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Allgemeines und Sonstiges => allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: BAT am 02.11.2020 16:32

Titel: Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: BAT am 02.11.2020 16:32
Ist es legitim, wenn jemand seinen bereits bewilligten Urlaub bei Eintritt des Quarantänefalles nicht mehr stornieren darf?

Also Teile der Quarantäne mit Urlaubstagen belegt werden?
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 02.11.2020 16:34
Ja.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: BalBund am 02.11.2020 18:17
So einfach wie spid es sich gerne macht ist es leider nicht, der Sachverhalt ist aber zu ungenau.

Spid hätte Recht, wenn Du:
- Urlaub eingereicht hast, nun aber aufgrund von lockdownlight nicht mehr an dein Ziel reisen kannst oder willst

Spid liegt falsch, wenn Du:
- einer offiziellen Quarantäne / Selbstisolation wegen Kontakt zu einem bestätigten/wahrscheinlichen Fall unterliegst
- dein Dienstherr Dich auffordert, aktuell die Dienststelle nicht aufzusuchen, weil dort mutmaßlich ein Fall vorliegt

Im ersteren Fall kannst Du die mit dem Urlaub erwünschte Erholung auch in den eigenen vier Wänden erzielen, der Rest unterliegt dem Risiko im persönlichen Lebensbereich. Im zweiten Fall unterliegst Du einer offiziellen Weisung, die dem Charakter von Urlaub entgegensteht, zumal Du mit einer Erkrankung mittelbar rechnen musst. im Dritten Fall hat Dein Dienstherr Dich mutmaßlich freigestellt, dann muss er auch den Urlaub zurückgewähren (das ist aber zugegeben aktuell strittig).
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 02.11.2020 18:38
Nein, Spid liegt nicht falsch. Wer falsch liegt, ist derjenige, der irgendwas von einem Dienstherrn blubbert. Auch die Weisung offizieller Stellen berührt nicht die Erfüllung des Urlaubsanspruches - tut Untersuchungshaft schließlich auch nicht. Eine Freistellung schließlich kann nur vorliegen, wenn eine Arbeitspflicht besteht. Die liegt bei Erholungsurlaub nicht vor noch wäre der Erholungsurlaub dadurch in irgendeiner Form berührt, daß man den eigenen Arbeitsplatz nicht aufsuchen dürfte - schließlich ist das Nichtaufsuchen des Arbeitsplatzes Wesensmerkmal des Erholungsurlaubs.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Novus am 02.11.2020 21:38
Muss sich ein Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anordnung in häusliche Quarantäne begeben und ist tatsächlich erkrankt, findet für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit eine Anrechnung auf den Jahresurlaub nicht statt (§ 9 BurlG).

Tritt die Erkrankung nicht ein ist es gesetzlich nicht geregelt - es gibt eine Klage durch den DGB, allerdings ist diese noch nicht entschieden.

Man kann aber davon ausgehen, dass bei einem ärztlichen oder behördlichen Quarantäneanweisung der "Urlaub" nicht zur Erholung genutzt werden kann. In einigen Dienststellen existieren Absprachen mit den Personalräten bzw. Dienstvereinbarung in denen geregelt wird in wie weit Urlaub dann verschoben werden darf.
Ebenso sind viele große AG zu folgendem Konzept übergegangen: liegt eine Ärztliche Bescheinigung zur Quarantäne oder eine Anweisung des Gesundheitsamtes vor werden die Urlaubstage ersetzt.

Eine gesetzlichen Anspruch gibt es allerdings nicht. Diesen versucht gerade der DGB zu erstreiten.

Grüße
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 02.11.2020 21:48
Eine Arbeitsunfähigkeit war nicht Bestandteil der Sachverhaltsschilderung.

