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Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H => TV-L => Thema gestartet von: KleineTaube am 30.10.2023 15:55
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Hallo zusammen,
mir ist unbewusst etwas passiert und ich möchte gerne mal eure Meinungen hören. Ich bin seit 2017 Teil einer Behörde in des Landes NRW und habe dort mit unter 23 Jahren angefangen.
Scheinbar hat jemand 2018 nach meinem 23sten Geburtstag bei den Sozialversicherungsbeiträgen etwas falsch eingegeben und mir damit ein Kind angehangen was ich bis vor wenigen Wochen nicht mal wusste. Bei der Lohnsteuer ist jedoch alles korrekt und ich stehe ohne Kinderfreibetrag da.
Mir persönlich ist es als Leihe natürlich auch nicht aufgefallen, dass etwas falsch ist und nun kam die Tage das böse erwachen und ich soll mit einem Mal alles zurückzahlen. Das ganze fiel auch nur auf, da sich ja die Beiträge für kinderlose verändert haben und ich plötzlich eine Abfrage nach Daten zu einem Kind hatte.
Ich habe mich natürlich direkt ans LBV NRW gewandt und dort sagte man mir nur „Hier sitzen auch nur Menschen“. Das mag sein und ich verstehe das auch, dass da auch nur Menschen sitzen, aber wie kann sowas wirklich viele Jahre nicht auffallen? Warum informiert man über den Fehler nicht vor der Abrechnung?
Ich frage mich trotzdem, ob eine Rückzahlung von 2018 bis 2023 überhaupt rechtens ist.
Hat einer schonmal was ähnliches durchgemacht?
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Bei den Sozialversicherungsbeiträgen ist der Arbeitgeber Schuldner gegenüber den Sozialversicherungsträgern. Der Arbeitnehmer ist nur beitragspflichtig und muss sich seine Arbeitnehmeranteile vom Lohn abziehen lassen. Führt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitsentgelt seines Arbeitnehmers nicht korrekt ab, darf er den Betrag im Allgemeinen nur innerhalb der folgenden drei Gehaltszahlungen nachträglich abziehen.
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Gilt da nicht der TV-L §37 Ausschlussfrist
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.
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Sind das den. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis?
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Sozialversicherungsbeiträge fallen eindeutig nicht unter die Ausschlussfrist
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Ich hatte es schon vermutet, da die Sozialabgaben für jeden nachzurechnen/kontrollieren sind.
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Erstmal Danke für eure Antworten. Ich bin zwar immer noch komplett planlos aber trotzdem danke. ::)
Ich gebe mal ein kurzes Update:
Nachdem ich bereits am Freitag Kontakt mit dem LBV hatte und man mir sagte, dass eine Ratenzahlung möglich wäre, sollte ich per Kontaktformular einen kurzen Dreizeiler schreiben. Ebenfalls sollte ich dann auch die vollen Bezüge für 10/2023 erhalten.
Habe ich natürlich alles getan und habe bisher noch keine Info erhalten ob es genehmigt wurde oder nicht.
Ein Blick auf mein Konto verriet mir dann jedoch, dass es scheinbar nicht gekappt hat. Auch hier habe ich mich erneut ans LBV gewandt und dort hieß es dann „Ja das wurde doch genehmigt und Sie sollten eine Info erhalten haben. Wie dies ist nicht der Fall? Okay ich eröffne ein Ticket bei der Sachbearbeiterin und die wirds sich bei Ihnen melden.“
Der Anruf ist mittlerweile auch sieben Stunden her. Ich rechne heute definitiv nicht mehr mit einem Anruf. Und bin schon auf die nächste Abrechnung gespannt. ::)
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Du solltest den Arbeitgeber schriftlich darauf aufmerksam machen, dass du nicht bereit bist, für den gesamten Zeitraum zu zahlen sondern nur für die letzten3 Monate
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Rechtsgrundlage § 28g SGB IV (Beitragsabzug):
"Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält."
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Nochmals danke für die Antworten.
Ich habe gestern ein Schreiben aufgesetzt indem ich wie von McOldie beschrieben nicht den kompletten Zeitraum zahlen werde.
Den von chetti beschriebenen Paragraphen habe ich ebenfalls jetzt noch hinzugefügt und dass ich mich auf diesen beziehe.
