Alleine diese beiden Sätze lassen leider weiterhin auf fundamentale "Lücken" bezüglich eines zumindest rudimentären Verständnisses der BVerfG-Rechtsprechung schließen. Daher nochmals in extrem komprimierten Worten:
1.) Vorabprüfung
- Im Ergebnis hätte die Bruttobesoldung des untersten 4K-Beamten im letzten Jahr grob bei 5.000 € liegen müssen (Annahme: Bayerisches MÄE).
- Unter der Annahme, dass das BVerfG eine massive Erhöhung des Familienzuschlags von 18,3% auf 35% (im Verhältnis zur Grundbesoldung) akzeptieren würde, hätte die Bruttobesoldung des untersten Single-Beamten entsprechend bei rund 3.700 € liegen müssen.
- Und nochmal: Das ist die einzige "Mechanik", die für die Besoldung des untersten Single-Beamten im Rahmen der Vorabprüfung relevant ist!
Zum einen wird auch in den Leitsätzen Bezug zum Medianeinkommen genommen. So steht im Leitsatz 7:
Eine die Unabhängigkeit des Beamten sichernde Freiheit von existenziellen finanziellen Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hinreichenden Abstand zu einem ihn (und seine Familie) [Klammern von mir] treffenden realen Armutsrisiko sicherstellt. Dies ist nur der Fall, wenn das Einkommen die Prekaritätsschwelle von 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens erreicht (Gebot der Mindestbesoldung)Jetzt schauen wir uns mal die Familienzuschläge des Bundes, des Landes Bayern und NRW.
Für Verheiratete gibt es aktuell 171,28 € und erhöht sich für das erste und zweite Kind um je 146,38 €
In NRW gibt es eine Familienzuschlag für Ehefrau und zwei Kinder in der höchsten Mietenstufe von über 1670 EUR. Die Argumentation ist dort ins Leere gelaufen, weil die 30 % nur in Mietenstufe I gelten und darüber hinaus das quasi als Ortszuschlag gilt. Außerdem sind 1670 EUR bei dem kleinsten Beamten zwar über 35 %, bei dem best bezahltesten aber unter 20 %.
https://www.finanzverwaltung.nrw.de/system/files/media/document/file/familienzuschlaege_ab_01.02.25.pdfAuch in Bayern werden die Familienzuschläge nach Mietenklassen differiert und sind teilweise enorm.
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayBesG-ANL_5Es scheint so, als wenn das Modell von NRW oder Bayern bundesweiter Vorreiter sein könnte. Es gibt bisher keine Rechtsprechung, die diese Familienzuschläge als verfassungswidrig angesehen hätte. Ganz im Gegenteil soll das BVerfG diese Modelle aus NRW und Bayern im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gelobt haben.
Daher bin ich eher pragmatisch veranlagt und überlege, was passiert, wenn der Bund die Besoldung des Landes NRW oder Bayern als Vorbild nehmen würde. Dann würde im Extremfall sogar gar keine Erhöhung der Grundbesoldung erforderlich sein. Ich halte das Szenario, dass NRW als Vorbild genommen wird, für alles andere als abwegig. Ob dann 2035 das BVerfG auch das wieder über den Haufen wirft, kann dahingestellt sein. Es wird erstmal so kommen, alleine schon, weil es zunächst die günstigste Lösung zu sein scheint und nur so das Problem der Überalimentierung von Beamtenfamilien vermieden werden kann, weil nur einem Beamten der Familienzuschlag zustehen dürfte. Außerdem wurden bei der Gesetzesbegründung seinerzeit die Familienzuschläge ins Verhältnis zur
durchschnittlichen Grundbesoldung gesetzt und da waren die Familienzuschläge im Durchschnitt
nicht über 30 %. Das Land NRW hat somit die 30 % nicht absolut für jeden einzelnen Beamten gesehen, sondern einen Durchschnitt für alle Beamte gebildet.
Und da versuche ich jetzt, dem Urteil doch irgendwas zu entnehmen, was Hinweise darauf geben könnte, wie hoch denn nicht nur die Grundalimentation in der letzten EF sein müsste, sondern auch in der ersten. In Bayern und NRW wurde, wie oben beschrieben, ein Ortszuschlag in den Familienzuschlag integriert. Familienzuschläge treten aber nur dazu, wenn mindestens ein weiteres Familienmitglied dazu tritt.
Und dieser Abstand kann ja immer nur dann gewahrt werden, wenn auch der Single in dem denkbar höchsten MÄE auch immer mindestens 80 % davon bekommt. So leite ich das zum einen an dem Urteil her und dem Leitsatz nach 7.
Darüber hinaus wurde die Hauptstadtzulage im Urteil zumindest angesprochen, darin sehe ich im weitesten Sinne ein Orbiter Dictum. Das ist für mich ein Hinweis, dass die Hauptstadtzulage nicht dazu geeignet sein kann, eine
Grundbesoldung über die Armutsschwelle zu heben.
Deine Betrachtung würde dazu führen, dass der am schlechtesten bezahlte 4K Beamte in Schwerin deutlich über dem dortigen Medianeinkommen liegen würde. Das halte ich für ausgeschlossen. Es wird auf gar keinen Fall eine Erhöhung der Mindestbesoldung in dieser Größenordnung geben.
Daher gehe ich eher davon aus, dass Zuschlagsorgien demnächst in allen Rechtskreisen nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein werden.
Auch erschließt sich mir nicht, wieso für Bundesbeamte das Medianeinkommen von Bayern gelten soll. Kannst Du das näher erläutern?