@Gruenhorn, ich habe genauso gerechnet wie das BVerfG. Auch dort werden direkt die Indizes verglichen. Konkretes Beispiel A15 in Berlin im Jahr 2020: Der Besoldungsindex A15 hatte den Wert 144,35 (Rn. 124) und der Tariflohnindex E15 den Wert 150,82 (Rn. 128). Der Besoldungsindex lag also exakt 4,28988% unter dem Tariflohnindex (1 - 144,35/150,82). Und genau dieser Wert (4,29%) steht auch in Rn. 132.
Hier muss ich zustimmen und widersprechen. Deine Beobachtung ist richtig und liegt daran, dass der Unterschied zwischen den Zahlen in diesem Fall nicht besonders groß ist. Die Berechnungsvorschrift des BVerfG liefert folgendes Ergebnis, dass sich nicht groß von deinem unterscheidet: (150,82-144,35)/150,82*100=4,28988...
Versuche das aber mal bei etwas größeren Differenzen: (150-120)/150*100=20 die direkte Subtraktion der Indices liefert hingegen 30.
Dein letzter Satz liefert doch ein treffliches Beispiel, warum ich die Berechnungen des BVerfG für mathematischen Nonsens halte. Das BVerfG definiert in Rn. 86 die Abweichung zwischen Tariflohnindex T und Besoldungsindex B in Prozent als
Abweichung = (T – B) / T * 100,
also wäre für T = 150 und B = 120 die Abweichung gleich 20 %. Das sehe ich ausdrücklich nicht so. Der Tarif hat sich im Zeitraum um 50 % erhöht, die Besoldung dagegen nur um 20 %. Damit liegt die Besoldungserhöhung schon absolut um 30 Prozentpunkte hinter der Tariferhöhung, relativ gesehen werden nur 40 % der Tariferhöhung erzielt, mithin liegt die Besoldungserhöhung um ganze 60 % hinter der Tariferhöhung zurück. Das ist für mich die korrekt berechnete Abweichung, nicht 20 %. Um meine Gedanken argumentativ zu untermauern, forme ich mal die Berechnungsvorschrift um:
(T – B) / T * 100 soll kleiner als 5 sein
(T – B) / T * 100 < 5
T – B < 0,05 T
B – T > -0,05 T
B > 0,95 T
Der Tariflohnindex T setzt sich aus dem Istzustand 100 und einer Erhöhung dT in Prozent zusammen, analog ist B = 100 + dB. Also:
100 + dB > 0,95 * (100 + dT)
dB > 0,95 dT – 5Das heißt: Die Tariferhöhung in Prozent muss für die Besoldung nur zu 95 % übernommen werden, zusätzlich darf die Besoldungserhöhung sogar noch um weitere 5 Prozentpunkte (!) niedriger ausfallen, also z.B. eine 10%-ige Tariferhöhung resultiert laut BVerfG nicht mindestens in einer 9,5%-igen Besoldungserhöhung, sondern 4,5 % wären auch ausreichend usw. Wenn seit 1996 der Tariflohn konstant geblieben wäre, hätte man die Besoldung sogar um 5 % kürzen dürfen. Und wenn seit 1996 die Tariflöhne um 10 % gesunken wären, hätte man die Besoldung sogar um ganze 14,5 % kürzen können.
Die Berechnung in in Rn. 86 könnte wie folgt geheilt werden:
a) Für T > 100 berechne die
Abweichung = (T – B) / (T – 100) * 100 und fordere Abweichung < 5. Dies sorgt dafür, dass die Tariferhöhungen zu mindestens 95 % auf die Besoldung übertragen werden.
b) Für T <= 100 fordere B >= T. Dies sorgt dafür, dass die Besoldung nicht überproportional höher als die Tariflöhne gekürzt werden kann.
