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Allgemeines und Sonstiges => allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: Mask am 17.11.2020 10:36

Titel: Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Mask am 17.11.2020 10:36
Hallo zusammen,

ich bin heute erstmalig mit dieser Rechtsauffassung konfrontiert worden:

"Kündigungszustellung – Hinweis für die Praxis
Insbesondere bei der Zustellung von Kündigungen durch Mitarbeiter oder Anwälte ist sicherzustellen, dass die Kündigung nicht an einer Zurückweisung nach § 174 BGB wegen fehlender Botenvollmacht scheitert. Aus diesem Grund sollte hier stets zusammen mit der Kündigung auch die Vollmachtsurkunde an den Erklärungsempfänger ausgehändigt werden.“

Das ganze ergibt sich aus einem Blogbeitrag auf der Seite Expertenforum Arbeitsrecht von einer Frau Abendroth.

Gibt es Dienststellen, die dies tatsächlich praktizieren (bzw. diese Auffassung überhaupt teilen)? Bei uns werden derartige Schriftstücke schlicht durch den Fahrdienst zugestellt und die Zustellung durch diese protokolliert. Eine wie auch immer geartete Vollmacht aufgrund einer analogen Anwendung von § 174 BGB auf den Überbringer (nicht Unterzeichner) habe ich bisher nie in Erwägung gezogen.

VG
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Spid am 17.11.2020 10:58
Die analoge Anwendung des §174 BGB auf den Boten, der eine Kündigung überbringt, ist ein Hirngespinst in der Rechtsliteratur, das trotz jahrzehntelanger Praxis der inkriminierten Vorgehensweise keinerlei Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden hat.
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Mask am 17.11.2020 10:58
Hatte hier eigentlich auf einen anderen Beitrag geantwortet, der fehlt inzwischen leider...

Hätte ich auch so gesehen, aber die Anwältin will hier den 174 analog auf den Boten anwenden, was ich völlig abwegig finde (will am Ende aber auch nicht über so einen selten doofen Formfehler stolpern)
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Kommunalgenie am 17.11.2020 10:58
da bei uns sowieso das Problem besteht, dass unsere Hobbypolitiker den billigsten und damit leider auch unzuverlässigsten Fahrdienst als unseren Postdienst auserkoren haben, schicke ich, bei wichtigen Dokumenten, um solche in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgetretenden Probleme zu vermeiden, immer zwei meiner Mitarbeiter mit einer Vollmacht sowie einer Empfangsbestätigung, auf welcher der Empfänger und/ oder zumindest beide meiner Boten unterschreiben.
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Mask am 17.11.2020 10:59
Danke Spid
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: AndreasG am 17.11.2020 12:02
da bei uns sowieso das Problem besteht, dass unsere Hobbypolitiker den billigsten und damit leider auch unzuverlässigsten Fahrdienst als unseren Postdienst auserkoren haben, schicke ich, bei wichtigen Dokumenten, um solche in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgetretenden Probleme zu vermeiden, immer zwei meiner Mitarbeiter mit einer Vollmacht sowie einer Empfangsbestätigung, auf welcher der Empfänger und/ oder zumindest beide meiner Boten unterschreiben.

Lohnt sich das denn wirklich? Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher kostet meist irgendwas zwischen 10 und 15€

Wenn ich da 2 Mitarbeiter mit dem Dienstwagen durch die Gegend schicke bin ich doch fast immer bei höheren Kosten dabei.

Zumal ich der Aussage bzw der Beurkundung durch einen Gerichtsvollzieher auch mehr Beweiskraft zurechnen würde als der zweier Mitarbeiter die auf Anweisung handeln.
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: WasDennNun am 17.11.2020 12:46
Lohnt sich das denn wirklich? Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher kostet meist irgendwas zwischen 10 und 15€

Wenn ich da 2 Mitarbeiter mit dem Dienstwagen durch die Gegend schicke bin ich doch fast immer bei höheren Kosten dabei.
Nein sind doch ehdakosten :o :o
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Kommunalgenie am 17.11.2020 12:59
da bei uns sowieso das Problem besteht, dass unsere Hobbypolitiker den billigsten und damit leider auch unzuverlässigsten Fahrdienst als unseren Postdienst auserkoren haben, schicke ich, bei wichtigen Dokumenten, um solche in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgetretenden Probleme zu vermeiden, immer zwei meiner Mitarbeiter mit einer Vollmacht sowie einer Empfangsbestätigung, auf welcher der Empfänger und/ oder zumindest beide meiner Boten unterschreiben.

