Berlin hat im gesamten weiteren Zeitraum, den das Bundesverfassungsgericht in den am kommenden Mittwoch veröffentlichten Entscheidungen betrachten wird (also auch noch bis Ende 2017), die Besoldungsgruppe A 4 als die niedrigste geregelt, lotsch. Damit war hier zunächst einmal weiterhin eine Besoldungsgruppe des einfachen Diensts Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung. Zum Jahresbeginn 28.2.2009 ist in der jeweils ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 2 - bis dahin Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung - und A 4 ein Grundgehalt von 1.474,59 € und 1.570,97 € gewährt worden. In der Endstufe der Besoldungsgruppe A 16 betrug das Grundgehalt 5.480,39 € (vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2008&matrix=1).
Auf dieser Basis kann man nun mehrere Betrachtungen anstellen, die jedoch in den Vorlagen nicht angestellt worden sind:
1. Der Abstand des Ausgangspunkts der Besoldungsstaffelung zur Eingangsbesoldung der Besoldungsgruppe A 4 lag bei 96,38 € bzw. 6,5 %. Entsprechend ließe sich jetzt argumentieren, dass ein entsprechend übergeleiteter Beamter gegenüber allen anderen Beamten bessergestellt worden ist, da er, ohne dass sich seine Qualifikation und seine Leistungsfähigkeit grundlegend verändert haben, nun ein um 6,5 % höheres Grundgehalt erhielt. Ob diese Ungleichbehandlung sich ohne Weiteres sachlich hat rechtfertigen lassen, sei dahingestellt, ist offensichtlich aber nicht gerichtlich angegriffen worden.
2. Der Abstand vom Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung zu ihrem Endpunkt in der genannten Besoldungsgruppe A 16 betrug am 28.2.2009 271,7 % und am 1.3.2009 - nun war die erste Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 4 der Ausgangspunkt - 248,9 %. Als Folge der Streichung der beiden Besoldungsgruppen A 2 und A 3 ist es folglich zu einer Stauchung der Besoldungssystematik gekommen, wodurch wir eine Abstandverringerung zwischen dem Ausgangs- und Endpunkt von 22,8 %P vorfinden. Der in der zwölften Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 16 eingruppierte Beamte ist zwar weiterhin im identischen Abstand zur Besoldungsgruppe A 4 besoldet worden, jedoch hat sich der Abstand zum Grundsicherungsniveau signifikant verringert, nämlich um jene 22,8 %P.
3. Das war offensichtlich weder vor dem Verwaltungs- noch vor dem Ober- und Bundesverwaltungsgericht ein Thema, weil der Abstand zum Grundsicherungsniveau - das Mindestabstandsgebot - erst nach 2020 seine heutige Sprengkraft entwickelt hat, eben wegen der Fehlbeträge, die Rallyementation hier dankenswerter Weise noch einmal zusammengestellt hat. Entsprechend dürfte diese Abstandsverkürzung mit einiger Wahrscheinlichkeit in der in der nächsten Woche veröffentlichten Pilotentscheidung kein grundlegend eigenes Thema sein, wobei auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Senat hierzu entsprechend äußern wird.
4. Denn in den letzten Jahren ist der Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung in den meisten Rechtskreisen zunehmend "nach oben" gewandert, was regelmäßig mit jeweiligen Schlechterstellungen der weiteren Besoldungsgruppen zum Grundsicherungsniveau einhergegangen ist. Dabei sollte das Folgende zu beachten bleiben. In der Rn. 48 seiner Entscheidung vom 4. Mai 2020 hat der Zweite Senat ausgeführt: "Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen."
Damit ist offensichtlich, dass eine Verletzung des Mindestabstandsgebots in den Besoldungsgruppen des einfachen Diensts bereits dazu führt, dass sich der Besoldungsgesetzgeber gehalten sieht, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen. Bereits in diesem Fall zeigt sich die Besoldungssystematik als nicht mehr konsistent, sodass ein neuer Ausgangspunkt zu bestimmen ist, auf dem nun eine wieder konsistente Besoldungssystematik fußen muss. Hier bleibt also, nachdem der neue Ausgangspunkt bestimmt ist, das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen zu beachten.
Diese Direktive ist nach 2020 in allen Rechtskreisen missachtet worden, sodass es m.E. im hohen Maße erstaunlich wäre, wenn der Zweite Senat sich hier nicht klarstellend äußern würde.
5. Dabei finden wir in Berlin ab dem 1. März 2009 zwar einen neuen Ausgangspunkt einer ansonsten nicht veränderten Besoldungssystematik (genau darin könnte sich ggf. eine gleichheitsverletzende Regelung finden lassen). Allerdings ist die Besoldungsgruppe A 4 ebenfalls eine, die der Laufbahn des einfachen Dienst zuzuordnen ist.
Anders sieht das aber für die Besoldungsgruppen i.d.R. ab A 7 aufwärts aus. Denn spätestens hier können wir - selbst wenn sie den Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung bilden sollten - keine unterste Besoldungsgruppe mehr voraussetzen, da die Besoldungsgruppen ab A 7 aufwärte auch dann mittlere bleiben, wenn unter ihnen keine Besoldungsgruppen mehr geregelt sein sollten. Denn eine Besoldungsgruppe, die der Laufbahn des (vormals) mittleren Diensts zuzuordnen ist, kann keine unterste sein, sondern ist ausnahmslos eine mittlere, so wie eine Besoldungsgruppe, die der Laufbahn des gehobenen Diensts zuzuordnen ist, nie eine einfache, mittlere oder höhere sein kann, sondern immer eine gehobene bleibt. Es dürfte von daher interessant werden, ob der Zweite Senat auch diesbezüglich Klarstellungen ausführt. Denn auch diese Gedanken finden sich nicht in den Vorlagen, sondern sind erst ab diesem Jahr in verschiedenen Stellungnahmen unter anderem in Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden, weil dem Autor dieser Stellungnahmen erst seit etwa Beginn des Jahres die argumentative Verbindung zwischen dem Laufbahnprinzip und dem Mindestabstandsgebot gelungen ist (auch hierzu gibt es leider bislang keine rechtswissenschaftliche Literatur). Für die nun vor der Veröffentlichung stehenden Entscheidungen sind diese Gedanken also ggf. zu spät gekommen.
Ergo: Vielleicht schon ab Mittwoch, spätestens in einer der nächsten Entscheidungen werden diese oder ähnliche Gedankengänge vom Zweiten Senat zu klären sein, schätze ich.