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Beamte und Soldaten => Beamte Bayern => Thema gestartet von: IoannisHe am 02.12.2025 10:40

Titel: Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: IoannisHe am 02.12.2025 10:40
Kurz zu meiner Person: Ich bin 36 Jahre alt, Beamter auf Lebenszeit seit 7 Jahren im Schuldienst. Ich war letztes Jahr bereits krankgeschrieben und beim AA wegen Tinnitus/Depression/Hyperakusis. Da eine DU (hab leider keine Versicherung) gerade fatal wäre, wir haben ein Kind und bin gerade „Ernährer“, quäle ich mich seit einem Dreivierteljahr wieder in die Schule. Ich merke aber, dass ich die Anforderungen einfach nicht mehr bewältigen kann, jeder 6-Stunden-Tag türmt sich morgens mannshoch auf, ich bin daheim wie gerädert und der Umgang mit meinem eigenen Kind fällt mir schwer, weil ich einfach sozial und lärmmäßig völlig überreizt bin. Während ich in der kinderlosen das alles durch viel Schlaf und Erholung nach der Schule noch irgendwie kompensieren konnte, ist das mit Familie nicht mehr möglich. Zudem werden die Bedingungen an der Hauptschule immer schwieriger. Meine Psychiaterin würde mich sofort wieder und längerfristig krankschreiben, wie der HNO auch.

Daher habe ich ein paar Gedanken, über die ich euch mal befragen wollte, vielleicht hat jemand Erfahrungen:

(1) Wie lange zieht sich ein DU Verfahren hin? Wie lange kann man die nach der Überprüfungsuntersuchung eine DU vermeiden?


(2) Falls es zu einer DU kommt: Darf man sich beruflich umorientieren? Studieren? Duales Studium? (innerhalb der hinzuverdienstgrenzen)

(3) Thema anderweitige Verwendung: Ich würde mich liebendgerne 40 Stunden die Woche in ein Amt setzen und auch an einer diesbezüglichen Umschulung teilnehmen. Ist das als Lehrer realistisch? Hat da jemand Erfahrungen?

Auch für jeden anderen Input bin ich sehr dankbar.

Liebe Grüße
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: Garfield73 am 02.12.2025 11:00
Jeder Amtsarzt tickt wahrscheinlich anders, aber ich habe (leider) die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwer ist einen Beamten gegen seinen Willen in die DU zu bekommen.
Ausbaden müssen das halt immer die Kollegen, weil die dessen Arbeit mitmachen müssen.
Zumindest solange, bis er nicht mehr zugerechnet wird.
Hat man den Hoffnungen, dass man irgendwann mal wieder einsatzfähig sein wird?

