Autor Thema: Alimentation in Baden-Württemberg (2017–2025) Chronologisch  (Read 758 times)

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2017/2018: Besoldungsanpassung und Ende der Eingangsbesoldungsabsenkung

Im Jahr 2017 vereinbarte die Landesregierung unter Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) mit dem Beamtenbund (BBW) und dem Richterbund die Übertragung des Tarifergebnisses 2017/2018 auf die Landesbeamten  . Der Landtag beschloss daraufhin das Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2017/2018 (BVAnpGBW 2017/2018) am 25. Oktober 2017 . Kernpunkte waren: eine lineare Erhöhung um 2,0 % zum 1. März 2017 und um 2,675 % zum 1. Juli 2018 (inklusive eines strukturellen „BW-Bonus“ von 0,325 % in 2018) sowie mindestens 75 € mehr für Besoldungen unter 3.750 € . Zudem wurde die abgesenkte Eingangsbesoldung, die für Berufsanfänger seit 2013 gegolten hatte, zum 1. Januar 2018 vollständig zurückgenommen . Sitzmann betonte, man sende „ein deutliches Zeichen“ für einen attraktiven öffentlichen Dienst und schaffe mit dem BW-Bonus einen langfristigen Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte . Diese Maßnahmen wurden von den Gewerkschaften begrüßt; der BW-Bonus sei einzigartig in Deutschland und die Rücknahme der Eingangsbesoldungsabsenkung galt als wichtiges Signal zur Nachwuchsgewinnung  .

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2019–2021: Übertragung des Tarifergebnisses und Besoldungsanpassungsgesetz

Nach der Lohnrunde für den öffentlichen Dienst der Länder 2019 kündigte Finanzministerin Sitzmann am 5. März 2019 an, das Tarifergebnis vom 2. März 2019 zeitgleich und systemgerecht auf die Beamtenschaft des Landes zu übertragen . Konkret schlug sie vor, die Besoldung rückwirkend zum 1. Januar 2019 um 3,2 % zu erhöhen, zum 1. Januar 2020 nochmals um 3,2 % und zum 1. Januar 2021 um 1,4 % . Diese Schritte wurden im BVAnpGBW 2019/2020/2021 umgesetzt (Gesetz vom 15. Oktober 2019) . Damit übernahm Baden-Württemberg den Tarifabschluss für Angestellte vollständig und zeitgleich auf die Beamtenbesoldung . Sitzmann zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis und hob hervor, dass so alle Beschäftigten gleichermaßen am Tarifabschluss teilhaben . Kritik an diesem Besoldungsgesetz gab es seinerzeit kaum, da die Übertragung 1:1 erfolgte. Vielmehr wurde die erneute Angleichung an den Tarifabschluss als wichtig für die Motivation und Gleichbehandlung der Landesbeamten gesehen .

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2020: Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation (Urteil vom 4. Mai 2020)

Am 4. Mai 2020 ergingen zwei wegweisende Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17) zur amtsangemessenen Alimentation der Beamten. Darin präzisierte das Gericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe: Insbesondere müsse das Gesamtfamilieneinkommen eines Beamten – unabhängig von einem zweiten Einkommen des Partners – so bemessen sein, dass ein Mindestabstand von 15 % zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum (Grundsicherung) gewahrt bleibt  . Die Berücksichtigung von Kindern in der Besoldung sei „kein Beamtenprivileg, sondern Inhalt der geschuldeten Alimentation“, betonte das Gericht . Zudem wurde klargestellt, dass der Gesetzgeber bei der Besoldung das sogenannte Abstandsgebot als hergebrachten Grundsatz beachten muss  . Dieses Abstandsgebot gilt doppelt: nach unten (zu Hartz IV bzw. dem Bürgergeld, +15 %) und zwischen den Besoldungsgruppen entsprechend dem Leistungsprinzip  . Baden-Württemberg stand damit – wie alle Länder – vor der Aufgabe, sein Besoldungsrecht an diese Vorgaben anzupassen. Noch 2020 signalisierte das Finanzministerium, die Karlsruher Entscheidungen sorgfältig auszuwerten und in Landesrecht umzusetzen. Konkrete Maßnahmen wurden allerdings erst nach der Landtagswahl 2021 eingeleitet.