Was der DGB möchte, ist glücklicherweise unbeachtlich. Da der DGB mutmaßlich keinen Anspruch auf Erholungsurlaub hat, sehe ich nicht, daß eine solche Klage durch den DGB von einem Gericht in der Sache entschieden würde. Sie wäre als unzulässig zurückzuweisen.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: BalBund am 02.11.2020 21:59
Irren ist spidlich, aber das macht ja nichts. Wir dürfen hier ja verschiedene Meinungen haben  ::)

Ich empfehle zu dem von Novum ausgeführten noch die dienstrechtlichen Erläuterungen des BMI vom 24.07.2020 (hier: https://www.vbb.dbb.de/fileadmin/user_upload/www_vbb-bund_de/pdf/2020/200724_BMI_Dienstrechtliche_Hinweise_zum_Umgang_mit_den_Folgen_des_Coronavirus.pdf)

Diese "Hinweise" zur Quarantäne dürften für den Dienstherren verbindlichen Charakter haben, auch die Länder werden sich schwer tun, da eine andere Auffassung zu vertreten. Sollte die Dienststelle hier querschießen müsste man selbstverständlich wegen eines Ermessensfehlers rechtlich aktiv werden...

Bezüglich der dritten Fallkonstellation bin ich eher bei  §8 Absatz 2 der Erholungsurlaubsverordnung (EUrlV). Hier dürften die wichtigen Gründe schwerer wiegen, als etwaiges gegenläufiges Interesse des Dienstherren.

 
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 02.11.2020 22:04
Warum sollte ich mich für Beamtengedöns interessieren?
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Novus am 02.11.2020 22:45
Ersterer wurde auch :D  deshalb dauert es noch

Der DGB zahlt und stellt die Anwälte - das dürfte ausreichen.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 02.11.2020 23:03
Also keine Klage durch den DGB? Sondern lediglich eine, die von ihm unterstützt wird?

Das Unterfangen hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Tatbestände, die zur Nichtanrechnung führen, sind im BUrlG abschließend geregelt. Eine Aufenthaltsbeschränkung steht auch der Erholung nicht entgegen. Selbst wenn man eine medizinische Vorsorgemaßnahme erkennen würde, fehlt es am Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: BAT am 03.11.2020 10:50
Warum ist die Stornierung nicht möglich? Welcher Zeitraum für eine spätest mögliche Stornierung wäre zugrunde zu legen?

Konkret: Quarantäne ab Montag 1. Woche, am gleichen Tag Begehr auf Stornierung des bereits bewilligten Urlaubs für die Woche 2 (mit Ankündigung stattdessen in Woche 2 Home-Office zu machen)
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 03.11.2020 11:05
Wenn sich AG und AN auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs zu einem bestimmten Zeitpunkt geeinigt haben, kann davon nur in beiderseitigem Einvernehmen abgewichen werden. Eine einseitige Erklärung ist dafür unzureichend.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Öffdler am 03.11.2020 12:08
wobei das BMI-Schreiben sicher hilfreich ist, mit dem AG ein Einvernehmen zur Rücknahme oder Verlegung des Urlaubs zu erreichen.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 03.11.2020 12:13
Wenn der AG die Bundesrepublik Deutschland ist, ja, sonst nicht.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: AndreasG am 03.11.2020 15:46
Keinen Geschiss machen, den Arzt anrufen "Hey Doc ich bin in Quarantäne und habe leichte Erkältungssymptome."

Schon ist man für den Rest der Quarantäne krankgeschrieben.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 03.11.2020 15:53
Inwiefern würden leichte Erkältungssymptome zur Arbeitsunfähigkeit führen?
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: AndreasG am 03.11.2020 20:16
Leichte Halsschmerzen reichen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung bei einer Quarantäne bereits aus dass eine AU bescheinigt werden darf.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 03.11.2020 20:25
Eine Arbeitsunfähigkeit darf genau dann bescheinigt werden, wenn eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Ansonsten leistet man Beihilfe zum Betrug.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: AndreasG am 03.11.2020 20:28
Ich kann hier nur wiedergeben was die KBV ihren Mitgliedern mitteilt:

Zitat
GRUNDSÄTZLICH GILT:
›Ist der Patient krank, weil er zum Beispiel Schnupfen und leichte Halsschmerzen hat, stellt der Arzt eine AU-Bescheinigung aus.

