Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 48828 times)

Rainer Hohn

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Gibt es denn Grund zur Hoffnung, dass das BVerfG in seiner Berliner Pilotentscheidung auch auf die Streichung der unteren Besoldungsgruppen eingehen wird bzw. hat sich denn schonmal ein VG in einer Richtervorlage zu diesem Thema geäußert? Als seinerzeit das BVerfG den Abstand von 15% zur Grundsicherung festgelegt hat, konnte es davon ausgehen, dass das niedrigste Amt keine besondere Qualifikationen voraussetzt. Wenn dies nun aber de facto nicht mehr der Fall ist,weil das Eingangsamt bei (je nacht DH) bei A4, A5 oder gar A6 liegt, müsste der Abstand zur Grundsicherung deutlich über 15% liegen.

lotsch

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Gibt es denn Grund zur Hoffnung, dass das BVerfG in seiner Berliner Pilotentscheidung auch auf die Streichung der unteren Besoldungsgruppen eingehen wird bzw. hat sich denn schonmal ein VG in einer Richtervorlage zu diesem Thema geäußert? Als seinerzeit das BVerfG den Abstand von 15% zur Grundsicherung festgelegt hat, konnte es davon ausgehen, dass das niedrigste Amt keine besondere Qualifikationen voraussetzt. Wenn dies nun aber de facto nicht mehr der Fall ist,weil das Eingangsamt bei (je nacht DH) bei A4, A5 oder gar A6 liegt, müsste der Abstand zur Grundsicherung deutlich über 15% liegen.

Das wäre schön. So viel, wie ich verstanden habe, geht das BVerfG nur darauf ein, was im Verfahren begründet wurde. Ich weiß nicht, ob das hier der Fall war.

NWB

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Hier wird gerade so viel in verschiedenen Topics geschrieben…
Dabei dauert es nur noch 3 Tage, bis das Urteil kommt!
Noch 3x schlafen und dann sind wir alle schlauer, als wir es jetzt je sein könnten

SwenTanortsch

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Berlin hat im gesamten weiteren Zeitraum, den das Bundesverfassungsgericht in den am kommenden Mittwoch veröffentlichten Entscheidungen betrachten wird (also auch noch bis Ende 2017), die Besoldungsgruppe A 4 als die niedrigste geregelt, lotsch. Damit war hier zunächst einmal weiterhin eine Besoldungsgruppe des einfachen Diensts Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung. Zum Jahresbeginn 28.2.2009 ist in der jeweils ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 2 - bis dahin Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung - und A 4 ein Grundgehalt von 1.474,59 € und 1.570,97 € gewährt worden. In der Endstufe der Besoldungsgruppe A 16 betrug das Grundgehalt 5.480,39 € (vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2008&matrix=1).

Auf dieser Basis kann man nun mehrere Betrachtungen anstellen, die jedoch in den Vorlagen nicht angestellt worden sind:

1. Der Abstand des Ausgangspunkts der Besoldungsstaffelung zur Eingangsbesoldung der Besoldungsgruppe A 4 lag bei 96,38 € bzw. 6,5 %. Entsprechend ließe sich jetzt argumentieren, dass ein entsprechend übergeleiteter Beamter gegenüber allen anderen Beamten bessergestellt worden ist, da er, ohne dass sich seine Qualifikation und seine Leistungsfähigkeit grundlegend verändert haben, nun ein um 6,5 % höheres Grundgehalt erhielt. Ob diese Ungleichbehandlung sich ohne Weiteres sachlich hat rechtfertigen lassen, sei dahingestellt, ist offensichtlich aber nicht gerichtlich angegriffen worden.

2. Der Abstand vom Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung zu ihrem Endpunkt in der genannten Besoldungsgruppe A 16 betrug am 28.2.2009 271,7 % und am 1.3.2009 - nun war die erste Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 4 der Ausgangspunkt - 248,9 %. Als Folge der Streichung der beiden Besoldungsgruppen A 2 und A 3 ist es folglich zu einer Stauchung der Besoldungssystematik gekommen, wodurch wir eine Abstandverringerung zwischen dem Ausgangs- und Endpunkt von 22,8 %P vorfinden. Der in der zwölften Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 16 eingruppierte Beamte ist zwar weiterhin im identischen Abstand zur Besoldungsgruppe A 4 besoldet worden, jedoch hat sich der Abstand zum Grundsicherungsniveau signifikant verringert, nämlich um jene 22,8 %P.

3. Das war offensichtlich weder vor dem Verwaltungs- noch vor dem Ober- und Bundesverwaltungsgericht ein Thema, weil der Abstand zum Grundsicherungsniveau - das Mindestabstandsgebot - erst nach 2020 seine heutige Sprengkraft entwickelt hat, eben wegen der Fehlbeträge, die Rallyementation hier dankenswerter Weise noch einmal zusammengestellt hat. Entsprechend dürfte diese Abstandsverkürzung mit einiger Wahrscheinlichkeit in der in der nächsten Woche veröffentlichten Pilotentscheidung kein grundlegend eigenes Thema sein, wobei auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Senat hierzu entsprechend äußern wird.