(Anmerkung: Das BVerfG-Urteil vom 4. Mai 2020 betraf Fälle aus Berlin und Nordrhein-Westfalen, hat aber bundesweit Maßstäbe gesetzt. Es erklärte u.a., dass Familien mit mehreren Kindern in unteren Besoldungsgruppen in den Jahren 2009–2015 unteralimentiert waren. )

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2021: Weichenstellung für verfassungskonforme Besoldung – Vier-Säulen-Modell

Nach der Landtagswahl 2021 übernahm Danyal Bayaz (Grüne) das Amt des Finanzministers. Unter seinem Vorsitz startete Baden-Württemberg einen Reformprozess, um die Besoldung „verfassungskonform“ im Sinne der BVerfG-Vorgaben zu gestalten . Am 20. Dezember 2021 kündigte Bayaz gemeinsam mit BBW-Chef Kai Rosenberger an, bereits 2022 ein umfassendes Besoldungsreformgesetz vorzulegen  . In Videokonferenzen mit Beamtenbund und Richterbund wurde der Plan eines „Vier-Säulen-Modells“ erörtert :
   •   Anhebung der Eingangsämter: Alle Beamten des einfachen und mittleren Dienstes sollten ab Dezember 2022 um eine Besoldungsgruppe höher eingestuft werden (A 6→A 7, A 7→A 8 usw.) . Dies zielte darauf ab, insbesondere die unteren Einkommensgruppen zu stärken und den Abstand zur Grundsicherung zu wahren.
   •   Erhöhung der Familienzuschläge: Ausgehend von Besoldungsgruppe A 7 bis A 14 sollten die kinderbezogenen Familienzuschläge für das erste und zweite Kind spürbar steigen – mit degressiver Ausgestaltung bei höheren Besoldungsgruppen . Über alle Besoldungsgruppen hinweg sollte zudem der Zuschlag für das dritte und jedes weitere Kind erhöht werden, um kinderreiche Beamtenfamilien besserzustellen .
   •   Rücknahme von Besoldungskürzungen: Die 2013 eingeführte Absenkung des Beihilfebemessungssatzes (Eigenbeteiligung bei der Krankenversorgung) sollte wieder aufgehoben werden  . Dies entsprach einer langjährigen Forderung des BBW und diente der Attraktivität des Dienstes.
   •   Strukturreform der Erfahrungsstufen: Geplant war auch eine Neustrukturierung der Stufen in den Besoldungstabellen (Streichung der untersten Stufen), um eine „Stauchung“ der Tabelle zu vermeiden und langfristig dem Leistungsprinzip besser Rechnung zu tragen  .

Bayaz’ Amtschef Jörg Krauss erläuterte, man werde diese Änderungen im Frühjahr 2022 ins Gesetzgebungsverfahren bringen und bis Herbst 2022 abschließen  . Der BBW begrüßte diese Vorhaben ausdrücklich als „überwiegend positiv“, da viele ihrer Forderungen – auch aus dem Gutachten Färber 2017 – endlich aufgegriffen würden  . Allerdings monierte Rosenberger, dass im Vier-Säulen-Modell der höhere Dienst (BesGr A 13+/R ang.) zunächst unberücksichtigt bleibe . Durch die pauschale Anhebung der unteren Ämter ohne Anpassung oben drohe eine übermäßige Nivellierung („Stauchung“) zum Nachteil der höheren Besoldungsgruppen  . Dieses Spannungsfeld zwischen Alimentationsprinzip und Leistungsprinzip wurde schon früh diskutiert. Das Finanzministerium versicherte jedoch, man habe die hergebrachten Abstandsgebote im Blick und werde verfassungskonforme Lösungen finden  .

