVöD und TV-L
deshalb generell Höchstarbeitsbedingungen? Zwingt bei privatwirtschaftliehen Kapitalgesellschaften die Pflicht zur Wahrung des Gesellschaftsvermögens zumindest zu tarifnahen Arbeitsbedingungen?"


https://www.zaar.uni-muenchen.de/organisation/personen/abteilung1/latzel/schriftenverzeichnis/cl2017-2.pdf

Zusammenfassung:

Zitat
Zu gute Arbeitsbedingungen können im öffentlichen Dienst
wie in der Privatwirtschaft den Tatbestand der Untreue erftillen:
Im öffentlichen Dienst verlangt das Sparsamkeitsprinzip angemessene Arbeitsbedingungen, die primär durch Tarifverträge festgelegt werden. Übertarifliche Arbeitsbedingungen
(auch zu hohe Eingruppierungen und Einstufungen) sind
nur ausnahmsweise bei objektiven Schwierigkeiten bei der
Personalgewinnung zulässig und in ihrem Umfang dem
Sparsamkeitsprinzip verpflichtet (Vorschlag: bis zu 30% Tariflohnüberschreitung gelten noch als angemessen). Bestehen objektiv keine Personalgewinnungsschwierigkeiten, erfüllt die Gewährung übertariflicher Arbeitsbedingungen
den objektiven Tatbestand der Untreue. Im tariffreien Bereich lässt die Rechtsprechung bislang praktikable Konkretisierungen der auch hier geforderten Angemessenheit vermissen. Es bietet sich an, ab 130% der marktüblichen
Arbeitsbedingungen Unangemessenheit zu vermuten (und
den Anfangsverdacht der Untreue zu bejahen). Der Entscheidungsträger kann die Vermutung durch Sachgründe
widerlegen.