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Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H => TVöD Kommunen => Thema gestartet von: Addams am 11.05.2020 21:05

Titel: AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Addams am 11.05.2020 21:05
Folgendes Szenario:

Ein Arbeitnehmer ist nach intensiver Auseinandersetzung mit den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung der Meinung, dass die Wertigkeit seiner auszuübenden Tätigkeiten höher ist, als die Stellenbewertungskommission in ihrem Ergebnis als Rechtsmeinung vertritt. Die Aufforderung, ein Gehalt entsprechend der angestrebten Entgeltgruppe zu bezahlen, blieb erwartungsgemäß unbeantwortet. Da er aufgrund dieser vermuteten fehlerhaften Rechtsmeinung ein niedrigeres Gehalt ausgezahlt bekommt, als ihm seiner Meinung nach zusteht, bleibt als einziger Weg der Klärung eine Eingruppierungsfeststellungsklage.

Nun hat dieser Arbeitnehmer das Angebot, ab sofort ein neues und besser vergütetes Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber zu beginnen. Aufgrund der langjährigen Tätigkeit beim alten Arbeitgeber würde die Kündigungsfrist allerdings 6 Monate zum Quartalsende betragen. Selbst bei einem großzügigen Entgegenkommen des bisherigen Arbeitgebers, die Kündigungsfrist per Aufhebungsvertrag auf 3 Monate zu verkürzen, entstünde dem Arbeitnehmer weiterhin jeden Monat ein Einkommensverlust aufgrund des (bisher nur vermuteten) Eingruppierungsirrtums. Daher entschließt sich der Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis ab sofort fristlos zu kündigen. Als Begründung hierfür führt er die Verletzung der Hauptpflicht des Arbeitgebers an, welche in der korrekten Vergütung der Arbeitsleistung besteht, was laut Meinung des Arbeitnehmers nicht der Fall ist.

Wie würde es hier nun weitergehen, falls der Arbeitgeber beschließt, gegen diese fristlose Kündigung juristisch vorzugehen? Ich weiß aus anderen Beiträgen im Forum hier, dass es generell wohl sehr schwierig für den Arbeitgeber wäre, im Falle einer nicht fristgerechten Kündigung erfolgreich zu klagen, da nicht nur nachgewiesen werden muss, dass dadurch ein Schaden entstanden ist, sondern dass dieser auch genau beziffert werden muss. Für dieses dargestellte Szenario gehen wir aber davon aus, dass der Arbeitgeber diesen Schaden genau beziffern könnte. Müsste dann aber trotzdem zuerst die tatsächliche Eingruppierung durch das Gericht ermittelt werden, um festzustellen, ob die Kündigung korrekt oder fehlerhaft war?

Vielen Dank!
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 11.05.2020 21:20
Der AN wäre, wenn der AG Kündigungsschutzklage erhebt, in der Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Wenn der AG das Entgelt der Entgeltgruppe zahlt, von dem die Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag ausgegangen sind, daß es die zutreffende seining sich die auszuübende Tätigkeit nicht verändert hat, läge ein solcher nur dann vor, wenn es sich um einen sehr deutlichen Eingruppierungsirrtum handelte.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Addams am 11.05.2020 21:34
Vielen Dank schon mal für die Antwort. Was entspräche einem sehr deutlichen Eingruppierungsirrtum? In dem Szenario vertritt der Arbeitgeber die Rechtsmeinung einer Eingruppierung in E8, die angestrebte und tatsächliche Eingruppierung laut Entgeltordnung ergäbe aber eine E9b. Da es sich hierbei nur um zwei Entgeltgruppen Differenz handelt, klingt das erst mal nicht nach einem sehr deutlichen Eingruppierungsirrtum, gerade weil eben noch das Steigerungswort "sehr" (deutlich) bedient sein müsste.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 11.05.2020 21:50
Das würde ich nicht zwingend an der Zahl der Entgeltgruppen festmachen, sondern an der Offenkundigkeit des Irrtums. Es muß sich ja um eine gravierende Pflichtverletzung handeln. Die kann ja nur schwerlich vorliegen, wenn neben dem AG auch PR/BR und vor allem auch Du ebenfalls zu der Beurteilung kamen, daß die im Arbeitsvertrag genannte Eingruppierung zutreffend sei.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 11.05.2020 23:05
@Addams steht in deinem Arbeitsvertrag eine Entgeltgruppe?
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Carnie am 12.05.2020 09:00
Wäre rein formell vor der fristlosen Kündigung nicht erst eine Abmahnung an den Arbeitgeber zu stellen mit der Aufforderung der korrekten Bezahlung ? 
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Britta2 am 12.05.2020 09:05
Hat der aktuelle AG Interesse daran, diesen AN unbedingt behalten zu wollen (Schikane)?
Besser für beide Seiten wäre mMn doch eine Aufhebungsvertrag.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 09:19
Seit wann ist das Bestehen auf die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung Schikane?
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 13:35
Seit wann ist das Bestehen auf die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung Schikane?
Schikane ist es wenn man einen Aufhebungsvertrag nicht zustimmt, obwohl man keinen betriebliche Notwendigkeit und keinen nutzen dadurch hat, sondern eher nur Kosten.