Der Fehler liegt meines Erachtens darin, dass das Gericht zwar von einer Besoldungsentwicklung und Entwicklung des Tariflohnindex schreibt, tatsächlich aber nicht die Entwicklungen (prozentuale Erhöhungen), sondern ganze Indizes (Grundzustand 100 zuzüglich prozentuale Entwicklung) miteinander vergleicht.
Besonders abstrus ist, dass das BverG laut Rn. 90 „Diese Schwelle ist nicht erst dann überschritten, wenn die Abstände ganz oder im Wesentlichen eingeebnet werden, sondern schon dann, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>; 155, 1 <23 Rn. 45>).
Die Berechnung der Besoldungshöhe erfolgt wie bei der Erstellung des Besoldungsindex. Somit ist nicht allein die Höhe der Grundgehaltssätze maßgeblich.“ auch für das besoldungsinterne Abstandsgebot das gleiche Rechenschema verwendet, jedenfalls verstehe ich den fett hervorgehobenen Satz so. Dazu kommt noch die sprachliche Unschärfe. Man weiß weder, ob das Gericht relative Abstände in Prozent (einzig sinnvoll) oder absolute Abstände in € meint, noch ist klar, ob nur zwei benachbarte Besoldungsgruppen wie A16 und A15 oder auch zwei beliebige Besoldungsgruppen wie A16 und A9 miteinander ins Verhältnis gesetzt werden dürfen.
Nehmen wir mal ein fiktives Beispiel: Im Jahre x betrage die Besoldung für A1 2.500 € und für A2 2.700 €. Im Jahr x+5 habe die um 10 % auf 2.750 € angehobene Besoldung von A1 sogar die gleich gebliebene Besoldung von A2 überschritten. So wie ich das Gericht verstanden habe, wird wie folgt gerechnet.
Jahr x:A1-Besoldung 2.500 € entspricht A1-Index von 100,00
A2-Besoldung 2.700 € entspricht A2-Index von 100,00
Jahr x+5:A1-Besoldung 2.750 € entspricht A1-Index von 110,00
A2-Besoldung 2.700 € entspricht A2-Index von 100,00
Abweichung(A2, A1) = (A1-Index – A2-Index) / A1-Index * 100 = (110,00 – 100,00) / 110,00 * 100 = 9,10
Die 10%-Grenze wird also nicht gerissen, folglich ist das Abstandsgebot zwischen A1 und A2 eingehalten. Das darf nie und nimmer so sein! Die A2-Besoldung ist doch jetzt um 50 € / 2700 € = 1,85 % niedriger als die A1-Besoldung. Damit ist der Vorsprung von 10 % auf -1,85 % gesunken und damit um (10 % – (-1,85 %)) / 10 % = 118,52 % abgeschmolzen worden.
Ich rechne wie folgt: Im Jahr x war die A2-Besoldung um 8 % höher als die A1-Besoldung. Folglich darf der Vorsprung nicht um mindestens 10 % auf 7,2 % oder noch weniger absinken. Das heißt, wenn im Jahr x+5 die A1-Besoldung 2.750 € beträgt, muss die A2-Besoldung 2.750 € * 1,072 = 2.948 € überschreiten.
Anders als beim Tariflohn- und Besoldungsindex, wo 100 % Tarif zwar nicht exakt gleich 100 % Besoldung sind, aber vom Niveau her entsprechen, kann man die Systematik mit auf 100 normierten Indizes nicht auf den besoldungsinternen Vergleich anwenden. 100 % A1 entsprechen nicht 100 % A2, das sind unterschiedliche Niveaus. Was man stattdessen machen kann, ist, die relativen Abstände zu indizieren. Der Abstand von A1 zu A2 im Jahre x ist (A2 – A1) / A1 = A2/A1 – 1 = 8 %. Dieser Abstand A2/A1 – 1 wird indiziert, der Abstand 8 % entspricht dem Index 100,00. Dieser darf innerhalb von 5 Jahren nicht auf den Index 90,00 absinken, welcher einem Abstand von 7,2 % entspricht.