›Zeigt der Patient keine Symptome, darf der Arzt keine AU-Bescheinigung ausstellen. Das gilt auch, wenn die Person auf das Virus positiv getestet wurde.  In diesem Fall reicht der Patient den behördlichen Bescheid über die Anordnung der Quarantäne beim Arbeitgeber ein.



https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_Coronavirus_Krankschreibung.pdf
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 03.11.2020 20:32
Und ich kann hier nur die Rechtslage wiedergeben: Eine Arbeitsunfähigkeit darf genau dann bescheinigt werden, wenn eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: WasDennNun am 04.11.2020 06:48
Bleibt abzuwarten ob die geschädigten AG da gerichtlich vorgehen.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: AndreasG am 04.11.2020 10:30
Bleibt abzuwarten ob die geschädigten AG da gerichtlich vorgehen.

Denke ich nicht denn die Erfolgsaussichten dürften bei 0 liegen es sei denn der Arbeitnehmer "verplappert" sich.

Denn was hat der Arbeitgeber denn in der Hand? Die Vermutung dass der Arbeitnehmer in Quarantäne aber nicht Arbeitsunfähig ist.

Der Arbeitnehmer hat aber ein Attest das ihm die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt und vor allem hat der Arbeitgeber dank der Quarantäne keinen Zugang zum Arbeitnehmer.

Die Erfolgsaussichten hängen daher davon ab ob des dem Arbeitgeber gelingt die Glaubwürdigkeit der AU zu beschädigen. Ohne irgendwas in der Hand ist das eigentlich unmöglich.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 04.11.2020 10:39
Was alles nichts daran ändert, daß es sich um Betrug handelt - und bei der Bescheinigung einer nicht bestehenden Arbeitsunfähigkeit um Beihilfe dazu. Wenn man einen Bauhofmitarbeiter mit E2 statt einer zustehenden E4 vergütet, ist die Wahrscheinlichkeit auch gering, daß derjenige das merkt - ändert aber nichts am Betrug.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: WasDennNun am 04.11.2020 10:41
Die Erfolgsaussichten hängen daher davon ab ob des dem Arbeitgeber gelingt die Glaubwürdigkeit der AU zu beschädigen. Ohne irgendwas in der Hand ist das eigentlich unmöglich.
Nun, der AG bezahlt für die Quarantäne Zeit kein Geld an dem MA, der MA muss dann nachweisen, dass er AU war, der AG zweifelt dies an, das Gericht lässt dann feststellen, ob er AU war oder nicht.
Es gibt durchaus Fälle, wo die AU des Arztes als Falsch festgestellt wurde und der Arzt einen druff bekommen hat.

Einfacher für den AG: Dem AN während der Q HomeOffice machen lassen, so hat er wenigstens bisserl was vom AN.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: AndreasG am 04.11.2020 10:52
Die Erfolgsaussichten hängen daher davon ab ob des dem Arbeitgeber gelingt die Glaubwürdigkeit der AU zu beschädigen. Ohne irgendwas in der Hand ist das eigentlich unmöglich.
Nun, der AG bezahlt für die Quarantäne Zeit kein Geld an dem MA, der MA muss dann nachweisen, dass er AU war, der AG zweifelt dies an, das Gericht lässt dann feststellen, ob er AU war oder nicht.
Es gibt durchaus Fälle, wo die AU des Arztes als Falsch festgestellt wurde und der Arzt einen druff bekommen hat.

Einfacher für den AG: Dem AN während der Q HomeOffice machen lassen, so hat er wenigstens bisserl was vom AN.

Die Klage dürfte schnell gelaufen sein:

Arbeitnehmer: Klage auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - hier ist mein Attest.
Arbeitgeber: Ich zweifele das Attest an weil... öhm... weil ich es anzweifele.

