Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 46572 times)



VierBundeslaender

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Puh
Zitat
Soweit der Senat bislang die Rechtmäßigkeit der Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber für sich genommen an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen (Begründungspflicht im Gesetzgebungsverfahren) geknüpft hat, die als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips neben die materielle Kontrolle getreten sind (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 139, 64 <126 f. Rn. 129>; 140, 240 <296 Rn. 112>; 149, 382 <395 Rn. 20>; 155, 1 <47 Rn. 96>), hält er daran nicht fest.

Vtdgfachangestellter

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Wie erhofft eine sehr deutliche Botschaft.

Was mich überrascht ist die Feststellung der Verfassungswidrigkeit bis hinauf in A16.

Jetzt erstmal in Ruhe auswerten. Klingt ja soweit erstmal sehr vielversprechend.

Böswilliger Dienstherr

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Wie erhofft eine sehr deutliche Botschaft.

Was mich überrascht ist die Feststellung der Verfassungswidrigkeit bis hinauf in A16.

Jetzt erstmal in Ruhe auswerten. Klingt ja soweit erstmal sehr vielversprechend.

Bisher sehr gute und deutliche Botschaft 95% von 2008 bis 2020 der Berliner Besoldung nicht mit GG vereinbar. So wie ich das sehe hat Karlsruhe seine Vorgaben erweitert, verfeinert, etwas verkompliziert aber gut verschärft. Alles nur grob auf den ersten Überblick. Es wird sehr interessant. Lasst uns eintauchen.

Böswilliger Dienstherr

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Vielen Dank an Fr. Prof. Dr. Färber und alle anderen:

"Auf die Bitte des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat Prof. Dr. Gisela
Färber, Professorin für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, insbesondere Allgemeine
Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft, Deutsche Universität für Verwaltungswis-
senschaften Speyer, die Jahresbruttobesoldungen für Berliner Beamte ermittelt sowie wei-
tere entscheidungserhebliche Daten zur Verfügung gestellt. Das Statistische Bundesamt
hat Daten zu Armutsgefährdungsschwellen übermittelt. Der Verband der Privaten Kranken-
versicherung e.V. hat Auskunft zur durchschnittlichen Höhe der Beiträge einer vierköpfigen
Familie für eine die Beihilfe nach dem Berliner Beihilferecht ergänzende private Kranken-
versicherung erteilt. Zudem haben der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, der Prä-
sident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und die Präsidentin des Verwal-
tungsgerichts Berlin die Anzahl der jeweils anhängigen Besoldungsverfahren mitgeteilt.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen."

VierBundeslaender

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Sie geben den 15%-Abstand auf
Zitat
Eine amtsangemessene Besoldung muss sicherstellen, dass die Beamten ihren Dienst mit voller Hingabe leisten können (a); das gelingt nur, wenn sie frei von existenziellen finanziellen Sorgen sind (vgl. BVerfGE 39, 196 <201 f.>), mithin ihre Besoldung ein Mindestniveau erreicht, das diesen Anforderungen entspricht (Gebot der Mindestbesoldung). Ein aussagekräftiger Indikator hierfür ist der Vergleich der Jahresnettobesoldung mit dem Median-Äquivalenzeinkommen (b). Die insoweit bestehende bessere Datenverfügbarkeit und Praktikabilität bei erheblich geringerem Ermittlungsaufwand rechtfertigen es, die in der Senatsrechtsprechung bisher vorgenommene aufwendige und kleinteilige Prüfung am Maßstab des Grundsicherungsniveaus fortzuentwickeln (c). Soweit Anlass hierfür besteht – insbesondere wenn die zur Prüfung stehenden Besoldungsgruppen dem unteren sowie mittleren Bereich der Besoldungsordnungen A zuzuordnen sind –, ist die Einhaltung des Mindestbesoldungsgebots vorab zu prüfen (d).

Ozymandias

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Immerhin hat man es eingesehen, dass man sich mit der Begründungspflicht und dem Rumgerechne mit der Grundsicherung schwer verrannt hat.

Das 80% Medianniveau mal schnell zur Einordnung verglichen:

https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001547248  Rn 270 26 K 129/23

115% Grundsicherung

2016: 34.886,08
2017: 35.015,04

Prekaritätsschwelle Rn 117 2 BvL 5/18 u.a. -
2016   33.961,91 Euro
2017   35.598,70 Euro

Interessanterweise für 2016 ist die Prekaritätsschwelle leicht unter der 115% Grenze. Dafür 2017 leicht darüber.

Für das Jahr 2020 ca. 2k Abstand, die Prekaritätsschwelle ist da höher. 
« Last Edit: 19.11.2025 10:23 von Ozymandias »

HansGeorg

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Gemini 3 hat für mich das Urteil analysiert und mir persönlich berechnet, dass ich in den letzten Jahren mit meinem individuellen Gehalt (A8) insgesamt ca. 63.000€ unter der 80% Schwelle gelegen habe. Ohne zu berücksichtigen, dass es ja unter den Besoldungsgruppen auch noch aufsteigend differenziert werden muss.

Böswilliger Dienstherr

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RN 61!