4. Denn in den letzten Jahren ist der Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung in den meisten Rechtskreisen zunehmend "nach oben" gewandert, was regelmäßig mit jeweiligen Schlechterstellungen der weiteren Besoldungsgruppen zum Grundsicherungsniveau einhergegangen ist. Dabei sollte das Folgende zu beachten bleiben. In der Rn. 48 seiner Entscheidung vom 4. Mai 2020 hat der Zweite Senat ausgeführt: "Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen."

Damit ist offensichtlich, dass eine Verletzung des Mindestabstandsgebots in den Besoldungsgruppen des einfachen Diensts bereits dazu führt, dass sich der Besoldungsgesetzgeber gehalten sieht, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen. Bereits in diesem Fall zeigt sich die Besoldungssystematik als nicht mehr konsistent, sodass ein neuer Ausgangspunkt zu bestimmen ist, auf dem nun eine wieder konsistente Besoldungssystematik fußen muss. Hier bleibt also, nachdem der neue Ausgangspunkt bestimmt ist, das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen zu beachten.

Diese Direktive ist nach 2020 in allen Rechtskreisen missachtet worden, sodass es m.E. im hohen Maße erstaunlich wäre, wenn der Zweite Senat sich hier nicht klarstellend äußern würde.

5. Dabei finden wir in Berlin ab dem 1. März 2009 zwar einen neuen Ausgangspunkt einer ansonsten nicht veränderten Besoldungssystematik (genau darin könnte sich ggf. eine gleichheitsverletzende Regelung finden lassen). Allerdings ist die Besoldungsgruppe A 4 ebenfalls eine, die der Laufbahn des einfachen Dienst zuzuordnen ist.

Anders sieht das aber für die Besoldungsgruppen i.d.R. ab A 7 aufwärts aus. Denn spätestens hier können wir - selbst wenn sie den Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung bilden sollten - keine unterste Besoldungsgruppe mehr voraussetzen, da die Besoldungsgruppen ab A 7 aufwärte auch dann mittlere bleiben, wenn unter ihnen keine Besoldungsgruppen mehr geregelt sein sollten. Denn eine Besoldungsgruppe, die der Laufbahn des (vormals) mittleren Diensts zuzuordnen ist, kann keine unterste sein, sondern ist ausnahmslos eine mittlere, so wie eine Besoldungsgruppe, die der Laufbahn des gehobenen Diensts zuzuordnen ist, nie eine einfache, mittlere oder höhere sein kann, sondern immer eine gehobene bleibt. Es dürfte von daher interessant werden, ob der Zweite Senat auch diesbezüglich Klarstellungen ausführt. Denn auch diese Gedanken finden sich nicht in den Vorlagen, sondern sind erst ab diesem Jahr in verschiedenen Stellungnahmen unter anderem in Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden, weil dem Autor dieser Stellungnahmen erst seit etwa Beginn des Jahres die argumentative Verbindung zwischen dem Laufbahnprinzip und dem Mindestabstandsgebot gelungen ist (auch hierzu gibt es leider bislang keine rechtswissenschaftliche Literatur). Für die nun vor der Veröffentlichung stehenden Entscheidungen sind diese Gedanken also ggf. zu spät gekommen.

Ergo: Vielleicht schon ab Mittwoch, spätestens in einer der nächsten Entscheidungen werden diese oder ähnliche Gedankengänge vom Zweiten Senat zu klären sein, schätze ich.

LehrerBW

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Gibt es denn Grund zur Hoffnung, dass das BVerfG in seiner Berliner Pilotentscheidung auch auf die Streichung der unteren Besoldungsgruppen eingehen wird bzw. hat sich denn schonmal ein VG in einer Richtervorlage zu diesem Thema geäußert? Als seinerzeit das BVerfG den Abstand von 15% zur Grundsicherung festgelegt hat, konnte es davon ausgehen, dass das niedrigste Amt keine besondere Qualifikationen voraussetzt. Wenn dies nun aber de facto nicht mehr der Fall ist,weil das Eingangsamt bei (je nacht DH) bei A4, A5 oder gar A6 liegt, müsste der Abstand zur Grundsicherung deutlich über 15% liegen.

Bei uns in Bade-Württemberg liegt das Eingangsamt mittlerweile sogar schon bei A7 😳

Maximus

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Mit dem Beschluss vom 04. Mai 2020 wurde das Land NRW verpflichtet, bis spätestens zum 31. Juli 2021 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen, also ca. 1 Jahr später.

