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Beamte und Soldaten => Beamte der Länder und Kommunen => Thema gestartet von: livani am 04.08.2019 21:46

Titel: [Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 04.08.2019 21:46
Hallo,

ich strebe eine Verbeamtung an und muss nun zur amtsärztlichen Untersuchung. Und ehrlich gesagt habe ich ziemliche Bedenken, ob ich die "bestehe". Mir geht es zwar aktuell gut, aber ich war in der Vergangenheit ziemlich krank und habe mehrere längere Krankenhausaufenthalte hinter mir (2 x 6 Monate, 2 x 3 Monate, 2 x 6 Wochen). Auch war ich zwischenzeitlich längere Zeit arbeitsunfähig. Ich habe einen GdB von 30 und bin nicht gleichgestellt bzw. nur unter der Voraussetzung, dass eine Schwerbehinderung Einstellungsbedingung ist.

Ich habe gelesen, dass bei einer vorliegenden Schwerbehinderung die Dienstfähigkeit nur für die nächsten 5 Jahre beurteilt wird. Insofern wäre es vermutlich günstiger, ich würde die Untersuchung als Schwerbehinderte antreten? Mein Arzt meint, ich würde bei einer erneuten Beurteilung sicherlich einen GdB von 50 bekommen.

Ich bin mir echt unsicher, was ich machen soll - schnell vorher noch eine Neubeurteilung des GdB anstreben oder lieber so in die Untersuchung gehen? Bringt es evtl. was, sich von Ärzten Berichte einzuholen, die bestätigen, dass meine Erkrankung sich fortlaufend verbessert hat?

Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Kingrakadabra am 05.08.2019 06:26
Ich würde die Gleichstellung auf jeden Fall beantragen bzw. gar eine Erhöhung des GdB.
Berichte bzw. Gutachten der Fachärzte sind nie verkehrt.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Tagelöhner am 05.08.2019 07:08
Vorab schon einmal sorry für die ehrlichen Worte (ist nicht persönlich gemeint):

Aber wenn man Dich bei dieser Krankenvorgeschichte, Ausfalllzeiten von 1 Jahr und 9 Monaten und einer bestehenden chronischen Erkankung verbeamten würde, wäre das aus meiner Sicht ein heftiges Vergehen am Beamtenverhältnis und dem Steuerzahler. Hat Dir deine Dienststelle ernsthaft angeboten, bei dieser Historie in das Beamtenverhältnis zu wechseln? Sachen gibt's... ???

Das Beamtenverhältnis ist im Kern ein auf Lebenszeit angelegtes besonderes Dienst- und Treueverhältnis. Ich will anhand Deiner Schilderungen schon anzweifeln, ob hier überhaupt ein halbwegs positiver Ausblick zur Erreichung des regulären Pensionseintrittsalters und einer langfristig hohen Leistungsfähigkeit besteht, oder ob nicht viel mehr ein hohes Risiko für eine vorzeitige Dienstunfähigkeit besteht.

Genau das muss aber deine Dienststelle/potenzieller Dienstherr und der Amtsarzt erörtern.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Kingrakadabra am 05.08.2019 11:15
Bei einer Schwerbehinderung wird der Prognosezeitraum auf 5 Jahre "verkürzt". Dies ist in den Fürsorgerichtlinien festgeschrieben. Wenn diese Prognose zutrifft, warum soll dann nicht verbeamtet werden?
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: was_guckst_du am 05.08.2019 11:39
...weiler mit 30 % nicht unter diese Regelung fällt...
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Kingrakadabra am 05.08.2019 13:55
Deshalb sollte ja umgehend ein Antrag auf Erhöhung des GdB gestellt werden. Auf jeden Fall sollte eine Gleichstellung angestrebt werden.
Wenn alle Stricke reißen, kann eine Übernahme als Angestellter geprüft werden.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 05.08.2019 19:26
Danke für eure Antworten. Also sollte ich eurer Meinung nach noch vor der Beurteilung durch den Amtsarzt zusehen, dass ich den Status einer Schwerbehinderten erlange? Kann ich denn noch einmal eine Gleichstellung beantragen? Das habe ich ja schon einmal getan. So bliebe vermutlich nur der Weg, eine erneute Einschätzung beim Versorgungsamt zu beantragen. Dafür müsste ich wiederum die Einschränkungen durch meine Erkrankung in den Vordergrund stellen, sieht das der Amtsarzt dann?

Ich habe irgendwie Angst, dass ich durch alle Raster falle. Meine Krankenhausaufenthalte liegen 15-20 Jahre zurück mit Ausnahme von den beiden kürzeren. Meine Erkrankung hat sich deutlich gebessert, ich nehme inzwischen auch quasi keine Medikamente mehr.

