Autor Thema: Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing  (Read 1334 times)

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LehrerBW

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #1 am: 05.10.2025 23:38 »
Artikel ist hinter einer Paywall 🤷‍♂️
Kann gar nichts zu sagen

Das hier ist sicher auch ein lustiger Artikel

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beamtenrecht-vom-glueck-der-staatlichen-alimentation.6d76a565-170e-464c-aab8-f0bb79a2b8fc.html
« Last Edit: 05.10.2025 23:46 von LehrerBW »

Thomber

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #2 am: 06.10.2025 11:45 »
Weiß jemand warum und wozu diese Zeitung die Beamten so basht?
Jüngstes Beispiel:
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beamtenbund-im-land-berufsbeamtentum-in-der-defensive.cbc0dcd8-f32e-4a89-b92e-46bda0cf6d1a.html

Weil der Verlag es so will bzw. so zu wollen hat.

Hortensie

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #3 am: 06.10.2025 12:08 »
Wo finde ich diese Artikel ohne eine Paywall?


Das Nachfolgende konnte ich noch lesen u. gerade dazu habe ich eine enorme Kritik (siehe unten):
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beamtenrecht-vom-glueck-der-staatlichen-alimentation.6d76a565-170e-464c-aab8-f0bb79a2b8fc.html
Zitat:
"Winfried Kretschmann sagte einmal, wenn die Leute Kenntnis hätten, welche Privilegien den Beamten zukämen, gebe es eine Revolution."
Ich höre nicht zum 1. Mal diese verquere Einstellung von Kretschmann, der offenbar nicht alle Regelungen für seine Landesbeamten kennt.

Dazu folgender aktuelle Fall:
in der letzten Woche kam ein Newsletter der Beihilfestelle.
Unten verlinke ich eine Fundstelle mit weiteren Links (bitte lesen, wer sich dafür interessiert).
Es geht u. a. darum, dass künftig Fahrkosten zur Physiotherapie u. zu Massagen generell nicht mehr bezahlt werden wie es auch andere Verschlechterungen bei den Fahrkosten gibt.
Da ich im Rollstuhl wegen einer Krankheit sitze, bei der gerade viel Physiotherapie, aber auch Massagen wichtig sind und ich nur mit dem Taxi oder dem Krankenwagen zu den Praxen solcher Therapeuten kommen kann, ist ein Ausschluss der Fahrkosten einem Ausschluss von Physiotherapie u. Massagen gleichzusetzen und wird dazu führen, dass ich viel schneller bettlägerig werde u. viel früher versterben werde.

ABER:
GKV-Versicherte bekommen aufgrund des § 60 SGB V i. V. mit der Krankentransport-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses weiterhin Fahrkosten (auch mit dem Taxi) für diese Behandlungen.

Die Beihilfe in Ba-Wü geht mit der Versagung solcher Fahrkosten erneut unter das Niveau der GKV wie sie dies bereits in anderen Fällen tut.

https://lbv.landbw.de/-/beihilfe-novelle-der-beihilfeverordnung

Ozymandias

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #4 am: 06.10.2025 13:29 »
Hilft nur bei der Regierung beschweren.

Gibt es da kein Merkzeichen aG oder evtl. H? -> Fahrtkostenpauschale in der Steuererklärung bei den außergewöhnlichen Belastungen wäre damit möglich.

Hortensie

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #5 am: 06.10.2025 14:13 »
Danke für die Antwort.

Ja, die Beschwerde will ich prüfen.

Bisher hat das aG auch für Fahrten zur Physiotherapie gegolten.
Nun werden ab 2026 Fahrten zur Physiotherapie u. zu Massagen ausdrücklich ausgenommen.

Ich kenne die Regelungen für die Steuer.

Das aG habe ich noch nicht, ebenso nicht Plfegegrad 3, trotzdem ich im Rollstuhl sitze u. meine Ärzte das aG für zutreffend halten.
Pflegegrad 3 werde ich noch beantragen.
Das aG wie auch der Pflegegrad 3 würden für andere Fahrkosten Beihilfe ermöglichen. Ich kann deswegen auch kaum mehr zum Arzt, weil ich ohne "aG" das Taxi selbst bezahlen müsste u. das würde echt teuer.