Lohnt sich das denn wirklich? Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher kostet meist irgendwas zwischen 10 und 15€

Wenn ich da 2 Mitarbeiter mit dem Dienstwagen durch die Gegend schicke bin ich doch fast immer bei höheren Kosten dabei.

Zumal ich der Aussage bzw der Beurkundung durch einen Gerichtsvollzieher auch mehr Beweiskraft zurechnen würde als der zweier Mitarbeiter die auf Anweisung handeln.

Ich habe dazu noch keine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt, jedoch ist bei uns auf dem Lande der Großteil der Empfänger in <10 minuten Autoweg zu erreichen, während der Gerichtsvollzieher knapp 40 Minuten benötigen dürfte. Die Kilometerpauschale wäre dann wahrscheinlich auch dementsprechend hoch?
Die Methode hat sich bisher bewährt und solange es vor Gericht standhält werde ich das wohl so weiterführen^^
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Mask am 17.11.2020 15:33
Wie würdet ihr auf eine Zurückweisung einer Kündigung aufgrund der fehlenden Boten-Vollmacht reagieren?

Hätte grds. dazu tendiert, nichts zu tun (bzw. kurz mitzuteilen, dass ich nicht der Auffassung bin, dass eine solche Vollmacht von Nöten ist) und die Frist des § 4 KSchG abzuwarten.

Wenn man aber nun die Auffassung vertritt, dass eine Vollmacht doch notwendig ist, dann hätten wir einen rechtsgeschäftlichen Mangel der Kündigung und die Frist würde nicht laufen, da die Kündigung dem AG nicht zugerechnet werden kann...
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: AndreasG am 17.11.2020 15:50
Wie würdet ihr auf eine Zurückweisung einer Kündigung aufgrund der fehlenden Boten-Vollmacht reagieren?

Die Zurückweisung zurückweisen und gleichzeitig hilfsweise erneut Kündigen.

Im Worst Case greift die Kündigung dann erst zum nächsten Termin. Bis zu diesem genau prüfen ob man nicht
Gründe für eine fristlose Kündigung findet.


Zitat
Hätte grds. dazu tendiert, nichts zu tun (bzw. kurz mitzuteilen, dass ich nicht der Auffassung bin, dass eine solche Vollmacht von Nöten ist) und die Frist des § 4 KSchG abzuwarten.

Problematisch. Kommt das Arbeitsgericht zu einer anderen Rechstauffassung wurde die Kündigung nie zugestellt...
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Spid am 17.11.2020 16:10
Ich würde von der Wirksamkeit der Kündigung ausgehen - bis das BAG etwas anderes behauptet.
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Mask am 17.11.2020 17:03
Finde das mit der Zurückweisung und zusätzlich hilfsweisen Kündigung eig. ganz charmant; gibt es hier Fallstricke zu beachten wenn ich quasi "nochmal" die Kündigung ausspreche ?
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Spid am 17.11.2020 17:28
Nein, je mehr Kündigungen desto besser - der AN muß jede durch Kündigungsschutzklage angreifen.
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Mask am 19.11.2020 14:48
Wenn die erste schon eine ordentliche Kündigung war und hier alle Gremien beteiligt wurden, ist dann eine erneute Information / Beteiligung bzgl. der weiteren hilfsweisen Kündigung nötig ?
Titel: Antw:Kündigung durch Boten, Vollmachtsurkunde erforderlich?
Beitrag von: Spid am 19.11.2020 14:59
Im Geltungsbereich des BetrVG ja, siehe u.a. BAG, Urteil v. 10.11.2005 - 2 AZR 623/04.