Denn erstens wird erfahrungsgemäß oftmals ein Mitarbeiter, dem das widerfährt nicht mehr die Arbeitsleistung erbringen, die er vorher erbracht hat, die oftmals über der geschuldeten lag.
Zweitens fallen bei solchen Menschen oftmals unerklärliche psychosomatische Erkrankung an, so das sie keine Arbeitsleistung mehr erbringen können.
Drittens gibt es dann auch noch MA, die vertragsbrüchig werden und nicht mehr die geschuldete Arbeitsleistung erbringen und zum no Performer mutieren.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: FGL am 12.05.2020 13:38
Denn erstens wird erfahrungsgemäß oftmals ein Mitarbeiter, dem das widerfährt nicht mehr die Arbeitsleistung erbringen, die er vorher erbracht hat, die oftmals über der geschuldeten lag.
Zweitens fallen bei solchen Menschen oftmals unerklärliche psychosomatische Erkrankung an, so das sie keine Arbeitsleistung mehr erbringen können.
Drittens gibt es dann auch noch MA, die vertragsbrüchig werden und nicht mehr die geschuldete Arbeitsleistung erbringen und zum no Performer mutieren.
Dann ist es aber nicht der AG, der die Schikane betreibt...
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 13:45
Seit wann ist das Bestehen auf die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung Schikane?
Schikane ist es wenn man einen Aufhebungsvertrag nicht zustimmt, obwohl man keinen betriebliche Notwendigkeit und keinen nutzen dadurch hat, sondern eher nur Kosten.

Denn erstens wird erfahrungsgemäß oftmals ein Mitarbeiter, dem das widerfährt nicht mehr die Arbeitsleistung erbringen, die er vorher erbracht hat, die oftmals über der geschuldeten lag.
Zweitens fallen bei solchen Menschen oftmals unerklärliche psychosomatische Erkrankung an, so das sie keine Arbeitsleistung mehr erbringen können.
Drittens gibt es dann auch noch MA, die vertragsbrüchig werden und nicht mehr die geschuldete Arbeitsleistung erbringen und zum no Performer mutieren.

Recht braucht Unrecht nicht zu weichen - das ist keine Schikane. Das Bestehen auf das Einhalten von Verträgen auch nicht, unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung basieren darauf, daß Verträge einzuhalten sind.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 14:19
Dann ist es aber nicht der AG, der die Schikane betreibt...
Richtig.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Philipp am 12.05.2020 14:37
Schikane ist es wenn man einen Aufhebungsvertrag nicht zustimmt, obwohl man keinen betriebliche Notwendigkeit und keinen nutzen dadurch hat, sondern eher nur Kosten.

Ein Aufhebungsvertrag ist freiwillig. Im TVÖD ist die Kündigungsfrist klar gestaffelt - wer hat hier das Wort "Schikane" ins Spiel gebracht?