Dass für Fahrkosten aber nicht, wie in anderen Bundesländern teils üblich, eine ärztliche Bescheinigung ausreicht, ist mE sehr unbürokratisch.
Denn das aG wie auch der Pflegegrad hängen von jeweils anderen Institionen/Behörden ab.
Ggf. müsste man sogar 2 mal vor Gericht klagen, wenn beides abgelehnt wird!
Das aG hatte ursprünglich den Grund, dass man damit Behindertenparkplätze nutzen kann und nicht, um damit zu diversen Fahrkostenerstattungen zu kommen. Das kam meines Wissens erst später.

Was tun Menschen, die nicht Autofahren dürfen, WEIL sie schlecht sehen? Die bekommen dann nie Fahrkosten, weil sie gerade so noch laufen können?
Denn das Merkzeichen für Blinde bekommen nur die vollkommen Erblindeten.



Ozymandias

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #6 am: 06.10.2025 14:50 »
Was tun Menschen, die nicht Autofahren dürfen, WEIL sie schlecht sehen? Die bekommen dann nie Fahrkosten, weil sie gerade so noch laufen können?
Denn das Merkzeichen für Blinde bekommen nur die vollkommen Erblindeten.

Bei starker Sehbehinderung bis ca. Sehkraft von 5% gibt es Merkzeichen H. Weiß ich leider aus eigener Erfahrung im Bekanntenkreis. Da war es auch ein Kraftakt alle zustehenden Hilfen zu beantragen und tlw. einzuklagen.
Andere Bundesländer zahlen auch ein Landesblindengeld für Sehbehinderte, u.a. Bayern und Hessen. Nur das reiche BW kann sich das natürlich auch nicht leisten.  ::)

Die Beihilferegelung die dich hier jetzt neu betreffen wird, dürfte wohl kaum riesige Kosten verursachen. Noch ist es nur ein Entwurf, könnte man ggf. noch politisch aus dem Weg räumen, wenn man schnell handelt.

Neben Merkzeichen aG und PG3 wäre eventuell noch ein persönliches Budget möglich. Oder man könnte den Entlastungsbetrag der Pflege für eine Begleitung zu Arztterminen benutzen, falls diese ein Führerschein hat und ein passendes Fahrzeug vorhanden ist. Nur als grobe Idee.

Dann bleibt eben nur noch die steuerliche Schiene, höherer PG führt auch zu einem höheren Pflegepauschbetrag. Krankheitsbedingte Fahrtkosten können noch on top zu behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale kommen.
Bringt dann zumindest etwas finanzielle Linderung.

Hortensie

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #7 am: 06.10.2025 16:36 »
Danke für die Tipps.

Es ist parallel zu den oben angesprochenen Änderungen noch geplant, die Fahrkosten, dh auch die, die außerhalb des "wohnortnahen Bereichs von 30 km" liegen, vom Merkzeichen "aG" alternativ vom Pflegegrad 3 abhängig zu machen. Dh alle übrigen Fahrkosten sind dann nur beihilfefähig, wenn "aG" oder PG 3 vorliegt.
Bisher konnte man Fahrkosten für Arztfahrten außerhalb der 30km-Zone ohne Vorliegen des Merkzeichen aG oder des Pflegegrades 3 bekommen, wenn man mit ärztlichem Attest nachweisen konnte, dass es sich um die nächstgelegene Behandlungsmöglichkeit handelt. Das galt auch für Taxifahrten.
Ich hätte mit dieser Regelung einige Fahrkosten bekommen können.Taxifahrten bei Entfernungen von 50 km oder mehr betragen pro Hin- u. Rückfahrt leicht 350€ oder mehr. Ich muss wegen meiner Grunderkrankung häufiger an Behandlungsorte außerhalb der 30km-Zone.