Da lacht der Richter kurz und spricht das Urteil.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 04.11.2020 11:03
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist kein Attest. Es ist die ärztliche Bescheinigung über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit. Diese begründet die widerlegbare Vermutung einer Arbeitsunfähigkeit. Der AG muß lediglich die Glaubwürdigkeit erschüttern, um die Arbeitsunfähigkeit zum Gegenstand der Tatsachenfeststellung durch das Gericht zu machen. Das ist vorliegend einfach, da die kassenärztliche Vereinigung ihre Mitglieder ja offenkundig zur Ausstellung falscher Bescheinigungen ermutigt hat - wie Du ja selbst dargelegt hast.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: WasDennNun am 04.11.2020 12:41
Arbeitnehmer: Klage auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - hier ist mein Attest.
Arbeitgeber: Ich zweifele das Attest an weil... öhm... weil ich es anzweifele.

Da lacht der Richter kurz und spricht das Urteil.
Es gibt tausende von Menschen die einen Attest haben dass sie dauerhaft krank sind, aber die trotzdem Arbeitsfähig sind.
Da lacht der Anwalt und sagt, Attest mit welchem Inhalt?
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Feidl am 05.11.2020 12:37
Ich vermute mal, dass kaum ein öffentlicher Arbeitgeber zur Zeit noch Bedienstete mit Erkältungssymptomen auf Arbeit lässt.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: WasDennNun am 05.11.2020 12:54
Ich vermute mal, dass kaum ein öffentlicher Arbeitgeber zur Zeit noch Bedienstete mit Erkältungssymptomen auf Arbeit lässt.
Das ist aber was anderes, als eine betrügerische AUB vom Arzt.
Natürlich steht es dem AG frei seinen Mitarbeitern zu sagen:
Bleibt zu hause, wenn ihr die oder die Symptome habt.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: AndreasG am 05.11.2020 13:03
Betrügerisch bzw Betrug setzt allerdings die Absicht auf seiten des Arztes vorraus
dem Arbeitnehmer einen rechtswidrigen Vermögensvorteil bzw dem Arbeitgeber
einen Vermögensschaden zu verursachen.

Da sich der Arzt aber nur gemäß des Schreibens der KBV verhällt, sehe ich hier keinen Betrug
von Seiten des Arztes und auch das Vorgehen der KBV wäre nur dann "betrügerisch" wenn hier eine
entsprechende Absicht vorliegt.

Zitat
Es gibt tausende von Menschen die einen Attest haben dass sie dauerhaft krank sind, aber die trotzdem Arbeitsfähig sind.
Da lacht der Anwalt und sagt, Attest mit welchem Inhalt?

Es ist nicht Aufgabe des Arbeitnehmers die Richtigkeit des Attestes nachzuweisen sondern der Arbeitgeber muss zuerst einmal die Glaubwürdigkeit des Attestes hinreichend erschüttern.

Ob dazu zb der Verweis auf das Schreiben der KBV ausreicht wage ich zu bezweifeln denn der Arbeitgeber weis schlicht nicht wie stark die Erkältungssymptome des sich in Quarantäne befindlichen Arbeitnehmers sind.

Da er das nicht weis kann er nur vermuten. In der einschlägigen Rechtssprechung reicht die Vermutung des Arbeitgebers der AN wäre arbeitsfähig und die AU wäre fälschlicherweise ausgestellt aber in der Regel nicht aus.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: Spid am 05.11.2020 13:10
Es geht weder um ein Attest noch hätte jemand behauptet, der Arzt, der eine unrichtige Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ausstellt, beginge Betrug. Es geht vielmehr um die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit und eine damit begangene Beihilfe zum Betrug. Dazu genügt die vorsätzliche Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit.
Titel: Antw:Quarantäne vs. Urlaub
Beitrag von: WasDennNun am 05.11.2020 13:15
Und einige Ärzte durften aufgrund ihres saloppen Umganges durchaus schon mal ein paar tausender Strafe zahlen.