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2022: Umsetzung der Karlsruher Vorgaben – BVAnp-ÄG 2022 (Vier-Säulen-Gesetz)

Am 15. November 2022 verabschiedete der Landtag das Besoldungs- und Versorgungsanpassungsänderungsgesetz 2022 (BVAnp-ÄG 2022), mit dem das Vier-Säulen-Modell realisiert wurde (Inkrafttreten zum 1. Dezember 2022). In der Praxis bedeutete dies: Alle Beamten des ehemaligen mittleren Dienstes (BesGr A 7 bis A 11) wurden zum 1. Dezember 2022 automatisch eine Besoldungsgruppe höher eingestuft . Dies brachte jährlich +2000 bis 3000 € für Betroffene und verbesserte vor allem die Bezahlung von Vollzugsbeamten, Polizei- und Finanzbeamten deutlich . Gleichzeitig wurden die Familienzuschläge angepasst: Für das erste und zweite Kind erhielten Beamte in den Besoldungsgruppen A 7 bis A 14 künftig spürbar höhere Zuschläge (allerdings mit abnehmender Höhe in den höheren Stufen) . Der Zuschlag für das dritte und jedes weitere Kind wurde in allen Besoldungsgruppen zum 1. Januar 2023 und erneut zum 1. Januar 2024 angehoben  – dies ausdrücklich zur Umsetzung eines BVerfG-Beschlusses vom 4. Mai 2020, der eine bessere Alimentation ab dem dritten Kind eingefordert hatte . Darüber hinaus wurde die 2013 vorgenommene Kürzung der Beihilfe (50 %→50 %/Beihilfesatz) wieder rückgängig gemacht  .

Offizielle Begründung: Die Landesregierung erklärte, mit diesen umfassenden strukturellen Änderungen werde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprochen und eine amtsangemessene Alimentation – insbesondere der unteren Besoldungsgruppen und kinderreicher Familien – sichergestellt . Finanzminister Bayaz sprach von einem wichtigen Schritt, um die Besoldung „verfassungskonform zu gestalten“ und den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels (sinngemäß wiedergegeben).

Reaktionen: Der BBW bewertete das 4-Säulen-Paket positiv: „In der Gesamtschau überwiegen die positiven Aspekte“, so Rosenberger . Besonders gelobt wurden die Hebung der unteren Besoldungsgruppen und die erhöhten Familienzuschläge, die viele Jahre geforderte Verbesserungen endlich realisierten  . Gleichzeitig kritisierten Verbände aber die ausgelassene Anpassung im höheren Dienst. Der Deutsche Richterbund (DRB) sowie Gewerkschaften wie der Lehrerverband GEW warnten, die Reform könnte in Teilen verfassungswidrig sein, da sie zwar unten stark anhebt, aber oben nichts verändert. Dadurch entstehe eine „Stauchung“ der Besoldungstabelle, welche das Leistungsprinzip verletzt und zu einer Unteralimentierung der Besoldungsgruppen A 13/A 14 und R 1 ff. führen könne  . Der DRB BW verwies auf das BVerfG, wonach Besoldungserhöhungen in unteren Gruppen „im Grundsatz auch auf die höheren Besoldungsgruppen durchschlagen müssen“  . Trotz solcher Bedenken äußerten DGB und BBW in der Anhörung zum Gesetz zunächst keine formellen Verfassungsbedenken und begrüßten die Reform „bei aller Detailkritik“ . Allerdings kündigten einzelne Verbände schon Ende 2022 an, die Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen.

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2023: Umgang mit Widersprüchen, Klagen und erste Nachbesserungen

Angesichts der angedrohten Klagen stellte Finanzminister Bayaz Anfang 2023 klar, dass Beamte keinen individuellen Widerspruch einlegen müssen, um ihr Recht auf amtsangemessene Besoldung zu wahren . In einem Schreiben vom 10. Januar 2023 an Richterbund und Beamtenbund sicherte er zu, sollten Gerichte das BVAnp-ÄG 2022 für verfassungswidrig halten, werde das Land etwaige Nachzahlungen rückwirkend an alle Betroffenen leisten  . Diese Zusage bedeutete faktisch: das Finanzministerium würde ein entsprechendes Urteil aus Karlsruhe für alle Beamten anwenden – unabhängig davon, ob jemand Widerspruch eingelegt hat. Der BBW nahm dieses Versprechen erfreut zur Kenntnis , und auch der DRB stimmte einer Strategie von Musterklagen (einige wenige ausgewählte Kläger) zunächst zu . Damit blieb die seit 2016 praktizierte Linie gewahrt, wonach man Widersprüche ruhend stellte und Sammelklagen abwartete, um nicht jeden Beamten in ein eigenes Verfahren zu treiben  .