Wenn beide geplanten Änderungen kommen, trifft es mich, aber auch viele andere in meiner Lage, besonders hart. Ich kann nicht mtl. Taxikosten von 1000 oder mehr Euro selbst bezahlen!


Das persönliche Budget würde erfordern, dass man sich selbst einen Helfer sucht u. Arbeitgeber "spielt". Das allein schreckt mich ab, weil ich ein großer Teil meiner Freizeit bereits mit den Anträgen bei Beihilfe u. PKV zubringen muss und ich Bürokratie mittlerweile so hasse wie die Pest.
Hinzu kommt, dass dieses Budget einkommensabhängig ist. Ich müsste dann wohl alle selbst bezahlten Krankheitskosten gegenrechnen. Das wäre ein zusätzlicher Zeitaufwand u. ich hätte dann nie die Zeit für Therapien, weil ich nur noch mit Bürokratie beschäftigt wäre.
Denn ich bin nicht mehr gesund und leistungsfähig und bin schon lange mit Beihilfe und PKV u. allem "drum herum" überfordert.

Der Entlastungsbetrag beträgt nur 131 Euro pro Monat. Damit kann ich keine Fahrten mit Begleitung finanzieren. Bei mind. 3 Stunden Abwesenheit (eher deutlich mehr) dürfte dieser Betrag nicht mal für eine Begleitung zum Arzt reichen. Denn man darf ihn nur für Mitarbeiter von zugelassenen Pflegediensten verwenden. Der Stundensatz liegt dort bei über 50€!
Dieser Stundensatz ist bei allen Pflegediensten ähnlich hoch.

Da ich aus gesundheitlichen Gründen früh pensioniert wurde, ist meine Pension gering und meine Steuerlast ebenso. Die steuerlichen Auswirkungen können mich daher nicht zu Ausgaben motivieren, die womöglich wegen Art 33 Abs 4 GG nicht von mir zu tragen wären.

Ich habe ein Urteil (BVerwG ?) im Hinterkopf, wonach vom Beamten für Krankheitskosten nicht Einkommen und Vermögen zu verwenden sind, wenn er die 30% nicht von der Beihilfe gedeckten Krankheitskosten über eine PKV-Versicherung abgedeckt hat und damit seiner Pflicht zur Vorsorge nachgekommen ist.
Aber womöglich galt dieses Urteil nur in dem verhandelten "Einzelfall" - wie es ja öfters der Fall ist.


LehrerBW

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #8 am: 14.10.2025 08:03 »
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beamtenbund-im-land-berufsbeamtentum-in-der-defensive.cbc0dcd8-f32e-4a89-b92e-46bda0cf6d1a.html

"Berufsbeamtentum in der Defensive   
06.10.2025 - 00:00 Uhr

Die Vorschläge zum Abbau von Beamten-Privilegien häufen sich. Zugleich hat der Beamtenbund in Baden-Württemberg Mühe, seine aktuell größten Wünsche durchzusetzen.
Da sagt doch der Chef einer großen Behörde in Baden-Württemberg mit Blick auf seine ausstehende Pension: Er habe gewusst, dass diese hoch sein werde – aber dass es „so viel“ sein wird, habe ihn nach der aktuellen Berechnung überrascht. Solche Unterschiede seien im Vergleich mit den gesetzlichen Rentenzahlungen kaum noch zu vermitteln, bekennt der Ruheständler in spe.