Zur anderweitigen Verwendung: A13-Posten pflegen in der Regel ein Studium als Voraussetzung zu haben. Umschulung kann ich mir deshalb nur schwer vorstellen.
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: Henri74 am 02.12.2025 11:09
Welches Bundesland bist du? Seit wie vielen Jahren bist du verbeamtet? Falls eine DU ansteht, wirst du in den Ruhestand versetzt, wenn Du seit mehr als 5 Jahren verbeamtet bist. Ich glaube, das Ref zählt nicht mit. Hast Du weniger als fünf Jahre, dann wirst Du im Falle der DU entlassen. Hast Du mehr, dann wirst Du den Ruhestand versetzt. Zeiten im Lehrerberuf zählen dann for die Berechnung der Höhe des Ruhegehaltes mit.
Ich bin in NRW wegen DU in den Ruhestand versetzt worden. Ich darf alle Arbeitstätigkeiten machen, die vom Amtsarzt nicht wegen meiner Leistungseinschränkungen ausgeschlossen worden sind. Dürfte ich auch Vollzeit. Ab einer gewissen Einkunftshöhe würde dann einer Verrechnung mit dem Ruhegehalt erfolgen. Da gibt es eine individuelle unschädliche Hinzuverdienstgrenze, die man sich ausreichend lassen kann. Man kann so ungefähr die Lücke finanziell füllen, wenn man gesundheitlich das kann. Für alle Tätigkeiten gilt, dass sie deiner Gesundheit nicht schaden dürfen und in den ersten fünf Jahren muss man in NRW die Art der Tätigkeit dem DH anzeigen, dabei inhaltlich keine dienstlichen Überschneidungen der Tätigkeit geben darf. Einkünfte müssen dem Landesamt für Besoldung und Versorgung gemeldet werden (auch nach den 5 Jahren). Falls du nicht als vollständig dienstunfähig vom AA eingestuft wirst, sondern eine anderweitige Verwendung in Frage kommt, dann muss der DH eine neue Beschäftigung suchen. Auch Umschulungen sind zu prüfen. Findet der DH nichts und kann das nachweisen, darf er dich in den Ruhestand versetzen. Für Menschen mit Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung gelten dabei besondere Bestimmungen, die dazu führen, dass die Voraussetzungen für eine erlaubte Versetzung indem Ruhestand höher sind. Das ganze kann unterschiedlich Lande dauern. Bist du vollständig DU, nicht anderweitig verwendbar und hast keine Gleichstellung oder anerkannte Behinderung vielleicht so zwischen 6 - 18 Monaten vom ersten Tag der Krankschreibung. Hast du speziellen Schutz durch Gesetzt für Menschen mit Behinderungen und bist anderweitig verwendbar, kann es vielleicht so 18 bis 36 Monate dauern. Ich war anderweitig verwendbar und für mich wurde keine andere Tätigkeit gefunden. War auch noch recht jung. Hat etwas über 3 Jahre gedauert. Bin jetzt im Ruhestand mit Nebenjob. Ich würde dir empfehlen, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen bevor, Dich vom Anwalt beraten zu lassen und ggf. einen GDB / Gleichstellung prüfen zu lassen. Mir geht es deutlich besser seitdem ich im Ruhestand bin. Ich hatte da lange Angst und wollte im Dienst bleiben und nicht scheitern, aber es war für meine Gesundheit das beste.
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: IoannisHe am 02.12.2025 14:21
Jeder Amtsarzt tickt wahrscheinlich anders, aber ich habe (leider) die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwer ist einen Beamten gegen seinen Willen in die DU zu bekommen.
Ausbaden müssen das halt immer die Kollegen, weil die dessen Arbeit mitmachen müssen.
Zumindest solange, bis er nicht mehr zugerechnet wird.
Hat man den Hoffnungen, dass man irgendwann mal wieder einsatzfähig sein wird?

Zur anderweitigen Verwendung: A13-Posten pflegen in der Regel ein Studium als Voraussetzung zu haben. Umschulung kann ich mir deshalb nur schwer vorstellen.

Hey, danke dir für deine Antwort. Aus deinen Ausführungen schließe ich, dass du Amtsarzt bist?

Hoffnungen auf  Regeneration mache ich mir derzeit eher nicht. Ich war ja wegen der Symptomatik ein halbes Jahr zuhause und in der Zeit hat sich mein Zustand deutlich gebessert. Seitdem ich wieder in der Schule bin (Jetzt ein 3/4 Jahr etwa), verschlechtert sich mein Zustand wieder zusehends. Ich habe keine Ahnung, ob eine längere Auszeit (evtl. Kur), die über ein Jahr hinausgeht, mir etwas bringt.

Bezüglich der Umschulung hab ich auch etwas gelesen von Verwendung für geringerwertige Tätigkeit. Kannst du da etwas aus der Praxis sagen, ob das realistisch ist oder schreibt man jemanden dann lieber DU?