Den Brief schicke ich morgen per Einschreiben ab.
Ich danke euch nochmals sehr für eure Unterstützung. :D
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Hoffe, dass das schnell zu Deinen Gunsten entschieden wird.
Eine Info hier über das Ergebnis wäre für Andere mit ähnlichen Herausforderungen sicher ebenso hilfreich.
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Natürlich werde ich im weiteren Verlauf Updates schreiben.
Vielleicht ist das irgendwann jemandem in einer ähnlichen Situation hilfreich.
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Kleines Update:
Heute kam ein Brief des LBV an. In dem Brief geht es jedoch nur um die Ratenzahlung. Kurioserweise wird hier von einer Falschberechnung seit 01/2019 gesprochen, anders als in meiner Bezügemitteilung welche bis 05/2018 zurückreicht.
Noch kurioser ist, dass in einem Satz geschrieben wir, dass es von meinem Gehalt direkt abgezogen wir und in einem Weiteren, dass wenn ich den Forderungen nicht termingerecht nachkomme, man mir mit Zwangsvollstreckung droht. Wie eine nicht termingerechte Einbehaltung der Rate möglich ist, für mich ebenfalls ein Mysterium :o
Auf meinen Brief habe ich bisher keine Antwort erhalten. Sobald ich da etwas neues hab, werde ich wieder ein Update schreiben.
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Für Sozialversicherungsbeiträge gilt eine 4jährige Verjährungsfrist. Die Beiträge für 2018 sind bereits verjährt, also musste dein Arbeitgeber sie auch nicht nachentrichten.
Die Einbehaltung des im Gesamtsozialversicherungsbeitrages enthaltenen Arbeitnehmeranteils von deinem Entgelt ist nur bei den nächsten 3 Gehaltszahlungen ab der unterbliebenen Einbehaltung zulässig, wie hier schon geschrieben wurde. Das bedeutet, dass jeweils von dem Monat auszugehen ist, in dem der Gesamtsozialversicherungsbeitrag fällig war. Es ist nicht maßgebend, wann der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag oder wie hier Teile davon tatsächlich zahlt bzw. gezahlt hat. Die Frist des § 28g SGB IV ist vom Arbeitgeber zwingend zu beachten. Sie gilt allerdings nicht, wenn du durch falsche Angaben/Nachweise bewirkt hast, dass dein Arbeitgeber den Zuschlag nicht abgeführt hat.
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Könnte er/sie sich nicht auf Entreicherung berufen?
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Nein. Die Einbehaltung von Arbeitnehmeranteilen vom Entgelt richtet sich nach dem SGB, nicht nach dem BGB.
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Nein. Die Einbehaltung von Arbeitnehmeranteilen vom Entgelt richtet sich nach dem SGB, nicht nach dem BGB.
Der Einwand der Entreicherung ist dadurch nicht ausgeschlossen.
Auf die Entreicherung kann man sich berufen, wenn eine zu Unrecht erlangte Leistung (ungerechtfertigte Bereicherung) nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe vorhanden ist....Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen erfahrungsgemäß auf die Verwendung zum Lebensunterhalt geschlossen werden kann....
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Die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ist nur möglich, wenn es sich um einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung handelt. Das ist im geschilderten Sachverhalt nicht der Fall, da es sich um die nachträgliche Einbehaltung von Sozialversicherungsbeiträgen nach dem SGB handelt, die nur im Rahmen des § 28g SGB IV zulässig ist. Falls der Arbeitgeber allerdings anstelle der nachträglichen Einbehaltung vom Entgelt einen Anspruch nach § 812 BGB geltend macht, hast du recht.
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Hat der Arbeitgeber den (nun auf drei nachfolgende Arbeitsentgeltabrechnungen limitierten) Beitragsabzug ganz oder teilweise versäumt, dann muss er den auf den Arbeitnehmer entfallenen Beitragsanteil selbst tragen. Auch nach bürgerlichem Recht steht ihm ein Rückgriffsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer nicht zu. Das gilt auch dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet ist oder Zahlungen nicht mehr anfallen.
Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB kann nach dem Urteil des BAG vom 14.01.1988 nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt mit dem Ziel, den Beitragsabzug zu umgehen.