Eine Planstelle - ich unterstelle mal, dass es sich hier um eine handelt - ist betrieblich Notwendig. Die Behörde benötigt diese Personalie um ihren Pflichten nachzukommen. Die Neubesetzung erfordert ja ebenfalls Zeit und Aufwand durch die Behörde.

Schikane wäre es höchstens, wenn der potentielle Nachfolger bei gleicher Eignung höher eingruppiert würde  ;D aber das will ich mal nicht prognostizieren.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 15:06
Recht braucht Unrecht nicht zu weichen - das ist keine Schikane. Das Bestehen auf das Einhalten von Verträgen auch nicht, unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung basieren darauf, daß Verträge einzuhalten sind.
Natürlich kann das Schikane sein.
Auch rechtmäßiges Verhalten kann Schikane sein.
Unnötig jemanden Schwierigkeiten zu bereiten nur aus Böswilligkeit o.ä. ist nun mal Schikane.
Ob dies hier der Fall ist, wissen wir nicht.

@Phillip: Es kann Schikane sein, muss es aber nicht.
In diesem Fall scheint der AG ja bereit zu sein dem AN (3 statt 6 Monate) entgegen zukommen, da würde ich jetzt nicht Schikane vermuten.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 15:08
Es ist lediglich dann Schikane, wenn die Ausübung eines Rechts nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen, siehe §226 BGB.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 15:15
Und inwiefern sollte das die Wortbedeutung von Schikane berühren.
Maßnahme, durch die jemandem unnötig Schwierigkeiten bereitet werden nennt man Schikane.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: FGL am 12.05.2020 15:32
Maßnahme, durch die jemandem unnötig Schwierigkeiten bereitet werden nennt man Schikane.
Und inwiefern soll das hier der Fall sein? Der AG kann den Arbeitsplatz für gewöhnlich nicht in Nullzeit ohne Qualitätsverlust nachbesetzen. Lehnt er einen Aufhebungsvertrag ab, verbleibt ihm bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein eingearbeiteter Mitarbeiter. Insofern kann ich keine "Schikane" erkennen, denn für den AG ergibt sich durch dieses Handeln ein Vorteil. Dass dieser Vorteil negiert wird, wenn der AN sich vertragswidrig verhält, ist kein Argument.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 15:47
Und inwiefern sollte das die Wortbedeutung von Schikane berühren.
Maßnahme, durch die jemandem unnötig Schwierigkeiten bereitet werden nennt man Schikane.

„Man“ kratzt sich auch in der Öffentlichkeit am Arsch oder an den Eiern. „Man“ sagt auch „Expresso“ zu Espresso. „Man“ ist häufig zu ungebildet, um die Bedeutung des Wortes „Regime“ jenseits seines pejorativen Gebrauchs zu kennen. Was „man“ tut, ist schlicht keine Richtschnur.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: dahofa am 12.05.2020 15:48
Die tariflichen Kündigungsfristen sind unmißverständlich und gelten für beide Vertragspartner. Das unternehmerische Risiko trägt der AG und wenn "unnötige Kosten" entstehen, dann ist das die Entscheidung des AG.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 16:22
Und inwiefern sollte das die Wortbedeutung von Schikane berühren.
Maßnahme, durch die jemandem unnötig Schwierigkeiten bereitet werden nennt man Schikane.

„Man“ kratzt sich auch in der Öffentlichkeit am Arsch oder an den Eiern. „Man“ sagt auch „Expresso“ zu Espresso. „Man“ ist häufig zu ungebildet, um die Bedeutung des Wortes „Regime“ jenseits seines pejorativen Gebrauchs zu kennen. Was „man“ tut, ist schlicht keine Richtschnur.
Wenn „man“der Duden ist, dann ist das durchaus eine Richtschnur.
Und wenn „man“die Mehrheit ist, dann ist dies die Wortbedeutung im Deutschen.
Und wenn „man“der Meinung ist Expresso zu einem caffè zu zu sagen, dann ist das genauso dämlich wie Espresso dazu zu sagen.
Aber wenn die Mehrheit das so will, dann wir auch irgendwann das Gleiche dasselbe sein.