Ich bin übrigens bereits unbefristet angestellt und habe nicht mehr Fehltage als die Kollegen. Im Gegenteil. Ich fände es unfair, wenn ich wegen meiner ehemaligen sehr schweren, aber inzwischen deutlich besseren Erkrankung nicht verbeamtet würde. Da wird man irgendwie doppelt bestraft.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: WasDennNun am 05.08.2019 19:37
Ich bin übrigens bereits unbefristet angestellt und habe nicht mehr Fehltage als die Kollegen. Im Gegenteil. Ich fände es unfair, wenn ich wegen meiner ehemaligen sehr schweren, aber inzwischen deutlich besseren Erkrankung nicht verbeamtet würde. Da wird man irgendwie doppelt bestraft.
Naja, die Grundlage worauf der Dienstherr zu achten hat, ist ja oben genannt. Warum sollte man jemanden mit ner schlechten Prognose verbeamten. Das wäre ja ne Katastrophe.
So ärgerlich es für dich wäre.
Wenn jedoch die Prognose ok ist, dann steht dir ja der Weg offen.
Viel Erfolg.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 05.08.2019 20:33
Wird denn so ein positiver Trend berücksichtigt? Oder zählt nur, was man schon alles für Erkrankungen hatte?
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: clarion am 05.08.2019 23:06
Hallo,

ich bin mit bestehender Schwerbehinderung und auch etwas Übergewicht verbeamtet worden. Meine Behinderung besteht seit Geburt, hat auch vier Krankenhaus Aufenthalte verursacht. Sie ist aber stabil. Die Folgen sind gut abschätzbar und verursachen auch keine Dienstunfähigkeit, höchstens indirekt, da mir manche Dinge schwerer fallen.

Das Übergewicht wurde aber durchaus kommentiert und der Amtsarzt hat die dickentypischen Krankheiten abgeprüft und ich musste ein 24 Stunden EKG und 24 Stunden Blutdruckmessung machen. Ich hatte wegen der Aufregung beim Amtsarzt einen erhöhten Blutdruck. Da war aber alles okay und ich wurde nach der ganzen Rennerei verbeamtet.

Wegen der Behinderung musste ich auch auf die ach so großzügige Öffnungsaktionen der PKV zurückgreifen. Ich zahle für einen beihilfekonformen Basis Tarif mindestens genauso viel wie Nichtbehinderte für das Rundum-Sorglospaket. Das war aber immer noch billiger als freiwillig gesetzlich zu bleiben. Mein Bundesland bietet leider keine Wahlmöglichkeit zwischen Beihilfe und Zuschuss zur GKV.

Man muss sich gut überlegen, ob man sich verbeamten lässt. Faustregel, je älter man ist und je niedriger die Besoldung, umso weniger lohnend.

Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Kingrakadabra am 06.08.2019 06:23
Auf jeden Fall versuchen die 50 % zu erlangen. Der Amtsarzt hat dann nur zu prognostizieren, ob du innerhalb von 5 Jahren DU werden könntest. Dies dürfte ggf. durch Gutachten von Fachärzten widerlegt werden können.
Leider sehen die "Gesunden" diese Sachen immer als Vorteile der Behinderten an, dabei handelt es sich um Nachteilsausgleiche.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 06.08.2019 21:14
Ich danke euch ganz herzlich :-).

@clarion: Was die PKV angeht, habe ich Glück: Da ich dort bereits eine Zusatzversicherung habe, werde ich ohne Gesundheitsprüfung/Risikozuschläge übernommen.

@kigrakadabra: So sehe ich das auch. Ich würde liebend gerne auf diese "Vorteile" verzichten, wenn ich dafür gesund wäre.

Ich habe gerade ein Gerichtsurteil gefunden, wo ein Lehrer erfolgreich die Gleichstellung eingeklagt hat, um verbeamtet zu werden. Ich denke, dann versuche ich das als Erstes, dürfte schneller gehen als eine erneute Beurteilung. Ich bin nämlich etwas spät dran, habe schon die Aufforderung bekommen, mich vom Amtsarzt checken zu lassen...
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Kingrakadabra am 07.08.2019 11:01
Auf jeden Fall. Der Antrag auf Gleichstellung gilt ja ab dem Tag des Eingangs bei der zuständigen Stelle. Der Schwerbehindertenbeauftragte der Behörde hilft sicher gerne.

