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Beamte und Soldaten => Beamte der Länder und Kommunen => Thema gestartet von: quaerensconsilium am 27.09.2024 08:21

Titel: [TH] Altersdiskriminierung in ThürBeurtVO?
Beitrag von: quaerensconsilium am 27.09.2024 08:21
Hallo! Ich möchte eine Frage bzw. einen Punkt zur aktuellen Thüringer Beurteilungsverordnung in Bezug auf eine mögliche Altersdiskriminierung zur Diskussion stellen.

In § 7 ThürBeurtVO ist ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab Regelungsgegenstand für dienstliche Beurteilungen.

Dieser wird wie folgt dargestellt:

„(1) Bei der Leistungsbewertung, der Eignungs- und Befähigungseinschätzung sowie der Bildung des Gesamturteils sind alle am Verfahren beteiligten Vorgesetzten verpflichtet, einen objektiven Maßstab anzulegen. Maßgeblich für die Beurteilung sind die Anforderungen des dem Beamten zum Beurteilungsstichtag übertragenen Statusamtes und des konkret wahrgenommenen Dienstpostens. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung sind die im übertragenen Aufgabenbereich insgesamt gezeigten Leistungen zu den Anforderungen des dem Beamten zum Beurteilungsstichtag übertragenen Statusamtes in Beziehung zu setzen und mit den Leistungen anderer Beamter desselben Statusamts vergleichend zu würdigen. Bei der Bewertung bildet die den Anforderungen entsprechende Tätigkeit des Beamten den Beurteilungsmaßstab. Die Zugehörigkeit zu einer Vergleichsgruppe bestimmt sich nach dem Statusamt. In der einer Beförderung nachfolgenden dienstlichen Beurteilung bilden die Anforderungen an die Beamten des neu übertragenen Statusamts den Vergleichsmaßstab.

(2) Bei Regelbeurteilungen sollen Richtwerte für die durch das Gesamturteil festzulegende Notenstufe berücksichtigt werden. Der Anteil der Beamten einer Vergleichsgruppe, die beurteilt werden, soll im Gesamturteil in der Notenstufe nach § 9 Satz 1 Nr. 1 nicht mehr als zehn Prozent und in der Notenstufe nach § 9 Satz 1 Nr. 2 nicht mehr als 20 Prozent der Beamten betragen. Eine Überschreitung der in Satz 2 genannten Richtwerte ist in Ausnahmefällen möglich. Ist die Anwendung von Richtwerten wegen zu kleiner Vergleichsgruppen nicht möglich, sind die Beurteilungen in geeigneter Weise entsprechend zu differenzieren.“

Hierzu konkretisiert die Verwaltungsvorschrift für die Beurteilung der Beamten der Thüringer Polizei (Az.: 46-0425-2/2020, ThürStAnz Nr. 13/2020 S. 523 — 524) unter Ziff. 3.5:

„Richtwerte (zu § 7 ThürBeurtVO)

Um eine einheitliche Anwendung des Beurteilungsmaßstabs auf untereinander vergleichbare Beamte sicherzustellen, sind bei Regelbeurteilungen Vergleichsgruppen zu bilden. Innerhalb der Beurteilerzuständigkeit bilden die Beamten eines Statusamtes eine Vergleichsgruppe. Das Amt im statusrechtlichen Sinn wird grundsätzlich durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, durch das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und durch die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung gekennzeichnet.

Für die Anwendung von Richtwerten nach § 7 Abs. 2 der Thüringer Beurteilungsverordnung soll eine Vergleichsgruppe mindestens 25 Personen umfassen. Innerhalb einer kleineren Gruppe obliegt es den Beurteilern im Einzelfall, sich an den durch die Richtwerte ausgedrückten Vorstellungen und Maßstäben
zu orientieren, um ein ausdifferenziertes Leistungsbild zu gewährleisten.“

In Anlage 1 zur ThürBeurtVO sind die Beurteilungsmerkmale geregelt. Unter Ziff. II sind die Eignungs- und Befähigungsmerkmale geregelt. Hier unter Ziff. 2 wird der Wesensgehalt des Merkmals „Auffassungsgabe und Beweglichkeit des Denkens“ wie folgt beschrieben:

„Beurteilt wird die Fähigkeit, Sachverhalte zu erfassen und hieraus folgende Frage- und Problemstellungen auf Grundlage konzeptionellen Herangehens lösen zu können. Berücksichtigt wird dabei auch die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Aufgaben, Lösungswegen und Wissensinhalten.“

Jetzt zum Hintergrund meiner Frage/Diskussionsanregung:

Ich habe den Laufbahnwechsel in den gD erst spät (mit Mitte 40) vollzogen. Wenn ich die o. g. Aspekte nicht missdeute, werde ich also in der nächsten Beurteilung in Bezug auf das Merkmal „Auffassungsgabe und Beweglichkeit des Denkens“ in meiner statusamtbezogenen Vergleichsgruppe mit Kollegen verglichen, die zum Teil wesentlich jünger sind. Gleiches gilt im Besonderen auch für die Merkmale „Urteilsfähigkeit und Entschlusskraft“ sowie „Belastbarkeit“.