und deswegen ist eben die Bedeutung von Schikane, das was da oben steht. Da kann auch ein BGB nichts gegen machen.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 16:26
Eine wie auch immer geartete Mehrheit ist völlig unbeachtlich. Maßgeblich ist, was das Gesetz sagt, wenn es um ein Rechtsthema geht.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 16:32
Maßnahme, durch die jemandem unnötig Schwierigkeiten bereitet werden nennt man Schikane.
Und inwiefern soll das hier der Fall sein?
Hier wäre es der Fall, wenn man auf die 6 Monate ohne Not pochen würde. Ist es aber nicht.
Zitat
Der AG kann den Arbeitsplatz für gewöhnlich nicht in Nullzeit ohne Qualitätsverlust nachbesetzen.
Ein Arbeitgeber sollte einen gewöhnlichen Mitarbeiter jederzeit ohne Qualitätsverlust für einen überschaubaren Zeitraum ersetzen können, denn der AN kann von heute auf morgen versterben...
 

Zitat
Lehnt er einen Aufhebungsvertrag ab, verbleibt ihm bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein eingearbeiteter Mitarbeiter. Insofern kann ich keine "Schikane" erkennen, denn für den AG ergibt sich durch dieses Handeln ein Vorteil. Dass dieser Vorteil negiert wird, wenn der AN sich vertragswidrig verhält, ist kein Argument.
Das ist richtig, nur seltenst der Fall, dass das die Motivation des AGs ist, wenn er einen Aufhebungsvertrag ablehnt.

Der AG kann sich auch dadurch einen Nachteil reinholen, in dem er plötzlich einen MA hat, der sich nur noch aufs peinlichste vertragskonform verhält.

In dem obigen Fall sehe allerdings keine Schikane bzgl. der Kündigung, da der AG ja wohl 3 statt 6 Monate anbietet.
Da sehe ich eher die Schikane beim MA, dass er sofort weg will, weil er eine andere Meinung von der Entlohnung hat.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 16:34
Eine wie auch immer geartete Mehrheit ist völlig unbeachtlich. Maßgeblich ist, was das Gesetz sagt, wenn es um ein Rechtsthema geht.
Und obiges ist unbeachtlich, wenn es um Kommunikation und Wortbedeutungen und Wortanwendungen geht.
Es handelt es sich hier im Forum nicht alles Rechtsthemen.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 16:41
In den Fachunterforen sehr wohl - so auch hier.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 12.05.2020 16:45
Steht wo geschrieben?
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 16:59
Im Startbeitrag - der TE wollte eine Einschätzung einer rechtlichen Angelegenheit. Nach dem, was „man“ so tut, hat er nicht gefragt.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: FGL am 12.05.2020 17:05
Hier wäre es der Fall, wenn man auf die 6 Monate ohne Not pochen würde. Ist es aber nicht.
Warum sollte "Not" der Maßstab sein? Der AG könnte diese sechs Monate noch die Arbeitsleistung eines eingearbeiteten Mitarbeiters abfordern, was keine "Not", aber einen legitimen Grund darstellt.

Ein Arbeitgeber sollte einen gewöhnlichen Mitarbeiter jederzeit ohne Qualitätsverlust für einen überschaubaren Zeitraum ersetzen können, denn der AN kann von heute auf morgen versterben...
Das ist realitätsfern. Dazu müsste der AG Mitarbeiter als Springer in der Hinterhand haben, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften, Geschäftsprozessen, ggf. Fachverfahren usw. eingearbeitet sind. Auf diese Möglichkeit muss sich der AG nicht verweisen lassen.
 
Das ist richtig, nur seltenst der Fall, dass das die Motivation des AGs ist, wenn er einen Aufhebungsvertrag ablehnt.
Das ist die naheliegende Motivation.