Alles Gute!
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 14.08.2019 23:49
Hallo,

ich nochmal. Ich habe heute endlich den Gleichstellungsantrag von der Arbeitsagentur bekommen und fülle ihn gerade aus. Dort wird u.a. danach gefragt, wie sich meine Erkrankung auf meine derzeitige Tätigkeit auswirkt und ob bzw. weswegen ich in laufender ärztlicher Behandlung bin. Nun ist es ja so, dass mein Arbeitgeber den Antrag zu Gesicht bekommt, deshalb tue ich mich schwer damit, zu den o.g Punkten ehrliche Angaben zu machen. Ich möchte ja keine schlafenden Hunde wecken, nicht, dass man auf die Idee kommt, ich sei gesundheitlich überhaupt nicht für den Job geeignet, den ich nun schon seit 2 Jahren mache. Es geht mir ja nur darum, bei der gesundheitlichen Eignungsuntersuchung weniger strenge Bedingungen erfüllen zu müssen. Kann es Nachteile für mich haben, wenn ich ehrliche Angaben in dem Gleichstellungsantrag mache? Bzw. kann es nachteilig sein, wenn ich zu diesen Punkten im Antrag keine Angaben mache?
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Landsknecht am 15.08.2019 07:48
Bist du dir sicher, das dein AG den Antrag zu Gesicht bekommt? Warum sollte er?
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 15.08.2019 11:19
Nein, ich bin mir nicht sicher. Ich habe aber gelesen, dass er je nach Begründung des Antrags erfährt, welche Leistungsbeeinträchtigungen bestehen. Auf jeden Fall erfährt er, dass ich einen Antrag zur Gleichstellung gestellt habe.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Landsknecht am 15.08.2019 13:10
Dein Arbeitgeber erhält einen gesonderten Fragebogen (Befragung) aber niemals den von dir ausgefüllten und bei der Arbeitsagentur eingereichten, habe einen Fall in meinen Unterlagen gefunden.

Es werden Tätigkeit, gesundheitliche Beeinträchtigungen (häufige Fehlzeiten etc.), Eignung des derzeitigen Arbeitsplatzes, mögliche technische/organisatorische Hilfen, Gefährdung des Arbeitsplatzes, Fragen zu Kündigungsschutz, Bestehen einer Integrationsvereinbarung, abgefragt. Ebenso wird eine Stellungnahme des SB-Vertreters angefordert, falls gewählt/vorhanden. Alles aus Sicht des Arbeitgebers, unabhängig von deinem Antrag.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 15.08.2019 14:34
Danke, das beruhigt mich sehr. Ich möchte mit dem Antrag ja nicht meine Situation verschlechtern...
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: livani am 23.08.2019 16:36
Hallo,

ich habe die Gleichstellung bekommen! Das ging superschnell innerhalb von 4 Tagen! Ich habe zusätzlich zum Antrag eine erklärende Stellungnahme mitgeschickt, in der ich auf entsprechende Gerichtsurteile verwiesen habe. Vielleicht hat das geholfen. Das ist doch wirklich sehr schnell, oder?

Ich bin sehr erleichtert und habe nun nicht mehr sooo große Angst vor der amtsärztlichen Untersuchung.
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Kingrakadabra am 26.08.2019 06:41
Danke, das beruhigt mich sehr. Ich möchte mit dem Antrag ja nicht meine Situation verschlechtern...

Inwiefern sollte die Situation verschlechtert werden?
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Mayday am 26.08.2019 12:06
Bei einer Schwerbehinderung wird der Prognosezeitraum auf 5 Jahre "verkürzt". Dies ist in den Fürsorgerichtlinien festgeschrieben. Wenn diese Prognose zutrifft, warum soll dann nicht verbeamtet werden?

Bayern hatte den Prognosezeitraum auf 5 Jahre verkürzt, aber haben da auch die anderen Länder und der Bund nachgezogen? Das OVG Hamburg hatte 10 Jahre festgelegt. Zudem dürfen keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr zu erwarten sein.
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OVG%20Hamburg&Datum=26.09.2008&Aktenzeichen=1%20Bf%2019%2F08
Titel: Antw:[Allg] Verbeamtung und chronische Erkrankung
Beitrag von: Skedee Wedee am 26.08.2019 14:28
Hamburg hat abgesenkt: in einem Zeitraum von 8 Jahren ab Beginn des Beamtenverhältnisses auf Probe
bzw. 5 Jahre nach Übernahme (Prognosezeitraum) eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50% dafür spricht, dass die Beamtin bzw. der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden (Prognosemaßstab). -> Teilhabeerlass Hamburg

Bayern: 5 Jahre ab Widerrufsbeamter, ansonten 5 Jahre ab Probebeamter. -> Nummer 4.6.2.2.1 der BayInklR

BaWü: 5 Jahre bei der Einstellung bzw. bei der Ernennung auf Lebenszeit muss mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der schwerbehinderte Mensch mindestens
fünf Jahre dienstfähig bleibt. Dies muss im ärztlichen Gutachten zum Ausdruck kommen. -> Nummer 3.5 BeamtVwV