Somit wächst auch bei Betroffenen die Erkenntnis über Ungleichgewichte im Land – bei vielen Nicht-Beamten sowieso: Gemessen an dem vielstimmigen Unmut, den Staatsdiener-Privilegien wie die hohe Altersversorgung oder zuletzt der kinderbezogene Familienzuschlag nach sich ziehen, bläst den Staatsdienern der Wind direkt ins Gesicht. „Früher waren das Sommerloch-Debatten – in den vergangenen Monaten jedoch hat das Beamten-Bashing gar nicht mehr aufgehört“, klagt deren oberster Lobbyist in Baden-Württemberg, Kai Rosenberger. Angesichts von immer neuen Kürzungsideen frage er sich: „Ist der Beamtenstatus gar nichts mehr wert?“
„Massive verbale Angriffe gegen das Berufsbeamtentum“

Derzeit sei man „sehr in der Defensive“, sagt der Chef des Landesbeamtenbundes (BBW). Auch bundesweit gebe es „massive verbale Angriffe gegen das Berufsbeamtentum“ – etwa von Carsten Linnemann, dem CDU-Generalsekretär, der die Verbeamtung auf hoheitliche Aufgaben beschränken will. Sei es denn akzeptabel, „dass für eine gefühlte Gleichmacherei, die an den Stammtischen sicher gut ankäme, bei Tarifauseinandersetzungen die Schulen bestreikt werden und Unterricht ausfällt?“, fragt Rosenberger. Die Politik schaue nur noch, wie sie kostengünstig über die Runde komme. Dabei gerate der Beamte ins Visier, obwohl er auf lange Sicht „nicht oder nur unwesentlich teurer ist als der Tarifbeschäftigte“. Zudem hätten sich die Vorteile des Beamtenstatus auch außerhalb des hoheitlichen Bereichs bewährt.
„Die unsäglichen Angriffen auf das Berufsbeamtentum der letzten Wochen haben zu viel Verunsicherung bei den Kolleginnen und Kollegen geführt“, klagt der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes, Volker Geyer. Intern hat er neulich geschildert, dass sich in der Bundesregierung „keine echten Freunde des Berufsbeamtentums“ mehr fänden. Die Politik setze sich für die Funktionsfähigkeit des Staates, der Verwaltung und des öffentlichen Dienstes ein – doch sage niemand mehr, dass all dies ohne das Berufsbeamtentum nicht funktioniere. „Das ist neu und erschreckend“, findet Rosenberger. Vielleicht liege es am Generationenwechsel bei den Politikern. Früher seien auch mehr Volksvertreter aus dem öffentlichen Dienst ins Parlament gekommen.
Manuel Hagel ist der Hoffnungsträger des Beamtenbundes

Ausnahme und Lichtblick scheint der 37-jährige Ministerpräsidenten-Kandidat Manuel Hagel zu sein. Der habe unlängst gegenüber der BBW-Landesleitung im Namen der Landes-CDU „explizit Ja gesagt zum Berufsbeamtentum“ – da müsse der Beamtenbund keine Befürchtungen haben, so Hagel. Das wäre ein anderer Ton als von Amtsinhaber Winfried Kretschmann: Auch der Grüne hat häufig Wertschätzung für den öffentlichen Dienst geäußert, aus Sicht der Beamten-Lobby aber auch die Aufweichung des Beihilfesystems in der Krankenversicherung zugelassen. „Er war für mich nie der ganz große Freund der Berufsbeamten“, so Rosenberger.
Arbeitszeitverkürzung: Ministerien auf Tauchstation

Ein brandaktueller Prüfstein, wie es Grün-Schwarz mit den Beamten hält, ist die Arbeitszeit. „Unsere Priorität liegt auf der Absenkung der Wochenarbeitszeit von derzeit 41 Stunden.“ Nur wenn da keine Lösung in Sicht sei, „würde man das Lebensarbeitszeitkonto als Einstieg nehmen“. Seit Langem wird um diesen Dauerbrenner gerungen. Die beteiligten Ressorts halten sich bedeckt: Das Finanzministerium verweist ans Innenministerium – von dort heißt es: „Wir haben das Thema weiter auf der Agenda und sind in Gesprächen mit dem Koalitionspartner.“
Die Zeit wird knapp: Im März endet die Legislaturperiode. Und schon am 20. November tagt der Landeshauptverstand des Beamtenbundes. „Dort müssen die Fraktionsvorsitzenden von CDU und Grünen damit rechnen, dass ich ihnen Wortbruch vorwerfe“, sagt Rosenberger. „Das erwarten auch meine Leute von mir.“ Er glaubt durchaus, dass in den Ministerien politischer Druck zu spüren ist. Rund 200 000 aktive Beamte plus ähnlich viele Versorgungsempfänger sieht er als eine relevante Größe an.