Der AG kann sich auch dadurch einen Nachteil reinholen, in dem er plötzlich einen MA hat, der sich nur noch aufs peinlichste vertragskonform verhält.
Ich sehe keinen Nachteil darin, dass der AG die vertraglich geschuldete Leistung erhält.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Organisator am 12.05.2020 17:14
Das ist realitätsfern. Dazu müsste der AG Mitarbeiter als Springer in der Hinterhand haben, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften, Geschäftsprozessen, ggf. Fachverfahren usw. eingearbeitet sind. Auf diese Möglichkeit muss sich der AG nicht verweisen lassen.

Nein, das ist ein Prinzip der Bürokratie und genau dafür hält der Arbeitgeber Vertreter bereit.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: FGL am 12.05.2020 17:25
Nein, das ist ein Prinzip der Bürokratie und genau dafür hält der Arbeitgeber Vertreter bereit.
Da reden wir von Urlaubs- und Krankheitsvertretung. Das ist eine ganz andere Nummer als den Laden bis zur Einstellung eines nicht eingearbeiteten Nachfolgers am Laufen zu halten, weil der AG den Stelleninhaber vorzeitig aus dem Vertrag gelassen hat.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Brownyy am 12.05.2020 19:31
Folgendes Szenario:

Ein Arbeitnehmer ist nach intensiver Auseinandersetzung mit den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung der Meinung, dass die Wertigkeit seiner auszuübenden Tätigkeiten höher ist, als die Stellenbewertungskommission in ihrem Ergebnis als Rechtsmeinung vertritt. Die Aufforderung, ein Gehalt entsprechend der angestrebten Entgeltgruppe zu bezahlen, blieb erwartungsgemäß unbeantwortet. Da er aufgrund dieser vermuteten fehlerhaften Rechtsmeinung ein niedrigeres Gehalt ausgezahlt bekommt, als ihm seiner Meinung nach zusteht, bleibt als einziger Weg der Klärung eine Eingruppierungsfeststellungsklage.

Nun hat dieser Arbeitnehmer das Angebot, ab sofort ein neues und besser vergütetes Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber zu beginnen. Aufgrund der langjährigen Tätigkeit beim alten Arbeitgeber würde die Kündigungsfrist allerdings 6 Monate zum Quartalsende betragen. Selbst bei einem großzügigen Entgegenkommen des bisherigen Arbeitgebers, die Kündigungsfrist per Aufhebungsvertrag auf 3 Monate zu verkürzen, entstünde dem Arbeitnehmer weiterhin jeden Monat ein Einkommensverlust aufgrund des (bisher nur vermuteten) Eingruppierungsirrtums. Daher entschließt sich der Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis ab sofort fristlos zu kündigen. Als Begründung hierfür führt er die Verletzung der Hauptpflicht des Arbeitgebers an, welche in der korrekten Vergütung der Arbeitsleistung besteht, was laut Meinung des Arbeitnehmers nicht der Fall ist.

Wie würde es hier nun weitergehen, falls der Arbeitgeber beschließt, gegen diese fristlose Kündigung juristisch vorzugehen? Ich weiß aus anderen Beiträgen im Forum hier, dass es generell wohl sehr schwierig für den Arbeitgeber wäre, im Falle einer nicht fristgerechten Kündigung erfolgreich zu klagen, da nicht nur nachgewiesen werden muss, dass dadurch ein Schaden entstanden ist, sondern dass dieser auch genau beziffert werden muss. Für dieses dargestellte Szenario gehen wir aber davon aus, dass der Arbeitgeber diesen Schaden genau beziffern könnte. Müsste dann aber trotzdem zuerst die tatsächliche Eingruppierung durch das Gericht ermittelt werden, um festzustellen, ob die Kündigung korrekt oder fehlerhaft war?

Vielen Dank!