Ich befürchte hier eine Stereotypisierung, denn wenn nach allgemeiner Ansicht davon ausgegangen wird, dass ältere Menschen generell weniger flexibel im Denken sind, während jüngere Menschen als kognitiv beweglicher angesehen werden, würde dies auf stereotype Annahmen beruhen. Solche Stereotype können diskriminierend wirken, da sie nicht den individuellen Fähigkeiten oder der Erfahrung der Person Rechnung tragen.

Wenn für die Denkbeweglichkeit von bspw. 30-Jährigen und 50-Jährigen dieselben Maßstäbe verwendet werden, ohne die natürlichen Veränderungen in den kognitiven Prozessen mit zunehmendem Alter zu berücksichtigen, könnte dies ebenfalls diskriminierend sein. Es wäre m. E. n. fairer, altersgerechte Vergleichsgruppen oder Beurteilungskriterien zu verwenden, die die Stärken und Herausforderungen unterschiedlicher Altersgruppen respektieren. Das bildet die aktuelle ThürBeurtVO so nicht ab.

Mich würde eure Meinung hierzu interessieren. Gern sollen sich an der Diskussion auch alle anderen Forenmitglieder beteiligen, welche nicht Beamte des Freistaats Thüringen sind.
Titel: Antw:[TH] Altersdiskriminierung in ThürBeurtVO?
Beitrag von: Casa am 27.09.2024 11:19
Zitat
Wenn für die Denkbeweglichkeit von bspw. 30-Jährigen und 50-Jährigen dieselben Maßstäbe verwendet werden, ohne die natürlichen Veränderungen in den kognitiven Prozessen mit zunehmendem Alter zu berücksichtigen, könnte dies ebenfalls diskriminierend sein. Es wäre m. E. n. fairer, altersgerechte Vergleichsgruppen oder Beurteilungskriterien zu verwenden, die die Stärken und Herausforderungen unterschiedlicher Altersgruppen respektieren. Das bildet die aktuelle ThürBeurtVO so nicht ab.

Die Annahme zur kognitiven Leistungsfähigkeit kann in der Pauschalität Jüngere -> kognitiv leistungsfähig, Ältere -> kognitiv weniger leistungsfähig, von der Wissenschaft nicht bestätigt werden. Richtig ist, dass ein Verfallsprozess stattfindet, ähnlich wie beim Körper (Falten, weniger Muskulatur usw.).
Dem kann entgegengewirkt werden.
Auch ein 60-jähriger kann einen Marathon laufen, dafür muss er aber schon ein paar Jahre gelaufen sein. Wenn er erst mit 60 anfängt zu laufen, wird er einige Jahre benötigen, um den Marathon zu laufen. Vielleicht schafft er es auch nie.

Würde man deiner Auffassung folgen, würde die Beurteilung anderer Merkmale, wie bspw. Fachliches Wissen und Können und aller anderen erst zu erlernenden Merkmale, eine Diskriminierung Jüngerer darstellen. Die Jüngeren hatten altersbedingt noch nicht so viel Zeit Neues zu erlernen.


Selbst in dem genannten Beurteilungskriterium mit dem Inhalt

„Beurteilt wird die Fähigkeit, Sachverhalte zu erfassen und hieraus folgende Frage- und Problemstellungen auf Grundlage konzeptionellen Herangehens lösen zu können. Berücksichtigt wird dabei auch die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Aufgaben, Lösungswegen und Wissensinhalten.“

sind mehrere Teillemente enthalten. Selbst wenn das Teilelement "Sachverhalte zu erfassen" bei Jüngeren stärker ausgeprägt sein sollte, sollte das Teilelement "hieraus folgende Frage- und Problemstellungen auf Grundlage konzeptionellen Herangehens lösen zu können" mit Beurteilung von Lösungswegen und Wissensinhalten, eher bei Älteren stärker ausgeprägt sein. Der Jüngere mit 5 Jahren Dienstzeit hat erfahrungsbedingt weniger Wissen, als der Ältere mit 20 Jahren Dienstzeit.

Ich sehe keine verbotene Diskriminierung im Sinne des Art. 3 III GG. Ich sehe auch nicht, dass wesentlich Ungleiches gem. Art. 3 I GG gleichheitswidrig gleich, bzw. nicht im Wesentlichen ungleich behandelt wird.


Grüße aus Thüringen ;-)