Der Gesetzgeber hat allerdings den Arbeitgebern ein erleichtertes Rückgriffsrecht auf den Arbeitnehmeranteil eingeräumt, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig seinen Auskunfts-, Mitteilungs- oder Vorlagepflichten zur Durchführung des Melde- und Beitragszahlungsverfahren nicht nachkommt. Kann der Arbeitgeber dies nachweisen, so dürfte ein Rückgriff auf die Arbeitnehmeranteile sowohl nach Ablauf von drei Lohn- oder Gehaltszahlungen als auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausnahmsweise zulässig sein. Ob hier eine solche Pflichtverletzung vorliegt, kann aus dem geschilderten Sachverhalt nicht eindeutig entnommen werden.
Festzuhalten ist, dass, sofern der Arbeitnehmer beim Beitragsabzug noch bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist, für Rechtsstreitigkeiten die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist, bei beendeten Beschäftigungsverhältnis dagegen die Arbeitsgerichtsbarkeit.
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Der Gesetzgeber hat allerdings den Arbeitgebern ein erleichtertes Rückgriffsrecht auf den Arbeitnehmeranteil eingeräumt, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig seinen Auskunfts-, Mitteilungs- oder Vorlagepflichten zur Durchführung des Melde- und Beitragszahlungsverfahren nicht nachkommt. Kann der Arbeitgeber dies nachweisen, so dürfte ein Rückgriff auf die Arbeitnehmeranteile sowohl nach Ablauf von drei Lohn- oder Gehaltszahlungen als auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausnahmsweise zulässig sein. Ob hier eine solche Pflichtverletzung vorliegt, kann aus dem geschilderten Sachverhalt nicht eindeutig entnommen werden.
Wäre es denn Vorsatz oder grob fahrlässig, wenn es für mich nicht einsichtlich war, dass ich da durch einen falschen Klick auf Seiten des LBV ein Kind nur an einer einzigen Stelle zugeschrieben bekommen habe? :-\
Hier auch noch ein Update zum aktuellen Stand:
Keine neuen Infos. Ich habe noch keine Rückmeldung erhalten und werde nächste Woche nochmals Kontakt aufnehmen.
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Es werden nur Standardantworten kommen.
Das Geld wird einbehalten.
Man wird vom LBV keine aussagekräftige Einzelfallantwort mit ausreichender rechtlicher Würdigung erhalten.
Wenn es um viel Geld geht: sofort Rechtschutz einschalten (wenn vorhanden).
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Vorsatz liegt vor, wenn die Angaben wissentlich und gewollt unrichtig beziehungsweise unvollständig gemacht worden sind.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Hiernach wird also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vorausgesetzt, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Das ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Eine solches Fehlverhalten könnte vorliegen, wenn sich aus einer oder mehrerer Bezügemitteilungen oder sonstiger Mitteilungen ergeben hat, dass die Elterneigenschaft erfüllt sei oder bei der Berechnung der Bezüge ein Kind berücksichtigt wird, obwohl man objektiv betrachtet kein Kind hat. Dann hätte man durch naheliegende Überlegungen feststellen können und müssen, dass der Arbeitgeber etwas falsch gemacht hat.
Sofern eine Mitglieschaft in einer Gewerkschaft vorliegt, würde ich mich dort beraten lassen. Mit Rechtschutzversicherung kann ein Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht weiterhelfen.
Andernfalls können auch Rechtsverbände wie beispielsweise der SOVD kostengünstig weiterhelfen.
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Hallo zusammen,
heute kann ich endlich ein Finales Update geben.
Der Brief hat scheinbar Wirkung gezeigt und alles ist erneut geprüft worden. Die Ansprüche auf seitens des LBV NRW wurden fallen gelassen.
Danke nochmals für eure Unterstützung und Tipps!
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Danke für das Update.
Dennoch erschreckend, dass auch das LBV NRW sich scheinbar nicht so gut mit der Rechtslage auskennt oder seine Bediensteten schlicht für dumm verkaufen möchte.
Denn hättest du dich nicht zur Wehr gesetzt, so hättest du den gesamten Betrag zahlen müssen.
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Ist wegen speziellerer Regelungen nicht einschlägig.