Hinzuverdiener-Modell und Partnereinkommen (Besoldungsanpassung ab 2024)
Regelung und Inhalt: Im Koalitionsbeschluss 2023 entschied Baden‑Württemberg, das traditionelle Besoldungsmodell der verheirateten Alleinverdienerfamilie zu ändern. Künftig soll sich die Beamtenbesoldung stärker an der „Hinzuverdienerfamilie“ orientieren  . Das bedeutet: Man geht nicht mehr davon aus, dass ein Beamter seine Familie (Ehepartner und zwei Kinder) alleine ernähren können muss. Stattdessen unterstellt der Gesetzgeber, dass in der Mehrheit der Fälle beide Ehepartner Einkommen erzielen  .
Konkret eingeführt wurde ein fiktives Partnereinkommen: Bei der Berechnung der Alimentation wird angenommen, der Ehegatte verfüge über Eigeneinkünfte (bis zu einer Grenze). Daraus folgt, dass die Grundbesoldung des Beamten nicht mehr so hoch bemessen sein muss, als ob er alleinverdienend wäre – der Partner wird gedanklich als Mitverdiener einbezogen  . Verheiratete Beamte behalten zwar dem Grunde nach ihren Anspruch auf den Familienzuschlag Stufe 1, aber die Höhe der zusätzlichen Unterstützung für eine klassische Alleinverdienerehe wird begrenzt und vom Partnereinkommen abhängig gemacht. Als Ausgleich für echte Alleinverdiener wird ein neuer „Familienergänzungszuschlag“ gezahlt  : Diesen erhält nur, wer tatsächlich mit einem nicht oder gering verdienenden Partner verheiratet ist. Die Schwelle wurde an die Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 Abs. 1a SGB IV) von ca. 6.456 € Jahreseinkommen angelehnt . Liegt das Partnereinkommen unter 6.000 € im Jahr, wird für begrenzte Zeit ein Zuschlag gewährt, dessen Höhe nach Besoldungsgruppe und Stufe gestaffelt ist  . Bei Doppelverdiener-Ehen entfällt dieser Ergänzungszuschlag, da hier eine Hinzuverdienstfamilie vorliegt. Wichtig: Für die Mindestabstandsberechnung zur Grundsicherung will das Land trotz des neuen Familienbilds formal weiterhin die Konstellation „verheirateter Beamter mit zwei Kindern“ zugrunde legen . Allerdings wird durch die Unterstellung eines fiktiven Partnereinkommens auf dem Papier der Abstand gewahrt, ohne die Besoldung entsprechend anzuheben .
Auswirkung: De facto läuft das Modell darauf hinaus, Ehegatteneinkünfte anzurechnen – etwas, das im Besoldungsrecht bislang fremd war. Für verheiratete Beamte, deren Partner ein normales Erwerbseinkommen haben, bedeutet es: Sie erhalten keinen zusätzlichen Ausgleich mehr dafür, dass sie eine Familie zu unterhalten haben, da ja unterstellt wird, beide verdienen. Die Besoldung dieser Beamten fällt somit im Vergleich zum früheren Modell niedriger aus, als sie es bei Fortführung des Alleinverdiener-Prinzips wäre. Nur Beamte, deren Partner gar nicht oder nur geringfügig arbeiten (z. B. Hausfrau/-mann oder Mini-Job), bekommen über den Familienergänzungszuschlag einen zeitweiligen Aufschlag. Insgesamt spart das Land so Besoldungskosten, besonders bei höheren Besoldungsgruppen, wo früher ein Familienzuschlag ins Gewicht fiel. Kritiker sprechen von einer versteckten Besoldungskürzung für Verheiratete, insbesondere solche mit klassischer Rollenaufteilung.