Dennoch gibt es in der Regierung Widerstand speziell gegen die Idee des Innenministers, die Wochenarbeitszeit für Bedienstete, die 55 oder älter sind, vom Herbst 2026 an auf 40 Stunden zu reduzieren – auch weil dies viele Lehrer betreffen würde. Rosenberger mutmaßt: „Die versuchen sich irgendwie noch zu einigen, aber da wird wohl kaum etwas herauskommen, was wir euphorisch begrüßen können.“ Er befürchte eher, dass mit Verweis auf die Haushaltsnöte nur ein „alibimäßiger Einstieg“ verabschiedet werde."

LehrerBW

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #9 am: 14.10.2025 08:10 »
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beamtenrecht-vom-glueck-der-staatlichen-alimentation.6d76a565-170e-464c-aab8-f0bb79a2b8fc.html

"Vom Glück der staatlichen Alimentation   
01.10.2025 - 10:06 Uhr
Beamte erfreuen sich des Wohlwollens der Gerichte. Dort sind ihre Privilegien in guten Händen. Auch die Politik steckt voller Staatsdiener. Und das hat Folgen.

Winfried Kretschmann sagte einmal, wenn die Leute Kenntnis hätten, welche Privilegien den Beamten zukämen, gebe es eine Revolution. Der Ministerpräsident weiß, wovon er spricht, schließlich ist er selbst ein Beamter, nämlich Gymnasiallehrer. Dennoch kann er keinesfalls als intimer Freund des Beamtenwesens gelten. Als Mitglied der ersten Föderalismuskommission trat er vor zwei Jahrzehnten dafür ein, den Artikel 33 des Grundgesetzes zu streichen, mindestens zu reformieren. Dort steht: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“ Die Option des Fortentwickelns ist das Produkt von Kretschmanns einsamen Drängen – nur der damalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stand ihm seinerzeit zur Seite. Getan hat sich seitdem allerdings nichts, außer, dass im Zuge der Föderalismusreform das Beamtenrecht vom Bund auf die Länder übertragen wurde. In den Länderparlamenten tummeln sich jede Menge Beamte, die eisern darüber wachen, dass ihnen und ihresgleichen keine Unbill widerfährt.
Wütende Pensionäre im feinen Anzug

Das gilt auch für die Gerichte. Richter sind formal keine Beamte, das verlangt das Gebot der Unabhängigkeit, werden aber materiell so behandelt. Als Kretschmanns grün-rote Koalition (2011 bis 2016) wenige minimalinvasive Sparschnitte bei den Beamten vornahm, reagierten diese mit Rechtsmitteln und einer bizarren Protestkundgebung, bei der ältere Herren in gepflegten Anzügen, aber mit wutverzerrten Gesichtern jene Regierungsmitglieder niederbrüllten („Aufhören!“), die sie über den Beamtenbund selbst eingeladen hatten. In der Stuttgarter Liederhalle plärrten die Vuvuzelas. Die Gerichte kassierten die bescheidenen grün-roten Sparbeschlüsse umgehend ein.