Soweit der Senat bislang die Rechtmäßigkeit der Festlegung der Besoldungshöhe
durch den Gesetzgeber für sich genommen an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen
(Begründungspflicht im Gesetzgebungsverfahren) geknüpft hat, die als „zweite Säule“ des
Alimentationsprinzips neben die materielle Kontrolle getreten sind (vgl. BVerfGE 130, 263
<302>; 139, 64 <126 f. Rn. 129>; 140, 240 <296 Rn. 112>; 149, 382 <395 Rn. 20>; 155, 1
<47 Rn. 96>), hält er daran nicht fest.

Einigung2023

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Hier sieht man, dass das Schreiben vom BMI leider nichts Wert sein wird bezüglich der Nachzahlungen.

„Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat eine verfassungskonforme Regelung innerhalb der aus dem Tenor ersichtlichen Frist zu treffen. Angesichts der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ist eine rückwirkende Behebung nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren und hinsichtlich derjenigen Beamten erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein förmliches Widerspruchs- oder Klageverfahren schwebt; entscheidend ist, dass sich die Beamten zeitnah gegen die Höhe ihrer Besoldung mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dadurch kann dem Haushaltsgesetzgeber nicht unklar geblieben sein, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 155, 1 <76 Rn. 183>).“

Matze1986

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Hier sieht man, dass das Schreiben vom BMI leider nichts Wert sein wird bezüglich der Nachzahlungen.

„Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat eine verfassungskonforme Regelung innerhalb der aus dem Tenor ersichtlichen Frist zu treffen. Angesichts der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ist eine rückwirkende Behebung nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren und hinsichtlich derjenigen Beamten erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein förmliches Widerspruchs- oder Klageverfahren schwebt; entscheidend ist, dass sich die Beamten zeitnah gegen die Höhe ihrer Besoldung mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dadurch kann dem Haushaltsgesetzgeber nicht unklar geblieben sein, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 155, 1 <76 Rn. 183>).“

Naja...ich glaube ja an das Gute... ;-)
Hier hat sich das BMI quasi selbst gebunden, indem es darauf verzichtet hat, dass "seine" Beamte Widerspruch einlegen müssen.
Das war in Berlin nicht der Fall.

Böswilliger Dienstherr

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Kurz mit ChatGPT eingedampft. Prise Salz dabei und selber lesen immer besser. Aber es ist wirklich ein langer Brocken.

•   Das BVerfG setzt eine klare Mindestgrenze für Beamtenbesoldung:
Unter 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens einer typisierten Familie ist die Besoldung verfassungswidrig unterhalb der Prekaritätsschwelle.
•   Es ordnet seine Prüfung neu:
(1) Mindestbesoldung → (2) Fortschreibung → (3) Rechtfertigung,
mit konkreten Indikatoren für Unteralimentation.
•   Die Berliner A-Besoldung 2008–2020 fällt im Ergebnis durch:
etwa 95 % der geprüften Konstellationen sind verfassungswidrig, nur einige höhere Besoldungsgruppen bestehen den Test.
•   Berlin muss bis 31.03.2027 neu regeln; die alten Normen bleiben bis dahin grundsätzlich anwendbar.
•   Rückwirkende Nachzahlungen gibt es in erster Linie für:
•   Kläger der Ausgangsverfahren und
•   Beamte, die sich zeitnah und mit ordentlichen Rechtsbehelfen gegen ihre zu niedrige Besoldung gewehrt haben.

qou

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RN 70:
Das Bundesverfassungsgericht geht – jedenfalls auf der Grundlage des vom Berliner Besoldungsgesetzgeber für den Prüfungszeitraum gewählten Besoldungsmodells – grundsätzlich davon aus, dass der Gesetzgeber die Besoldung so bemessen wollte, dass eine vierköpfige Familie durch einen Beamten als Alleinverdiener amtsangemessen unterhalten werden kann, ohne dass es weiterer Einkommensquellen – etwa einer Nebentätigkeit oder der Erwerbstätigkeit des Ehegatten – bedarf (vgl. BVerfGE 155, 1 <24 Rn. 47>; Blackstein/Diesterhöft, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 153 <189>).



Wie ist das für Bundesländer zu bewerten, die ein Partnereinkommen eingeführt haben?


Reisinger850

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Meine KI sagt zu Familienzuschlägen:
• Schwerpunkt: Hier wird betont, dass der Spielraum des Gesetzgebers nicht beliebig ist, aber flexibel genug, um Elemente wie den Familien-zuschlag zu nutzen. Dieser Zuschlag (der in Berlin derzeit niedriger ausfällt als in anderen Bundes-ländern) wird als „legitime Ergänzung" dargestellt, die die Grundbesoldung nicht „verdeckt, sondern die reale Lebenshaltungskosten einer Familie abbildet. Im Gegensatz zu kritisierten Zulagen (siehe Rn. 78) darf er in die Gesamtbemessung einfließen, ohne die Unabhängigkeit der Beamten zu gefährden.
• Bedeutung für Zuschläge allgemein: Rn. 92 grenzt sich implizit von der Kritik an „kaschieren-den" Zuschlägen ab (wie in Rn. 78). Der Familien-zuschlag wird als verfassungskonform gelobt, solange er transparent und indexiert ist. Das Gericht verweist auf Vergleichswerte aus and V Landern (z. B. Bayern oder NRW, wo der Zuschlag Höher ist"

NRW kann doch aber nicht ernsthaft als Positivbeispiel herangezogen werden, wenn man bei zwei Kindern bis zu 800€ netto mehr bekommt?