Wo wäre denn ein tatsächlicher Grund für eine fristlose Kündigung? eine unterschiedliche Meinung zur Eingruppierung ist es nicht. Zumindest liegt kein sittenwidriger Vertrag vor. Somit hätte ein Arbeitnehmer vor Gericht keine Chance. Ohne Eingruppierungsfeststellungsklage besteht in diesem Fall doch nicht einmal eine Grundlage.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 12.05.2020 19:45
Der AG verstößt auch ohne Eingruppierungsfeststellungsklage gegen seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wenn er nicht entsprechend der Eingruppierung vergütet, weil er über selbige irrt, da TB stets entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit eingruppiert sind und sich aus dieser unmittelbar der Entgeltanspruch ergibt. Bräuchte der AN so wie der AG einen Kündigungsgrund, so hätte er wohl einen. Es ist aber eben unter normalen Umständen kein hinreichender Grund für eine fristlose Kündigung.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Addams am 12.05.2020 21:38
Kurz zur Klarstellung: Es handelt sich hierbei wie im Startbeitrag geschrieben um ein Szenario, also eher ein "Was wäre wenn...?", und soll nur dazu dienen, auch mal nicht alltägliche, aber durchaus mögliche Fälle zu klären. Ich finde das Tarifrecht und das Thema Eingruppierung sehr interessant, und möchte einfach etwas meinen Horizont erweitern.

Zum Szenario: Ich gehe davon aus, dass die zugrundeliegende Konstellation (Arbeitgeber irrt zu Ungunsten des Arbeitnehmers über die korrekte Eingruppierung) verhältnismäßig häufig auftritt, und immerhin geht es hier ja zumindest auf den ersten Blick um eine arbeitgeberseitige Verletzung der Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, was unter Umständen eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer rechtfertigen würde. Die meisten Arbeitnehmer scheuen aber eine Eingruppierungsfeststellungsklage, aber um diese kommt man dann wohl im Falle einer fristlosen Kündigung nicht herum, sofern der Arbeitgeber die Beweislast im Rahmen einer Kündigungsschutzklage auf den Arbeitnehmer überträgt.

Sehr interessant ist hierbei natürlich auch folgender Hinweis:
Zitat von: Spid
Es muß sich ja um eine gravierende Pflichtverletzung handeln. Die kann ja nur schwerlich vorliegen, wenn neben dem AG auch PR/BR und vor allem auch Du ebenfalls zu der Beurteilung kamen, daß die im Arbeitsvertrag genannte Eingruppierung zutreffend sei.

Ich bin bisher davon ausgegangen, dass generell bereits ein Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, sobald der Arbeitgeber seine Hauptpflicht schon im geringen Umfang (beispielsweise ein Irrtum bei der Stufenzuordnung innerhalb einer Entgeltgruppe) verletzt. Dem ist dann eben nicht so, wenn alle beteiligten Vertragspartner die vereinbarte Eingruppierung bei Vertragsunterzeichnung akzeptieren, egal wie irrtümlich diese zu diesem Zeitpunkt schon war. Wieder etwas gelernt, danke!



Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: 2strong am 13.05.2020 01:19
Das Erfordernis eines wichtigen Grundes bedeutet in diesem Kontext, dass das Abwarten einer Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Wenn man sich nun schon eine ganze Weile - unterschwellig oder lauthals - über die ggf. unzulässige Vergütung geärgert hat, den vermeintlichen Trumpf einer außerordentlichen Kündigung aber erst in dem Moment auszuspielen bereit ist, in dem man ein besseres Arbeitsangebot vorliegen hat, spricht das gegen das Vorliegen einer Untumutbarkeit.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 13.05.2020 11:50
Nein, das ist ein Prinzip der Bürokratie und genau dafür hält der Arbeitgeber Vertreter bereit.
Da reden wir von Urlaubs- und Krankheitsvertretung. Das ist eine ganz andere Nummer als den Laden bis zur Einstellung eines nicht eingearbeiteten Nachfolgers am Laufen zu halten, weil der AG den Stelleninhaber vorzeitig aus dem Vertrag gelassen hat.
Ein AG, der damit rechnet, dass ein AN mal ein paar Monate ungeplant ausfällt.
Stimmt realitätsfern!
Damit nicht zu rechnen ist dann aber selbstverschuldetes Leid und ein Organisationsversagen .
Insofern: Darin sind ja viele öD AG sehr gut drin.  ;D
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: WasDennNun am 13.05.2020 11:53
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass generell bereits ein Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, sobald der Arbeitgeber seine Hauptpflicht schon im geringen Umfang (beispielsweise ein Irrtum bei der Stufenzuordnung innerhalb einer Entgeltgruppe) verletzt. Dem ist dann eben nicht so, wenn alle beteiligten Vertragspartner die vereinbarte Eingruppierung bei Vertragsunterzeichnung akzeptieren, egal wie irrtümlich diese zu diesem Zeitpunkt schon war. Wieder etwas gelernt, danke!
Und selbst wenn es später erst einem bekannt wird, hat kann man nicht beliebig lange warten, um dann fristlos zu kündigen. Das hätte dann auch sofort passieren müssen.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Britta2 am 13.05.2020 17:00
Sorry, weil ich das Wort Schikane ins Spiel brachte.
Auch unsere Stellen sind natürlich nicht täglich neu besetzbar. Aber auch bei uns gab es just mehrmals bei derselben Stelle Nöte. Da ging eine Kollegin in die Babypause und ihr Ersatz schmiss bereits 2 Wochen mit knallender Tür hin plus "ich bin auch schwanger und ab morgen krank" hin. Drittbesetzung unmöglich, somit leere Stelle mit Tätigkeitsübertragung auf andere Mitarbeiter. Was sich dann über 3 Jahre hinzog. Und es ging.

Ich hatte überlesen, dass wohl bereits die Option Auflösungsvertrag angesprochen war.
Der AG hat seine Zustimmung auf 3 statt 6 Monate bereits gegeben.
Dann würde ich es trotz Frust als AN akzeptieren. Das gebietet der reine Anstand.
Würde der AG auf 6 Monaten bestehen und der Wechsel damit ggf nicht mehr möglich sein, weil die neue Stelle mitlerweile besetzt ist, DANN wäre es Schikane und die Antwort wären Urlaubsanträge und Krankenscheine. Allerdings trotzdem gleich 2x Jobverlust. Das wünscht man niemandem.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 13.05.2020 17:14
Krankenscheine wurden bereits vor geraumer Zeit durch die Versichertenkarte ersetzt.

Ansonsten gilt: pacta sunt servanda, wer die lange Kündigungsfrist des TVÖD nicht wollte, hätte eine abweichende vereinbaren müssen.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: dahofa am 14.05.2020 09:21
Würde der AG auf 6 Monaten bestehen und der Wechsel damit ggf nicht mehr möglich sein, weil die neue Stelle mitlerweile besetzt ist, DANN wäre es Schikane und die Antwort wären Urlaubsanträge und Krankenscheine. Allerdings trotzdem gleich 2x Jobverlust. Das wünscht man niemandem.

Tja nach dieser Logik schikaniert mich das Finanzamt auch, weil es meine Steuern ja auch nicht unbedingt braucht.

Ansonsten gilt, was Spid gerade schrieb.
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Philipp am 14.05.2020 13:32
Der AG verstößt auch ohne Eingruppierungsfeststellungsklage gegen seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wenn er nicht entsprechend der Eingruppierung vergütet, weil er über selbige irrt, da TB stets entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit eingruppiert sind und sich aus dieser unmittelbar der Entgeltanspruch ergibt. Bräuchte der AN so wie der AG einen Kündigungsgrund, so hätte er wohl einen. Es ist aber eben unter normalen Umständen kein hinreichender Grund für eine fristlose Kündigung.

Wozu sollte ein AN einen Kündigungsgrund brauchen?
Jedem AN steht frei seine Anstellung aus freiem Willen zu kündigen, einfach nur 'weil er Bock drauf hat'
Titel: Antw:AN-seitige fristlose Kündigung aufgrund vermuteten Eingruppierungsirrtums
Beitrag von: Spid am 14.05.2020 13:38
Du bist wahrscheinlich kein deutscher Muttersprachler? Ansonsten wäre Dir die Bedeutung des Konjunktivs sicherlich bekannt.