Gerechtfertigt wird die Pflege von Beamtenreservaten regelmäßig mit Berufung auf die ominösen „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“, deren Herkunft aus dem vorrepublikanischen Obrigkeitsstaat gesichert ist. Vor Augen tritt der königlich preußisch-württembergisch-bayerische Eisenbahnstationsvorsteher, der allenfalls zum Schlafen, wenn er denn einmal dazu kam, die Uniform auszog. Schließlich hatte er eine Hausfrau sowie eine stattliche Schar von Kindern zu versorgen. Sein Dasein widmete er seinem Dienstherrn, dieser verpflichtete sich – unter anderem – zur Alimentation. Der Monarch gewährte ein Rundumsorglospaket, das als Gegenleistung den ganzen Mann verlangte, wenn nicht gar verschlang.
 Heute wird mitunter recht respektlos über das Beamtentum geredet; es ist sogar ein Quell von Witzen wie diesen: Frage: „Wann holt der Beamte alles aus sich heraus?“ Antwort: „Wenn er in der Nase popelt.“ Solch billige Scherze verkennen allerdings, dass es sich beim Beamtentum um eine geschichtsmächtige Formation handelt. Max Weber, der bedeutendste deutsche Soziologe, unterscheidet drei Formen der Herrschaft: die traditionale (feudale) Herrschaft, die charismatische Herrschaft (Negativbeispiel: Hitler) – und die bürokratische Herrschaft, die sich in der Verwaltung konkretisiert. Sie durchdringt mit den Mitteln der geistigen Rationalisierung immer mehr Lebensbereiche. Letztlich regiert die Bürokratie die Republik, sie verhält sich zur Politik wie die Bratwurst zum Senfaufstrich.

Umso wichtiger ist, dass die Verwaltung funktioniert, was mehr und mehr in Frage steht. Man muss dazu nicht allein auf die Bürgerbüros in Stuttgart schauen oder das Ausländeramt. Ein hoher Beamter des Landes klagte dieser Tage über die um sich greifende Entscheidungsschwäche in den Ministerien, deren Spitzenbeamte gut versorgt, aber verantwortungsscheu seien. Endlos kursierten die Vermerke, wenn irgend möglich, würden Themen, die Ärger eintragen könnten, weitergeschoben. „Selbstbewusste Ermessensentscheidungen sind Mangelware“, sagte der Fachmann. Als handlungsleitendes Prinzip nennt er die Vermeidung von Risiken. Dem entschlusslosen Beamten entspricht der rechtsschutzversicherte Bürger, der unerbetene staatliche Bescheide mit dem Anwalt beantwortet.
Filigran wie eine gotische Kathedrale

Beamte und Richter sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts so zu bezahlen und zu versorgen, dass die Bezüge „einen je nach Dienstrang, Bedeutung und Verantwortung des Amtes und entsprechender Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalt gewähren und als Voraussetzung dafür genügen, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann“.

Der hier zitierte Teilsatz gehört zu einem noch längeren Satzungeheuer, von dem man annehmen muss, dass Richter deshalb so formulieren, weil sie vermeiden wollen, dass ein Nichtjurist erfasst, was sie meinen. Tatsächlich ähnelt die Rechtsprechung zum Beamtenrecht einer filigran gebauten gotischen Kathedrale, die vom Einsturz bedroht erscheint, wenn nur ein Stein entfernt wird. Wenn zum Beispiel in den unteren Besoldungsgruppen – Beamte im einfachen Dienst gibt es beim Land kaum noch – der Abstand zur Grundsicherung schmilzt, dann reicht es nicht aus, dass dort die Bezahlung angehoben wird. Denn damit verringerte sich der Unterschied zum mittleren Dienst. Würde aber auch dort die Besoldung erhöht, dann verkürzten sich die Distanzen zum gehobenen Dienst und zum höheren Dienst. Was schlussfolgert ein Beamtenrechtler daraus? Genau: Allen Beamten steht eine höhere Besoldung zu. Dann bleiben die Lohnabstände im Gesamtgefüge intakt. Dieser Logik des „Mehr Geld für alle Beamten“ wollte das Finanzministerium in Stuttgart im Fall der viel kritisierten Anhebung des Familienzuschlags fürs dritte Kind aufwärts entkommen.
Apropos Familienzuschlag: Davon steht nichts im Grundgesetz, er ist Teil des vom Bundesverfassungsgericht weit ausgelegten Alimentationsprinzips. Ein Beamter, der verheiratet ist und/oder Kinder hat, darf demnach netto nicht weniger Geld zur Verfügung haben als ein lediger Beamter. Kinder zählen für Otto Normalverbraucher, finanziell gesehen, zum Lebensrisiko; nicht für Beamte. „Die Berücksichtigung der Kinderzahl bei der Besoldung ist daher kein ‚Beamtenprivileg‘, sondern Inhalt der geschuldeten Alimentation“, meinen die Karlsruher Verfassungsrichter. Das übliche Kindergeld gibt es natürlich obendrauf. Ungerecht sei das nicht, denn der Gesetzgeber könne ja Gleiches für alle Übrigen beschließen, finden die Richter. Woher das Geld dafür herkommen könnte, sagen sie nicht. So viel Chuzpe darf dann schon sein. Schließlich sind Richter unabhängig."