Parallel dazu zeigte sich bereits, dass weitere Anpassungen nötig würden. So wurde zum Beispiel in einer neuen Tarifrunde der Länder im Herbst 2023 ein Inflationsausgleich in Form hoher Sockelbeträge und prozentualer Erhöhungen vereinbart. Bayaz stand damit vor der Frage, wie dieses Tarifergebnis 1:1 auf die Besoldung zu übertragen sei, ohne erneut verfassungsrechtliche Probleme zu erzeugen. Insbesondere Sockelbeträge (einheitliche Erhöhungsbeträge) können die Besoldungsstruktur verzerren, da sie relativ gesehen unteren Gruppen stärker helfen und Abstände verringern. Anfangs deutete das Finanzministerium an, man wolle einen Weg finden, Sockelbeträge nicht eins zu eins zu übernehmen, um das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen zu wahren  . Bayaz’ Haushaltsabteilung und der BBW hatten sich dem Vernehmen nach bereits darauf verständigt, stattdessen linear zu erhöhen  . Doch unter dem Druck insbesondere der Polizeigewerkschaften lenkte die Politik ein: Letztlich entschied man sich doch, den Tarifabschluss 2023 nahezu vollumfänglich auch den Beamten zukommen zu lassen, inklusive des sozialen Elements (Sockelbetrag) . Dies wurde vom DGB begrüßt , da so die unteren Einkommen profitierten, während der BBW davor warnte, bei künftigen Abschlüssen könnten die Abstände zu stark zusammenschrumpfen  . Schon jetzt sei absehbar, so Rosenberger, dass eine nochmalige Eins-zu-eins-Übernahme eines Tarifabschlusses mit hohem Sockelbetrag verfassungsrechtlich problematisch würde .

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2024: Neues Anpassungsgesetz 2024/2025 – Familienergänzungszuschlag und Partnereinkommen

Um den Tarifabschluss vom Dezember 2023 umzusetzen, brachte die Landesregierung das BVAnp-ÄG 2024/2025 ein, das der Landtag am 23. Oktober 2024 verabschiedete . Dieses Gesetz übernahm die ausgehandelten Gehaltserhöhungen für 2024/25, allerdings in einer modifizierten Form („systemgerechte Übertragung“) : Anstelle eines reinen Sockelbetrags wie im Tarifbereich wurde beschlossen, zum 1. November 2024 die Beamtenbesoldung um pauschal 200 € (100 € für Anwärter) plus 4,76 % zu erhöhen und zum 1. Februar 2025 um weitere ca. 5,2 %  . Diese Zweiteilung entsprach letztlich doch der Gewerkschaftsforderung nach voller Übertragung (200 € Sockel + linear), obwohl das Finanzministerium zunächst eine rein lineare Erhöhung erwogen hatte .

Familienergänzungszuschlag und Leitbild: Weitaus bedeutsamer waren die strukturellen Neuerungen des Gesetzes. Erstmals führte Baden-Württemberg ein Element ein, das implizit das Leitbild vom Alleinverdiener-Beamten relativiert: Für die Berechnung der verfassungskonformen Alimentation wurde ein fiktives Partner*inneneinkommen unterstellt . Man ging davon aus, dass in unteren Besoldungsgruppen „fast immer beide Ehepartner arbeiten“  und berücksichtigte pauschal ein zusätzliches Einkommen der Partnerin/des Partners. Nur wenn eine Beamtenfamilie nachweislich kein ausreichendes Partnereinkommen hat, kann sie auf Antrag einen Familienergänzungszuschlag (FEZ) erhalten . Dieser neue Zuschlag – eingeführt mit Artikel 5 Nr. 4 des Gesetzes  – soll in den Fällen „bestimmter, atypischer Familienkonstellationen“ das Einkommen so ergänzen, dass das vom BVerfG geforderte Minimum (115 % des Grundsicherungsniveaus) erreicht wird . Anspruch auf den FEZ haben verheiratete Beamt*innen mit mindestens einem kindergeldberechtigten Kind, wenn das Partnereinkommen unterhalb einer bestimmten Grenze liegt oder gänzlich fehlt  . Die Höhe des Zuschlags ist gestaffelt nach Besoldungsgruppe, Erfahrungsstufe und Kinderzahl und in einer neuen Anlage 12a des LBesGBW festgelegt  . Kurz gesagt folgt das Land nun dem Ansatz: Der Staat alimentiert zunächst unter Annahme eines (fiktiven) Zweiteinkommens – fehlt dieses, stockt er mit dem FEZ auf.