Ich habe nun die Befürchtung, dass auch jetzt alle Bundesländer und der der BUND erst einmal auf das Land Berlin schauen werden, wie es reagiert und dann (in aller Ruhe) ihre Schlüsse ziehen. Aus meiner Sicht wird es daher für den BUND frühestens im nächsten Sommer einen neune Entwurf geben. Der BUND wäre dann sogar Vorreiter...es kann daher auch sein, dass es noch länger dauert und der BUND abwartet, wie die großen Bundesländer (z.B. Bayern) reagieren. 

Meine Hoffnung ist, dass das Land Berlin gezwungen wird, die Besoldung erheblich zu erhöhen und der BUND dann nachziehen muss, um nicht ins Hintertreffen zu geraten (direkte Konkurrenz zwischen Bundesbehörden und Berliner Verwaltung).

Ggf. kann hier BalBund eine Einschätzung abgeben, wann er mit einem neuen Entwurf rechnet. Alles hängt natürlich davon ab, dass die Bundesregierung hält...

BWBoy

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Gut, dass Ledig Kinderlos A10 dabei ist, dann haben wir endlich eine Antwort auf die Frage was das Grundgehalt bieten muss, und wie viel Trickserei man dem DH durch Familien- und Ortszuschläge noch zugesteht.

Beamtenhustler

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Die Server werden morgen hier so gnadenlos in die Knie gehen...
Bin IN im neuen 1400-Seiten-Thread. Mal gucken, wo wir dann 2030 landen.

Umzug 1

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Wem es gelingt die Erwartungshaltung zu dämpfen, kann u. U. mit positiven Ergebnissen rechnen, die das zu erwartenden Urteil beinhaltet.

Sputnik1978

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Mit dem Beschluss vom 04. Mai 2020 wurde das Land NRW verpflichtet, bis spätestens zum 31. Juli 2021 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen, also ca. 1 Jahr später.

Ich habe nun die Befürchtung, dass auch jetzt alle Bundesländer und der der BUND erst einmal auf das Land Berlin schauen werden, wie es reagiert und dann (in aller Ruhe) ihre Schlüsse ziehen. Aus meiner Sicht wird es daher für den BUND frühestens im nächsten Sommer einen neune Entwurf geben. Der BUND wäre dann sogar Vorreiter...es kann daher auch sein, dass es noch länger dauert und der BUND abwartet, wie die großen Bundesländer (z.B. Bayern) reagieren. 

Meine Hoffnung ist, dass das Land Berlin gezwungen wird, die Besoldung erheblich zu erhöhen und der BUND dann nachziehen muss, um nicht ins Hintertreffen zu geraten (direkte Konkurrenz zwischen Bundesbehörden und Berliner Verwaltung).

Ggf. kann hier BalBund eine Einschätzung abgeben, wann er mit einem neuen Entwurf rechnet. Alles hängt natürlich davon ab, dass die Bundesregierung hält...

Eine solche Konkurrenzsituation besteht schon (Bundesbehörden in Bonn/Köln vs. Landesbesoldung NRW). Insbesondere bei Familien mit Kindern ist der Bund hier seit 2022 im Hintertreffen.

DrStrange

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Was machen wir denn, wenn der Beschluss morgen genau in die entgegengesetzte Richtung ausfällt?

Kirk40

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Dem empfehle ich einen Blick nach Emden.

PolareuD

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Was machen wir denn, wenn der Beschluss morgen genau in die entgegengesetzte Richtung ausfällt?

„Ironie On“: Wir lassen uns alle in die letzte Hinterwäldlerpampa dieser Republik versetzen, wo wir noch für 5€/qm kalt eine Neubauimmobilie anmieten können und das Schnitzel in einem gut bürgerlichen Lokal noch unter 10€ kostet. Mehr wollen uns unsere jeweiligen Dienstherren eh nicht zugestehen.  ;) „Ironie Off“

LehrerBW

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Die Presse hat Wind von der vermeintlichen  Tragweite bekommen

"Verdienen Beamte in Deutschland zu wenig?

Das Bundesverfassungsgericht gibt am Mittwoch in mehreren Pilotverfahren bekannt, ob die Beamtenbesoldung teils zu niedrig ist. Die Kosten könnten in die Milliarden gehen."

https://www.spiegel.de/panorama/beamtenbesoldung-bundesverfassungsgericht-ueber-angemessenheit-der-beamtenbesoldung-a-7f23e354-c349-4911-9a0f-7dc52f0ef042

Und hier für die ohne Abo😉
https://archive.ph/Bt13P

DrStrange

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"Goiny schlägt deshalb vor, die Eingangsstufe ein weiteres Mal anzuheben, von A 5 auf A 6, und damit den sogenannten einfachen Dienst völlig abzuschaffen. »Das hätte man schon lange machen können«, sagt er, »dann hätten wir das Problem in Berlin zumindest nicht mehr.«"

LoL