Thomber

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #10 am: 14.10.2025 08:22 »
Zitat
Lohnabstände
müssen unabhängig vom Beamtentum überall bestehen bleiben.


LehrerBW

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #11 am: 14.10.2025 10:01 »
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beamten-privilegien-akezeptanz-grenze.194ffa26-54cf-4f3e-a885-4cd4918cdb20.html

"Beamten-Privilegien   An den Grenzen der Akzeptanz   
18.09.2025 - 07:44 Uhr   , aktualisiert am 18.09.2025 - 10:58 Uhr

Warum sind Beamtenkinder dem Staat ungleich mehr wert als andere? Privilegien wie der wenig bekannte 1000-Euro-Zuschlag lassen sich kaum noch rechtfertigen, meint unser Kommentator.

Nehmen wir die beiden Senioren, die Tür an Tür im Pflegeheim wohnen. Ihre Lebenssituation gleicht sich, doch der eine ist Rentner und der andere Pensionär. Die Folge: während der erste für die Zuzahlung ans Ersparte oder das Eigenheim gehen muss, bleibt das beim zweiten unangetastet – der Staat erstattet ihm bis zu 2000 Euro monatlich mehr für die Kosten.

Oder die beiden Mädchen, die nebeneinander auf der Schulbank sitzen. Beide haben drei Geschwister, doch der Vater der einen ist Beamter und der der anderen Angestellter. Die Folge: zusätzlich zum Kindergeld bekommt die Beamtenfamilie in Baden-Württemberg fast 2000 Euro monatlich vom Staat – nämlich zweimal den Zuschlag von knapp 1000 Euro vom dritten Kind an.
Selbst Beamtenbund hat Bedenken

Ist es gerecht, wenn (einstige) Beamte, ihre Ehepartner und ihre Kinder dem Staat derart viel mehr wert sind als nicht beamtete Familien? Die Frage erhebt sich regelmäßig, wenn wenig bekannte Privilegien der Staatsdiener ins Blickfeld rücken und durch Zahlen konkret werden. „Kaum nachvollziehbar“, urteilt nicht nur der Steuerzahlerbund in der aktuellen Diskussion über den Zuschlag für kinderreiche Beamte. Auch der Beamtenbund im Land nennt die Bevorzugung durch die massiv erhöhten Zahlungen „gesellschaftspolitisch schwer erklärbar“, weshalb man einst vor diesem Weg gewarnt habe. Besser wäre es aus seiner Sicht gewesen, als Konsequenz eines Karlsruher Urteils die Grundbesoldung für alle zu erhöhen.

Bloß keine Neiddebatte – das ist sonst das Standardargument von Beamtenseite, wenn der Status und die damit verbundenen Vorteile hinterfragt werden. Jedem stehe es schließlich frei, selbst in den Staatsdienst zu streben. Und so attraktiv sei die Bezahlung offenbar gar nicht, sonst mangelte es in einigen Bereichen nicht an Nachwuchs. Zudem müsse man die Pflichten und Einschränkungen sehen, etwa das Streikverbot. Alles richtig – doch wenn selbst Beamtenlobbyisten kaum mehr vermittelbare Privilegien beklagen, scheinen die Grenzen der gesellschaftlichen Akzeptanz erreicht zu sein. Selbst das zuständige Landesfinanzministerium rechtfertigt sich eher kleinlaut, man sei zur Anhebung des Kinderzuschlags verfassungsrechtlich gezwungen gewesen.