Begründung und Debatte: Finanzminister Bayaz verteidigte diese Neuerung als notwendigen Kompromiss, um die verfassungsrechtlichen Abstandsgebote zu wahren und dennoch die sozialen Elemente des Tarifabschlusses berücksichtigen zu können. In einem offenen Brief an die Polizeigewerkschaft (GdP) erklärten Bayaz und Innenminister Strobl, nur mit der gewählten Methode ließe sich „der Abstand zwischen den Besoldungsgruppen einhalten“, ohne dass bei künftigen Erhöhungen verfassungswidrige Nivellierungen drohten  . Sie verwiesen darauf, dass der BBW und der Richterbund diesem Vorgehen zugestimmt hätten . Tatsächlich begrüßte BBW-Chef Rosenberger die systemgerechte Übertragung: Man müsse die linearen Abstände bewahren, um nicht beim nächsten Abschluss unter das zulässige Mindestmaß zu rutschen  . Er erinnerte daran, dass gerade die niedrigen Besoldungsgruppen durch die letzte Besoldungsreform (2022) am meisten profitiert hätten – nun gelte es, die Struktur insgesamt im Blick zu behalten  .

Von anderer Seite gab es jedoch scharfe Kritik. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, fühlte sich übergangen und forderte eine „ungekürzte Übernahme des Tarifergebnisses“ . Durch die gewählte Methode würden seine Polizisten um bis zu 1.235 € pro Jahr schlechter gestellt . Auch die DGB-Gewerkschaften (ver.di, GEW, GdP) monierten, die Nichtübernahme des Sockelbetrags lasse die soziale Komponente des Abschlusses verloren gehen . Vor allem aber hegen DGB und BBW juristische Zweifel an der pauschalen Anrechnung von Partnereinkommen: Dies laufe dem Alimentationsprinzip zuwider, das in der Regel eine amtsangemessene Besoldung unabhängig vom Einkommen Dritter fordere . Beide Gewerkschaftsbünde rieten ihren Mitgliedern vorsorglich, gegen die neue Regelung Widerspruch einzulegen, um Ansprüche zu sichern .

A6 ist das neue A10

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 131
2025: Klagewelle, Verbandskritik und unerfüllte Versprechen

Bis Mitte 2025 spitzte sich der Streit um die Besoldung in Baden-Württemberg weiter zu. Über 8000 Beamte hatten Widerspruch gegen ihre Besoldung nach BVAnp-ÄG 2024/2025 eingelegt . Beamtenbund und Richterbund warnten vor einer Klagewelle und forderten das Finanzministerium auf, zu der bewährten Praxis zurückzukehren, diese Widersprüche ruhend zu stellen  . Doch Finanzminister Bayaz änderte im Januar 2025 den Kurs: Er ließ alle eingegangenen Besoldungs-Widersprüche zeitnah mit Ablehnungsbescheiden beantworten, anstatt sie bis zur höchstrichterlichen Klärung auszusetzen  . Damit brach das Finanzministerium mit einer sechs Jahre lang geübten Verwaltungspraxis, was bei den Interessenverbänden Empörung auslöste . BBW-Chef Rosenberger erklärte am 23. Mai 2025 öffentlich, er habe „keinerlei Verständnis für diesen neuen Weg, der zulasten der Beschäftigten geht und unnötigen Bürokratieaufwuchs verursacht“ . Sollte das Finanzministerium nicht einlenken, bleibe den Beamten nichts anderes übrig, als ihren Dienstherrn zu verklagen, um ihre Ansprüche auf verfassungskonforme Besoldung zu wahren – „eine Entwicklung, die niemand wollen kann“ . Ähnlich sah das die CDU-Landtagsfraktion, die sich in einem Brief an Bayaz gegen die neue Anordnung wandte .

