Autor Thema: Fiktives Partnereinkommen - Sammelthread  (Read 799 times)

Hugo

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Fiktives Partnereinkommen - Sammelthread
« am: 15.12.2025 21:38 »
 Bitte hier Meinungen, Einschätzungen, Links, Urteile etc. sammeln. Werden wir vielleicht für die nächste Klage brauchen  ;) gerne auch Empfehlungen einer guten Kanzlei!

Angelsaxe

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Antw:Fiktives Partnereinkommen - Sammelthread
« Antwort #1 am: 16.12.2025 07:45 »
Da muss ich nachfragen: in welchem Zusammenhang?
Wir haben den Fall, dass meine Frau freiwillig in der GKV ist und ihr Beitrag an unserem gemeinsamen Einkommen gemessen wird. Aber das ist natürlich nicht fiktiv, sondern traurige Realität.  ::)
Mit der Berufung in das Beamtenverhältnis erlischt ein Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn.

MrX

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Antw:Fiktives Partnereinkommen - Sammelthread
« Antwort #2 am: 16.12.2025 08:04 »
Die Hinzurechnung eines fiktiven Partnereinkommens widerspricht dem Grundsatz der Ämterwertigkeit und verletzt alleine schon deshalb eine amtsangemessene Besoldung, da der Beamte nicht auf Unterhaltsansprüche gegen seine Angehörigen verwiesen werden kann. Die Alimentationspflicht betrifft den Beamten selbst, nicht den Partner; und Art. 6 GG verbietet es, familiäre Verhältnisse zur Entlastung des Staates heranzuziehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat dies eindeutig klargestellt. In der Entscheidung BVerfGE 44, 249 (Rn. 63–65) wird festgestellt, dass der Dienstherr seine Alimentationspflicht nicht durch Rückgriff auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Dritter kompensieren darf. Die Alimentationsverpflichtung ist personenbezogen und richtet sich ausschließlich an den Beamten.
Der Staat hat das Existenzminimum des Beamten eigenverantwortlich sicherzustellen.
Private Unterstützungsstrukturen oder Partnereinkommen dürfen nicht zur Entlastung des Dienstherrn herangezogen werden.
Damit ist jede Einbeziehung des Einkommens eines Ehe- oder Lebenspartners verfassungswidrig.

PS:

2 A 11745/17.OVG, Verfassungswidrigkeit der Besoldung A8 in Rheinland-Pfalz

https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001589656

Vielleicht wird bei dem Verfahren über die Thematik geurteilt.
« Last Edit: 16.12.2025 08:17 von MrX »


Hugo

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Antw:Fiktives Partnereinkommen - Sammelthread
« Antwort #4 am: 16.12.2025 11:01 »
edit-Vorwort:
Zwei Lesarten - ein Beschluss
Vielleicht erklaert sich ein Teil der aktuellen Missverstaendnisse dadurch, dass derselbe Beschluss mit sehr unterschiedlichen Erwartungshorizonten gelesen wird.

Die allgemeine Forumslesart ist nachvollziehbar normativ gepraegt: Man liest das Urteil als Fortschreibung verfassungsrechtlicher Massstaebe und fragt primaer danach, "Wat nu, Gesetzgeber? Was musst du tun?". In dieser Perspektive erscheint die neue Prekaritaetsschwelle als klare Anhebung der Untergrenze, das Thema Partnereinkommen als weitgehend erledigt und der Beschluss insgesamt als ein weiterer Schritt hin zu einer materiell spuerbaren Verbesserung der Alimentation.

Die Lesart eines Grundsaetzers ist strukturell eine andere. Dort wird ein solcher Beschluss weniger als Handlungsanweisung, sondern als neuer Rahmen mit definierten Bindungen und verbleibenden Spielraeumen gelesen. Die zentrale Frage lautet nicht, was rechtspolitisch wuenschenswert waere, sondern wo die verfassungsrechtlichen Leitplanken verlaufen und wie sich innerhalb dieser noch steuerungsfaehige Modelle begruenden lassen.
Bei einer Tagung in Bad Godesberg sagte einer aus dem BMF mal zu mir:
Urteile beenden keine ministeriellen Prozesse...sie strukturieren den naechsten Durchgang
find ich nach wie vor nach all den Jahren klasse :)

Trennung.

@alle Verfassungsblogleser hier im Forum
Der verlinkte Beitrag trifft einen wichtigen Punkt, allerdings weniger dort, wo viele jetzt reflexartig hinschauen. Entscheidend ist nicht die bloße Feststellung, dass die Prekaritaetsschwelle hoeher liegt als fruehere Mindestabstaende...denn das ist letztlich nur die rechnerische Konsequenz.
Spannend ist vielmehr, welche Denkrichtung das Gericht damit vorgibt und welche es bewusst offenlaesst :)

Die neue Schwelle zwingt den Gesetzgeber, sich nicht mehr hinter Existenzsicherungsargumenten zu verstecken. Gesellschaftliche Teilhabe als Massstab ist qualitativ etwas anderes und bislang ausschliesslich Lagerfeuerromantik. Gleichzeitig laesst das Gericht aber Raum fuer Typisierung, Vergleichsbetrachtungen und modellhafte Annahmen. Genau in dieser Spannung zwischen erhoehtem Anspruch und offener Ausgestaltung liegt der Kern des Problems und der Grund, warum von einem Befreiungsschlag keine Rede sein kann.

Das gilt insbesondere fuer die Frage des Partnereinkommens. Dass das BVerfG hier Entwicklungsoffenheit signalisiert, ist kein Freibrief, sondern eher eine Warnung: Wer versucht, die neue Schwelle ueber Haushaltsbetrachtungen „einzufangen“, bewegt sich sehr schnell an der Grenze zur Aufloesung der bilateralen Struktur des Dienstverhaeltnisses. Ob und wie weit das verfassungsrechtlich traegt, ist gerade nicht entschieden ...sondern vertagt.

Insofern wuerde ich den Beschluss weniger als Richtungsentscheidung im Detail lesen, sondern als Verschiebung der Argumentationslast. Der Gesetzgeber kann nicht mehr mit Minimalabstaenden operieren, er muss seine Modelle jetzt substantiell rechtfertigen. Dass er dabei versuchen wird, fiskalische Steuerungslogik, Typisierung und zeitliche Streckung weiterhin maximal auszureizen, ist keine Unterstellung, sondern Erfahrung.

Das Urteil macht es dem Gesetzgeber schwerer, aber nicht unmoeglich. Es erhoeht den Preis fuer schlechte Gesetze, garantiert aber keine guten. Unterschaetzt bitte nicht die Beharrungskraefte im Besoldungsrecht.

Um es mit Helmut Schmidt's Worten zu sagen:
"...denn das Grundgesetz erlaubt sowohl schlechte Politik als auch gute Politik.
Schlechte Politik ist nicht grundgesetzwidrig, die ist bloß schlecht."