Argumente für mögliche Verfassungswidrigkeit: Dieses Hinzuverdienermodell wird in Fachkreisen äußerst kritisch gesehen. Die Hauptpunkte:
• Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG): Traditionell war die amtsangemessene Alimentation so bemessen, dass ein Beamter mit Familie (verheiratet, 2 Kinder) seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Indem nun ein fiktiver Zweitverdienst vorausgesetzt wird, könnte das Alimentationsniveau pro Beamter sinken. Es stellt sich die Frage, ob das Alimentationsprinzip dem Gesetzgeber erlaubt, bedarfsgemeinschaftliche Erwägungen wie im Sozialrecht anzustellen. Viele Experten verneinen das: Die Beamtenbesoldung ist statusabhängig, nicht bedarfsabhängig. Eine Anknüpfung an private Einkünfte des Ehepartners ist systemfremd. Udo di Fabio – selbst ehemaliger Verfassungsrichter – hat in einem Gutachten für NRW (das ein ähnliches Modell plant) klargestellt, dass ein solches fiktives Partnereinkommen verfassungswidrig ist . Der Staat dürfe nicht einfach „wenn die Decke zu kurz wird, an der bequemsten Stelle ziehen“ und die Alimentationslücke durch Unterstellung von Partnereinkünften schließen . Das Zitat verdeutlicht: Fehlt Geld zur verfassungsgemäßen Besoldung, muss der Gesetzgeber die Besoldung selbst erhöhen – er kann nicht die Lücke den Familienangehörigen zuschieben.
• Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG): Die Differenzierung nach Partnereinkommen berührt die Ehefreiheit. Bisher honorierte das Besoldungsrecht eine Eheschließung mit einem festen Zuschlag (unabhängig davon, ob der Gatte berufstätig ist oder nicht). Nun wird innerhalb der Gruppe der Verheirateten differenziert: Nur wer einen „Hausfrau/-mann“ daheim hat, bekommt noch einen nennenswerten Zuschlag. Dieses Signal könnte als Ungleichbehandlung von Eheformen gewertet werden – Doppelverdiener-Ehen gehen leer aus, Alleinverdiener-Ehen erhalten Geld. Zwar argumentiert das Finanzministerium, es liege keine Benachteiligung unverheirateter Beamter vor, da verheiratete Beamte ja weiterhin einen (ggf. kleinen) Familienzuschlag prinzipiell erhalten . Dennoch wird innerhalb der Ehe der traditionelle Versorgerehepartner schlechter gestellt als bisher. Kritiker befürchten einen Anreiz, dass beide Ehepartner arbeiten müssen, um keine finanziellen Einbußen zu haben – was als Eingriff in die familiäre Lebensgestaltung gesehen werden kann. Art. 6 GG garantiert jedoch den Schutz der unterschiedlichen Ehemodelle (Allein- vs. Doppelverdiener) gleichermaßen , so auch das Finanzministerium. Ob die Neuregelung diesem Gleichheitspostulat genügt, ist umstritten.
• Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG): Das Kriterium „Partner verdient über 6.000 € oder nicht“ spaltet die Beamtenschaft in neue Besoldungskategorien. Zwei Beamte derselben Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe erhalten unterschiedlich viel Netto, je nachdem ob der Ehepartner berufstätig ist. Ein solcher besoldungsfremder Faktor könnte als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bewertet werden, weil er nicht amtsbezogen ist. Die Verwaltung argumentiert, der Familienergänzungszuschlag sei gering und temporär, daher kaum entscheidungsrelevant für die Berufstätigkeit eines Partners . Doch allein die Einführung einer Bedürftigkeitsprüfung im Besoldungsrecht stellt einen Paradigmenwechsel dar, der verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist.
Verfahren und Kritik: Der Richterbund BW hat bereits angekündigt, gegen diese Neuregelung zu klagen . Auch der BBW sowie Lehrerverbände (GEW) beobachten die Umsetzung kritisch. In einem ersten Schritt verhandelte am 16. März 2025 das Verwaltungsgericht Karlsruhe über das neue System (genannt „Vier-Säulen-Modell“ inklusive Partnerverdienst-Aspekt) . Allgemein gehen Beobachter davon aus, dass die Sache das BVerfG beschäftigen wird, falls der Gesetzgeber nicht selbst nachbessert. Im Forum des öffentlichen Dienstes herrscht Konsens, dass das Modell keinerlei Bestand vor Karlsruhe haben dürfte . Auch NRW hatte ein analoges Modell geplant; dort hat das Finanzministerium nach dem Gutachten di Fabios die Umsetzung vorerst gestoppt. Es dürfte nun an den Gerichten liegen zu klären, ob die Alimentationspflicht des Staates eine solche „Bedarfsprüfung“ zulässt oder nicht. Bis dahin bleibt die Maßnahme umstritten.