Aus Sicht der Verbände stellt dieser Kurswechsel auch einen Bruch gegebener Versprechen dar. Noch Anfang 2023 hatte Bayaz klargestellt: „Widersprüche sind nicht notwendig. Sollten die Klagen Erfolg haben, würden alle Betroffenen Nachzahlungen erhalten.“ . Diese Zusage galt zwar formal für das Gesetz 2022, doch wurde sie 2025 nicht auf das neue Gesetz 2024/2025 übertragen. Im Gegenteil: Durch die sofortige Verbescheidung der Anträge wird nun verlangt, dass jede*r Betroffene jährlich aufs Neue klagen muss, um bei einem möglichen Erfolg vor Gericht Ansprüche zu sichern . Der Deutsche Richterbund BW kritisierte dieses Vorgehen als „völlig falsch“ und warf dem Land einen unwertschätzenden Umgang mit seinen Bediensteten vor  . Der Staat erhöhe im „Poker um die amtsangemessene Besoldung“ den Einsatz und zwinge seine Beamten, mit hohem Risiko mitzuziehen, indem sie nun ihren Arbeitgeber verklagen müssten . Dies widerspreche der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, so der DRB . Der BBW mutmaßte gar, die Motivation hinter Bayaz’ Kehrtwende liege darin, „Unsummen an Nachzahlungen vermeiden“ zu wollen, falls die umstrittene Anrechnung des Partnereinkommens vom Verfassungsgericht kassiert werde . Kurz: Das Land wolle offenbar die Zahl der potenziell Entschädigungsberechtigten kleinhalten, indem es viele Beamte davor abschreckt zu klagen  .

Politische Bewertung: Die Auseinandersetzung um die Beamtenbesoldung in Baden-Württemberg zeigt bis 2025 ein ambivalentes Bild. Einerseits hat das Finanzministerium – zunächst unter Edith Sitzmann, dann unter Danyal Bayaz – in mehreren Schritten die Besoldung deutlich angehoben, strukturell reformiert und erkennbar bemüht, den Vorgaben aus Karlsruhe nachzukommen. So wurden die Alimentationsgrundsätze (v.a. Mindestabstand nach unten und Kinderzuschläge) erstmals umfassend ins Landesrecht eingearbeitet  . Andererseits sehen wichtige Berufsverbände weiterhin deutliche Mängel. Mehrere Kernversprechen blieben aus ihrer Sicht unerfüllt: Das Versprechen, die Besoldung dauerhaft verfassungskonform zu gestalten, wird durch die anhängigen Verfahren infrage gestellt. Und die Zusage, beim Umgang mit Widersprüchen kulant zu sein und Nachzahlungen ggf. von Amts wegen zu leisten, wurde 2025 insofern relativiert, als nun doch wieder jeder Einzelne aktiv werden muss  . Dieser Kurswechsel wurde vom Finanzministerium damit begründet, man kehre zum „regulären Verfahren“ zurück und verzichte künftig auf den pauschalen Verjährungsverzicht bei Widersprüchen . In der Praxis bedeutet dies allerdings faktisch eine Abkehr von der bisherigen Haltelinie, was von Opposition und Verbänden als Wortbruch gewertet wird. Die endgültige Klärung, ob Baden-Württembergs Besoldungsregelungen seit 2022 tatsächlich vollumfänglich verfassungsgemäß sind, steht nun aus – vermutlich muss erneut das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Bis dahin hat Finanzminister Bayaz versprochen, eventuelle gerichtliche Korrekturen für das Gesetz 2022 rückwirkend umzusetzen . Ob und in welchem Umfang sich dieses Versprechen auch für die Reform 2024/2025 hält, wird die Zukunft zeigen.

Quellen: Offizielle Pressemitteilungen und Veröffentlichungen des Landes Baden-Württemberg  ; Gesetzesentwürfe und Begründungen im Beteiligungsportal BW  ; Verlautbarungen des Finanzministeriums (Edith Sitzmann, Danyal Bayaz) in Presse und Schreiben  ; Entscheidungen und Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts  ; Stellungnahmen von BBW und DRB BW  ; Berichte seriöser Medien wie Stuttgarter Zeitung, Staatsanzeiger BW und SWR/DPA  .