Danke, bin für jede Hilfe dankbar.
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: IoannisHe am 02.12.2025 14:24
Welches Bundesland bist du? Seit wie vielen Jahren bist du verbeamtet? Falls eine DU ansteht, wirst du in den Ruhestand versetzt, wenn Du seit mehr als 5 Jahren verbeamtet bist. Ich glaube, das Ref zählt nicht mit. Hast Du weniger als fünf Jahre, dann wirst Du im Falle der DU entlassen. Hast Du mehr, dann wirst Du den Ruhestand versetzt. Zeiten im Lehrerberuf zählen dann for die Berechnung der Höhe des Ruhegehaltes mit.
Ich bin in NRW wegen DU in den Ruhestand versetzt worden. Ich darf alle Arbeitstätigkeiten machen, die vom Amtsarzt nicht wegen meiner Leistungseinschränkungen ausgeschlossen worden sind. Dürfte ich auch Vollzeit. Ab einer gewissen Einkunftshöhe würde dann einer Verrechnung mit dem Ruhegehalt erfolgen. Da gibt es eine individuelle unschädliche Hinzuverdienstgrenze, die man sich ausreichend lassen kann. Man kann so ungefähr die Lücke finanziell füllen, wenn man gesundheitlich das kann. Für alle Tätigkeiten gilt, dass sie deiner Gesundheit nicht schaden dürfen und in den ersten fünf Jahren muss man in NRW die Art der Tätigkeit dem DH anzeigen, dabei inhaltlich keine dienstlichen Überschneidungen der Tätigkeit geben darf. Einkünfte müssen dem Landesamt für Besoldung und Versorgung gemeldet werden (auch nach den 5 Jahren). Falls du nicht als vollständig dienstunfähig vom AA eingestuft wirst, sondern eine anderweitige Verwendung in Frage kommt, dann muss der DH eine neue Beschäftigung suchen. Auch Umschulungen sind zu prüfen. Findet der DH nichts und kann das nachweisen, darf er dich in den Ruhestand versetzen. Für Menschen mit Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung gelten dabei besondere Bestimmungen, die dazu führen, dass die Voraussetzungen für eine erlaubte Versetzung indem Ruhestand höher sind. Das ganze kann unterschiedlich Lande dauern. Bist du vollständig DU, nicht anderweitig verwendbar und hast keine Gleichstellung oder anerkannte Behinderung vielleicht so zwischen 6 - 18 Monaten vom ersten Tag der Krankschreibung. Hast du speziellen Schutz durch Gesetzt für Menschen mit Behinderungen und bist anderweitig verwendbar, kann es vielleicht so 18 bis 36 Monate dauern. Ich war anderweitig verwendbar und für mich wurde keine andere Tätigkeit gefunden. War auch noch recht jung. Hat etwas über 3 Jahre gedauert. Bin jetzt im Ruhestand mit Nebenjob. Ich würde dir empfehlen, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen bevor, Dich vom Anwalt beraten zu lassen und ggf. einen GDB / Gleichstellung prüfen zu lassen. Mir geht es deutlich besser seitdem ich im Ruhestand bin. Ich hatte da lange Angst und wollte im Dienst bleiben und nicht scheitern, aber es war für meine Gesundheit das beste.

Hey vielen Dank für deine lange Antwort und die vielen wichtigen Informationen! Tut mir leid für dich, aber wenn es dir jetzt besser geht, ist das echt wichtig.

Vielleicht kannst du mir sagen, wie damals die Verwendung nach einer anderweitigen Verwendung gelaufen ist? Warst du auch im Schuldienst?

Weißt du noch, wie hoch dein Hinzuverdienst möglich gewesen wäre?

Rechtschutzversicherung habe ich zum Glück, habe auch schon einen Fachanwalt für Beamtenrecht und würde da auf jeden Fall alles professionell begleiten lassen.
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: Henri74 am 02.12.2025 19:03
Ich war nicht im Schuldienst. Hatte aber auch viel mit Menschen zu tun und es gab spezielle dienstliche Belastungen. Laut AA wäre ein Bürojob mit nicht ganz so vielen anstrengenden Sozialen Kundenkontakten möglich gewesen.
In NRW gibt es bei Landesamt für Finanzen eine kleine Abteilung / kleines Projekt. Das nennt sich „Vorfahrt für Weiterbeschäftigung“. Die kümmern sich für alle Landesbehörden darum, die gesetzliche vorgeschriebene Suche nach einem Dienstposten zu machen. Da werden dann alle Behörden angeschrieben und freue Dienstposten abgefragt. Und Möglichkeiten eines Laufbahnwechsels auch. Also Studium zum Verwaltungswirt und Ähnliches. Für mich hat man nicht gefunden. Von allen Behörden gab es negative Rückmeldungen und dann gab es einen Bericht darüber. Der war dann die Grundlage, dass ich in den Ruhestand versetzt werde. Dann kann man ggf. auch gegen klagen. Manchmal wird nicht ausreichend gesucht oder es werden Fehler gemacht. Dazu kann dich dein Sneakt ja beraten.