Was ist „angemessener“ Beamten-Unterhalt?

Ein wenig Neid mag bei den Kritikern auch im Spiel sein. Aber die Vorzüge für Beamten haben teilweise ein Ausmaß erreicht, das dem Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen zuwiderläuft. Verstärkt wird das durch die aktuelle Debatte, wie viel Sozialstaat sich Deutschland noch leisten kann. Während Leistungen für Schwächere zur Disposition gestellt werden, scheinen die Privilegien der Staatsdiener zementiert. Dafür sorgt das aus der Verfassung abgeleitete Alimentationsprinzip, nach dem der Staat seinen Beamten und deren Familien einen „angemessenen“ Unterhalt zahlen muss. Was angemessen ist, definieren letztlich die Richter des Bundesverfassungsgerichts mit ihrem nahezu beamtengleichen Status – wie im Fall der kinderreichen Beamtenfamilien. Der Bund und vor allem die Länder haben es umzusetzen, mit bangem Blick auf die wachsenden Pensionslasten.

Kaum ein Politiker wagt es, die Privilegien der Beamten oder gar ihren Status zu hinterfragen. Als Winfried Kretschmann vor Jahren einmal an den „hergebrachten Grundsätzen“ des Berufsbeamtentums rütteln wollte, stand er schnell alleine da. Die seien „fortzuentwickeln“, heißt es; doch da passiert wenig. Wenn das Unverständnis über den Kinderzuschlag oder die Differenz bei der Pflege dazu führen würde, dass über das System dahinter etwas offener diskutiert wird, wäre schon einiges gewonnen."

Kann man schon von einer Kampagne der Stuttgarter Zeitung sprechen...neutrale Artikel findet man dort eigentlich nicht.

Hortensie

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #12 am: 16.10.2025 03:02 »
@LehrerBW

Danke für das Einstellen dieser Artikel.
Ich muss sie mir in den nächsten Tagen noch genauer durchlesen. Es ist jetzt zu spät dafür.

Ich erkenne darin, dass Kretschmann (als ehemaliger Gymnasiallehrer) glaubt, dass die Beamten zu viel verdienen. Ich hatte zuletzt die Grünen (im Bund) gewählt ...

Mit der Ankündigung der Änderung bei den erstattungsfähigen Fahrkosten bei der Beihilfe geht BW sogar unter das Niveau der GKV, wenn es um die Fahrkosten von Menschen geht, die im Rollstuhl sitzen. Denn Taxikosten werden nun durchgängig nur noch mit Merkzeichen aG oder Pflegegrad 3 erstattet, was man aber im Einzelfall auch nicht "auf Zuruf" bekommt, auch nicht, wenn man im Rollstuhl sitzt.
Auf keinen Fall sollen Fahrkosten zu Therapien (Physiotherapien u. Massagen) mehr erstattungsfähig sein, was für Rollstuhlfahrer bedeutet, dass sie diese Therapien nicht mehr in Anspruch nehmen können oder das nötige Taxi selbst bezahlen müssen. Auf dem Land sind aber die Entfernungen oft enorm weit und somit die Taxikosten enorm hoch.

Die Ausnahmeregelung des §8 Abs. 4 der Krankentransport-Richtlinie gibt es immerhin in der GKV und in einzelnen Beihilfevorschriften von Ländern u. Bund mit etwas anderen Formulierungen. BW hat diese Ausnahmeregelung auch nicht in der neuen BVO.
Siehe
https://lbv.landbw.de/-/beihilfe-novelle-der-beihilfeverordnung
und die dort verlinkten Fundstellen.

Finanzer

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Antw:Stuttgarter Zeitung - Beamtenbashing
« Antwort #13 am: 16.10.2025 10:59 »
So langsam kann man sich fragen, ob dieses Schmierenblatt kein Fall für den Deutschen Presserat ist.

Schätze mal von euren Gewerkschaften kommt mal wieder gar nichts hierzu?