Meine Hinzuverdienstgrenze habe ich mir nie konkret ausrechen lassen. Ich hatte mir mal das entsprechende Gesetz raus gesucht und selbst nachgerechnet. Das waren so um die 1800 brutto. Da bin ich eh weit von entfernt. Melde einfach nur meine Einkünfte. Deine Hinzuverdienstgrenze kann aber auch höher sein. Die ist ziemlich individuell. Glaube, beim LBV gibt auch so Merkblätter als Download, wo die Berechnung erklärt wird. Bist du aus NRW?
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: clarion am 02.12.2025 23:48
Gibt es eine Förderschule für Hörbehinderung in der Nähe? Ein Bekannter von mir hatte im Ref eine beginnende Hörstörung, die mit der Zeit schlechter wurde, so dass es irgendwann in den großen Gymnasialklassen einfach nicht mehr ging. Er hat noch drei Semester Sonderpädagogik studiert und arbeitet jetzt an einer solchen Schule. Der Vorteil: Kleine Klassen und die Schule ist akustisch optimal eingerichtet. Natürlich gibt es auch dort Kinder mit Schwierigkeiten, aber man hat deutlich weniger Kinder, deutlich weniger Krach und mehr Zeit für jedes Kind.
Titel: Antw:Erfahrung mit Dienstunfähigkeit
Beitrag von: egonkrenz am 03.12.2025 08:06
Kurz zu meiner Person: Ich bin 36 Jahre alt, Beamter auf Lebenszeit seit 7 Jahren im Schuldienst. Ich war letztes Jahr bereits krankgeschrieben und beim AA wegen Tinnitus/Depression/Hyperakusis. Da eine DU (hab leider keine Versicherung) gerade fatal wäre, wir haben ein Kind und bin gerade „Ernährer“, quäle ich mich seit einem Dreivierteljahr wieder in die Schule. Ich merke aber, dass ich die Anforderungen einfach nicht mehr bewältigen kann, jeder 6-Stunden-Tag türmt sich morgens mannshoch auf, ich bin daheim wie gerädert und der Umgang mit meinem eigenen Kind fällt mir schwer, weil ich einfach sozial und lärmmäßig völlig überreizt bin. Während ich in der kinderlosen das alles durch viel Schlaf und Erholung nach der Schule noch irgendwie kompensieren konnte, ist das mit Familie nicht mehr möglich. Zudem werden die Bedingungen an der Hauptschule immer schwieriger. Meine Psychiaterin würde mich sofort wieder und längerfristig krankschreiben, wie der HNO auch.

Daher habe ich ein paar Gedanken, über die ich euch mal befragen wollte, vielleicht hat jemand Erfahrungen:

(1) Wie lange zieht sich ein DU Verfahren hin? Wie lange kann man die nach der Überprüfungsuntersuchung eine DU vermeiden?


(2) Falls es zu einer DU kommt: Darf man sich beruflich umorientieren? Studieren? Duales Studium? (innerhalb der hinzuverdienstgrenzen)

(3) Thema anderweitige Verwendung: Ich würde mich liebendgerne 40 Stunden die Woche in ein Amt setzen und auch an einer diesbezüglichen Umschulung teilnehmen. Ist das als Lehrer realistisch? Hat da jemand Erfahrungen?

Auch für jeden anderen Input bin ich sehr dankbar.

Liebe Grüße


Servus, ich melde mich mal hier als ebenfalls betroffener von tinnitus und hyperakusis und kann deine beschwerden zu 100% nachvollziehen. ich war selbst immer mal wieder für einige wochen krank geschrieben. sobald ich den ort schule verlasse bzw mich dort nicht aufhalten muss, gehts mir besser. leider reicht mittlerweile das wochenende nicht mehr aus um mich vollständig von der woche zu erholen. das liegt auch daran, dass die arbeit und die arbeitszeit in der schule größer geworden ist.

allerdings wollte ich dich mal fragen: warum bist du bei einem psychiater? mir hat mein hno arzt unbedingt eine kognitive verhaltenstherapie bei einem psychologen ans herz gelegt. Ich habe dann erstmal überall angerufen und bekomme aktuell keinen freien therapieplatz bei einem psychologen. also hab ich auch psychiater angerufen aber die meinten, die können mir bei tinnitus und hyperakusis gar nicht helfen, weil sie eher so eine psychoanalyse mit 3 terminen pro woche durchführen.

hast du schon ein hörgerät probiert? das soll ja angeblich auch helfen bei tinnitus und hyperakusis?

nun noch zur DU: am besten du bringst dem amtsarzt ein schreiben von deinem hno mit, in dem klar drin steht, was der hno an therapie vorschlägt: zum beispiel stationärer aufenthalt 3 wochen oder unterricht in kleinen, geräuscharmen klassen (falls es sowas bei dir an der schule gibt)

am liebsten würde ich übrigens auch gern woanders arbeiten: schulbibliothek oder staatsarchiv oder in nem amt ohne bürgerkontakt, also einfach überall dort wo es ruhig ist.